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Archiv "Sozialpsychiatrischer Dienst: Entlastung für den Hausarzt" (25.01.2008)

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A140 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 425. Januar 2008

P O L I T I K

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rau P. (49 Jahre, geschieden, keine Kinder) plagen seit vie- len Jahren Selbstzweifel, sie fühlt sich minderwertig und in verschie- denen Situation hilflos. Es fällt ihr nicht leicht, mit sich und der Welt zurechtzukommen. Vielfältige Ängste beengen sie in allen Lebens- bereichen. Oft ist sie unaufmerk- sam, unruhig, plan- und ziellos, sagt, dass sie nichts schafft. Beim Hausbesuch fallen vielfach gesta- pelte Kartons und mühevoll geord- nete Kleidungsstücke schon im Wohnungseingang auf.

Die hausärztliche Betreuung chronisch psychisch kranker Patien- ten ist meist gekennzeichnet durch eine hohe Konsultationsfrequenz und lange Gesprächsdauer. Dabei stehen psychosoziale Probleme im Vordergrund. Der Hausarzt ist dabei oft mehr als Gesprächspartner und Sozialarbeiter gefragt als in seiner Eigenschaft als Arzt. Dies kann die Ressourcen einer Hausarztpraxis überfordern und die Arzt-Patienten- Beziehung belasten. Der Sozialpsy-

chiatrische Dienst (SPDi) kann hier- bei erheblich entlasten.

Mit der Auflösung der großen Landeskrankenhäuser infolge der Psychiatrie-Enquete nach 1975 und nach der Wende in den neuen Bun- desländern mussten Zehntausende vormals hospitalisierter chronisch psychisch kranker Patienten wohn- ortnah versorgt werden. Um die Hausärzte und niedergelassenen Psychiater zu unterstützen, wurde der SPDi als kommunale Aufgabe als beratender und aufsuchender Dienst gesetzlich vorgeschrieben.

Die Sozialpsychiatrischen Dienste sind in den Bundesländern in den Gesetzen über Hilfen und Schutz- maßnahmen bei psychischen Krank- heiten (PsychKG) als Aufgabe der Kommunen geregelt. Der SPDi führt keine psychotherapeutischen Behandlungen durch, sondern stellt Weichen für die Weiterbehandlun- gen der Klienten, soll sie therapie- fähig machen und Motivationsar- beit leisten. Regional unterschied- lich sind Trägerschaft (Gemeinde,

Wohlfahrtsverbände, Vereine) und Organisationsform (Richtlinien der Ländersozialminister). Ein Stellen- schlüssel von 1 : 25 000 bis 50 000 Einwohner für das multiprofessio- nell arbeitende Team aus Psychia- tern, Psychologen, Krankenschwes- tern, Sozialarbeitern und -pädago- gen ist üblich. Die Mitarbeiter des SPDi arbeiten eng mit psychiatri- schen Kliniken, niedergelassenen Nervenärzten, Kontakt- und Bera- tungsstellen sowie Selbsthilfegrup- pen und mit den Hausärzten zu- sammen.

Hauptzielgruppe sind chronisch psychisch Kranke, „Menschen mit schweren Persönlichkeitsstörungen oder psychotischen Störungen, bei denen aktuell eine ausreichende me- dikamentöse beziehungsweise psy- chotherapeutische Stabilisierung nicht erreicht ist, sowie deren An- gehörige und soziales Umfeld“. Ih- nen soll durch gezielte Hilfen und Begleitung ein Leben in der Ge- meinschaft mit langfristigen Per- spektiven ermöglicht werden.

Die Hilfsangebote reichen von telefonischen Beratungen, Sprech- stunden, Hausbesuchen bis zu Be- gleitung bei Behörden- und Arzt- gängen sowie unterstützenden Ge- sprächen mit Angehörigen. Auch stationäre Aufenthalte werden als notwendige Kriseninterventionen ge- nutzt, jedoch möglichst kurzzeitig.

Seit 1988 ist Frau P. wiederholt in psychotherapeutischer Behandlung.

In einer psychosomatischen Reha- bilitation im Jahr 2004 wurde der Kontakt mit dem SPDi gebahnt, so konnten weitere Klinikaufenthalte vermieden werden. Die Mitarbeiter des SPDi verknüpfen im Fall von Frau P. akute Problembewältigun- gen (zum Beispiel in der Partner- schaft, im Umgang mit Ämtern) mit dauerhaften Gesprächsangeboten und Motivationsarbeit. Individuelle Hilfen zur Alltagsbewältigung, zum Beispiel in der Strukturierung des Tagesablaufs, der Haushaltsführung sowie zur Förderung der Kommuni- kationsfähigkeit kommen hinzu.

Das Angebot wird abhängig von den Selbsthilfefähigkeiten eines Klienten mit einem hohen Maß an Flexibilität zu Ort, Zeit, Inhalt und SOZIALPSYCHIATRISCHER DIENST

Entlastung für den Hausarzt

Die Betreuung chronisch psychisch kranker Patienten ist für den Hausarzt häufig zu zeitintensiv. Bei psychosozialen Problemen kann den Betroffenen auch der Sozialpsychiatrische Dienst helfen.

Die Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes verknüpfen akute Problembe- wältigungen mit Gesprächsangeboten und Motivationsar- beit. Individuelle Hil- fen zur Alltagsbewäl- tigung kommen hin- zu.

Foto:SUPERBILD

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A142 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 425. Januar 2008

P O L I T I K

Zielsetzung eingesetzt. Zur Krisen- intervention kann die Kontaktinten- sität deutlich erhöht werden, wenn es sich um eine soziale Krise (zum Beispiel drohende Wohnungsräu- mung oder Pfändung) oder um eine akute psychische Dekompensation handelt.

