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Raus aus der Krise. Round Table. Die Folgen der Branchenzuschlagstarife

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ZEITARBEIT

Round Table

Die Zeitarbeit musste in letzter Zeit deutlich Federn lassen. Das lag aber nicht an den neuen Branchenzuschlägen, davon sind die Teilnehmer des diesjährigen Round Table überzeugt. Sie hoffen auf positive Effekte und blicken optimistisch in die Zukunft.

Raus aus der Krise

ie Messlatte liegt hoch. Mit Arbeit- nehmerüberlassungen über die aktuelle Nachfragesituation zu sprechen, bedeutet zwangsläufig die Frage zu stel- len, warum sie nicht die Eine-Millionen- Marke erreicht haben. Lag 2011 die magi- sche Zahl zum Greifen nah, erfolgte suk- zessive ein Rückgang der Beschäftigung.

Im Dezember 2012 zählte die Branche 822 379 Arbeitnehmer – ein Minus von 5,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr; im Mittel lag die Quote allerdings bei 877 599

Zeitarbeitnehmern. Nach sieben Mona- ten Beschäftigungsrückgang deutet sich seit März 2013 eine leichte Belebung in der Zeitarbeit an. Der Bundesverband der Personaldienstleister verzeichnet in sei- nem IW-Zeitarbeitsindex auf die gesam- te Branche hochgerechnet rund 783 000 Zeitarbeitnehmer. Aktuell berichten die Dienstleister von einer weiter steigenden Nachfrage vor allem im kaufmännischen Bereich; andere schildern, dass sich im Helferbereich der sonst übliche Frühjahrs-

boom in die Jahresmitte verschiebe. Insge- samt gibt es positive Konjunktursignale, die ein leichtes Plus für die Zeit - arbeit bedeuten könnten, fasst Randstad- Director Dr. Alexander Spermann zusam- men. „Aber wir leben auch mit den Branchenzuschlägen. Es ist offen, wie sich das zusammen entwickelt. Es gibt keinen Grund pessimistisch zu werden, aber auch keinen, überoptimistisch zu sein.“ Wel- che Gründe gibt es also für die rückläu- fige Tendenz?

Die Folgen der

Branchenzuschlagstarife

Ist die Ursache bei den Branchenzu- schlagstarifverträgen zu suchen, die am 1.11.2012 in Kraft traten? Die Befürch- tung, dass Unternehmen Mitarbeiter abmelden würden, um bei der ersten Stei- gerung die Zuschläge zu vermeiden, ist nicht eingetreten, berichtet Petra Rein- holz, Geschäftsführerin von Adecco Per- sonaldienstleistungen. Wenn die Nach- frage in diesem Jahr bislang eher verhalten war, liege dies an der wirtschaftlichen

D

Hartmut Lüerßen (rechts), Zeitarbeitsexperte und Partner beim Marktforschungs- und Beratungsun- ternehmen Lünendonk, moderierte zusammen mit Chefredakteur Erwin Stickling den Round Table.

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Entwicklung, am langen Winter und ande- ren Dingen, aber nicht an den Branchen- zuschlägen. Zwar müssten die Dienst- leister nach wie vor eine Menge Erklä- rungsarbeit leisten und das Procedere der Vergleichslöhne erläutern – mit Ausnah- me der Kunden aus Großunternehmen, deren Einkäufer bestens im Bilde seien.

Gleichzeitig sei aber das Konstrukt der Zeitarbeit komplexer geworden, was den Vorteil habe, „dass die Eintrittsbarriere in die Branche erhöht wurde und dadurch nicht jeder mal geschwind eine Zeitar- beitsfirma eröffnen kann.“ Dass der Rück- gang kausal mit den Branchenzuschlä- gen zusammenhänge, mag auch Dr. Klaus Eierhoff, Vorsitzender der Geschäftsfüh- rung der Tempton Holding, nicht bestä- tigen. Die unsichere Konjunktur und die Frühjahrfluten hätten dazu geführt, dass der Aufschwung im Frühjahr auf sich war- ten ließ. Seine Erfahrung mit den neuen Tarifen: In zwei Dritteln der Unterneh- men – mehrheitlich den größeren – wür- den die neuen Tarife akzeptiert und gelebt;

bei kleineren Unternehmen habe es

anfänglich vereinzelt Diskussionen gege- ben, da sie zunächst nicht bereit waren, höhere Kosten in Kauf zu nehmen. Dies habe sich aber reguliert. Auch bei Pie- ning Personal und Page Personnel heißt es, dass eine Veränderung der Nachfra- ge durch die Branchenzuschläge nicht zu erkennen sei.

