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Archiv "Projekt Medcom: Operationen live über Satelliten-Fernsehen" (07.07.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

zeckot. Operationen live

über Satelliten-Fernsehen

Über viele tausend Kilometer hinweg, ja sogar über den gan- zen Atlantik, bei einer Opera- tion hospitieren - die Satellitten- technik macht es möglich. Am

19. Mai waren es sechs brasilia- nische Ärzte, die in Rio de Ja- neiro vor einem Bildschirm sa- ßen. Sie schauten zu, wie die Professoren Rudolf Pichlmayr und Hans Joachim Meyer in der Klinik für Abdominal- und Transplantationschirurgie in Hannover zwei größere Abdo- minaleingriffe vornahmen, sie hörten die Erklärungen, die die Operateure gaben, und sie stell- ten Fragen, bekamen Antwor- ten, sagten, was sie in diesem Falle anders machen würden.

Zwei Operationssäle waren in Hannover zu Fernsehstudios ge- macht worden, und in dem da- zwischen befindlichen Funk- tionsraum drängten sich TV- Technik und deren Techniker.

Direkt-Kommunikation zwischen Chirurgen über Kontinente hinweg

Die moderne Kommunika- tionstechnik bietet gerade für die Medizin und besonders für die Chirurgie ein vielfältiges Anwendungsgebiet. Seit eini- ger Zeit werden in Hannover im „Medcom"-Projekt Video- konferenzen organisiert (vor einiger Zeit auch nach China), in denen nicht nur Operatio- nen durchgeführt und bespro- chen, sondern auch Ferndia- gnosen ermöglicht und die Aus-, Weiter- und Fortbildung von Studenten und Ärzten er- leichtert und erweitert werden können. Die sehr umfangrei- che Zielsetzung des hannover- schen „Medcom"-Projekts umfaßt darüber hinaus auch die Nutzung des Bildtelefons

zur Erleichterung der täg- lichen Kommunikation zwi- schen Ärzten, die räumlich voneinander getrennt sind, ferner die Nutzung der visuel- len elektronischen Speicher- technik zur Lösung von Ar- chivproblemen und schließlich auch die Nutzung von Bildtele- fonen und visueller Speicher- technik für die ärztliche Fort- bildung.

Die Videokonferenz vom 19. Mai 1988 aus einem Opera- tionssaal der Medizinischen Hochschule Hannover mit Chirurgen in Hannover im OP und Chirurgen in Rio de Janei- ro sollte die Bedeutung der modernen Tele-Kommunika- tionstechnik für die Zukunft besonders zur Übertragung von neueren, teilweise auch richtungsweisenden operati- ven Möglichkeiten aufzeigen.

Edgar Ungeheuer

F

ür die Operationen waren zwei Patientinnen soweit vorbereitet, daß der ent- scheidende Teil der Ein- griffe von Prof. Pichlmayr dann vor den Kameras ausgeführt werden konnte. Im weiteren Verlauf wech- selten sich die Operateure ab.

In Rio de Janeiro saßen in ei- nem Krankenhaus sechs Ärzte aus den Universitätskliniken. Hinter ih- nen eine Glaswand mit zwei Be- schriftungen: „Deutsche Bundes- post" und „Philips". Letztere Fir- ma versucht ein Krankenhaus-Kom- munikationssystem mit der Bezeich- nung „Medcom" in Gang zu brin- gen. Man stellt sich vor, daß ver- schiedene oder alle Abteilungen ei- nes Krankenhauses mit Kameras

und Bildschirmen miteinander ver- bunden sind, so daß beispielsweise folgendes möglich ist: Ein Opera- teur stößt auf ein Problem und weiß nicht weiter. Er zeigt das dem Chef, der in seinem Büro oder in einem anderen OP den Operationssitus auf seinem Bildschirm betrachten und dem Kollegen Rat geben kann. Das kann auch zwischen verschiedenen Abteilungen geschehen, zum Bei- spiel als Konferenz zwischen dem Operateur und dem Onkologen, der in der Medizinischen Klinik sitzt.

Man kann sogar die Krankenhäuser einer Region zusammenfassen, so daß der Chirurg in einem Grundver- sorgungs-Krankenhaus bei überra- schenden Schwierigkeiten sich wäh- rend einer Operation den Rat eines

kompetenten Chirurgen einer Groß- klinik oder einer Spezialabteilung holen kann (nicht uninteressant hin- sichtlich der Bestimmungen im Ent- wurf des Gesundheitsreformgesetzes über die Wahl des „nächsten" oder

„billigsten" Krankenhauses!). Und natürlich braucht ein solches System nicht auf die Chirurgie beschränkt zu bleiben — man könnte auch Elek- trokardio- oder Sonogramme, sicher auch Bilder aus der Endoskopie übertragen.

