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Predigt beim Festgottesdienst mit Firmung am Pfingstsonntag 2021 im Linzer Mariendom

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Der eine Geist und die vielen Gaben

Predigt beim Festgottesdienst mit Firmung am Pfingstsonntag

23. Mai 2021, Mariendom Linz

Religiös (un)musikalisch?

Vom Genetiker Markus Hengstschläger stammt das Buch Die Durchschnittsfalle. Gene – Talente – Chancen:1 Die Mittelmäßigkeit ist der Liebling der Österreicher. Das führt unser Land in eine evolutionäre Sackgasse. „Der Durchschnitt hat noch nie etwas Innovatives ge- leistet. Da schwärmt ein Vater: ‚Mein Sohn ist so problemlos, ist noch nie negativ aufgefallen.‘

Aber auch positives Auffallen ist nicht erwünscht. Die Gesellschaft arbeitet immer auf den Durchschnitt hin. Wie soll etwa eine Durchschnittsnote entscheiden, ob jemand ein guter Arzt wird? Der statistische Durchschnitt bringt nicht weiter und ist nicht zukunftstauglich. Wenn alles normal ist und ohnehin gleich, dann wird das konkrete antlitzhafte Du mit der konkreten Wirk- lichkeit von Leid, Angst, Unterdrückung und Tod aber ausgeblendet. Individualität hat keine Chance. Was ist bei einem statistischen Durchschnitt mit dem Gesicht, mit dem Antlitz, mit dem Namen? Was mit der Zärtlichkeit und mit dem Eros, was mit der Schönheit, was mit dem Beten? Sind Zahlen arbeitslos? Haben Statistiken Probleme? Sterben Zahlen an Krankheiten?

In der Sache geht es um das Talent oder auch Charisma, also um das individuelle, besondere Wissen, Können und Handeln-Wollen jedes Einzelnen. „So ein Talent“, sagen die einen, „hat man oder hat man nicht.“ „Aber nein“, sagen die anderen, „alles kommt nur vom Üben, Üben und wieder Üben.“ So nehmen wir nach Hengstschläger nicht die Talente wahr, sondern nur die Erfolge, die wir mit ihrer Hilfe erzielen. Oder: Talente können nicht gewertet werden, weil wir nicht wissen, welches Talent in der Zukunft von Bedeutung sein wird. Wer würde von uns sagen: Diese Frau ist ein Genie in der Pflege, oder: Der hat ein Talent zum Lehren? – Gilt diese Kritik an der Mittelmäßigkeit, am Durchschnitt und an der Gleichmacherei auch für die Kirche? Hat unser Niveau des Gebetes, der Bildung und der Caritas Zukunft?

„Ein feines Gefühl lässt sich so wenig lernen wie ein echtes. Man hat es – oder hat es nicht“, so lautet ein Aphorismus von Theodor Fontane. So was hat man oder man hat es nicht!? Gilt das für ein feines Gefühl, für Ausstrahlung, für Talente, für Charisma, Selbstbewusstsein, Rhe- torik, Liebesfähigkeit, für Berufung und Sendung?

„Sowas hat man“ ist ein Songtext von Böhse Onkelz: „Ich war zu groß, zu dick, zu blass / Zu irgendwas / KOMPLIZIERT / Quer über die Stirn tätowiert / Sowas hat man oder hat man nicht / Sowas ist man oder ist es nicht - alle Augen auf mich / Vom Prolet zum Prophet – ja sowas geht, wie ihr seht / Es ist ganz leicht – wenn man weiß, wie es geht / Heute begreife ich jedes Lied / Als einen Sieg / Über die Zeit / Über Herkunft und Vergangenheit.“ Oder ist jedes Lied, jedes Gebet, jedes Gespräch in der Schule ein Sieg über die Zeit, über die Herkunft und Ver- gangenheit?

