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Archiv "Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie zwischen Standardisierung und Individualität" (11.10.1996)

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om 28. Mai bis 1. Juni 1996 fand in Regensburg der 46.

Jahreskongreß der Deut- schen Gesellschaft für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie unter der Jahrespräsidentschaft von Prof. Dr.

med. Dr. med. dent. Herbert Nieder- dellmann (Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Klinikums der Universität Regensburg) und der Präsidentschaft von Prof. Dr. med.

Dr. med. dent. Dietrich Schettler (Di- rektor der Klinik für Gesichts- und Kieferchirurgie, Universitätsklini- kum Essen) statt.

Das Hauptthema des diesjähri- gen Kongresses für Mund-, Kiefer-, und Gesichtschirurgie, das im Audi- torium Maximum in 36 Vorträgen be- handelt wurde, lautete „Profilverbes- sernde Operationen im Gesicht“.

Die sogenannte Disputatio, eine Veranstaltungsform, bei der der Dis- kussion mehr Zeit eingeräumt wird als den Vorträgen, befaßte sich mit der „Ästhetischen Gesichtschirur- gie“.

Geladene Redner, deren Beiträ- ge den Kongreßteilnehmern schon im Vorfeld der diesjährigen Tagung zugänglich gemacht worden waren, standen nach einer kurzen zusam- menfassenden Präsentation dem Auditorium für eine ausgiebige Dis- kussion ihrer präsentierten Beiträge zur Verfügung.

Als Parallelveranstaltung zum Jahreskongreß behandelte ein eng- lischsprachiges Symposium „recent results of experimental research in oral and maxillofacial surgery“;

zahlreiche Freie Vorträge, weiterhin

„early morning lectures“ zu Schwer- punktthemen der ästhetisch-plasti- schen Gesichtschirurgie und eine reichhaltige Posterausstellung run- deten das wissenschaftliche Pro- gramm ab.

Über 450 aktive Teilnehmer aus Deutschland, dem benachbarten eu- ropäischen Ausland und aus Über- see nutzten die Gelegenheit, die neuesten Entwicklungen auf dem

Gebiet der Mund-Kiefer-Gesichts- chirurgie und hier insbesondere der ästhetisch-plastischen Chirurgie zu diskutieren.

Profilverbessernde Operationen

N. Schwenzer, Tübingen, gab ei- nen Überblick über die Entwicklung analytischer Methoden in der darstel- lenden Kunst der verschiedenen Kul- turkreise und Stilepochen, um Quer- verbindungen zwischen den Proporti- onslehren und relevanten Befunden im Rahmen chirurgischer Gesichts- profilkorrekturen herzustellen. Nach Beispielen aus der Proportionslehre der klassischen Antike ging er auf den Proportionskanon im Europa des Mit- telalters und der Renaissance ein. Nach wie vor aktuell sind die Angaben und Formeln Cenninis, Ghibertis, Leonar- do da Vincis und nicht zuletzt Dürers, da sie modernen Vorstellungen sehr nahe kommen. Als bis heute gültiges ästhetisches Ideal erweisen sich die nach dem Goldenen Schnitt (Euklid) ermittelten Gesichtsrelationen. Aller- dings besteht bei profilkorrigierenden Operationen anders als im künstleri- schen Bereich das Problem, daß nur ei- ne begrenzte Zahl von Variablen inner- halb der einzelnen Gesichtsabschnitte beeinflußt werden kann und zudem der individuelle Patientenwunsch berück- sichtigt werden muß.

A. Fabinger, Freiburg, unter- strich in seiner psychosozialen Analy- se von Patienten vor und nach skelett- verlagernden Eingriffen im Gesicht, daß nicht nur metrisches Ergebnis, sondern auch Persönlichkeitsmerk- male und Motivation des Patienten entscheidenden Einfluß auf die Zu- friedenheit mit dem Behandlungsre- sultat haben.

E. Keese, Hamburg, stellte ein von Massen (1993) entwickeltes optoelek- tronisches Abtastsystem zur Digitali- sierung von Gesichtsweichteilkonturen vor. Dieses Verfahren basiert auf dem Prinzip des kodierten Lichtansatzes.

Die rasterförmige Abtastung erfolgt dabei mit einem Linienprojektor; eine in definiertem Abstand und Winkel ju- stierte Kamera dient der Maßwertauf- nahme. Neben der Möglichkeit einer quantitativen volumetrischen Verlaufs- kontrolle von konturverbessernden Operationen ermöglicht die Transfor- mation in CAD/CAM-Formate die in- dividuelle Herstellung von Implanta- ten und Epithesen.

