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Büschgen „Eine Börse für die Banken“, titelt die FAZ vor einigen Monaten einen Wirtschaftsleitar- tikel, und es folgt: „Die Mächtigen formen ihre Welt, die Banken ihre Börse“

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B E R I C H T E

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Banken und Börsen

Vortrag, gehalten auf der 41. Kreditpolitischen Tagung der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen in Frankfurt a.M., 8. November 1995

v. Professor Dr. Hans E. Büschgen

„Eine Börse für die Banken“, titelt die FAZ vor einigen Monaten einen Wirtschaftsleitar- tikel, und es folgt: „Die Mächtigen formen ihre Welt, die Banken ihre Börse“. Dieses Zitat beschreibt nicht nur anschaulich die sehr enge Verknüpfung zwischen Banken und Börsen, sondern charakterisiert wohl auch zutreffend die hierarchische Ordnung in dieser Liaison. Die Banken sind mit den Wertpapierbörsen in einem dichten und kom- plexen Beziehungsgefüge in vielfältiger Weise verbunden. Einigen hieraus resultieren- den Problemfeldern sollen - sehr selektiv - im folgenden angesprochen werden.

Zur gedanklichen Ordnung dieses Beziehungsnetzes lassen sich abgrenzen: zum ei- nen institutionelle sowie funktionelle Beziehungen der Banken zu den Börsen als deren Eigner und Kunden, des weiteren börsenpolitische Einflüsse der Banken auf die tech- nische, organisatorische und marktliche Entwicklung des Börsensystems und schließ- lich - sehr bedeutsam - Einwirkungen, die von den Banken als dominierender Gruppe der Finanzintermediäre auf die Struktur und das Wachstum des deutschen Finanz- markts und damit auf das aufgabenspezifische Umfeld der Börse ausgehen.

Zunächst zu den institutionellen Beziehungen. Banken sind - am Markt eine unübliche Konstellation - Aktionäre und damit Eigner und zugleich die „besten“ Leistungsabneh- mer und, was den Handel betrifft, sogar die einzigen Kunden der Börse. Banken als Eigentümer der Börse - das ist ein anschauliches, die Realität gut treffendes äußeres

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Zeichen der Tatsache, daß Aufbau, Arbeitsweise, Umsatz, Erfolg und künftige Ent- wicklung der Börse selbst und des relevanten Umfeldes stark im Gravitationsfeld von Interessen und Entscheidungen der Banken liegen. Dies wird deutlich im institutionel- len Bereich z.B. durch die dominierende Vertretung der Banken im Börsenrat. Zwar dürfen sie formal nur 50% der Mitglieder stellen, auf die Benennung weiterer haben sie faktisch jedoch erheblichen Einfluß, und ihre Kompetenz in Börsenfragen gibt ihnen die Stellung einflußreicher Fachpromotoren bei wesentlichen Entscheidungen jenes Gre- miums. Einschränkend ist allerdings hinzuzufügen, daß Banken keine homogene Gruppe sind, sondern Rivalen am Markt, heterogen nach Größe, Kunden- und Ge- schäftsstruktur, bei denen nicht automatisch Konsens z.B. über die strategische Fort- entwicklung des Börsenwesens gegeben ist. Auch sind die Interessen von Emittenten und institutionellen Anlegern als Kunden der Banken zu beachten. Entscheidungen, die die Transparenz des Marktgeschehens und der Preisbildung sowie Transaktionskosten und Liquidität des Marktes bestimmen, können nicht ohne Rücksicht auf die Interessen der institutionellen Marktteilnehmer getroffen werden. Dennoch: Wie für alle multiper- sonalen Entscheidungsprozesse muß zur realistischen Interpretation der Entschei- dungsstruktur im Börsenwesen nicht nur auf formelle Regelungen, sondern auf fakti- sche, informelle Strukturen abgestellt werden, und hier haben für den externen Be- trachter Banken das maßgebliche Einflußpotential. Es kann angenommen werden, daß es doch nur eine begrenzte, unmittelbar interessierte Gruppe von Instituten ist, die auf Basis ihrer Stellung an diesem Markt dominierenden und - nach interner Abstimmung - auch homogenen Einfluß ausüben kann. Diese institutionelle Stellung der Banken ist bedeutsam, da der Börsenrat die entscheidenden Bedingungen für das operative Ge- schehen an der Börse formuliert. Darüber hinaus liegen auch wichtige strategische Entscheidungen für die künftige Entwicklung der Börse - wie die Aufnahme und die Eliminierung von Marktobjekten, die Einführung und die Umgestaltung technischer Sy- steme, die Einführung und die Änderung der Handelssysteme - im Entscheidungs- oder zumindest Zustimmungsbereich des Börsenrats. In summa: Innerhalb der von Börsen- gesetz, Börsenzulassungsverordnung und Wertpapierhandelsgesetz vorgegebenen Rahmenbedingungen liegen wesentliche institutionelle Kompetenzen zur Bestimmung von Wohl und Wehe der Börse im Entscheidungsfeld der Banken.

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Ein weiterer Bereich des engen Zusammenwirkens von Banken und Börsen liegt in den Funktionen der Börse - einer Marktveranstaltung im Hinblick auf Bedürfnisse von Emittenten, Anlegern und Finanzintermediären mit der Aufgabe, schnell, sicher und kostengünstig Handelsabschlüsse in Finanztiteln unter bonitätsmäßig einwandfreien Partnern zu ermöglichen und das Zustandekommen von Finanzkontrakten auf dem Primärmarkt zu fördern. Zentrale Funktionen der Börse sind dabei die Ermittlung fairer Marktpreise und die Minderung von Transaktionskosten durch die institutionelle Kon- zentration von Angebot und Nachfrage, die Standardisierung der Marktobjekte, die Be- reitstellung effizienter, transparenter Handelsverfahren und die Gewährleistung der Bonität der Marktteilnehmer mittels Selektion und Sicherungssystemen. Von erhebli- cher funktioneller Bedeutung ist weiter die hinreichende Liquidität der Marktbereiche sowie eine den Bedürfnissen entsprechende Angebotsstruktur an Börsen“produkten“.

