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Archiv "Koronarangioplastie versus Bypass-Operation" (09.02.1996)

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D

ie Blasenfunktionsstörungen, Harninkontinenz und Harn- retention sind die häufigsten Alterskrankheiten, häufiger als kardiovaskuläre und Gelenker- krankungen.

Sie stellen ein generelles Pro- blem mit weitreichenden medizini- schen, psychologischen und sozio- ökonomischen Konsequenzen dar.

Fast 30 Prozent der über 60jähri- gen klagen auf Befragen über unwill- kürlichen Urinabgang, erschwerte Blasenentleerung oder irritative Sym- ptome. 15 bis 30 Prozent aller Greise sind inkontinent (Tabelle 1), Frauen doppelt so häufig wie Männer (4). In den USA werden jährlich über 8 Mil- liarden Dollar für Inkontinenzheil- und -hilfsmittel ausgegeben, das sind mehr als für Dialyse und Koronarer- krankungen zusammen.

In unserem Lande leben über vier Millionen Menschen, deren am- bulante Inkontinenzversorgung die gesetzlichen Krankenversicherungen mit 2 Milliarden DM jährlich bela- stet.

Harninkontinenz im Alter ist entgegen der allgemeinen Annahme nur selten die Folge einer Schließmus- kelschwäche, sondern kann viele Ur- sachen haben (Tabelle 2).

Einerseits können Erkrankun- gen des Zentralnervensystems zu Bla- senfunktionsstörungen mit Harnin- kontinenz führen; dies gilt insbeson- dere für das Parkinson-Syndrom, die diabetische Neuromyopathie, apo- plektische Insulte, Alzheimer-De- menz und Myelitis disseminata.

Andererseits haben zahlreiche Medikamente, die in der Altersmedi- zin breiten Einsatz finden, uner- wünschte Nebenwirkungen auf die Detrusorfunktion mit konsekutiver Detrusorakontraktilität: Anticholin- ergika, Spasmolytika, Antidepressiva, Sedativa, Ganglienblocker, Antiar-

rhythmika und Antazida können zur Detrusorlähmung mit Restharnbil- dung, Harnverhalt oder Überlaufin- kontinenz führen und eine Blasenaus- laßobstruktion vortäuschen. Darüber hinaus wissen wir heute aufgrund von Untersuchungen (6), daß auch die Harnblase – wie alle unsere Organe – einen degenerativen Alterungspro- zeß durchmacht, in dessen Folge Funktionsstörungen mit Harnretenti-

on und Harninkontinenz auftreten können.

Harninkontinenz im Alter kann und darf nicht allein ein Problem der Inkontinenzversorgung sein. Primä- res Ziel aller an der Inkontinenz- behandlung und -versorgung Betei- ligten muß es sein, Inkontinenz zu heilen oder die funktionsgestörten Blasen soweit zu rehabilitieren, daß eine soziale Reintegration der Pati- enten erreicht wird.

Voraussetzung für das Erreichen dieses Zieles ist zunächst, das Tabu

„Harninkontinenz“ zu brechen, den Patienten die Angst vor Entdeckung zu nehmen und in ihnen das Vertrau- en zu wecken, daß geholfen werden kann; darüber hinaus ist die Kenntnis über die verschiedenen Inkontinenz- formen, deren Ursachen und Be-

handlungsmöglichkeiten Grundlage für jeden Therapie-Erfolg.

Ungehemmte

neuropathische Blase

Die ungehemmte neuropathi- sche Blase (supraspinale Reflexblase) ist die Folge von degenerativen oder vaskulären Erkrankungen des Großhirns. Durch Hirnatrophie (Alz- heimer-Demenz) oder zerebrovas- kuläre Insulte verliert der Patient die Kontrolle über das Miktionszentrum im Hirnstamm. Er ist weder in der La- ge, bei nicht gefüllter Harnblase eine Miktion auszulösen, noch kann er bei einsetzendem Harndrang den Mikti- onsreflex unterdrücken und die dro- hende Blasenentleerung verhindern.

Er hat die Fähigkeit der willkürlichen Blasenfunktionskontrolle verloren, die er als Kleinkind erworben hat.