Tele-Fortbildung

Und man kann eben auch solche Fern-Demonstrationen und -Konfe- renzen zur Weiter- und Fortbildung A-1982 (22) Dt. Ärztebl. 85, Heft 27, 7. Juli 1988

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Eine Kombination von Operations- und Studioatmosphäre in der Chirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover. Oben: Während der Operation; rechts die beiden Monitoren, die Instrumentenschwester wagt einen Blick in „Richtung Rio".

Unten: Im Funktionsraum geballte Fernsehtechnik - aber immer mit Mundschutz veranstalten. Der Vorteil gegenüber

der bloßen Übersendung von Video- bändern ist der, das gleich Fragen gestellt und beantwortet werden können. Im Prinzip hat die Bundes- ärztekammer vor Jahren gemeinsam mit Ciba-Geigy Ähnliches mit „Ei- dophor" gemacht, wo Davos, Köln, Frankfurt und Houston/Texas zu- sammengeschaltet waren.

Plötzlicher Schluß

Der Nachteil beider Verfahren ist, daß man nur feste Satellitenzei- ten mieten kann — nach einer Stunde brach die Verbindung zwischen Hannover und Rio de Janeiro schlagartig ab, obwohl die Schluß- höflichkeiten noch nicht zu Ende ausgetauscht waren. Beim hier vor- gestellten „Medcom"-System ist die Zahl der Teilnehmer dadurch einge- schränkt, daß die Bildschirme eine begrenzte Größe haben — bei „Eido- phor" war das Bild auf eine Riesen- Leinwand projiziert, und ein ganzer Saal voller Zuschauer konnte daran teilnehmen. Aber: Man könnte ja auch mehrere Monitore aufstellen, um eine größere Teilnehmerzahl zu versorgen.

Technisch wäre anzuregen, daß Hintergrundgeräusche besser unter- drückt werden müßten. Überhaupt:

Das Bild war besser als der Ton, und da die Partner in Rio ein (pardon!) schauderhaft uneuropäisches Eng- lisch sprachen, war eine einigerma- ßen problemlose Kommunikation erst nach einiger Gewöhnung mög- lich.

Fragen, Antworten, Anregungen

Jedenfalls kam ein fruchtbares Gespräch zustande. Es handelte sich zum einen um eine Gastrektomie bei Magenkarzinom. Prof. Pichelmayr pflegt in solchen Fällen auch gleich die Milz mit herauszunehmen, was die Brasilianer verblüffte, und er gab ihnen seine Gründe dafür: Nur so sei eine sichere Ausräumung der Lymphknoten zu erreichen. Das an- dere war eine Operation an der Le- ber. Ein zwar gutartiger, aber schon

„kleinkindskopfgroßer" Tumor saß im Bereich des rechten Leberlap- pens, der reseziert wurde (Hemihe- patektomie). Hier wurde über die Nahttechnik an den Gefäßen disku- tiert; die Brasilianer fragten, warum Prof. Pichelmayr nicht statt der Schere oder des Skalpells bei der

Durchtrennung des Leberparen- chyms einfach den Finger benützte — und Pichelmayer gab zu, nun hätte er etwas gelernt. Und es wurde dar- über diskutiert, ob man eine solche Operation nicht auch „ex situ" ma- chen kann — also: die Leber explan- tieren, kühlen, den Tumor heraus- Dt. Ärztebl. 85, Heft 27, 7. Juli 1988 (23) A-1983

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operieren und die Leber wieder ein- setzen. Die „normale" Transplanta- tionstechnik steht dafür zur Verfü- gung - es ist nichts anderes als ein Herausnehmen und Wiedereinbau- en, allerdings nicht in einen ande- ren, sondern in den selben Patien- ten. DÄ-Fachredakteur Prof. Dr.

Edgar Ungeheuer, der zusammen mit dem Berichterstatter den Opera- tionen zuschaute, sagte, dies sei durchaus möglich, vor allem bei Nie- renerkrankungen. Der Vorteil sei, daß man so die Niere in aller Ruhe und in bequemer Positon operieren könne, was schwieriger sei, wenn das Organ im Körper des Patienten sitzt.

Noch „Übung"

erforderlich

Natürlich gibt es noch allerlei Probleme. Das Kamerateam gehört weitgehend zur Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).