Die enge symbiotische Bindung Banken - Börsen ist einerseits von Vorteil. Sie ermög- licht den Banken als den Kunden der Börse, unmittelbar Einfluß auf deren Leistungs- struktur und Leistungsfähigkeit zu nehmen. Sie erleichtert die Gestaltung und die Strukturierung der Produktpalette der Börse entsprechend den von den Banken in ih- ren marktlichen Beziehungen zu ihren Emissions- und Anlegerkunden und im Eigenge- schäft erkannten Bedürfnissen zu konzipieren. Die enge Kooperation bei der Lösung funktioneller Aufgaben und die Prozeßharmonisierung bei Banken und Börsen erlau- ben die Integration der Leistungsprozesse von der Ordererteilung des Bankkunden über Handel, Abwicklung, Verrechnung beim Kassenverein bis zur Verbuchung auf Depot- und Geldkonto des Kunden.

In der engen Symbiose gründen für den funktionellen Bereich der Börse aber auch potentielle Nachteile. Sie wird problematisch, wenn die Bindungen nicht mit den Zielen einer gesamtwirtschaftlich erwünschten Ausbildung des Börsenwesens und seiner Be- deutung im Rahmen des Finanzmarkts Deutschland harmonieren. So operieren Ban- ken an der Börse außer für ihre Kunden in erheblichem Umfang im Eigeninteresse. Aus der Eigenhandelsposition erwirtschaftete Erträge sind ein bedeutsamer Posten ihrer Ertragsrechnung. Abgeleitet aus dem stark gestiegenen OTC-Kundengeschäft in Deri- vaten und unmittelbar aus rentabilitäts- und risikopolitischen Erfordernissen des eige- nen asset management sind an den Kassa- und Terminmärkten erhebliche Transakti-

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onsvolumina notwendig. Banken sind so nicht nur Kunden der Börse als Kommissionä- re ihrer Kunden, sondern sie sind die bedeutsamen Investoren, deren Entscheidungen für oder gegen einen Börsenplatz für diesen von erheblicher Bedeutung sind. Eine Verlagerung ihrer Nachfrage in den außerbörslichen Markt oder an ausländische Bör- sen kann schnell zu existentiellen Nöten der inländischen Börsen führen.

Zudem: Dadurch, daß Banken in der Vermögensberatung und -verwaltung der Anleger einerseits, als Finanziers und Finanzberater der Unternehmen andererseits tätig sind, beeinflussen sie Umfang und Struktur der über sie an die Börse gelangenden Anlage- und Finanzbedarfe. Dabei ist bedeutsam, daß sie auf Grund ihres know-how nicht nur auf die Auswahl der Finanzierungs- und Anlagealternativen der Nichtbanken einwirken, sondern zugleich auch selbst Anbieter von Finanzdienstleistungen sind, die mit den aktuellen und potentiellen Produkten der Börsen konkurrieren. Offenkundig ist dies für eine Reihe von Derivaten, bei denen OTC-Produkte neben börsengehandelten mit grundsätzlich identischem Kontraktinhalt für die gleichen Zwecke existieren. Dafür, daß bisher Devisen-futures und Devisen-optionen an der DTB nicht gehandelt werden, kann ein Grund in der Konkurrenz zu entsprechenden Bankprodukten gesehen wer- den. Auch die Diskussion um ein swap clearing über die Börse zeigt die Bedeutung der produktpolitischen Eigeninteressen der Banken in Konkurrenz zur Börse.

Das Börsengesetz und das Wertpapierhandelsgesetz übertragen primär der Börse die Verantwortung für faire Handelsbedingungen und statten sie mit außerordentlichen Kompetenzen zur Erfassung und Überwachung des Börsenhandels aus. Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz hat die Transparenz und die Überwachung der Integrität des Handels an den deutschen Börsen an das internationale Niveau herangeführt. Im Hinblick auf die Interessen der Anleger und im Wettbewerb mit anderen Finanzmärkten ist sicherzustellen, daß die ermittelten Preise marktgerecht sind und die Preisfindung für die Marktteilnehmer transparent ist. Diese Überwachungsfunktion der Börse zur Sicherung des Vertrauens in die Fairnes der Preisbildung bedarf, soll sie letztlich wirk- sam sein, der engagierten Unterstützung durch die Banken als den am Markt Handeln- den. Sie muß durch Anstrengungen der Banken ergänzt werden, in gleicher Weise das Vertrauen der Bankkunden in die Fairnes ihrer Kommissionäre zu sichern, denn in der Sicht der Bankkunden sind bei Planung und Abwicklung von Börsentransaktionen Ban- ken und Börsen eine funktionelle Einheit - zu Recht, wie oben dargelegt. Banken sind

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zugleich Informationsproduzenten und -lieferanten (Anlageberatung), aber auch Kon- kurrenten Wertpapiereigengeschäft) ihrer Kunden im Informationswettbewerb am Wertpapiermarkt. Sie sind zugleich Produzenten und Selbstverwerter kursrelevanter Informationen im Kundengeschäft und Eigenhandel. Dies macht die Bedeutung und auch die Schwierigkeit der Aufgabe deutlich, Vertrauen in die Fairnes der Beziehung Anleger - Bank - Börse zu sichern.

Ähnlich ist der Zusammenhang bei den Transaktionskosten zu sehen. Sie werden für die Kundschaft der Banken bestimmt durch die von diesen weitergegebenen Kosten des Börsenhandels sowie den Preisen, die sie selbst den Kunden für ihre Leistungen im Wertpapiergeschäft berechnen. Finanzierungskosten bzw. Anlagerendite und damit die Beurteilung von Finanzierung, Anlage und Handel in Börsenobjekten werden nicht unerheblich durch diese Kosten der Intermediation bestimmt; sie beeinflussen dement- sprechend deutlich das Anlage- und Finanzierungsverhalten der Nichtbanken.

