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Archiv "Kongressbericht: Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie" (22.11.2002)

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M E D I Z I N

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A3196 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4722. November 2002

N

ach wie vor stellen die Lippen- Kiefer-Gaumen-Spalten mit einer Inzidenz von 0,2 Prozent die zweithäufigste Fehlbildungsgruppe bei Neugeborenen dar. Bei der Behand- lung wird zwischen der Primärtherapie, also dem Verschluss der Spalten im frühen Kindesalter und den Sekundär- korrekturen unterschieden, die sich im späteren Kindes- und Jugendalter be- darfsweise anschließen können. Diese Sekundärkorrekturmaßnahmen wur- den auf dem 52. Kongress der Deut- schen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Leipzig disku- tiert. Zu den Sekundärkorrekturopera- tionen gehören die Velopharynxplastik, die heute noch je nach Kollektiv bei bis zu zehn Prozent der Kinder erforderlich ist, die Korrektur der spaltbedingten Nasendysplasie und die orthognathe Chirurgie spaltbedingter Kieferfehlla- gen. In wieweit Sekundärkorrekturen notwendig oder neue Techniken bezie- hungsweise Weiterentwicklungen zu bevorzugen sind, wird sich in Langzeit- bewertungen herausstellen.

Durch die Anwendung moderner, funktionsorientierter Behandlungskon- zepte bei der Primärbehandlung, spezi- ell der subtilen, anatomisch-funktionell orientierten muskulären Rekonstrukti- on sowohl beim Lippenverschluss wie beim Gaumenverschluss kann die Not- wendigkeit von Sekundärkorrekturen reduziert werden, erläuterte Ulrich Joos, Münster. Dies wird dadurch ermöglicht, dass ein physiologisches Equilibrium der muskulären Kräfte und Balancen im Gesichtsbereich auch eine Normalisie- rung des Gesichtswachstums ermög- licht. Es muss somit das Ziel jeder Spalt- behandlung sein, die Notwendigkeit von Sekundärkorrekturen auf ein Minimum zu reduzieren.

Sekundärkorrekturen an Nase, Lippe und Gaumensegel

Aufgrund der Korrektur der spaltbe- dingten Nasendysplasie besteht das Pro- blem der Columellaverlängerung. Chri- stopher Mohr, Essen, stellte die Metho- den nach van der Meulen und der Ga- bellappenplastik vor. Obwohl bei der Gabellappenplastik eine quere Narbe entsteht, kann sie bei ausgeprägtem Hautdefizit indiziert sein. Nicht immer ausreichend berücksichtigt wurde in der Vergangenheit die Bewertung der Funk- tion der Nase. Eine Verbesserung der Nasenatmung durch die korrigierende Septorhinoplastik ist keineswegs selbst- verständlich. Eine objektivierbare prä- und postoperative Diagnostik forderte Heike Hümpfner-Hierl, Leipzig. Die Be- wertung der Ästhetik hob Hendrik Ter- heyden, Kiel, hervor. Aus verschiedenen Parametern wurde ein Score gebildet, und die Beurteilung der Ästhetik an- hand von Fotografien wurde durch Lai- en empfohlen.

Kai-Olaf Henkel, Rostock, stellte funktionelle Ergebnisse des Lippenspalt- verschlusses hinsichtlich Lippenkraft, Funktionstonometrie, Artikulation und Atmungstyp vor. Doppelseitige Spaltfor- men schneiden deutlich schlechter ab, deshalb wurde auf die Notwendigkeit ei- ner logopädisch-myofunktionellen Be- gleittherapie hingewiesen.

Distraktion bei spaltbedingter Mittelgesichtsrücklage

Wesentlichen Raum nahm die Korrek- tur der spaltbedingten Mittelgesichtshy- poplasie beziehungsweise -rücklage ein.