Urodynamisch findet man bei diesen Patienten ein nahezu norma- les Miktionsmuster, wobei nur auf- fällt, daß bei einsetzendem Harn- drang eine nicht unterdrückbare, re- flektorische Detrusorkontraktion bei gleichzeitiger Sphinkterrelaxation auftritt und eine Blasenentleerung einsetzt. Aufgrund dieses urodyna- mischen Befundes wird diese Störung von vielen Autoren auch als Detru- sorinstabilität bezeichnet und unter die Formen der Harn-Dranginkonti- nenz subsumiert. Wegen der unter- schiedlichen therapeutischen Konse- quenzen sollte die ungehemmte neu- ropathische Blase jedoch konsequent von der Harn-Dranginkontinenz un- terschieden werden.

Die Therapie der ungehemmten neuropathischen Blase kann nur sein, durch ein konsequentes Toilettentrai- ning die verlorenen Kontrollfunktio- nen über den Miktionsreflex zurück- zuerwerben. Aus diesem Grunde ist

A-316 (46) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 6, 9. Februar 1996

M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

Harninkontinenz im Alter

Hansjörg Melchior

Blasenfunktionsstörungen im Alter sind kein homogenes Krankheitsbild, sondern das Ergebnis der Interaktion ver- schiedener Ursachen. Erkrankungen des zerebrospinalen Sy- stems, medikamentöse Einflüsse, natürliche Alterungspro- zesse der Harnblase sowie Veränderungen am Blasenauslaß

in Form der Obstruktion durch Prostataerkrankungen oder der Insuffizienz mit Sphinkterschwäche wirken zusammen und führen zu Störungen von Harnspeicherung und Bla- senentleerung, so daß die einzelnen Formen nur schwer klinisch wie urodynamisch voneinander abzugrenzen sind.

Klinik für Urologie (Direktor: Prof. Dr. med.

Hansjörg Melchior) der Städtischen Kliniken Kassel gem. GmbH

Tabelle 1

Blasenfunktionsstörungen im Alter in Prozent*)

Männer Frauen Harninkontinenz 18,9 37,7 Miktionsstörungen 22,1 10,8

Irritation 11,8 17,4

*) nach Diokno et al., 1986

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jede Form der Harnableitung durch Dauerkatheter zur Inkontinenzver- sorgung bei ungehemmter neuropa- thischer Blase streng kontraindiziert.

Voraussetzung für das Toilettentrai- ning ist die Erstellung eines „Mik- tionsprotokolls“ zur Erfassung der Trink-, Eß- und Miktionsrhythmen des Patienten. Nachdem die Lebens- rhythmen des einzelnen Patienten be- kannt sind, muß mit dem eigentlichen Training begonnen werden mit dem Ziel, den Patienten zur Toilette zu schicken, wenn die Harnblase zwar gefüllt, aber der kritische Grenzwert noch nicht erreicht ist, bei dem der Miktionsreflex ausgelöst wird. Unter- stützen kann man dieses Miktionstrai- ning medikamentös (siehe Textka- sten), wenn die Blasenkapazität zu klein und die Miktionsintervalle zu kurz sind (Cave: Restharnbildung und Harnverhalt!).

Nicht selten wird die ungehemm- te neuropathische Blase durch dege- nerative Veränderungen der Blasen- wand kompliziert: So kommt es bei der „Wide Spread Degeneration“ zu einer weitgehenden Degeneration mit vollständiger Separation und Isolation der einzelnen Muskelzellen und reich- lich Kollagen- und Elastinfasern im Interstitium („Fibroelastose“). Diese

„Wide Spread Degeneration“ führt zu einem weitgehenden Verlust der De- trusorkontraktilität und damit zur Restharnbildung, auch ohne Bla- senauslaßobstruktion. Dagegen ist das

„Dysjunction Pattern“ charakterisiert durch neugebildete Zellprotrusionen, die für die Kalziumionen einen redu- zierten Widerstand darstellen. Da- durch kommt es anstelle der normalen mechanischen Reizübertragung zu elektrischen Kurzschlußverbindun- gen, so daß der Detrusor vesicae die Eigenschaften eines Synzytiums mit rascher Übertragung der Kontrakti- onspotentiale von einer Zelle zur an- deren erhält und ganze Muskelareale nahezu synchron stimuliert werden können. Daraus resultiert dann eine myogene Detrusorhyperaktivität mit konsekutiver motorischer Drangin- kontinenz (Detrusorinstabilität).

Detrusormalkontraktilität und Detrusorhyperaktivität können nur durch urodynamische Untersuchun- gen diagnostiziert werden; gegebe- nenfalls ist eine ultrastrukturelle

Analyse (Elektronenmikroskopie!) der Detrusormuskulatur erforder- lich.