R. Marmulla, Regensburg, und R. Sader, München, befaßten sich in ihren Vorträgen mit der Präzision von computerunterstützten Planungs- be- ziehungsweise Operationstechniken bei Eingriffen am Gesichtsschädel.

Auf der Basis von CT-Daten werden mit verschiedenen Techniken (3D- Fräsung, Stereolithographie, lamina- ted object manufacturing) 1:1-Model- le hergestellt, die selbst feinste anato- mische Details wiedergeben. Als vor- teilhaft für die Exaktheit der Replicas erwies sich die Einbindung des Ope- rateurs in die wesentlichen Schritte der Datengewinnung und -aufberei- tung. Die computerunterstützten Na- vigationssysteme, mechanisch oder lasergeleitet, zeigten sich bei Einsatz am Knochen als hochpräzise Operati- onshilfen mit mittleren Meßfehlern von 0,3 bis 1,8 Millimeter.

H. Schliephake, Hannover, be- richtete über die Erfahrungen der dortigen Klinik mit verschiedenen Rekonstruktionstechniken des Un- terkiefers unter dem Gesichtspunkt der Wiederherstellung der Kontur des Untergesichtes nach Tumorresektion.

Insgesamt 60 Patienten wurden mit avaskulären Beckenkammtransplan- taten oder mikrochirurgisch reanasto- mosierten Fibula-Skapula- oder Beckenspänen versorgt. Die postope- rative CT-morphologische Vermes- sung der Kontur und Stärke des Un- terkiefers und der bedeckenden Weichteile zeigte generell ein Defizit der rekonstruierten Seite, wobei die Abweichungen lateral geringer waren als im anterioren Bereich. Revaskula- risierte Fibulatransplantate und so- wohl avaskuläre als auch revaskulari- A-2633

M E D I Z I N KONGRESSBERICHT

Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 41, 11. Oktober 1996 (61)

Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie zwischen

Standardisierung und Individualität

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sierte Transplantate zeigten bemer- kenswerterweise keinen signifikanten Unterschied bei der Wiederherstel- lung der knöchernen Symmetrie.

Demgegenüber wiesen revaskulari- sierte Skapulatransplantate stärkere Abweichungen im Bereich der latera- len Knochenkontur auf; dieses Defizit wurde jedoch durch die voluminöse- ren Muskel- und Fettanteile des Transplantates ausgeglichen.

R. Schmelzeisen, Hannover, be- richtete über die interdisziplinäre Ver- sorgung komplexer Orbitadefekte nach Trauma oder Tumor. Anhand standardisierter, dreidimensional re- formatierter CT wurden die Dimen- sionen des Orbitarahmens und der Or- bitawände im Seitenvergleich metrisch analysiert. Im untersuchten Patienten- gut ergab sich nach Rekonstruktion ei- ne durchschnittliche Abweichung der Orbitadimensionen um 8,4 Prozent, in Einzelfällen bis zu 21 Prozent. Insbe- sondere bei der Sekundärtherapie des Enophthalmus bestand häufig eine Tendenz zur Unterkorrektur.

L. Cesteleyn, Gent, setzte sich in seinem Vortrag mit der simultanen Durchführung von Dysgnathieopera- tion und Rhinoplastik auseinander.

Er konnte zeigen, daß durch die Kom- bination von Kieferverlagerung und Rhinoplastik nicht nur primäre Form- und Funktionsstörungen der Nase, sondern auch unerwünschte Folgen der Oberkieferbewegung wie Ver- breiterung des Nasenflügelansatzes oder Rotation der Nasenspitze besei- tigt werden können.

C. Klein, Frankfurt, referierte über die mehrdimensionale Distrak- tionsosteogenese zur Profilkorrektur bei ausgeprägten Gesichtsasymmetri- en. Insbesondere bei den mandi- bulären Hypoplasien besteht ein in vertikaler, horizontaler und transver- saler Richtung verschieden ausge- prägtes Defizit, dem die unidirektio- nale Distraktion nur unzureichend gerecht wird. Die neuentwickelten bi- oder multidirektionalen Distraktoren sind mit einem stufenlos verstellbaren Mittelgelenk ausgestattet; damit kön- nen über ein oder zwei Kallusfelder pro Distraktionsseite frühzeitig Pro- filkorrekturen in mehreren Ebenen durchgeführt werden. C. U. Fritzemei- er, Düsseldorf, gab in seinem Vortrag einen Überblick über die Möglichkei-

ten der Gesichtsrekonstruktion mit Hilfe von Vordehnungstechniken.