Zum börsenpolitischen Einfluß der Banken. Börsen- und Börsensysteme sind offene dynamische Systeme, die sich unter dem Einfluß vielfältiger marktlicher und institutio- neller Umfeldfaktoren an die Wandlungen des Umfeldes in Umfang, Struktur und Be- deutung ihrer Funktionen anpassen müssen. Für das Gelingen dieser Aufgabe ist es notwendig, daß die hier verantwortlichen und handelnden Personen die erforderlichen Prozesse, planvoll und allein an der Aufgabenstellung der Börse orientiert, initiieren und steuern. Dies ist zwar ein dauerhafter Prozeß, doch hat es den Anschein, daß ge- genwärtig und in naher Zukunft Zahl, Dringlichkeit und strategische Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen besonders groß sind. Anzumerken ist auch, daß die Börsen nach einer gewissen Konzentration der lange zergliederten und mit geringem autono- men Aktionsraum ausgestatteten Managementkapazitäten erst in jüngster Zeit plan- volle strategische Aktivitäten entwickeln.

Lange Zeit sind bei vielen Aufgaben zum Börsenhandel und zum Börsensystem auch die Entscheidungen der Banken mehr durch Drohgebärden des Gesetzgebers denn durch freiwilligen Entschluß herbeigeführt worden, oder sie wurden durch konkrete Schritte des Gesetzgebers realisiert, zum Teil gegen den Widerstand der Banken. In- novation und Differenzierung der Produktpalette wurden teils marktlich erzwungen

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durch Entwicklungen an den internationalen Märkten, andere erst möglich durch die Entwicklung der Kommunikationstechnik. Erst in jüngerer Zeit läßt das Agieren der Banken im Börsenwesen ein dem Bedeutungsgewicht dieser Aufgaben angemessenes, aktives Engagement erkennen und nicht nur Reagieren auf die Umstände. Sie könnten deutlicher erkannt haben, daß auch für ihr genuines Geschäft die Wettbewerbsfähig- keit des Finanzplatzes Deutschland und dafür ein funktionsfähiger Wertpapiermarkt und ein leistungsfähiges Börsenwesen von großer Bedeutung sind.

Mit Gründung der DTB, mit der organisatorischen Neuordnung des Börsensystems unter dem Dach der Deutsche Börse AG sowie der partiellen Einführung moderner Ab- wicklungstechniken und neuer Handelsverfahren sind wichtige strategische Richtungs- entscheidungen in relativ kurzer Zeit getroffen worden. Doch weitere bedeutsame strategische Entscheidungen über Gestalt, Arbeitsweise und damit Wettbewerbsfähig- keit des deutschen Börsensystems stehen noch an. Hier sind unter andrem zu nennen:

Zentralbörse versus Regionalbörsen, das künftige Handelssystem, die Gestaltung der internationalen Beziehungen der deutschen Börsen in einem globalisierten Finanz- markt. Zu beachten ist auch: Im Bereich institutioneller Marktteilnehmer wird ein wach- sendes Handelsvolumen außerhalb der Börsen kontrahiert - besonders deutlich im Rentenhandel erkennbar. Angesichts der technischen Entwicklung und der hohen Be- deutung institutioneller Anleger sehen sich die Börsen künftig vor allem im großvolumi- gen internationalen Geschäft der Konkurrenz börsenähnlicher, aber nicht in die Regu- lierungen des Börsensystems eingebundener Handelsmöglichkeiten gegenüber. Sie müssen versuchen, durch adäquates Marketing diesen Trend umzukehren. Für die Li- quidität z.B. des börsenmäßigen Rentenhandels in Deutschland ließe sich durch bör- senfreundlichere Dispositionen der Banken einiges verbessern.

In diesem Kontext: Wenngleich für die Wettbewerbsfähigkeit und damit für die Markt- stellung der deutschen Börsen primär die eigene langfristige Strategie und deren Um- setzung, das heißt ihre eigene Leistungsfähigkeit entscheidend sind, so ist doch auch von Bedeutung, in welchem Maße die sie tragenden Banken bereit sind, Geschäft am Finanzplatz Deutschland und, soweit zuständig, über deutsche Börsen abzuwickeln.

Die jüngst initiierten oder geplanten Aktionen großer Banken zum „outsourcing“ des investment banking nach London haben außer in den Banken selbst auch am Platz

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Frankfurt für strategische Unsicherheit gesorgt. Solche Entscheidungen signalisieren die Akzeptierung höherer Leistungsfähigkeit und größeren Bedeutungsgewichts Lon- dons und können damit Resignation für den Finanzplatz Frankfurt bedeuten. Für des- sen weitere Entwicklung dürften solche Entscheidungen kaum hilfreich sein, mögen sie auch in der Perspektive der beteiligten Banken selbst überzeugende betriebswirt- schaftliche Begründungen finden.

Hauptmerkmale eines wettbewerbsfähigen Börsensystems sind bedarfsgerechte Pro- dukte, niedrige Transaktionskosten, Transparenz der Preisbildung, schnelle, zuverläs- sige und risikofreie Stücke- und Geldregulierung sowie hohe Marktliquidität. Die maß- geblichen Kriterien zur Bewertung von Struktur- und Funktionsalternativen für die ge- nannten Aufgaben sollten ausschließlich aus dieser marktlichen und funktionellen Auf- gabe der Börsen abgeleitet werden. Unsere Kenntnisse über den hier wirksamen Zu- sammenhang zwischen Börsenauftrag und den zu seiner Erfüllung vorgelegten Lö- sungsalternativen sind indes vielfach nicht eindeutig. In der dadurch häufig kontrover- sen praktischen Auseinandersetzung über die beste Lösung sind die vorgetragenen Begründungen nicht immer leicht von tatsächlichen, aber latenten Motiven der interes- sierten Gruppen zu trennen.