Überlaufinkontinenz

Chronische Harnretention mit Überlaufinkontinenz („Ischuria para- doxa“) wird im allgemeinen als Folge einer Blasenauslaßobstruktion ange- sehen; insbesondere bei Männern werden altersbedingte Vergrößerun- gen der Prostata (BPH, PCa) ursäch- lich verantwortlich gemacht: 35 Pro- zent aller Männer über 60 Jahre kla- gen über mindestens ein Symptom, welches auf eine obstruktive Blasen- entleerungsstörung hinweist; deutli- che Miktionsbeschwerden haben 15

Prozent der älteren Herren, die noch nicht an der Prostata operiert worden sind, aber 30 Prozent von denen, de- ren Prostata bereits operativ behan- delt wurde (5). Urodynamische Un- tersuchungen haben jedoch gezeigt, daß Männer mit obstruktiven Blasen- symptomen nur in weniger als der Hälfte eine nachweisbare Blasenaus- laßobstruktion haben. Fast 30 Pro- zent hatten dagegen eine gestörte De- trusorkontraktilität, 20 Prozent einen eher verminderten Miktionswider-

stand und 10 Prozent eine normale Blasenfunktion (Tabelle 3). Neben ei- ner Blasenauslaßobstruktion ist eine Kontraktionsstörung für die Entste- hung einer Überlaufinkontinenz min- destens ebenso häufig. Degenerative Veränderungen der Blasenwand („Wide Spread Degeneration“), Stoffwechselstörungen (Diabetes mellitus), neurogene (Parkinson-Syn- drom) und psychogene Störungen so- wie vor allem medikamentöse Ein- flüsse lähmen die Detrusorkontrakti- lität und führen zur Harnretention mit Überlaufinkontinenz.

Wegen der Multikausalität der Harnretention mit Überlaufinkonti- nenz ist neben einer exakten (Medi- kamenten-)Anamnese und einer neu- rologischen Diagnostik eine urodyna- mische Untersuchung Voraussetzung für jede therapeutische Maßnahme.

Zunächst gilt es zu klären, ob die Harnretention obstruktiver oder mal- kontraktiler Genese ist: Nur bei nach- gewiesener obstruktiver Genese ist eine operative Behandlung (Prostata- Operation, Blasenhalsinzision oder ähnliches) primär indiziert und er- folgversprechend! Dagegen wird man bei medikamentös bedingter Detru- sorakontraktilität allein durch Wech- sel der Arzneimittel eine Verbesse- rung der Detrusorfunktion erreichen.

Auch sind Versuche mit Prostaglan- din-Instillationen oder intravesikalen Elektrostimulationen gerechtfertigt.

Von einer Applikation von Choliner- gika unter der Vorstellung einer Toni- sierung der Detrusormuskulatur ist jedoch abzuraten, da sie zwar den De- trusortonus erhöhen, nicht aber die Kontraktilität verbessern, so daß le- diglich die Blasenkapazität verringert wird. Wenn es nicht gelingt, durch me- dikamentöse Umstellung und durch

„Miktionstraining“ eine Blasenreha- bilitation zu erreichen, kann man ver- suchen, durch Reduktion des Mikti- onswiderstandes (TUR, Stent oder ähnliches) eine passive Blasenentlee- rung durch Bauchpresse zu erzielen;

leider sind aber diese Maßnahmen nur in Einzelfällen von Erfolg ge- krönt, so daß bei Detrusorinsuffizienz mit Harnretention und Überlaufin- kontinenz häufig nur die passive Bla- senentleerung durch intermittieren- den Katheterismus oder aber durch Dauerableitung bleibt.

A-318

M E D I Z I N

(48) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 6, 9. Februar 1996

ZUR FORTBILDUNG

Tabelle2

Miktionsstörungen im Alter

Medikamentöse Ursachen – Anticholinergika,

– sekundäre, tertiäre, quaternäre Amine,

– Spasmolytika, – Antidepressiva, – Sedativa, – Ganglienblocker, – b-Blocker, b2-Agonisten, – Antazida,

– Ca-Antagonisten, – Prostaglandin-Inhibitoren Ursächliche Begleiterkrankungen – Parkinsonsyndrom

– Diabetes mellitus – Alzheimer-Demenz

– Zerebrovaskuläre Erkrankungen – Myelitis disseminata

– Spinalerkrankungen

– sonstige neurologische Störungen

(3)

Dranginkontinenz

Die Harn-Dranginkontinenz ist charakterisiert durch den unwillkürli- chen Urinabgang bei imperativ ein- setzendem Harndrang. Leichtere For- men äußern sich bereits in den irritati- ven Symptomen Pollakisurie, Druck im Unterbauch und Ziehen in den Leisten. Man muß unterscheiden zwi- schen der motorischen und der senso- rischen Dranginkontinenz sowie zwi-

schen den symptomatischen und idio- pathischen Formen.