Richard Werkmeister, Münster, hob zunächst die Bedeutung der Schädelba- sismorphologie und ihrer Auswertung eindrücklich hervor. In Zukunft könnten auf diesem Wege prädisponierende Fak- toren erkannt werden, die eine frühzeiti- ge Intervention bereits vor Wachstums- abschluss ermöglichen würden. Zur Kor- rektur dieser manchmal sehr ausgepräg-

Kongressbericht

Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Bewertung von Distraktionstechniken und Maßnahmen zur Sekundärkorrektur Bernhard Frerich

Thomas Hierl

a b c

Oberkieferdistraktion bei einer ausgeprägten, spaltbedingten maxillären Retrognathie als Beispiel für eine Sekundärkorrekturmaßnahme. a) vor Distraktion, b) Distraktion über den extraoralen, halofixierten Distraktor, c) nach Distraktion.

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ten Oberkieferrücklage hat in den letz- ten Jahren die Distraktionsosteogenese des Mittelgesichts zunehmende Bedeu- tung gewonnen, da sie im Vergleich zur konventionellen Oberkieferosteotomie sogar größere Verlagerungen auch bei narbigen Verwachsungen erlaubt. Dabei konkurrieren intraorale mit extraoralen Systemen. Hans-Florian Zeilhofer, Mün- chen, stellte Ergebnisse mit intraoralen Distraktoren vor, wobei er auf die Be- deutung der Vektorplanung für die Rich- tung der Distraktion hinwies. Andere Arbeitsgruppen präsentierten Resultate nach extraoraler Distraktion, mit der deutlich größere Strecken als mit dem intraoralen Verfahren bewältigt werden können. Eine wesentliche Frage ist die Langzeitstabilität, zu der inzwischen va- lide Ergebnisse präsentiert werden kön- nen: So betrug in zwei Patientenkollek- tiv das Zurückgleiten des Oberkiefers nach Distraktion circa 20 und 24 Prozent der Vorverlagerungsstrecke, berichteten Thomas Hierl, Leipzig, und Björn Möller, Kiel. Deshalb ist zunächst eine gewisse Überkorrektur erforderlich.Auch konn- te verifiziert werden, dass die nasale Funktion deutlich von der Distraktion profitiert. Als interessante Alternative zu den extraoralen Verfahren und den bisherigen intraoralen Geräten stellte Horst Umstadt, Marburg, einen neuen, in der Kieferhöhle platzierten internen Distraktor vor.

Chronischer Schmerz im Mund-, Kiefer-, Gesichtsbereich

Jürgen Sandkühler,Wien,berichtete über die Konditionierung des Schmerzge- dächtnisses durch starke Schmerzreize.

Er wies auf die körpereigene Schmerzab- wehr hin und erläuterte den neurobiolo- gischen Kenntnisstand über die Entste- hung des Schmerzgedächtnisses, insbe- sondere die Rolle von Glutamat als Neu- rotransmitter und die Bindung an den NMDA-Rezeptor. Letztendlich ist die Entwicklung einer Schmerzkrankheit als Versagen der körpereigenen Schmerzab- wehr zu verstehen. In der Konsequenz lassen sich diese Erkenntnisse auch in die Klinik übertragen, indem entweder durch Analgetika und Leitungsblocka- den die Freisetzung von Glutamat redu- ziert wird, die Erregbarkeit der Hin-

terhornneurone beispielsweise durch Opioide herabgesetzt wird oder der NMDA-Rezeptor durch Ketamin blok- kiert wird. Ulrich-Tiber Egle, Mainz, be- leuchtete die psychosomatischen Zusam- menhänge bei Schmerzerkrankungen.