Von Interesse ist unter gegebenen Themenstellung, mit welchen Zielsetzungen, mit welchen Einstellungen und mit welchem Gewicht sich unter diesen Gruppen die Ban- ken mit den anstehenden börsenpolitischen Aufgaben befassen. Sie nehmen - für Au- ßenstehende unschwer erkennbar - diese Aufgabe mit Engagement wahr. So arbeiten Banken vor allem in der großen Zahl von Gremien, Arbeitskreisen, Projektgruppen u.dgl. zur Fortentwicklung des Börsensystems und bringen hier in die Entscheidungs- findung know-how, manpower, aber selbstverständlich auch ihre Interessen ein. Sei- tens der an den hier ablaufenden Entscheidungsprozessen Beteiligten wird ein Ge- samtentwurf jedoch nicht vorgelegt. Es werden Schritte zur Fortentwicklung des Bör- senwesens angeregt, geplant, revidiert, zum Teil realisiert, ohne daß dies „streamli- ning“, per erkennbarem, schlüssigem Gesamtkonzept geschieht. Vielleicht liegt der Grund für dieses dem Außenstehenden wenig transparente, zum Teil widersprüchliche, im ganzen nicht konsequente Verfahren in der Notwendigkeit, eine Kakophonie unter- schiedlicher Interessen zu homogenisieren und durch schrittweise Verwirklichung von

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Teilergebnissen, letztlich auch gegen Widerstände, ein bestimmtes, nach außen hin nicht präzise propagiertes Konzept zu realisieren. Jüngstes Beispiel einer - allerdings komplexen - Handlungssituation: Der Aufsichtsrat der Börse AG beschließt ein strate- gisches Konzept mit dem Kürzel „Zeus“. Die Entscheidung über ein grundlegendes Element darin, das künftige Handelssystem, bleibt in der Schwebe. Die entscheidende Formulierung über Aufbau, Ausbau einer elektronischen Handelsplattform wird nur im Grundsatz genehmigt. In der anschließenden Diskussion und Berichterstattung inter- pretiert jede Interessengruppe diesen Beschluß in der Öffentlichkeit nach eigenen Vor- stellungen und Wünschen. In der Kommentierung, auch durch führende Bankenver- treter, werden die Ergebnisse nachträglich revidiert, aufgeweicht und unpräzise. Offen- kundig sind die in diesen Prozeß eingehenden Interessen nicht nur zwischen Banken und z.B. Maklern und Vertretern der Regionalbörsen kontrovers, sondern auch zwi- schen den Banken. A propos: In der griechischen Mythologie ist Zeus, Sohn des Kro- nos (des Krummsinnigen), unter den Göttern nicht nur der fruchtbarste, sondern auch der verwandlungsfähigste.

Wie kompliziert die Stellung einer großen Bank im Beziehungsgeflecht von Börsen- strukturfragen ist, zeigt sich auch am Beispiel der Entscheidung der BASF, die Notie- rung ihrer Aktien auf Frankfurt zu beschränken. Dies wurde von der Emissionsbank mitgetragen, wenn nicht angeregt. Gleichwohl sind hochgestellte Vertreter dieser Bank in leitenden Gremien der übrigen Börsen vertreten, die um die tragfähige Formulierung einer Zukunftsaufgabe und damit um ihre Existenz ringen.

Naheliegend ist die Befürwortung einer elektronischen Handelsplattform.

Sie liegt im Rahmen der Gesamtentwicklung der Informationstechnik; viele Börsenpro- dukte sind nur noch Information. Sie erlaubt die Kombination einer Zentralisation der Funktionen mit dezentralem Zugang der Systemteilnehmer - auch ein Charakteristikum moderner Informationstechnik im allgemeinen und der Banktechnik im besonderen. Sie ermöglicht so standort-unabhängige Teilnahme am Börsenhandel von Banken des In- landes und auch des Auslands. Sie führt zur Konzentration von Angebot und Nachfra- ge - einem typischen Börsenprinzip - und größerer Liquidität einzelner Marktsegmente.

Sie ist der technischen Entwicklung im internen Bereich von Banken sowie institutio- nellen Anlegern adäquat. Schnelligkeit, Präzision und Transparenz der Prozesse sind

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weitere vorteilhafte Merkmale. Vor allem: Mit DTB und IBIS liegen zwei offenkundig erfolgreiche Experimente für ein elektronisches Handelssystem vor, und die Kompatibi- lität von Kassa- und Terminhandelssystem erscheint prima facie vorteilhaft. Der Hin- weis, die großen Börsen in New York, London und Tokio seien Präsenzbörsen, über- zeugt wenig, da dies schlicht ihre traditionelle Form ist, und ihre Größe ist kaum Er- gebnis der Handelsform, sondern der entwickelten Wertpapierkultur in diesen Ländern.