Dass die neuen Zuschläge sich nachhal- tig auf die Umsätze der führenden Zeit- arbeitsunternehmen auswirken, hat sich auch nicht bestätigt. Je nach Beschäftig- tengruppen und bestehendem Lohn niveau zeigt sich, dass der Anteil der Zeitarbeit- nehmer, die von den Zuschlägen profitie- ren, lange nicht so groß ist, wie von Gewerkschaften und Öffentlichkeit ange- nommen. So werden bei Orizon 70 Pro- zent der Mitarbeiter, die im branchenzu- schlagspflichtigen Bereich arbeiten, im Vergleichslohn gedeckelt. Das heißt, die maximalen Zuschläge treffen nur 30 Pro- zent der Mitarbeiter, so CEO Dr. Dieter Traub: „Daran lässt sich ablesen, dass wir nahe am Vergleichslohn liegen und ein gutes Lohnniveau haben.“ Bei der Ama-

deus Fire AG, die überwiegend Fachper- sonal im kaufmännischen und IT-Bereich beschäftigt, befinden sich nur 20 Prozent der Mitarbeiter in brachenzuschlagspflich- tigen Einsätzen. Häufig sind die Zuschlä- ge im höheren Qualifikationsbereich mar- ginal und bewegen sich im Cent-Bereich, da die Mitarbeiter über Tarif bezahlt wür- den, heißt es bei Page Personell. Hier liegt ein Grund, weshalb die Branchenzuschlä- ge nicht automatisch als Attraktivitäts- merkmal von neuen Mitarbeitern wahr- genommen werden. Entweder vergüten die Entleiher schon übertariflich, oder aber sie müssen das Entlohnungsmodell, das weder einfach noch transparent ist, potenziellen Bewerbern schmackhaft machen. Beschäftigte legen aber Wert dar- auf, monatlich den gleichen Betrag auf dem Gehaltszettel vorzufinden. Wechseln sie das Einsatzunternehmen, ändert sich aber – abhängig von der Branche – ihr Gehalt. Es gibt große Differenzen, auch im gelernten Bereich. Petra Reinholz von Adecco: „Ich würde mir eine andere Lösung wünschen, beispielsweise mit ent- sprechend hohen Mindestlöhnen.“

Zu früh gefreut?

Doch ob die Branchenzuschlagstarifver- träge wirklich keine Auswirkungen auf das Nachfrageverhalten haben, lässt sich abschließend noch nicht beurteilen. Da die ersten beiden neuen Tarifverträge zum 1. November 2012 in Kraft getreten sind und eine zuschlagsfreie Zeit von sechs Wochen gewähren, konnte ein Effekt 2012 noch nicht eintreten, bemerkt Ale- xander Spermann von Randstad, „höchs - tens ein Antizipationseffekt“. Dafür spricht, dass die größten Rückgänge 2012 in den Beschäftigtenbereichen Metaller- zeugung, -bearbeitung und Metallbau zu verzeichnen sind, in denen die Zahl der Zeitarbeitnehmer innerhalb eines Jahres von 134 309 auf 119 665 gesunken ist, laut Bundesagentur für Arbeit. Spermann plä- diert für einen differenzierten Blick: der Kosteneffekt sei für einzelne Kunden irre- levant, nämlich für diejenigen, die nur für sechs Wochen Zeitarbeitskräfte nach- In unserer Funktion als

Arbeitnehmerüberlasser verstehen wir uns als Vermittler sowie auch als Arbeitgeber, der ein Sprungbrett in die Festanstellung bieten kann.