Die symptomatische Drangin- kontinenz ist die Folge von Erkran- kungen der Harnblase, insbesondere von Entzündungen, Tumoren, Stei- nen oder einer Blasenauslaßobstruk- tion. Durch den chronischen Reiz kommt es zu einer Übererregbarkeit des Blasenmuskels mit häufigem Harndrang und gegebenenfalls Harn- inkontinenz. Daher müssen – vor al- lem im Alter! – auch bei typischer Symptomatik zunächst Blasenkrank- heiten ausgeschlossen werden, bevor man sich zur symptomatischen The- rapie entschließt (!!): Urinsediment und -kultur, Prostatapalpation, Sono- graphie, Zystoskopie und gegebenen- falls Urographie sind unerläßliche Untersuchungen bei Blasenfunkti- onsstörungen mit häufigem Harn- drang im Alter.

Die idiopathische Dranginkonti- nenz ist häufig psychovegetativer Ge- nese, im Alter aber auch zunehmend durch degenerative Veränderungen der Blasenmuskulatur („Dysjunction Pattern“) bedingt.

Urodynamisch muß man die sen- sorische von der motorischen Drang- inkontinenz unterscheiden. Während man bei der sensorischen Drangin- kontinenz primär mit einsetzendem Harndrang eine reflektorische Rela- xation des Sphinktermechanismus

mit Öffnung des Blasenhalses und ge- gebenenfalls nachfolgender Detru- sorkontraktion findet, stehen bei der motorischen Dranginkontinenz un- willkürlich auftretende Detrusorkon- traktionen im Vordergrund, welche der Patient als starken Harndrang empfindet. Sicherlich muß man bei sensorischer Dranginkontinenz häu- fig psychovegetative Ursachen an- nehmen; dagegen sind bei idiopathi- scher motorischer Dranginkontinenz im Alter degenerative Prozesse der Blasenmuskulatur mit Veränderun- gen der Muskelzellverbindungen und Übergang der normalen mechani- schen Reizübertragung zu elek- trischen Kurzschlußverbindungen („Dysjunction Pattern“) am wahr- scheinlichsten.

Die Therapie der Harndrangin- kontinenz richtet sich in erster Linie nach deren Ursachen: Bei symptoma- tischer Dranginkontinenz steht die Behandlung der Grundkrankheit im Vordergrund; bei psychogener Dran- ginkontinenz wird man nur mit psy- chosomatischen Maßnahmen Erfolg haben (Autogenes Training, Aku- punktur und ähnliches), gegebenen- falls mit medikamentöser Unterstüt- zung (siehe Medikamentöse Thera- pie bei Dranginkontinenz); die Thera- pie der idiopathischen Dranginkonti- nenz bei Blasenmuskeldegeneration ist problematisch, da eine medika- mentöse Beeinflussung der Detru- sorüberaktivität durch Anticholiner- gika nicht selten zur Detrusorlähmung mit Harnretention führen kann. In- wieweit in diesen Fällen Kalzium- antagonisten erfolgversprechend sind, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht entschieden werden.

Belastungs-(Streß-) inkontinenz

Daß bei Frauen die Belastungs- (Streß-)inkontinenz und deren Kom- binationsformen auch im Alter we- sentlich häufiger sind als bei Männern, liegt an der Vulnerabilität des weibli- chen Sphinktermechanismus. Der un- willkürliche Urinabgang aus der Harnröhre unmittelbar bei Erhöhung des intraabdominellen Druckes (Hu- sten, Pressen) ist typisch für die Sphinkterinsuffizienz, dagegen spricht

der Harnabgang aus der Harnröhre unmittelbar nach Bauchpresse für ei- ne Detrusorüberaktivität. Bewiesen wird die Belastungsinkontinenz durch Schließmuskelschwäche mittels uro- dynamischer Untersuchung: Urinab- gang aus der Harnröhre beim Husten und Pressen ohne nachweisbare De- trusorkontraktionen.