Im übrigen ist Nasdaq ein erfolgreiches Beispiel in den USA für ein elektronisches Handelssystem. Kritiker des elektronischen Handelssystems befürchten die Monopoli- sierung des Handels bei großen Banken, Manipulationsmöglichkeiten bei offenem Or- derbuch durch kapitalstarke Marktteilnehmer und Verbreiterung der spreads. Neben Fragen von Funktionssicherheit und Investitionskosten handelt es sich hier im Kern um Abwägung von „high tech“ und „human touch“ im Börsenhandel. Ausschlaggebend ist, welche Bedeutung das personale Element für faire Preisbildung und Beherrschung von Risiken im Börsenhandel hat. Es kann zur Betreuung der Kursbildung von Aktien vor- teilhaft sein, bei denen das am Markt befindliche Volumen und der Umsatz gering sind, nicht jedoch für die Kursfindung umsatzstarker Papiere mit breiter Streuung. Es gibt Untersuchungen zur Leistungsfähigkeit von Computer- und Parketthandel im Vergleich, wobei Leistungsfähigkeit danach bemessen wird, wie schnell neue kursrelevante In- formationen im Kurs reflektiert werden. Diese stützen die Hypothese, daß überlegene Informationseffizienz des Computerhandels vor allem für umsatzstarke Papiere zu er- warten ist. Bei umsatzschwachen ist das Urteil weniger sicher, eine Überlegenheit des Computerhandels eher weniger deutlich. Die Konsequenz hieße dann: elektronische Handelsplattform für die Titel des DAX-100, Präsenzbörse(n) für die übrigen Papiere.

Hier wird auch ein möglicher strategischer Zusammenhang zwischen der Wahl des Handelssystems und der langfristigen Entwicklung der Börsenstruktur erkennbar. Ein elektronisches Handelssystem führt zur Konzentration des Börsenhandels, eine Ent- wicklung, die für umsatzstarke Papiere auch sachlogisch richtig ist. Dies zeigt die Ent- wicklung von IBIS. Der Zusammenhang wird auch deutlich in jüngsten Vereinbarungen oder Absichtserklärungen zur Kooperation der Börsen Frankfurt, Düsseldorf und Mün- chen - ggf. Berlin - durch Zusammenlegung des Skontros und einheitliche Preisfindung für die DAX-100 -Werte, wenngleich noch nach regionalem Gesichtspunkten auf die kooperierenden Börsen verteilt. Dies zeigt aber auch: Eine vernetzte Handelsplattform

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leistet die Zentralisation der Preisbildung, verlangt dabei aber nicht notwendig Aufgabe institutioneller Selbständigkeit der eingebundenen Bör-sen; sie erfordert allerdings ge- meinsame Instanzen der börsenpolitischen Willensbildung.

Die Betreuung umsatzschwächerer Papiere durch Regionalbörsen mit Parketthandel erscheint vorteilhaft, weil in dem hierfür geforderten „human touch“ die regionalen Bin- dungen der Emittenten berücksichtigt werden könnten. Das heißt: Es ist nicht auszu- schließen, daß für das going public von regional orientierten mittleren Unternehmen Plazierung, Börseneinführung, Kurspflege sowie investor relations auf einem regiona- len Markt mit regionaler Börse gut aufgehoben sind, sofern aus Kosten- und Liquidi- tätsgesichtspunkten der Handel für einen Titel jeweils an einer Börse konzentriert wird.

Im Hinblick auf die Aufgabe, künftig eine sehr viel größere Zahl mittelständischer Un- ternehmen an die Börse zu bringen, wäre der regionale Bezug für diese Emissionen an Regionalbörsen möglicherweise vorteilhaft. Ein wesentliches Problem eines solchen Segmentierungskonzepts liegt in der Existenzfähigkeit regionaler Börsen ohne Auftei- lung der Umsätze in den DAX-Werten. Sie dürfte beim status quo der „Aktienkultur“ in Deutschland nicht gegeben sein. Das würde erst anders, wenn die optimistischen Schätzungen von 2000 bis 3000 börsenfähigen mittelständischen Unternehmen richtig wären und der oft propagierte Ausbau des Segments „small and mid-cap“ Aktien ge- länge.

Hier schließt sich das vierte Problemfeld in der Beziehung Banken und Börsen an: der Einfluß der Banken auf den Gesamtfinanzmarkt als aufgabenspezifisches Umfeld der Börse; man möchte hier fast von „Qualitätsmanagement“ für die Börse sprechen.

Über Jahrzehnte wird bei Interessenten und kapitalmarktpolitischen Experten die un- genügende Funktionsfähigkeit der Aktie als Finanzierungs- und Anlageinstrument be- klagt; in heutiger Diktion: die Forderung nach Schaffung einer der realwirtschaftlichen Größe und Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft entsprechenden Aktien- kultur - „equity culture“ - artikuliert. Wenn es richtig ist, daß die Aktie eine für entwik- kelte Volkswirtschaften überlegene Finanzierungsform darstellt, ist die Rückständigkeit des deutschen Finanzsystems evident.

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Trotz vielfältiger, zumindest verbaler Anstrengungen und wichtiger Maßnahmen im ak- tien-, steuer- und börsenrechtlichen Bereich konnte bisher die Strukturschwäche im Aktiensegment des Finanzmarkts nicht behoben werden. Es wird eine Vielzahl von Ur- sachen für diese Insuffizienz vorgetragen, die hier nicht zu diskutieren sind. Zu fragen ist nach der Rolle der Banken und ihrem tatsächlichen Verhalten in diesem kapital- marktpolitischen Problemszenario.

Die Aktienkultur eines Landes wird entscheidend durch Einstellungen, Denkweisen und Verhaltensmuster der relevanten Gruppen geprägt. Sparer, Investoren und Finanzin- termediäre prägen auf Grund ihrer Zielsetzungen und Präferenzen diese Aktienkultur.

Ganz offensichtlich haben Banken - einerseits als Emissionsbanken der Unternehmen, andererseits als Berater der Kapitalanleger - eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung einer Aktienkultur. Versteht man dies als wichtigen (Umfeld-)Teil des erwähnten Qua- litätsmanagement für die Börse, möchte man sagen: „Total quality management begins at home“, bei den Banken als den wichtigsten Börseninstitutionen. Und in der Tat: Die

„opinion leaders“ aus den Managements der großen Banken, Funktionäre ihrer Ver- bände usw. propagieren seit Jahren die Förderung von Aktie und Aktienmarkt. In fast jedem Geschäftsbericht, bei Fachtagungen, Kongressen, Diskussionen u. dgl. sind Be- dauern über den Zustand des Aktienmarkts und Postulate zu seiner Förderung stereo- type Textbausteine, Module. Hier bestehen aber durchaus Bedenken, Übereinstim- mung von Worten und Taten, von vorgetragenen Postulaten und tatsächlichem Wollen bei den Banken anzunehmen. Es ist fraglich, ob diese ihrer wichtigen kapitalmarktpoli- tischen Multiplikatorfunktion hinreichend gerecht geworden sind.