1 Ecowin Verlag, Wien 2012.

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Du kannst etwas – Wir brauchen dich – Du gehörst dazu

Die Gesellschaft schuldet der Jugend ein gutes Lebensfundament und einen guten Start ins Leben. Ein gutes Lebensfundament sind Lebensmut und Lebensfreude, Selbstwissen, Selbst- achtung und Selbstvertrauen. Junge Menschen müssen wissen, wer sie sind, was sie wollen, was sie können, wenn sie im Leben einen guten Weg gehen möchten.

„Du kannst etwas! Wir brauchen dich! Du gehörst dazu!“ Junge Menschen brauchen Anerken- nung durch eine Gruppe von Gleichgestellten, Anerkennung durch Begleiterinnen und Beglei- ter, Anerkennung durch Gruppen, denen sie angehören, Anerkennung durch erbrachte Leis- tung. Freunde gehören nach wie vor zu den wichtigsten Prioritäten von jungen Menschen.

„Lebensplatz“ ist analog zum „Arbeitsplatz“ mehr als nur „Leben“, so wie ein Arbeitsplatz mehr als nur Arbeit ist. Es ist eine Verankerung im Leben mit wichtigen Bezugspersonen, mit wich- tigen Tätigkeiten, mit dem Wissen um Zugehörigkeit.

Was unsere Gesellschaft oft kalt und unbarmherzig macht, ist die Tatsache, dass in ihr Men- schen an den Rand gedrückt werden: die Arbeitslosen (Arbeitslosigkeit führt nicht selten zu Beziehungskrisen), die Ungeborenen, die psychisch Kranken, die Ausländer usw. Positiv ist demgegenüber das Signal: „Du bist kein Außenseiter!“ „Du gehörst zu uns!“ Du gehörst dazu, ihr gehört dazu! Kinder und Jugendliche sind im Gottesdienst willkommen, ohne sich in allem anpassen zu müssen. Ihr gehört zu uns, das kann heißen, dass die Familien die größte Pfle- geeinrichtung im Land sind. Ihr gehört dazu, das sollen in den Pfarren und in der Kirche auch jene hören, deren Beziehung gescheitert und deren Ehen zerbrochen sind. Du gehörst dazu, das gilt vor allem auch für Frauen, die ihre Kinder alleine großziehen.

„Eine ‚Mindest-Utopie’ müsse man verwirklichen – das ist ein Ausdruck, der verdiente, in unser Vokabular aufgenommen zu werden, nicht als Besitz, sondern als Stachel. Die Definition die- ser Mindest-Utopie: ‚Nicht im Stich zu lassen. Sich nicht und andere nicht. Und nicht im Stich gelassen zu werden.’“ (Hilde Domin, Aber die Hoffnung)

Das Charisma des behinderten Lebens

Zur Gabenbereitung brachten bei einer Wallfahrt Menschen mit Einschränkungen, mit Behin- derungen, aber auch mit besonderen Fähigkeiten ihre Gaben zum Altar: Es ist die Gabe der Freude, symbolisiert durch einen Luftballon, die Gabe der Hoffnung, dargestellt durch einen Blumenkranz, die Gabe des Mutes, eingebracht durch Füße, die Schritte tun, die Gabe der Freundschaft, vorgestellt durch ein Handy, die Gabe des Lächeln, vorgetragen mit einem Smiley durch Peppi, der ganz herzlich lachen kann, die Gabe des Lichtes, verbunden mit der Sonne, mit einer Kerze, und die Gabe der Zeit, zum Altar gebracht mit einer Uhr. – Behinderte Menschen sind nicht zuerst behindert oder von ihren Defiziten her zu sehen. Sie haben eine unersetzliche Würde und sind ein Geschenk und eine Gabe für die sogenannten Gesunden und Normalen. Gott schreibt das Hoheitszeichen seiner Liebe und Würde auf die Stirn eines jeden, der Gesunden und der Kranken. Keiner ist wiederholbar und ersetzbar, keiner ist eine Nummer oder ein Serienprodukt. Jeder Mensch hat einen unendlichen Wert. Gott hat sich jeden einzeln ausgedacht als Wunder mit einem speziellen Auftrag. Er ist nicht Gottes verges- senes Kind, das ihm gleichgültig wäre.

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

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