Dabei spielt auch die Erkenntnis eine Rolle, dass sich die zentrale Stressverar- beitung in Hirnarealen abspielt, die mit den Arealen der Schmerzverarbeitung eng verknüpft sind. Als psychosoziale Modulatoren der Schmerzwahrnehmung spielen psychische Komorbiditäten wie Angst und Depression, die individuelle Vulnerabilität, aber auch die individuell unterschiedliche Schmerzverarbeitung (Aufmerksamkeit und Ablenkung, Co- pingstrategien, sekundäre Verstärkung) bis hin zu kulturellen Faktoren eine wich- tige Rolle. Solche Faktoren sind deshalb grundsätzlich vor einer Behandlungspla- nung zu eruieren, was meist nur im Rah- men fachübergreifender Kooperations- strukturen möglich ist. Andreas Breme- rich, Bremen, erläuterte die aktuelle Klassifikation chronischer Schmerzen unter klinischen Gesichtspunkten. In die- sem Zusammenhang sind kraniomandi- buläre Dysfunktionen, Tumorschmerzen und neuralgiforme Schmerzen zu nen- nen, letztere wiederum werden in echte Neuralgien, Neuropathien und atypische Gesichtsschmerzen unterteilt. So beginnt ein Stufenschema mit transkutaner elek- trischer Nervenreizung, dem die medika- mentösen Optionen folgen, dann die Glycerininjektionen und schließlich die neurochirurgischen Therapiemöglichkei- ten. Es wurde betont, dass Alkoholinjek- tionen und Exhaireseoperationen heut- zutage in den meisten Fällen als Behand- lungsfehler anzusehen sind.

Geweberegeneration und tissue engineering

Eine verbesserte Methodik zur Kryo- konservierung autologen Knochens stellte Alexander Kübler, Köln, vor.

Nochmals kontrovers diskutiert wurde der Nutzen von platelet rich plasma (PRP) in der Knochenregeneration, ob- wohl in Beiträgen von Hendrik Terhey- den, Kiel, Hans-Albert Merten, Göttin- gen und Kristian Würzler,Würzburg, so- wohl in vivo als auch in vitro weder eine Beschleunigung noch eine Verbesse-

rung der Knochenbildung durch PRP gezeigt werden konnten. In keiner die- ser drei Studien konnte ein Nutzen von PRP bei der knöchernen Regeneration belegt und PRP keinesfalls als Ersatz für den künftigen Einsatz osteoinduk- tiver Wachstumsfaktoren empfohlen werden.

Beim tissue engineering lag der Schwerpunkt des Interesses auf Studien für den Knochenersatz, insbesondere da hier auch erste klinische Einsätze er- folgt sind. Robert Gassner, Pittsburgh, stellte resorbierbare Polyurethanschäu- me als Matrix vor. Hervorgehoben wur- de die Gefäßeinsprossung nach Implan- tation der Schäume und die Osteoidbil- dung in einer experimentellen Versuchs- gruppe, in der die Schäume in vitro mit Osteoblasten vorbesiedelt worden wa- ren. Einen klinischen Ansatz für das tis- sue engineering von Knochen stellte Günter Lauer, Dresden, vor, der Osteo- blasten auf Kollagenmatrizes aufge- bracht und bei fünf Patienten zur Alveo- larkammaugmentation und bei einer Kieferspaltosteoplastik verwandt hatte.

Es konnte spongiöser Knochen nachge- wiesen werden, allerdings war jeweils die Abdeckung mit einem Titanmesh als Spacer erforderlich. Die Arbeitsgruppe um Ronald Schimming zeigte klinische Ergebnisse von knöchernem tissue en- gineering. In einem Teil der Fälle konnte drei Monate nach Transplantation histo- logisch eine beginnende Ossifikation nachgewiesen werden. In einem großen Teil der Fälle wurden allerdings konven- tionelle Reaugmentationen erforder- lich.

Anschrift der Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Dr. med. dent.

Bernhard Frerich

Dr. med. Dr. med. dent. Thomas Hierl Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Universität Leipzig Nürnberger Straße 57

04103 Leipzig

E-Mail: mkg@medizin.uni-leipzig.de M E D I Z I N

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