Berichte und kleine Mitteilungen 181
chem die Geographie ? wie andere Naturwissenschaf
ten auch ? berechtigt ist, kausale Beziehungen zwi
schen den Phanomenen anzunehmen. Martin behaup
tet, dafi diese Beziehungen zwischen Umwelt und
Mensch eine Grundvoraussetzung der Anthropogeo graphie seien.
Es wurden neu gewahlt: A. G. Ogilvie (Edinburgh) als President (Nachfolger von S. W. Wooldridge);
A. E. Smailes (Department of Geography, Univer sity College, Gower Street, London, W. C. 1) zum Sekretar (Nachfolger von R. O. Buchanan); Robert W. Steel (Oxford) ist als zweiter Sekretar mit der
Herausgabe der "Publications of the Institute of Bri tish Geographers" betraut worden. Ch. D. Harris
Klima der Vorzeit Bericht iiber die
Jahresversammlung der Geologischen Vereinigung
am 6. und 7. Januar in Koln
Die Tagung der Geologischen Vereinigung in Koln am 6./7. Januar 1951 zeigte, dafi Themenstellung und Methoden der Geologie in den letzten Jahrzehn ten eine Erweiterung erfahren haben, die auch den Geographen interessiert: Nicht nur geographische
Forschungen, versehen mit dem Vorwort ?palao-a,
sondern auch geographische Methoden, die vielfach von Bodenkundlern, Botanikern und Geographen in
den verschiedenen rezenten Klimazonen entwickelt
wurden, finden Eingang in die Palaogeographie, zu der man auch das Thema der Kolner Tagung ?Klima
der Vorzeit" rechnen kann.
F. E. Zeuner (London) gab eine Obersicht iiber die Strandlinien und Kiistenebenen in Siid- und West
europa: Monastirian (5?8 und 15?20 m), Tyrrhe
nian (35 m), Milazzian (58 m) und Sicilian (103 m) werden als Folge der Klima- und Meeresspiegel
schwankungen untersucht. S. Venzo (Milano) refe
rierte iiber glazialmorphologische Studien in Brianza
und Bergamo. Er fand mehrere Vorgiinzeiszeiten, wie
sie auch schon in Holland und am Niederrhein ver mutet werden. Ob man diese nach dem Vorschlag von Venzo Donau I, II und III nennen soil, sei offen ge
lassen.
Eine speziellere morphologische Methode wurde von A.Cailleux (Paris) aus der ?Morphoscooie der Schotter
und Sande" entwickelt. Abplattungsindex, Dissymme
trieindex und Abstufungsindex der Gerolle in den
einzelnen geoloeischen Formationen geben charak
teristische Werte iiber das Verhaltnis von Wind- und
Wasserwirkung wahrend der Sedimentation. E. Acker mann (Gottingen) referierte iiber ?Subrezente For
men an Wellenkalk-Steilhangen". Er stellt die jungen Erdbewegungen bei Gottingen ursachlich in eine feuchtere postglaziale Epoche (Atlantikum oder Sub atlantikum), in der im Untergrund infolge starkerer
Auswaschung Hohlraume entstanden sein sollen.
C. Troll (Bonn) machte jedoch darauf aufmerksam, dafi die Entwaldung im Mittelalter oder zu anderer Zeit in viel en Gegenden Rutschun^en ausgelost habe.
In einem Referat ?Geologie und Mikroklima" zeigte
er an Hand der Sandsteinverwitterung und der Wii
stenrinden- und Wiistenlackbildungen, dafi ?aride"
Verwitterungsformen durchaus nicht immer brauch
bare Zeugen eines fossilen Klimas sind. Diese Erschei nungsformen konnen zum Teil in wenigen Jahrzehn ten unter bestimmten mikroklimatischen Bedingungen im jetzigen mitteleuropaischen Klima entstehen.
H. Louis (Koln) gab mit pflanzengeographischen Beobachtungen einen Beitrag,, Zur eiszeitlichen Klima
anderung in den ariden Beckenlandschaften". Es gibt in Nordamerika heute keine abflufilose Hohlform oberhalb der unteren Waldgrenze. Die eiszeitliche untere Waldgrenze lag nur um 300 m tiefer als die heutige. Seen, die in dieser Hohenstufe liegen, be fanden sich also in der Eiszeit im humiden Bereich,
ihr fruherer Abflufi ist auch heute noch erkennbar.
Tiefer liegende Seen waren dagegen auch in der Eis zeit abflufilos und sind Zeugen eines ariden Klimas.
Weitere Anhaltspunkte fiir eine eiszeitliche Klima karte konnen Vergleiche der oberen Waldgrenze und
Schneegrenze geben.