Eine Sphinkterschwäche mit Be- lastungsinkontinenz ist auch im Alter operativ heilbar. Welches Operations- verfahren angewandt wird – ob retro- pubisch oder transvaginal, ob Nadel- suspension oder Scheidenplastik –, hängt sowohl vom anatomischen Be- fund als auch von den persönlichen Erfahrungen des Operateurs ab.

Reflexinkontinenz

Eine Reflexinkontinenz ist die Folge von akuten oder chronischen Spinalerkrankungen mit Zerstörung des oberen motorischen Neurons.

Dadurch läuft der Miktionsreflex über das sekundäre Miktionszentrum im Sakralmark. Neben neurolo- gischen Ausfällen ist für die Re- flexinkontinenz beweisend, daß bei der urodynamischen Untersuchung während der Blasenfüllung unwillkür- liche Detrusorkontraktionen mit in- travesikaler Druckerhöhung auftre- ten, die der Patient nicht als Harn- drang empfindet. Häufig ist diese re- flektorische Detrusorhyperaktivität

kombiniert mit einer Detrusor- Sphinkter-Dyssynergie, so daß Bla- senmuskel und Schließmuskel ständig gegeneinander arbeiten mit der Folge der Detrusorhypertrophie und chroni- scher intravesikaler Drucksteigerung und konsekutiver Schädigung des oberen Harntraktes und der Nieren.

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M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 6, 9. Februar 1996 (49) ZUR FORTBILDUNG

Tabelle 3

Miktionsstörungen im Alter in Prozent*)

Blasenauslaß-Obstruktion 42,5 Detrusor-Hypoaktivität 28,0 reduzierter Miktionswiderstand 20,5 normale Blasenfunktion 10,0

*) Urodynamik, BAO, n = 39;

nach Diokno et al., 1994

Medikamentöse Therapie bei Dranginkontinenz

1 Flavoxat 1 Oxybutynin 1 Propiverin 1 Trospiumchlorid 1 Imipramin

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Therapeutisches Ziel der neurogenen Detrusorhyperaktivität muß daher in erster Linie der Schutz des oberen Harntraktes und der Nieren durch Senkung der intravesikalen Druckver- hältnisse sein, erst an zweiter Stelle steht die Sicherung der Harn- inkontinenz. Medikamentöse Ruhig- stellung der Blase, Reduktion des Mik- tionswiderstandes und Sicherung der Harnableitung stehen daher im Vor- dergrund. Ob Sphinkterotomie oder Selbstkatheterismus, Blasenaugmen- tation oder dorsale Nervenwurzelre- sektion mit Elektrostimulation der motorischern Fasern, muß von Fall zu Fall entschieden werden; dies ist die Aufgabe erfahrener Spezialisten auf dem Gebiete der Neurourologie.

Extraurethrale Inkontinenz

Extraurethrale Harninkontinenz im Alter ist fast immer die Folge von Urinfisteln. Ureter- oder Blasenfi- steln nach operativen Eingriffen, Strahlenbehandlung sowie durch ent- zündliche oder neoplastische Prozes- se sind Gott sei Dank seltener gewor- den, dennoch muß man an sie denken, wenn man bei Harninkontinenz nicht den unwillkürzlichen Urinabgang aus der Harnröhre einwandfrei beweisen kann. Typisch ist das ständige Harn- träufeln, im Gegensatz zum intermit- tierenden Urinverlust bei den ande- ren (urethralen) Inkontinenzformen.

Fast immer gelingt es dann, durch kli- nische, endoskopische oder rönt- genologische Untersuchungsmetho- den den Fistelgang nachzuweisen; ei- ne Heilung ist im allgemeinen nur durch Operation möglich.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-316–320 [Heft 6]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Hansjörg Melchior Ltd. Arzt der Klinik für Urologie Städtische Kliniken Kassel gem. GmbH

Mönchebergstraße 41/43 34125 Kassel

A-320

M E D I Z I N

(50) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 6, 9. Februar 1996

ZUR FORTBILDUNG/FÜR SIE REFERIERT

Abnehmende HIV-1-Seroprävalenz

bei jungen Erwachsenen einer ländlichen Population in Uganda

Trotz fortbestehender Verbrei- tung der HIV-1-Epidemie in Afrika gibt es einige Untersuchungen, die ei- ne unveränderte oder sogar rückläufi- ge HIV-1-Prävalenz in der Erwachse- nenpopulation unterschiedlicher Re- gionen zeigen. Die Autoren berichten über eine Studie, in der 1989 und während der folgenden vier Jahre die alters- und geschlechtsspezifische Ab- hängigkeit der HIV-1-Prävalenz in ei- ner ländlichen Population in Uganda untersucht wurde. Die Gruppe umfaß- te etwa 10 000 Personen aus 15 benach- barten Dörfern. Die Prävalenz einer HIV-1-Infektion wurde durch jährli- che Blutuntersuchungen mit Hilfe ei- nes Enzym-Immunoassays bestimmt.

