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Fast 100 Prozent der befragten Experten halten die Bedrohung durch Antibiotike Restistenzen für groß. (Bild: KIT/RAI)
Das wahre Ausmaß der Gefahr durch Antibiotika-Resistenzen für die Menschheit ist einer Umfrage unter Forschern zufolge nur schwer zu beziffern. Laut der Erhebung der Freien Universität Berlin und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), die an- lässlich der internationalen „World Antibiotic Awareness Week“
bis Sonntag 19. November vorgestellt wird, herrscht unter For- schern weltweit zwar große Einigkeit, dass Antibiotika-Resisten- zen eine ernsthafte Gesundheitsgefährdung darstellen. Doch lie- ßen sich die Zahl der Todesfälle nicht verlässlich angeben.
Spektakuläre Schätzungen wie die der britischen O’Neill-Kommission (https://amr-review.org/), die ab 2050 mit zehn Millionen Toten jähr- lich rechnet, hält demnach nur eine Minderheit der befragten Exper- ten für belastbar. 375 Forscherinnen und Forscher weltweit hat Mar- kus Lehmkuhl, Professor für Wissenschaftskommunikation in digita- len Medien, vom KIT und der Freien Universität für seine Erhebung online befragt. Zu Wort kamen Wissenschaftler, die in den vergange- nen drei Jahren einschlägige Studien in internationalen Fachzeit- schriften veröffentlicht haben. Zur „World Antibiotic Awareness Week“
Gefahr durch Antibiotika-Resistenzen weiterhin groß
Befragung von Antibiotika-Forschern weltweit zeigt Unsicherheit über Zahl der Todesopfer – Neues Umfragetool hilft, global Expertenmeinungen zu existenziellen Fragen einzuholen
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Presseinformation
Nr. 165 | cwe/mex | 15.11.2017
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rufen internationale Organisationen wie die World Health Organisa- tion WHO auf, um das Bewusstsein für Antibiotikaresistenz in der Öf- fentlichkeit zu stärken.
„Grund für die Unsicherheit bei der Bezifferung der Todesopfer ist eine erhebliche Uneinigkeit unter den Wissenschaftlern, ob sich de- ren Zahl mit den verfügbaren wissenschaftlichen Methoden beziffern lässt“, so Lehmkuhl. Die Verlässlichkeit dieser Methoden stufe ein knappes Drittel der Befragten als gering oder sehr gering ein, ein wei- teres Drittel als hoch oder sehr hoch. Das verbleibende Drittel habe sich nicht festlegen wollen.
Einig sind sich die befragten Wissenschaftler, dass Gegenmaßnah- men dringend erforderlich sind. Fast Alle (98,4 Prozent) befürchten ernste oder sehr ernste Konsequenzen, sollte nichts gegen die Aus- breitung resistenter Erreger unternommen werden. Die beiden sinn- vollsten Maßnahmen sind aus Sicht der Experten: Den Verbrauch von Antibiotika in der Medizin zu reduzieren und die Hygiene in Kliniken zu verbessern. Weiterhin wichtig: Den Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung verringern sowie Impfstoffe, alternative Therapien und schließlich neue Wirkstoffe gegen resistente Bakterien entwi- ckeln.
Angesichts der beschriebenen Herausforderungen sehen die Befrag- ten die Darstellung von Antibiotika-Resistenz in der Öffentlichkeit aber keineswegs als übertrieben an: „Knapp zwei Drittel sind der Auf- fassung, dramatische Formulierungen wie globale ‚Katastrophe‘ oder
‚Anbruch eines postantibiotischen Zeitalters‘ seien mehr oder weniger gerechtfertigt“, sagt Lehmkuhl. Das Fazit des Studienleiters: „Zwar ist man überzeugt, dass Antibiotika-Resistenzen sehr gefährlich sind, gleichzeitig ist man wegen methodischer Schwierigkeiten aber nur sehr bedingt in der Lage, belastbare Zahlen vorzulegen. Um trotzdem Aufmerksamkeit auf dieses wichtige Handlungsfeld zu lenken, halten die meisten der befragten Experten ein alarmierendes Vokabular für gerechtfertigt, weil sie davon ausgehen, dass die Medien darauf an- springen.“ Dies berge allerdings die Gefahr, dass es zu einer Art öf- fentlichem Überbietungsdiskurs komme. „Wer die höchsten Todes- zahlen nennt, die schrecklichsten Szenarien entwirft, der findet Ge- hör.“
Die Befragung ist Teil des Verbundprojektes „Rationaler Antibiotika- einsatz durch Information und Kommunikation“ (RAI), das von der Charité – Universitätsmedizin Berlin koordiniert und vom Bundesfor- schungsministerium gefördert wird. Die Wissenschaftler widmen sich sektorenübergreifend dem Thema Antibiotikaeinsatz und Resistenz- entwicklung. Lehmkuhls Teilvorhaben hat darüber hinaus zum Ziel, ein Umfragetool zu schaffen, mit dem eine möglichst große Zahl von
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Experten auf einmal zu einem Thema befragt werden kann – etwa durch Journalisten. „Der Wissensstand ist mittlerweile so groß und differenziert, dass Einzelne ihn nicht mehr repräsentieren können“, sagt Lehmkuhl. Ihm schwebt vor, dem Beispiel der Klimaforschung folgend, die Expertise der wissenschaftlichen Community global an- zuzapfen. Die 375 für die Antibiotika befragten Experten repräsentie- ren etwa 2500 Forscher weltweit, die in den vergangenen drei Jahren Studien über Antibiotika-Resistenz in internationalen Wissenschafts- zeitschriften veröffentlicht haben. Befragt wurden also 15 Prozent al- ler Wissenschaftler, die in dem Bereich arbeiten. Um diese Befragun- gen künftig auch bei anderen Themen durchführen zu können, ko- operiert das KIT beim Verbundprojekt RAI mit dem Science Media Center in Köln. Geplant ist, ein Verfahren zu etablieren, mit dem sich sämtliche Experten einschlägiger Fachgebiete punktuell in den öf- fentlichen Diskurs einbringen können. Zum Beispiel über ein Webpor- tal, über das Journalisten eine Anfrage an die weltweite Experten- schaft stellen können.
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“
schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Um- welt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebli- che Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9 300 Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaf- ten zusammen. Seine 26 000 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf ver- antwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wis- senschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brü- cke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftli- chen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer na- türlichen Lebensgrundlagen.
Das KIT ist seit 2010 als familiengerechte Hochschule zertifiziert.
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