Aber es ist schon schwierig, in die OP-Räume diesen Haufen Leute samt ihrem umfangreichen Gerät hineinzubringen - daß diesmal auch noch drei zusätzliche Zuschauer da- bei waren (außer den beiden Ge- nannten noch ein Fotograf), spielte schon keine Rolle mehr. Technische Probleme mit Kameras, Monitoren, Mikrofonen hielten sich in Grenzen und werden sich sicherlich durch

„Übung" überwinden lassen. Dafür ein eher heiteres Beispiel: Das Mi- krofon stand links vom Operateur, die beiden Fernseh-Monitore waren

rechts von ihm angeordnet, und als höfliche Menschen dachten beide Operateure natürlich nicht daran, daß sie zu dem Mikrofon links spre- chen mußten - sie drehten sich viel- mehr nach rechts zu ihren Ge- sprächspartnern auf dem Schirm und vom Mikrofon weg. Man wird einen günstigeren Platz entweder für das Mikrofon oder die Monitoren su- chen müssen. Trotzdem: Es war fas- zinierend zu beobachten, wie Prof.

Pichelmayr und Prof. Meyer ihre diffizile Arbeit taten, dabei alles auf Englisch erklärten und außerdem noch deutsch mit der Instrumenten- schwester und ihrem Team spra- chen.

Es war im hannoverschen OP natürlich nicht zu sehen, wie nun die dort aufgenommenen Bilder in Rio ankamen. Aus den sachverständigen Kommentaren und Fragen der brasi- lianischen Ärzte schien jedoch der Schluß möglich, daß die Bild- und Tonqualität für ein sinnvolles Kom- munizieren ausreichte. Wenn dem so ist, dann besteht für eine weltwei- te Kommunikation unter Ärzten - abgesehen von den Kosten, über die heute im Versuchsstadium natürlich noch nicht gesprochen worden ist (ein hannoverscher Philips-Mitar- beiter mußte extra nach Rio flie- gen!) - nur noch ein Problem, das auch sonst für den wissenschaft- lichen Austausch bedeutsam ist: die Sprachbarriere. In Brasilien spricht man ein eigenes Portugiesisch, aber hier in Hannover ging es nur auf Englisch: die lingua franca der mo- dernen Medizin . . . Walter Burkart

Ein Foto aus nächster Nähe des Monitors, als Prof. Pichimayr die Hemihepatektomie beendet und den 'ru- mor entnommen hatte.

Vorstellbar: Man könnte - vorausge- setzt, es ist genug Sa- tellitenzeit gemietet worden - sogar noch den Schnellschnitt ab- warten, das Ergebnis vorstellen und disku- tieren. Natürlich wa- ren die beiden Geräte Farbmonitoren

Wissenschaftsrat:

Bewährungsprobe der Hochschulen

In den neunziger Jahren kommt nach Ansicht des Wissenschaftsrates eine Bewährungsprobe auf die deut- schen Hochschulen zu. Die Zahl der Studenten wird Mitte der neunziger Jahre auf das Niveau von Mitte der siebziger Jahre zurückgehen. Ande- rerseits kommt auf die Universitäten ein stärkerer Wettbewerb unterein- ander und mit außeruniversitäten Forschungseinrichtungen um knap- pe Mittel für die Forschung zu.

Die Aufgaben der Universitäten werden sich ändern: Neben der Aus- bildung wird auch die Fort- und Weiterbildung eine große Rolle spielen. Die Hochschulen werden mehr und mehr als öffentliche Dienstleistungseinrichtungen in An- spruch genommen Darüber hinaus werden die Hochschulen durch an- wendungsbezogene Forschung und Wissenschaftstransfer in die Wirt- schaft herausgefordert.

Wenn die Hochschulen den sich wandelnden Aufgaben gerecht wer- den wollen, so der Wissenschaftsrat in seinen neuesten Empfehlungen zu den Perspektiven der Hochschulen in den neunziger Jahren, müssen sie auch zu Anpassungen und Verände- rungen, zum Beispiel im Lehrange- bot und in der Organisation der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, bereit sein. Hier gebe es derzeit Schwächen, die nicht al- lein auf Überlastung zurückzuführen seien.

Der Wissenschaftsrat schlägt vor, die Leistungskraft und Produk- tivität der Forschung durch gezielten Einsatz der Ressourcen und effizien- tere Organisationsformen zu verbes- sern. So sollten zum Beispiel im me- dizinischen Bereich klinische For- schergruppen in den Hochschulen gefördert werden. Um die Qualität der Lehre zu verbessern, hält der Wissenschaftsrat es für ratsam, zu- künftig nicht nur in kleineren Grup- pen zu arbeiten, sondern auch die Studienzeiten durch gezielte Aus- wahl und Konzentration des Lehran- gebots zu verkürzen. sk A-1984 (24) Dt. Ärztebl. 85, Heft 27, 7. Juli 1988

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