Was zunächst die Seite der potentiellen Emittenten beftrifft, so führt die

Unterentwicklung des Aktienprimärmarktes zu der oft beklagten Eigenkapitalschwäche von nicht börsennotierten Unternehmen und einem nur geringen Angebot an anlage- geeigneten Titeln. Die unzureichende Liquidität des Sekundärmarkts in Nicht-Dax- Werten ist andererseits ein wesentlicher Grund für die geringe Zahl der going publics, da sie auch die ansonsten emissionsfähigen und -bereiten Unternehmen entmutigen, an die Börse zu gehen.

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Deutschland gehört zu den führenden Industrieländern mit hoch leistungsfähigen Gü- termärkten. Die diagnostizierte Finanzmarktschwäche im Aktiensegment hat sich hier noch nicht erkennbar nachteilig ausgewirkt. Sie wird bisher offenbar durch Besonder- heiten der Unternehmensfinanzierung in Deutschland kompensiert: Eine erhebliche Zahl grundsätzlich wohl börsenreifer Unternehmen finanziert ihr Wachstum nicht über externe Kapitalbeschaffung, sondern durch Innenfinanzierung; unter Umständen wird das Wachstum sogar an das Cash-flow-Potential gebunden. Selbst bei Börsengesell- schaften spielt die Innenfinanzierung die herausragende Rolle im Kapitalbudget. Ne- ben der Gewinnthesaurierung sind hierbei Pensionsrückstellungen ein wichtiges Ele- ment. Gesamtwirtschaftlich, unter Allokationsaspekten richtiger wäre die Verpflichtung zur Einbringung dieser Gelder in Pensionsfonds, deren Anlageentscheidungen markt- lich gesteuert und dem Prinzip der Diversifizierung besser gerecht werden können. Bei entsprechenden Anlagepräferenzen dieser Institute wäre daraus eine erhebliche Stei- gerung des Kapitalangebots am Aktienmarkt zu erwarten, auf das die Unternehmen durch Aktienemission zurückgreifen könnten - für die Entwicklung des Aktienmarkts sicherlich eine sehr wirksame Maßnahme. In dieser Frage sind die Banken aber kaum involviert.

Die universale Struktur unseres Bankensystems erlaubt, die für das Wachstum noch erforderlichen externen Finanzierungsmittel über die Banken bereitzustellen, die ihrer- seits auch hohe Fremdkapitalquoten der Unternehmen akzeptieren. Das Risiko er- scheint ihnen wegen sehr enger geschäftlicher und informationeller Beziehungen zu ihren Firmenkunden tragbar. Banken sind letztlich nicht an der Substitution ihrer Inter- mediärfunktion durch Kapitalmarktintermediation, an „securitization“, interessiert, zu- mindest solange nicht, wie ihre Position als Gläubiger nicht der Fundierung durch ex- tern beschafftes Eigenkapital als Verlustausgleichspotential der Kreditnehmer bedarf.

Vor diesem Hintergrund konnte eine Aktienkultur auf Seiten der Unternehmen als po- tentiellen Emittenten nicht gedeihen. Nunmehr, da das Wachstum und die Internationa- lisierung der Unternehmen und Märkte auch im Bereich bisher nicht emissionsfähiger Unternehmen, der Anstieg der Marktrisiken und die Sicherung der Stabilität der Unter- nehmen in Krisenzeiten vermehrten Bedarf an externem Eigenkapital induzieren, fehlt

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es den Beteiligten an know-how, vor allem aber auch die positive Einstellung zur Ände- rung des bisherigen Finanzierungsverhaltens.

Börsenreife Unternehmen müssen von den Banken aufgespürt und ihr going public ak- tiv betreut werden. Die Risiken einer Universalbank liegen hier jedoch nicht allein im Emissionsrisiko selbst. Bei mißlungenem going public verliert die Bank nicht nur im Bereich des Emissionsgeschäfts, sondern unter Umständen auch das übrige Bankge- schäft des enttäuschten Emittenten. Andererseits können bei „overpricing“ des going public Geschäftsbeziehungen zu den Anlegerkunden gefährdet sein. Kritiker bemän- geln angesichts der bisherigen Praxis der Banken in diesem Markt deren geringe Pro- fessionalität bei Akquisition, pricing und Abwicklung von Going-public-Transaktionen.

Das bisher nur geringe auf eigener Erfahrung beruhende Markt-know-how mag auch Unsicherheit und die darauf begründete Zurückhaltung der Banken in diesem Geschäft begründen. Deutsche Banken dürften deshalb sehr risikoavers im Bereich going public sein, und angesichts ihres erheblichen Beratungseinflusses kann hier ein Grund für die relativ geringe Zahl von going publics liegen.

Generell zeigt sich gegenwärtig, daß die deutschen Banken in ihrer jüngeren Historie - ganz anders als in den Gründerjahren des vergangenen Jahrhunderts - in einem Fi- nanzmarkt mit relativ geringer Bedeutung verbriefter Finanzierung keine ausreichenden personellen Ressourcen und Managementkapazitäten mit zulänglichem know- how und erforderlicher Affinität zum investment banking entwickelt haben. Durch Import aus dem Ausland oder - wie gegenwärtig „in“ - durch Verlagerung wichtiger Investment-banking- Aktivitäten nach London sollen kognitive und empirische Schwächen im Produkt- und vor allem Markt-know-how sehr schnell behoben werden. Bleibt zu hoffen, daß die er- warteten Lernprozesse sich auch fruchtbar für das Verhalten der Banken am deutschen Finanzmarkt auswirken.