Petra Reinholz, Geschäftsführerin, Adecco Personaldienstleistungen GmbH

Der Fachkräftemangel, die Branchenzuschläge und damit einhergehende Lohnsteigerungen werden das Image der Zeitarbeit verbessern.

Dennis Gerlitzki, Regional Director Süd, Amadeus FiRe AG

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ZEITARBEIT

Round Table

fragen; ebenso für Kunden, die übertarif- lich bezahlen. Die Zuschlagstarifverträ- ge würden jedoch weiterhin auf die Nach- frage in diesem Jahr wirken, auch weil 2013 noch weitere sieben Branchenzu- schlagstarifverträge in Kraft getreten sind.

„Der Effekt ist noch nicht durch.“ Diese Einschätzung teilt der Vorstand der JOB AG, Stefan Polak. Die ersten Zuschläge hätten noch unter der marktüblichen Ent- lohnung gelegen und deshalb bis in das Jahr 2013 hinein kaum Wirkung gezeigt.

„Meine Wahrnehmung ist allerdings, dass einige Auftraggeber die stufenweisen Erhöhungen nicht mitgehen können oder wollen und über Alternativen nachden- ken.“

Ein weiterer Umstand spricht dafür, dass sich die Auswirkungen der Branchenzu- schlagstarifverträge nicht wegdiskutie- ren lassen. Deutschland befindet sich in einer Phase des Wachstums – wenn auch eines geringen. Folglich könnte die Nach- frage nach Zeitarbeit wachsen, so Orizon- Chef Dieter Traub. Trotz eines Prozents Wachstum des Bruttosozialprodukts in 2012 entwickelte sich die Zeitarbeit nicht mit dem Faktor 8 des BSP wie in der Ver- gangenheit. „2012 war die Korrelation zum ersten Mal negativ. Wie hätte es ohne angekündigte Branchenzuschlagstarife ausgesehen?“ Diese Rechnung mag Temp- ton-CEO Klaus Eierhoff nicht aufstellen.

Der Faktor ergäbe sich aus einer Fülle von Abhängigkeiten, wie die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts, der Weltwirt- schaftslage, dem Wetter et cetera. Ohne- hin schätzt er die Diskussion um die Zuschläge als temporäres Geschehen ein.

In zwei bis drei Jahren „haben sich die Löhne in der Zeitarbeit auf ein höheres Niveau eingependelt und sind von der Wirtschaft akzeptiert“.

Ist Zeitarbeit noch gesellschaftsfähig?

In welcher Dimension sich die neuen Tarif- verträge auf den Umgang mit der „atmen- den Personaldecke“ auswirken, ist also noch offen. Sicher ist aber, dass eine ande- re Entwicklung für Gegenwind sorgt. So

gehen laut einer repräsentativen Umfra- ge von Orizon über 93 Prozent der Bevöl- kerung davon aus, dass 10 Prozent und mehr der abhängig Beschäftigten in Deutschland in der Zeitarbeit beschäftigt sind. Dabei sind es gerade mal 780 000 Mitarbeiter – also weniger als zwei Pro- zent, und nicht vier Millionen. „Diese Fehleinschätzung ist ein Beleg dafür, dass die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung der Branche und ihre Wich- tigkeit in der öffentlichen Diskussion in krassem Widerspruch stehen“, betont Die- ter Traub. Hinzu komme, dass im Zu - sammenhang mit der Zeitarbeit häufig von prekären Arbeitsverhältnissen die Rede sei, hiervon könne insbesondere auch nach der Einführung der Branchen- zuschläge keine Rede sein.

Die kritische Wahrnehmung der Zeitar- beit in der Öffentlichkeit kommt inzwi- schen bei den Unternehmen an. Die gerin- ge gesellschaftliche Akzeptanz sowie schwarze Schafe in der Branche und rege Gewerkschaftsarbeit lassen die Wirtschaft nicht unbeeinflusst. Zwar sind die Flexi-

bilisierungsbedürfnisse der Unterneh- men nach wie vor extrem hoch, doch unab- hängig von neuen Zuschlägen, Winter- wetter oder Eurokrise spürt die Branche unterschwellig eine neue Haltung der Betriebe. In der Vergangenheit wurden in Spitzenzeiten als schnelle Lösung Zeit- arbeitnehmer eingestellt. Heute werde das Instrument kritisch gewertet und über Alternativen nachgedacht. „Die höheren Übernahmequoten sind auch ein Indika- tor dafür, dass dem gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Druck nachgege- ben wird und sich die Haltung der Unter- nehmen zur Zeitarbeit scheinbar verän- dert“, so JOB AG-Vorstand Stefan Polak.