Vom SPDi wird der mitbetreuen- de Psychiater oder Hausarzt hinzu- gezogen, wenn sich medizinisch- therapeutischer Interventionsbedarf zeigt oder der hausärztliche Zugang zum Patienten tragfähiger ist als der des SPDi. Frau P. nimmt ihren Hausarzt inzwischen nur noch bei den „alltäglichen Erkrankungen“ in Anspruch. Dieser stellt Überwei- sungen zu Fachärzten für Psychia- trie und Psychotherapie aus und kontrolliert den Medikamentenplan.

Der SPDi kann den Hausarzt bei der oft komplizierten Organisation bedarfsgerechter sozialer Hilfen

für häufig zunächst nur einge- schränkt selbsthilfefähige psy- chisch Kranke unterstützen. In der Hausarztpraxis kann ein Patient auffällig werden, wenn er sich oft Beruhigungsmittel verschreiben lässt, überfordert zu sein scheint oder bei Hausbesuchen verwahr- loste Wohnungen vorgefunden wer- den. Idealerweise sollte der Haus- arzt dann dem Patienten die Kon- taktadresse des örtlichen SPDi aus- händigen und gegebenenfalls den SPDi über einen hilfsbedürftigen Klienten informieren. Das Einver- ständnis des Klienten vorausge- setzt, kann dann ein Sozialarbeiter einen Hausbesuch (aufsuchende Struktur) durchführen. In einer anschließenden Teamberatung wird über die Koordination von Hilfen diskutiert (Brückenfunktion).

Gegen den Willen des Klienten sind jedoch aufsuchende Dienste

nicht möglich. Im Zweifelsfall kann der SPDi erst tätig werden, wenn es um „Gefahr für Leib und Leben“

des Klienten oder anderer Personen geht. Wenn ein Patient seine ge- sundheitlichen, finanziellen oder Aufenthalts- oder andere Angele- genheiten nicht mehr selbst ausrei- chend regeln kann, sollte durch den Hausarzt eine sogenannte Betreu- ungsanregung an das zuständige Vormundschaftsgericht erfolgen. Von dort wird dann eine Prüfung des Betreuungsbedarfs eingeleitet. n

Dr. med. Andreas Klement Dipl.-Gesundheitswirtin Kristin Bretschneider

Prof. Dr. med. Thomas Lichte Prof. Dr. med. Markus Herrmann MPH, M.A.

Institut für Allgemeinmedizin, Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg, 06112 Halle/Saale, E-Mail: andreas.klement@medizin.uni-halle.de

Informationen im Internet unter www.liga-bw.de, www.spdi.de

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ür die psychotherapeutische Be- handlung im Rahmen der gesetzli- chen Krankenversicherung (GKV) sol- len künftig weitreichende Standards gel- ten. Einen Beschluss zur Änderung der Psychotherapie-Richtlinien fasste der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Ende Dezember 2007 in Siegburg. In Zukunft soll die Zulassung von psycho- therapeutischen Verfahren zur vertrags- ärztlichen Versorgung davon abhängig

gemacht werden, ob der Nutzennach- weis für mindestens die am häufigsten auftretenden psychischen Erkrankungen bei Erwachsenen beziehungsweise bei Kindern und Jugendlichen geführt wurde.

Bei Erwachsenen sind dies Depressio- nen und Angststörungen zuzüglich einer Erkrankung aus den Bereichen somatofor- me Störungen, Persönlichkeits- und Ver- haltensstörungen oder Abhängigkeitser- krankungen beziehungsweise Depressio- nen und Angststörungen zuzüglich zwei von den übrigen acht in den Psychothera- pie-Richtlinien genannten Erkrankungen.

Bei Kindern und Jugendlichen muss eben- falls der Nutzen von psychotherapeuti- schen Verfahren bei Depressionen, Angst- störungen und zusätzlich bei hyperkineti- schen Störungen und Störungen des Sozi- alverhaltens nachgewiesen werden.

Neben Psychotherapieverfahren kön- nen erstmals auch -methoden, die diese Bandbreite nicht aufweisen, sondern hochspezifisch für bestimmte Störungs- bilder entwickelt wurden, GKV-Leis-

tung werden. Voraussetzung ist aber, dass diese nur Therapeuten anwenden, die in einem entsprechend ausdifferen- zierten Verfahren ausgebildet sind.

Der Vorsitzende des G-BA, Dr. Rainer Hess, betonte ausdrücklich, dass der Beschluss mit der Bundespsychothera- peutenkammer (BPtK), der Bundesärz- tekammer und dem Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie abgestimmt sei:

„Es gab einen breiten Konsens.“ Hess er- wartet deshalb keine Beanstandung von- seiten des Bundesgesundheitsministeri- ums (BMG) als Aufsichtsbehörde, wie es im Juni 2006 zu diesem Sachverhalt bereits der Fall war.

Die Gesprächspsychotherapie, die seit Jahren auf eine Entscheidung zur Zu- lassung wartet, werde nach den neuen Kriterien beurteilt. Zurzeit prüfe der G-BA eine ausführliche Studienbewer- tung der BPtK. „Vor März wird es keine Entscheidung geben“, erklärte Hess. Die Zulassung der Gesprächspsychotherapie hatte der G-BA im November 2006 be- reits abgelehnt. Dieser Beschluss war je- doch vom BMG beanstandet worden. n PB

PSYCHOTHERAPIE-RICHTLINIEN

Weitreichende Standards

Informationen zu den Beschlüssen unter:

www.g-ba.de/informationen/beschluesse/

zur-richtlinie/20/

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Foto:SUPERBILD

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