Angesicht dieser Sachlage wäre es für die Banken wichtig, zu erkennen, daß ein uni- verselles Geschäft nicht nur in der Universal-Bank, sondern auch in einem Universal- bank-Konzern zu realisieren ist, eine institutionelle Form, die in den letzten Jahren be- reits für eine Anzahl neuer Geschäftsfelder gewählt wurde. In einem Universalbank- Konzern könnten auch Spezialinstitute für das Wertpapiergeschäft mit entsprechendem

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marktlichen Impetus zur Promotion von Aktienfinanzierung und Aktienanlage agieren.

Die Zukunft unseres Universalbankensystems kann im Universalbank-Konzern - etwa als Holdingkonstruktion - liegen, unter dessen Dach produkt- und kundenorientierte Konzerngesellschaften bei konsequenter Entscheidungsdezentralisation im Marktbe- reich agieren. Hier sollten dann auch konzernangehörige Wertpapierfirmen unter auto- nomer marktlicher Zielsetzung operieren. Dies erscheint um so wichtiger, als mit Um- setzung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie die Konkurrenz spezialisierter Wertpa- pierfirmen des Auslandes stärker werden kann.

Korrespondierende Schwäche zeigt der Aktienmarkt auch im Bereich der Kapitalanla- ge. Bis Ende der 70er Jahre waren Bankeinlagen die herausragende Anlageform pri- vater Haushalte. Mit zunehmendem Geldvermögen und wachsendem Renditebewußt- sein stieg der Wertpapiererwerb erheblich an, allerdings ausschließlich im Bereich Renten; die Anlage in Aktien hat sogar abgenommen.

Die Gründe für die geringe Neigung der deutschen Privatanleger zum Aktienerwerb sind sicher vielschichtig. Mögliche Einflußgrößen und ihr Bedeutungsgewicht werden seit langem diskutiert, exakte Kenntnisse liegen nicht vor. Genannt werden die steuer- lichen Rahmenbedingungen, die hohe Bedeutung nicht kapitalbildender Systeme der Altersversorgung, die geringe Risikoneigung, eine wenig entwickelte kapitalistische Attitüde privater Anleger u.a.m.

Ein durchaus umfänglicher Katalog von Maßnahmen oder Versuchen zur Förderung der Aktie - Qualitätsmanagement! - war bisher nicht geeignet, eine unter kapitalmarkt-, vermögens- und ordnungspolitischen Zielsetzungen erwünschte Änderung des Anlage- verhaltens herbeizuführen. Erschwerend kommt hinzu, daß die Anlagepräferenzen in- stitutioneller Anleger wie Versicherungen, Pensionskassen und Banken, denen erheb- liche Teile des Geldvermögens der Haushalte zufließen, ebenfalls zur Unterrepräsen- tation der Aktienanlage im Portefeuille dieser institutionellen Anleger führen.

Zu fragen ist, ob mögliche Ursachen für die Unterentwicklung auch des Aktiensekun- därmarktes im Wirkungsbereich der Banken liegen.

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Zunächst: Banken versuchen sich in diesem Kontext durch Empfehlung der Invest- mentanlage zu immunisieren. Dies gelingt indes aus mehreren Gründen nicht - von Performance. Problemen und eklatanten Fehlleistungen von Fondsmanagements im Derivatebereich gar nicht zu reden. Zum einen ist auch bei den Investmentfonds der Anteil der Aktienfonds mit 20% nicht überragend. Als nachteilig wird des weiteren die oft enge Bindung der Investmentgesellschaften an die Vertriebskanäle der sie jeweils tragenden Banken gesehen. Die enge Verknüpfung führt - ob zu recht oder zu unrecht - zu dem Verdacht, daß bei der Anlagepolitik der Fonds Interessen der Trägerbanken einfließen und die Umsatztätigkeit der Fonds nicht ohne Rücksicht auf deren Provisi- onsinteressen erfolgt. Die verstärkte Hinführung der Privatanleger zu den Investment- fonds als Substitut für direkte Aktienanlagen ist auch börsenpolitisch bedenklich, ver- stärkt sie doch den ohnehin beklagten Trend zur Dominanz institutioneller Anleger im Börsengeschäft. Diese haben Präferenzen für umsatzstarke Papiere, kurzfristige Pla- nungsperioden und hohe grenzenüberschreitende Mobilität der Geldanlage - mit er- heblichen Konsequenzen für die Volatilität der Märkte.

Zum anderen: Für die Leistungsfähigkeit eines Aktienmarkts ist von erheblicher Be- deutung, daß die aus der Trennung von Eigentum und Management resultierenden Aufgaben der Managementkontrolle im Interesse der Aktionäre zulänglich erfüllt wer- den, offenkundig besonders dringlich bei Gesellschaften mit breiter Streuung des Akti- enbesitzes. Gefordert werden die Ausrichtung der Managemententscheidungen an den Aktionärsinteressen - z.B. gemäß Shareholder-value-Prinzip - und Instrumente zur eig- nerorientierten Rechenschaftslegung. Hier wird die dem deutschen Recht immanente hohe Dominanz des Gläubigerschutzprinzips von ausländischen Anlegern oft kritisiert.