Gleichzeitig werde von den Unternehmen auch erkannt, dass es keine wirklich guten Alternativen zur Zeitarbeit gäbe. Auch bei Amadeus Fire heißt es, dass prozen- tual noch nie so viele Mitarbeiter über- nommen wurden wie in den letzten zwölf Monaten. Versuchen Unternehmen pro- phylaktisch dem Fachkräftemangel zu begegnen? Oder weichen sie internen Aus- einandersetzungen aus? Dennis Gerlitz- Einige Auftraggeber können oder wollen die stufenweisen Erhöhungen nicht mitgehen und denken über Alternativen nach.

Stefan Polak, Vorstand, JOB AG

Die gesellschaftspolitische Diskussion um die Zeitarbeit schlägt sich in der

Unternehmenspolitik nieder.

Dr. Dieter Traub, Geschäftsführer, Orizon Holding GmbH

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ZEITARBEIT

Round Table

ki erkennt neue Tendenzen bei den größ- ten deutschen Unternehmen im produ- zierenden Bereich. „Wenn im Produktions- bereich überwiegend Zeitarbeitnehmer eingesetzt sind, dann wirken sich unter- nehmenspolitische Entscheidungen zu einem generellen oder vorübergehenden

‚Zeitarbeits-Stopp‘ auch auf den kaufmän- nischen Bereich aus.“ Das heißt, hier fal- len Entscheidungen gegen den Einsatz des Instruments Zeitarbeit. Im Gesamt- markt ließe sich dies jedoch nicht beob- achten.

Gegenwind bis zur nächsten Krise?

Ob VW-Charta oder die Halbierung der Zahl der Zeitarbeiter bei BMW: Große Unternehmen bemühen sich, die Anzahl der Zeitarbeitnehmer aus unternehmens- politischen Gründen zu halbieren, auch um gesellschaftsfähig zu sein, resümiert Dieter Traub von Orizon. „Die gesell- schaftspolitische Diskussion um die Zeit- arbeit schlägt sich in der Unternehmens- politik nieder.“ Es sind oft betriebsinterne Diskussionen, die dazu führen, dass die Anzahl der Zeitarbeitnehmer zurückgeht, denn den Arbeitnehmervertretungen sind die „Kollegen“ der Zeitarbeit ein Dorn im Auge. Deshalb bieten sie dem Vorstand Flexibilität in der Stammbelegschaft an, damit im Gegenzug die Zeitarbeit redu- ziert werde.

Diese Entwicklung zeigt sich zunächst nur bei den Konzernen. Könnte der Mittel- stand bald nachziehen? Schon in der Ver- gangenheit war es zum Beispiel für einen

„regional verankerten Mittelständler nicht opportun, eine hohe Zeitarbeitsquote zu haben“. Doch, so Stefan Polak von der JOB AG, seit der Einführung von Branchenta- rifzuschlägen verändere sich das öffent- liche Bild der Zeitarbeit positiv. „Das wird auch die Aufgeschlossenheit der KMU in der Breite verbessern.“

Ist diese Entwicklung, bei der mitbestim- mungspflichtige Konzerne die Quote der Zeitarbeitnehmer reduzieren, nur einer gesellschaftspolitischen Diskussion ge - schuldet oder eher einer summa summa- rum guten Konjunktur und dem Fach-

kräftemangel? Die Unternehmenspolitik ist an dieser Stelle mittelfristig ausgelegt, das heißt, sie wird bis in das nächste kon- junkturelle Tal hineinreichen, meint Temp- ton-Chef Klaus Eierhoff und prognosti- ziert: „Sollte die Wirtschaft stagnieren und die Arbeitslosenquote steigen, dann wird die Zeitarbeit voraussichtlich in der Gesellschaft auch wieder stärker an Akzeptanz gewinnen.“

Altes Instrument – neue Empörung

Beim Thema Werkvertrag schlagen der- zeit die Wellen hoch. Die Gewerkschaften behaupten, aufgrund der Branchenzu- schläge würden immer mehr Unterneh- men versuchen, die teurer gewordene Leih - arbeit mit Werkverträgen zu umgehen.