Hierzu zählen nicht nur die als Gewe- beexpander bezeichneten Silikonre- servoire, die durch sukzessive Füllung mit Kochsalzlösung zu einer Dehnung der darüberliegenden Haut führen, sondern auch Titanplattensysteme, die das Ergebnis einer maximalen intraoperativen Dehnung zunächst stabilisieren, um später zum Beispiel durch Knorpelimplantate ersetzt zu werden. Wegen ihrer Eigenstabilität, der individuellen Konturierbarkeit und der sicheren Positionierungsmög- lichkeit durch Schraubenfixation eig- nen sich diese Systeme auch zur Deh- nung narbig vorgeschädigter Areale.

Ästhetische Gesichtschirurgie

F. E. Barton, Dallas, stellte die von ihm bevorzugten Operationsver- fahren zur Gesichtsverjüngung vor.

Nach einem Überblick über die his- torische Entwicklung des face lift ging er insbesondere auf die von Skoog 1974 beschriebene SMAS- Technik und ihre zahlreichen Modifi- kationen ein. Er betonte, daß es ein generell geeignetes Verfahren der Ge- sichtshautstraffung nicht gebe; viel- mehr müsse der Chirurg in der Lage sein, die jeweiligen Komponenten des individuellen Gesichtes genau zu ana- lysieren, um dann die geeignete Me- thode auszuwählen.

So sollte zum Beispiel bei Patien- ten mit ausgeprägten subkutanen Fettpolstern die umhüllende Faszie des M. zygomaticus lateralis zwar gelöst, eine Beeinträchtigung der venösen und lymphatischen Drainage unmittelbar lateral der Nasolabialfalte jedoch vermieden werden. Bei Patien- ten mit geringer Fettschicht und tiefen Nasolabialfalten ist eine Dissektion über die anteriore Gefäßregion hinaus ohne stärkere Ödembildung möglich.

Skeptisch beurteilte er die endoskopi- schen Verfahren des Stirn- und Brau- enliftings, für die er eine Indikation lediglich bei jungen Patienten mit mi- nimalem Hautüberschuß sieht. Auch die Dauerhaftigkeit des Ergebnisses im Vergleich zu herkömmlichen Me- thoden der Kopfhautexzision sei noch nicht geklärt.

Schmelzle, Hamburg, nahm un- ter anderem zu zukünftigen Entwick- lungen der plastischen Gesichtschir- urgie Stellung. Mit Nachdruck wies er auf die Notwendigkeit hin, auch für dieses Gebiet von Expertengruppen oder Konsensuskonferenzen diagno- stische und therapeutische Standards erstellen zu lassen, um eine effektive Qualitätskontrolle zu gewährleisten.

Generell gehöre zum Beispiel das „fa- ce lift“ in die Hand des in der regiona- len plastischen Chirurgie nachweis- lich ausgebildeten und erfahrenen Operateurs.

Schon diese wenigen ausgewähl- ten Themen verdeutlichen, daß die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie in Diagnostik, Planung und Operations- methodik von den technischen Ent- wicklungen der letzten Jahre außeror- dentlich profitiert.

Computerunterstützte Planung mit 3D-Visualisierung und Modell- herstellung, intraoperative Navigati- on bei komplexen Verlagerungen des Viscerocraniums und individuelle präoperative Implantatherstellung sind nur einige Beispiele, die dies ver- deutlichen.

Den dazu notwendigen Standar- disierungen und Normierungen mit Berechnung von Strecken- und Win- kelmittelwerten sind im Gesichtsbe- reich jedoch Grenzen gesetzt. Gerade die chirurgische Veränderung des menschlichen Antlitzes, des differen- ziertesten Teils unserer somatischen Identität, beansprucht in hohem Maße die Berücksichtigung der physi- schen und psychischen Individualität des Patienten.

Es kann hier lediglich eine Aus- wahl der Beiträge vorgestellt wer- den. Eine vollständige Zusammen- fassung der Beiträge wird mit dem Jahrbuch „Fortschritte der Kiefer- und Gesichts-Chirurgie“ (Hrsg. N.

Schwenzer, Tübingen; Verlag Thie- me, Stuttgart) im Frühjahr 1997 er- scheinen.

Literatur beim Verfasser Dr. med. Heinrich Wagener Oberarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Universität Regensburg Franz-Josef-Strauß-Allee 11 93053 Regensburg

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M E D I Z I N KONGRESSBERICHT

(62) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 41, 11. Oktober 1996

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