Der Palaogeographie stehen aufier diesen geogra phischen Untersuchungen und den Beobachtungen
iiber Bodenfrosterscheinungen noch chemische, pollen analytische und stratigraphische Methoden zur Ver fiigung. R. Weyl (Kiel) gab einen Hinweis zur Alters bestimmung von Ablagerungen aus ihrem Gehalt an Schwermineralien (z. B. Granat, Titanit, Andalusit) und dem Zustand der Minerale (Ausfransung und Atzung). Uber die mittlere Temperatur in geologischer
Zeit sagen nach dem Referat von C. D. Ovey (Lon don) ("The validity and use of planctonic foramini fera in the interpretation of past climatic changes from a study of Deep-sea cores") die marinen Abla
gerungen etwas aus. Wenn die Tonsedimentation
gleichmafiig ist, dann entspricht der Calziumkarbo natgehalt der Sedimente der mittleren Jahrestempe
ratur (Bohrkerne aus Aquatornahe), da die Schwan
kungen der Temperatur bei Meerwasser gering sind.
Nachdem man in diesen und anderen Referaten iiber die Wirkung der Klimaschwankungen und ihre Erfassung diskutiert hatte, berichtete W. Wundt
(Freiburg) iiber ?die in der Erde selbst liegenden Moglichkeiten zur Klimaanderung". Die < zahlreichen
Theorien, die eine Polverlagerung und Aquatorver schiebung, eine Anderung der Solarkonstanten, Warm
wasserheizung oder Reliefanderun^en zu Hilfe nah men, geben keine allgemein befriedigende Erklarung.
Jedoch hatte man nach dem Referat von H. Flohri (Bad Kissingen) (?Allgemeine atmospharische Zirku lation und Palaoklimatologie") die Uberzeugung, dafi sich die Eiszeiten weitgehend erklaren lassen aus den beiden Zirkulationsformen, die noch heute das Grofi
wettergeschehen beherrschen. Was allerdings das Her
vortreten der meridionalen Zirkulation in den Eiszeiten verursacht hat (Schwankungen in der Ultraviolett
strahlung?) ist noch nicht befriedigend geklart. Jeden falls gaben die Ausfiihrungen von H. Flohn der Pa laoklimatologie wertvolle Stiitzen. R. Keller
Sonderausstellung ?Neue Welten"
im Germanischen National-Museum
Das Germanische National-Museum in Niirnberg hat im Dezember 1950 eine Sonderausstellung unter dem Thema ?Neue Welten, Kulturdokumente aus der Zeit der Pilgerfahrten und Entdeckungsreisen" er
182 Erdkunde BandV off net. Aufieren Anlafi dazu bot das Heilige Jahr 1950
und das ?Kolumbusjahr" 1951. Die Ausstellung zeigt in vier grofien Raumen des Museumsgebaudes am Kornmarkt in Niirnberg seltene Schatze der Biblio
thek und des Kupferstichkabinettes, vervollstandigt durch Meisterwerke der Malerei, der Plastik und des Kunsthandwerks. Die Entwicklung des Weltbildes
vom Mittelalter zur Neuzeit spiegelt sich in Reise
berichten, astronomischen und geodatischen Instru
menten, Landkarten, Erd- und Himmelsgloben. Der Anteil der Deutschen an der Entschleierung der Welt wird in Kulturdokumenten und Kunstwerken beson
ders deutlich.
Fiir den Geographen wichtig sind die kostbaren Stucke zur Entwicklung der Landkarte, die in Origi nalen aus Museumsbestand eine fast liickenlose Uber
sicht gestatten. Neben einem Druck der romischen Strafienkarte des Castorius (um 375), der sog. ?Peu
tingerschen Taf el", die sich in einer Zeichnung auf Per gament aus dem 12. Jh. erhalten hat (heute Wiener hofbibliothek) und durch Markus Welser 1598 zum ersten Mai gedruckt wurde, findet sich die ?Portulan Karte" des Petrus Roselli vom Jahre 1464 (durch In schrift datiert) auf Pergament gezeichnet und die Weltkarte* des Nikolaus Germanus fiir eine Ptole
maus-Ausgabe, in Ulm 1486 herausgegeben, sowie deren Nachahmung aus Hqrtmann Scbedels Welt chronik vom Jahre 1493. Dazu sind 2 Weltkarten des Orontius Finaeus (1536 und 1541) ausgestellt. Einzig
artig ist die Schau der fruhen Deutschlandkarten.
Eroffriet wird die Abteilung durch die alteste gesto chene Deutschlandkarte vom Jahre 1491 (moglicher weise schon 1478), die sog. ?CHsanuskarte" (sie exi stiert nur in 7 Exemplaren). Die Karte wurde wahr scheinlich von dem Monch Nikolaus Germanus aus Kloster Reichenbach bei Regensburg fiir eine Ptole
maus-Ausgabe entworfen, sie? ist vermutlich in Eich statt 1491 am unteren Rand erganzt. Neben Erhard
Etzlaubs Romwegkarte yon 1499* und seiner Land strafienkarte von 1501 (Ausgabe 1533) mit Meilen angabe (koloriert) liegt seine Klappsonnenuhr mit der Europakarte vom Jahre 1511. Auf einem Astrolabium vom Jahre 1575 befindet sich eine Nachbildung der
Deutschlandkarte des Sebastian Munster von 1525,
von der nur ein Pergamentdruck in Basel sich erhal ten hat (in abgeanderter Form in der ?Cosmographia"
ab 1|>44 in zahlreichen Auflagen sehr verbreitet).