Den Nachweis bleiben sie schuldig. Denn die nun zu Recht skandalisierten Werk- verträge, die aus der Logistikbranche, dem Schiffsbau, der Lebensmittelindustrie, aber auch in der Automobilindustrie bekannt geworden sind, wurden wohl vor dem 1.11.2012 geschlossen. Richtig ist, dass es einen Missbrauch von Werkver-

trägen gibt. Dass dies zur öffentlichen Empörung führt, begrüßen die Diskus- sionsteilnehmer – selbst wenn dabei oft ihre Branche in Verruf gerät und nicht der Kunde selber. Sie plädieren mit Blick auf die Werkverträge für eine differenzierte Sicht. „Der Werkvertrag hat für bestimm- te Aufträge von Unternehmen seine Berechtigung, er darf aber keinesfalls als Instrument zum Lohndumping miss- braucht werden“, betont Frank Schrader von Piening Personal. Einen Trend, dass Zeitarbeit durch Werkverträge ersetzt wer- de, kann er bei seinen Kunden nicht erken- nen. Wechseldiskussionen, so berichten die anderen Personaldienstleister, fanden nur in Einzelfällen statt. Sobald Kunden die Komplexität und Implikationen eines Werkvertrages im Vergleich zur einem Zeitarbeitsmodell erfassen würden, rück- ten sie von alleine ab.

Wo geht es hin?

Das Flexibilisierungsinstrument Zeitar- beit auf dem Abstellgleis? Zeitarbeit nur noch für absolute Engpässe im Unterneh- Mit Blick auf das schwankungs - anfälligere konjunkturelle Umfeld werden Instrumente zur Flexibilisierung des Personal- bedarfs weiter zunehmen.

Frank Schrader, Mitglied der Geschäftsführung, Piening Personal GmbH

Die Zuschlagstarifverträge wirken weiterhin auf die Nachfrage nach Zeitarbeit in 2013 – der Effekt ist noch nicht durch.

Dr. Alexander Spermann, Director, Randstad Deutschland GmbH & Co. KG

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men? Das würde bedeuten, dass die Bran- che sich mittelfristig anders aufstellen muss. Noch forcieren die Anbieter den Ausbau weiterer personalnaher Aufga- ben kaum, obwohl sie bereits etliche Personal-Dienstleistungen außerhalb der Zeitarbeit im Portfolio haben, wie Perso- nalvermittlung, Interim-Management, Outsourcing, Master Vendor, Outplace- ment und anderes. Neben der Personal- vermittlung scheint das Recruiting Pro- cess Outsourcing vorzugsweise von Kunden angenommen zu werden. Das Aufspüren geeigneter Kandidaten im Dickicht der ständig wachsenden Rekru- tierungskanäle stelle Unternehmen, ins- besondere im Mittelstand, vor ungeahn- te Herausforderungen, so Stefan Polak, JOB AG: „Wir verfügen über diese Rekru- tierungskompetenz – gewonnen durch das tägliche Handling mit dieser Materie auf höchstem Niveau. Große Personal- dienstleistungsunternehmen werden die- se Rekrutierungskompetenz zunehmend ausbauen und den Unternehmen zur Ver- fügung stellen.“

Die Personalberatung Page Personnel, die ursprünglich aus dem Bereich der Direkt- vermittlung kommt, ortet künftige Geschäftsfelder eher im Bereich der Mit- arbeiterauswahl. Die größte Herausfor- derung deutscher Unternehmen liege zukünftig in der Suche und langfristigen Bindung von qualifizierten Mitarbeitern.