Folge ist, daß zumindest in der Konzernrechnungslegung internationaler deutscher Unternehmen Entwicklungen zur Verwendung internationaler Standards beobachtbar sind. Verlangt wird weiter eine leistungsfähigere Überwachung des Management durch hierfür vorgesehene Aufsichtsgremien. Zwar spricht einiges dafür, daß das monitoring der Managements effizient und kostengünstig unter anderem durch Banken und son- stige Finanzintermediäre erfolgt, da sie hierfür Expertise und aus ihrem Geschäft für vielfältige Fragestellungen ein hohes Informationsniveau haben. Aber: Abgesehen da- von, daß sich dies bei echten Unternehmenskrisen nicht immer verifiziert, sind Banken als Kreditgeber und Lieferant vielfältiger Dienstleistungen mit Unternehmen primär

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marktlich verbunden. Insofern ist nicht abwegig anzunehmen, daß sie ihre Monitoring- Funktion als Kreditgeber oder im Aufsichtsrat oder bei Wahrnehmung des Depotstimm- rechtes primär hinsichtlich ihrer Gläubigerposition oder im Interesse der Kunde-Bank- Beziehung zum Management der Unternehmen ausüben, zumindest nicht ausschließ- lich oder vorrangig im Interesse der Aktionäre. Hinzu kommt, daß in Aufsichtsräten ne- ben den Banken die Manager anderer Unternehmen vertreten. Dies ist insofern pro- blematisch, als damit Kontrolleure und Kontrollierte zu einer Personenklasse gehören mit sehr ähnlichem Rollen- und Selbstverständnis sowie homogenen Interessen, was die subjektiven Ziele betrifft. Gefolgert wird daraus, daß der Anteil von nicht selbst in Managements engagierten Personen in Aufsichtsräten von Gesellschaften mit Streu- besitz erhöht werden sollte - eine zwar mit Aufwand verbundene, aber im Endergebnis vielleicht doch lohnende Professionalisierung der Managementkontrolle.

Einige hier angesiedelte Problemfelder - Leistungsfähigkeit des Aufsichtsratssystems, Regelung der Entscheidungsmacht der Aktionäre, Depotstimmrecht der Banken, Betei- ligungen der Banken an Nichtbankunternehmen - sind auch im Kontext mit jüngeren spektakulären Existenzproblemen großer Unternehmen und Konzerne als mögliche Schwachstellen des deutschen Aktienmarkts in die Diskussion geraten. Die institutio- nelle Struktur des deutschen Finanzmarkts hat sicherlich viele Vorzüge für die Ge- samtstabilität des Systems, doch besteht die begründete Vermutung, daß die Wahr- nehmung der Interessen der Streubesitzaktionäre nicht zulänglich gelöst ist. Dies ist aber wesentliche Voraussetzung für eine positive, dem Engagement in Aktien förderli- che Aktienkultur am Finanzplatz Deutschland.

Die heutige Struktur der Geldvermögensbildung der privaten Haushalte und darin die Vernachlässigung der Aktienanlage werden unmittelbar durch die Banken in ihrer An- lageberatung und Vermögensverwaltung beeinflußt. Um vorsichtig zu formulieren: Es hat den Anschein, daß es den Banken nicht gelungen ist, den Privatanlegern die Eig- nung der Aktien als Anlageform bei wachsendem Umfang des Geldvermögens zu ver- mitteln. Dies ist um so erstaunlicher, als nennenswertes Anlagekapital in hoch riskante Anlagen fließt, sofern sie steuerliche Vorteile zur Förderung einzelwirtschaftlich nicht rentabler Investitionen versprechen, und zwar auch dann, wenn die Steuervorteile die hohen Vermögensrisiken nicht kompensieren. Für die Funktionsfähigkeit der Börse ist

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aber die direkte Kapitalanlage der Privatanleger von erheblicher Bedeutung. Aufgrund differenzierter Anlagemotive und einer eher langfristigen Anlagestrategie sind Trans- aktionen der Privatanleger, die nicht schlicht als „Spekulanten“ abqualifiziert werden können, Basis für eine weniger volatile Kursentwicklung.

Manches deutet darauf hin, daß Banken in ihren marktlichen Bemühungen in der tägli- chen Anlageberatung nicht den nach außen gerichteten Bekenntnissen zur Förderung der Aktie entsprechen. Beobachtbares Handeln und die Preispolitik legen den Schluß nahe, daß sie Aktienanlagen erst bei großen Vermögensbeträgen für vertretbar halten, daß direkte Aktienanlagen von Kleinanlegern nicht in ihrem Interesse liegen und nach ihrer Meinung wohl auch nicht in dem dieser Anleger; Kleinanleger in Aktien sind nicht Zielgruppe der Banken, werden allenfalls verwiesen auf Aktieninvestmentanteile. Unter Risiko- und Kostenaspekten spricht zwar einiges für diese Marketingstrategie im Akti- enkommissionsgeschäft. Sie geht jedoch fehl, wenn die Gruppe „Kleinanleger“ zu eng definiert wird, und sie ist falsch, wenn auch im Bereich einkommensstarker Kunden betrieben. Mit wachsendem Geldvermögen und mit der Erkenntnis der Brüchigkeit der Altersversorgungssysteme ist die Eignung auch oder gerade der Aktie als langfristige Geldanlage in einem zur Altersvorsorge aufzubauenden Portefeuille gegeben.

Es können Zweifel entstehen, Banken im Beratungsgespräch mit anlagebereiten und anlagefähigen Kunden ein unvoreingenommenes, engagiertes Eintreten für die Aktie zu attestieren. Die Sorge, bei ungünstiger Kursentwicklung nicht nur den Wertpapier- kunden, sondern die gesamte Kundenverbindung zu verlieren, sowie die Rücksicht- nahme auf das eigene Einlagengeschäft mag hier Anstrengungen zur Förderung der Aktie als Anlageinstrument im täglichen Beratungsgeschäft entscheidend hemmen.

Auch hier müssen die Banken jedoch beachten, daß bei nachhaltigem Fehlverhalten spezialisierte Wertpapierfirmen auf Dauer wirksame Konkurrenz werden können. Ob die neue Marketingstrategie des beratungsarmen „discount brokerage“ geeignet ist, dem zu begegnen, läßt sich derzeit noch nicht absehen.

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