Tilemann Stellas Karte von Deutschland au? dem Jahre 1560 (in Anlehnung an Sebastian Munster kreisformig und nach Siiden orientiert, nur 5 Exem plare 4avon bekannt) beschliefit die Abteilung der
friihesten Deutschlandkarten.
Die Quellen zu Martin B'ehaims, Globus aus dem Jahre 1492 sind in,einer Tischvitrine in Raum'2 ver eint (Strabo, Ptolemdus, Marco Polo, Johann. de Man deville). Im Mittelpunkt des RaumeS steht der alteste
erhaltene Erdglobus von Martin Behaim, in seiner Umgebung fiillen wissenschaftliche Instrumente, dar
unter Astrolabien des Regiomontanus (von 1457 lind 1468) zwei grofie Vitrinen. Sie sind Zeugnisse der einst bliihenden Niirnberger Zirkelschmiedezunft, die Regiomontanus an diesen Ort gezogen hat. Gerhard
Mercators Erdglobus vom Jahre 1541, ein kunstge werblich besonders wertvoller Messingglobus des Astronomen und Geographen Johann Prdtorius aus der Nurnberger Scbatzkammer des Marcus Ayrer, unter Mitwirkung des bekannten Goldschmiedes Wen
zel Jamnitzer geschaffen, und der grofie Erdglobus des Johann Schqner vom Jahre 1520, der den auf dem
Nurnberger Rathaus aufgestellten Behaim-Globus ver
drangte, reprasentieren u. a. die Reihe der friihen Erdgloben. Der Himmelsglobus des Astronomen Jo hann S to filer aus bemaltem Holz (1493) soil aus der Vielzahl der Himmelsgloben hervorgehoben werden.
Die Reihe der Atlanten vertreten als Hauptstiicke
Abraham Oertels Atlas ?Theatrum orbis terrarum"
vom Jahre 1574, der erste Mercator-Atlas vom Jahre 1595 (vier Jahre nach seinem Tode von dem Sonne
Rumold herausgegeben, erstes Kartenwerk unter dem
Namen ?Atlas"), Wilhelm und Johannes Blaeuws Atlas von 1649 und Johann Baptist Romans Atlas werk vom Jahre 1707.
Es ist hier nicht der Platz, auf alle Stiicke dieser sowohl fiir den Geographen als auch fiir den Histo riker in ihrer Zusammenstellung wohl einmaligen Ausstellung hinzuweisen, doch seien zum Schlufi noch einige Reisebeschreibungen erwahnt, die die Kunde
von fernen Landern nach Europa brachten. Hans
Schiltpergers alteste deutsche Reisebeschreibung (Er lebnisse und Reisen von 1394 ?1427) liegt in einem friihen Druck (1557) auf, daneben liegen zwei Wie gendrucke von Bernhard von Breydenbachs Reise zum Hi. Grab mit kolorierten Holzschnitten (1484). Der
seltene Bildbericht von der Reise Balthasar Springers mit der Welser-Expedition nach Ostindien mit Holz
schnitten Hans Burgmairs d. A. (1508) ist ein be sonders kostbares Stuck der Ausstellung. Beschrei bungen der' Weltreise des Carl Friedrich Behrens
(1721/22). mit dem Hollander Jacob Rogeveen und Reinhold und Georg Forsters Bericht von der Ent
deckungsreise Capit'dn Cooks beschliefien die Reihe der vielen Reisebeschreibungen.
Christoph Columbus und Amerigo Vespucci wurde
eine besondere Vitrine gewidmet. Kulturdokumente
und Gemalde als Leihgaben aus dem Besitz der Fa
milie Welser erganzen die Bestande des Museums.
Segelschiffsmodelle (darunter das alteste erhaltene deutsche Modell von 1603) und Stiche, Robinson Ausgaben und Fayencen mit Chinoiserien, Guck
kastenbilder und Goldschmiedearbeiten, sassanidische und byzantinische Wirkteppiche und StofFe aus deut
schen Kirchenschatzen und deren deutsche Nachbil dungen, eine Pilgerausriistung aus dem 16. Jh. Und kirchliche Gerate-unter orientalischem Einflufi doku mentieren die Begegnung Europas mit fernen Lan
dern. So stehen die kulturellen Aufierungen jeder Zeit in wechselvollen Beziehungen zu Entdeckungen und Reisen, und so spiegeln sich die Kulturkreise der ganzen Erde in der Auswabl der Ausstellungsgegen
stande aus den reichhaltigen Sammlungen des Ger
manischen National-Museums, die von Dr. Walter
Matthey und Ernst Koniger zu einer Sonderausstel lung zusammengestellt wurde. Gerhard Bott