„Viele Arbeitgeber investieren deshalb mehr in Auswahlverfahren, Assessments und andere Beurteilungsverfahren von Kandidaten“, so Pablo Galán. Sie würden auf den Fach- und Führungskräfteman- gel mit neuen Auswahlverfahren, schlan- keren Entscheidungsprozessen und der Einbindung externer Dienstleister reagie- ren. Im internationalen Vergleich falle allerdings auf, dass in anderen Ländern die Akzeptanz der Kunden in Bezug auf die Zusammenarbeit mit externen Perso- nal-Spezialisten weitaus größer ist. Galán:

„Deutsche Auftraggeber sind dagegen in der Regel etwas konservativer und wol- len die Mitarbeiterauswahl nicht aus der Hand geben.“ Viele hätten noch nicht die Vorteile der partnerschaftlichen Zu sam -

menarbeit mit Personalberatungen erkannt. Der Trend gehe allerdings deut- lich in Richtung Outsourcing.

Dass „deutsche Unternehmen konserva- tiver sind, wenn es um die Auslagerung einzelner Aufgaben der Personalarbeit geht“, bestätigt auch Petra Reinholz von Adecco. Die international agierende Grup- pe bietet seit vielen Jahren über eigene Units neben der Arbeitnehmerüberlas- sung ebenso Personalvermittlung, Inhou- se Outsourcing, Consulting und OnSite- Management an. Reinholz sieht die größte Akzeptanz heimischer Kunden im Recru- iting Process Outsourcing. In diesem Bereich profitierten die Auftraggeber von den Strukturen und dem Fachpersonal der Personaldienstleister.

Bei Tempton sieht man die Aufgabenfel- der der Zukunft durch die unterschied- lichen Formen des Personalbedarfs in Unternehmen charakterisiert. Klaus Eier- hoff: „Mittel- und langfristig gesehen wer- den viele verschiedene Beschäftigungsfor- men zum Einsatz kommen; neben den klassischen Arbeitsverhältnissen im Stammarbeitsbereich werden zum Bei- spiel Interims- und Projektjobs und die Personalvermittlung an Bedeutung ge- winnen.“ Unter dem Stichwort „Personal- dienstleistung 2.0“, das für eine stärkere strategische Vernetzung von Unterneh- men und Personaldienstleister steht, fasst Frank Schrader von Piening Personal die Zukunft der Branche zusammen: „Vor dem Hintergrund des immer schwan- kungsanfälligeren konjunkturellen Um- felds werden Instrumente zur Flexibilisie- rung des Personalbedarfs eher noch zunehmen. Kein global agierendes Unter- nehmen wird darauf verzichten können.“

Zur strategischen Partnerschaft von Unter- nehmen und Personaldienstleister gibt es aus seiner Sicht keine Alternative.

Letztlich müssten sich die Personaldienst- leister an den Bedürfnissen der Unter- nehmen orientieren und deren Tempo mitgehen, sagt Randstad-Experte Alexan- der Spermann. Doch im Kern „liegt unse- re Stärke im Staffing, in der klassischen Zeitarbeit, die eine Wachstumsbranche Sollte die Wirtschaft stagnieren

und die Arbeitslosenquote steigen, dann wird Zeitarbeit voraussichtlich in der Gesellschaft wieder stärker an Akzeptanz gewinnen.

Dr. Klaus Eierhoff, Vorsitzender der Geschäftsführung, Tempton Holding GmbH

Mitarbeitersuche, Auswahl -

verfahren, Assessments und ande- re Beurteilungsverfahren

von Kandidaten – der Trend geht eindeutig in Richtung Outsourcing.

Pablo Galán, Executive Director, Page Personell Deutschland GmbH

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bleibt“. Zum einen weil externe Flexibi- lität noch wichtiger werde, sodass bishe- rige Nichtnutzer der Zeitarbeit insbeson- dere kleinere und mittlere Unternehmen, die Dienstleistung in Anspruch nehmen werden. Zum anderen werde die Branche durch die vereinbarten Zuschläge für etli- che Bewerber interessanter. Beides zusam- men bedeute mehr Wachstum.