Im Verlauf der Untersuchungen zeig- ten sich insgesamt bei standardisierten Messungen der Seroprävalenz von HIV-1 nur geringe Unterschiede: 8,2 Prozent in 1990 gegenüber 7,6 Prozent in 1994. In der Gruppe der Männer (13 bis 24 Jahre) verringerte sich die Prävalenz von 3,4 Prozent auf 1,0 Pro-

zent. Die entsprechenden Werte betru- gen bei Frauen 9,9 Prozent und 7,3 Pro- zent. Die größte Abnahme erfolgte in der Altersgruppe 20 bis 24 Jahre (Män- ner) und 13 bis 19 Jahre (Frauen).

Dies ist der erste Bericht über ei- nen Rückgang in der HIV-1-Präva- lenz einer jungen Erwachsenenpopu- lation in einem Teilgebiet Afrikas mit einer ansonsten hohen Prävalenz. Es sollte noch nicht daraus geschlossen werden, daß die Epidemie in dieser Population allgemein rückläufig ist, aber die Ergebnisse der Studie erlau- ben dennoch einen vorsichtigen Opti- mismus und ermutigen zur intensiven Fortführung der AIDS-Kontrollun-

tersuchungen. mll

Mulder D, Nunn A, Kamali A, Kengeya- Kayondo J: Decreasing HIV-1 seropre- valence in young adults in a rural Ugan- dan cohort. Br Med Jour 1995; 311:

833–836

Dr. D. Mulder, Tropical Health Epide- miology Unit, London School of Hygie- ne and Tropical Medicine, London WC1E 7HT, England

Koronarangioplastie versus Bypass-Operation

Eine große europäische Multicen- terstudie, die CABRI-Studie, ver- gleicht die Ergebnisse der aortokoro- naren Bypass-Operation (ACB) mit denen der perkutanen transluminalen Koronarangioplastie (PTCA) bei sym- ptomatischen Patienten mit koronarer Mehrgefäßerkrankung. 1 054 Patien- ten (davon 820 Männer), meist mit An- gina pectoris NYHA III, wurden in 26 europäischen kardiologischen Zentren erfaßt, nach Randomisation 513 von ihnen operiert und 541 mit einer PT- CA behandelt. In einem ersten Bericht nach einem Jahr Nachbeobachtungs- zeit nehmen die Autoren nun Stellung zu Mortalität, Morbidität und derzeiti- gem Symptomenstatus. 14 Patienten in der ACB-Gruppe (2,7 Prozent) und 21 in der PTCA-Gruppe (3,9 Prozent) waren verstorben, das relative Risiko (RR) hierfür war in der PTCA-Grup- pe um den Faktor 1,42 erhöht. Die Pa- tienten der PTCA-Gruppe brauchten

signifikant häufiger Reinterventionen, nur bei 66,4 Prozent führte eine einma- lige Intervention im ersten Jahr zum Erfolg verglichen mit 93,5 Prozent der Patienten mit ACB. Ebenso nahmen die Patienten der PTCA-Gruppe nach einem Jahr signifikant mehr Medika- mente zu sich (RR = 1,3) und litten häufiger an Angina pectoris (RR = 1,54). Die Autoren der zu dieser Fra- gestellung bisher größten Studie emp- fehlen, bei Patienten mit symptomati- scher Angina pectoris und nachgewie- sener koronarer Mehrgefäßerkran- kung die verschiedenen therapeuti- schen Optionen aufzuzeigen und den Patienten in den Entscheidungsprozeß

mit einzubeziehen. acc

CABRI Trial Participants: First-year re- sults of CABRI (Coronary Angioplasty versus Bypass Revascularisation Investi- gation). Lancet 1995; 346: 1179–84 Dr. A. F. Rickards, Royal Brompton Hospital, London SW3 6NP, England

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