Zwischen Vermitteln und Verleihen

Der Leistungskatalog der Branche entwi- ckelt sich zwar weiter, aber dennoch dreht er sich im Kern immer wieder um das Suchen, Finden, Einstellen und Vermit- teln von Personal. An der Frage, ob die Zukunft mehr Personalvermittlung oder mehr Arbeitgeber-Dasein bringe, schei- den sich die Geister. „Employer Branding passt nicht wirklich zu uns“, meint Ste- fan Polak von der Job AG. Vom Gesetz her sei die Branche zwar Arbeitgeber, aber in der Wahrnehmung der Kandidaten sei sie im Regelfall nur die zweitbeste Alterna- tive. Personaldienstleister würden erst dann wirklich interessant sein, wenn sie den Mehrwert für den Mitarbeiter deut- lich machen können. „Unsere Botschaft in den Arbeitsmarkt lautet: Wir unterstüt- zen Menschen beim Erreichen ihres beruf- lichen Erfolgs. Wir können Kontakte her- stellen, die Fertigkeiten und Kenntnisse fördern, qualifizieren selbst oder ‚on the job‘ über unsere Kunden und Projekte.“

Dabei behalte man aber immer die Kun- den mit ihren individuellen Herausforde- rungen im Blick.

Ähnlich wie bei der JOB AG sieht das Selbstverständnis von Amadeus Fire aus.

„Wir verstehen uns als Marktplatz für Bewerber, die wissen, dass sie vermittelt werden, deshalb haben wir stark in den Bereich Personalvermittlung investiert“, berichtet Dennis Gerlitzki. Wenn aber Mitarbeiter die notwendige Flexibilität mitbringen würden und Zeitarbeit attrak- tiv finden, könne man sie auch weiter in wechselnden Einsätzen beschäftigen.

Doch nicht alle Arbeitsnehmerüberlas- sungen verstehen sich in erster Linie als

„Durchlaufstation“. So bietet Orizon bei-

spielsweise als Instrument der Mitarbei- terbindung allen externen Beschäftigten das „PlusPunkte-Programm“ an. Neben vielen übertariflichen Sozialleistungen wird insbesondere eine langjährige Betriebszugehörigkeit monetär belohnt.

Dieter Traub: „Das ist der beste Weg, um nicht immer neue Summen in Recruiting investieren zu müssen.“ Bei Page Perso- nell werden rund 40 Prozent der Zeitar- beitnehmer in eine Festeinstellung über- nommen. Trotzdem versteht man sich in erster Linie als langfristiger Arbeitgeber und bietet neben der Einstiegsmöglich- keit in feste Anstellungen auch langfris- tige Zusammenarbeit über die Zeitarbeit.

Aufklärung im politischen Raum

Sicherlich wird sich Zahl der rund 18 000 Arbeitnehmerüberlassungen, von denen 54 Prozent weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, reduzieren – allein durch die komplizierten und aufwendigen Bran- chentarifverträge. Die Branche ist jung und viele der kleinen Verleiher werden den Weg zu einem Personaldienstleister mit einer ausgereiften Angebotspalette nicht mitgehen können. Doch bevor auch die großen und renommierten Zeitarbeits- unternehmen versuchen, ihre vielfältigen Kompetenzen in der Personalarbeit zu eta- blieren, steht im ersten Schritt noch eine andere Herausforderung an. Tempton-CEO Klaus Eierhoff sieht eine dringliche Auf- gabe darin, Politiker über Zeitarbeit zu informieren. Aus seiner Sicht besteht hier eine Menge Aufklärungsbedarf. „Häufig wissen sie nicht, dass in der Zeitarbeit nach Tarifvertrag bezahlt wird, sie dem deutschen Arbeitsrecht unterliegt und somit vollen Schutz für die Beschäftigten bietet, wie sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, Kündigungs- schutz, Mutterschutz, Arbeitszeitregelun- gen und anderes.“ Wenn es über diesen Weg gelingt, den Ruf als Branche, die pre- käre Arbeitsverhältnisse anbietet, zu über- winden, ändert sich die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und der Zuwachs an Mit- arbeitern könnte gesichert sein.

Christiane Siemann, freie Journalistin, Bad Tölz ZEITARBEIT

Round Table

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