A K T U E L L
Manche Sachverhalte erscheinen auf den ersten Blick einfach: Die Zahl der Pflegekräfte in den Kran- kenhäusern ist in den letzten Jahren um mehr als zehn Prozent gesun- ken. Gleichzeitig sind die Fallzahlen gestiegen, und die Verweildauer ist geschrumpft. Da liegt der Gedanke nahe, dass diese Entwicklung zula- sten der Qualität der Patientenver- sorgung geht.
Zudem gibt es Studien, meist aus den USA, die einen solchen Zu- sammenhang belegen. Bei höherer Arbeitsbelastung des Pflegeperso- nals steigt etwa die Sterberate der
Patienten durch verspätete Hilfe im Notfall. Auch das Auftreten von Lun- genentzündungen nimmt bei niedri- gem Personalschlüssel zu. Dies sind die Ergebnisse einer Recherche des Instituts für Qualität und Wirtschaft- lichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Damit sollte eigentlich alles klar sein. Doch in seinem 85-seiti- gen Arbeitspapier stellt das Kölner Institut fest: Diese Ergebnisse las- sen sich gar nicht auf Deutschland übertragen, und eine deutsche Un- tersuchung gibt es nicht.
Was nun? Das IQWiG rät zu einer spezifischen Begleitforschung in Deutschland „um potenziell negati- ve Auswirkungen frühzeitig zu er- kennen“ – eine beschönigende For- mulierung. Muss man erst wissen- schaftlich belegen, dass auch hier- zulande Patienten zu Schaden kom- men, um eine angemessene Pflege- kapazität im Krankenhaus zu for- dern? Das ist nicht nur absurd, son- dern auch ethisch fragwürdig.
Außerdem: Vernünftige Arbeitsbe- dingungen sind per se eine berech- tigte Forderung eines jeden Mitar- beiters. Dabei handelt es sich um eine politische Forderung, die mit Ergebnisqualität und medizinischer Forschung nichts zu tun hat.
RANDNOTIZ
Birgit Hibbeler
Erst forschen, dann fordern?
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Studieren.de erscheint zum dritten Mal
Ein Jahr nach der Premiere ist zum Wintersemester 2006/2007 die dritte Ausgabe der Studierendenzeitschrift des Deutschen Ärzteblattes erschie- nen. Studieren.de informiert zusam- men mit dem Internetportal aerzte blatt-studieren.de Medizinstudieren- de über Studium, Berufseinstieg, Zu- kunftsperspektiven und Gesundheits- politik.
„Teamspieler Notarzt“ ist das Ti- telthema der aktuellen Ausgabe. Die Reportage gibt einen Einblick in die Rolle des Arztes in der Notfallmedi- zin. Weitere Themen: die Auswir- kungen der neuen Approbationsord- nung auf das Praktische Jahr, die Stu- dienfinanzierung mithilfe von Sti- pendien und ein Vergleich medi- zinischer Fakultäten. Die Medizin kommt in Form eines wissenschaftli- chen Beitrags über die zunehmende Lebenserwartung, deren Determi-
nanten und Perspektiven ebenfalls nicht zu kurz. In einer eigenen Ru- brik berichten Medizinstudierende über die Arbeit des Bundesverbandes der Medizinstudierenden in Deutsch- land (www.bvmd.de), unter anderem über Kinderbetreu- ungsangebote für Medizi- ner an deutschen Kliniken.
Das Deutsche Ärzteblatt Studieren.de ist in einer Auflage von 25 000 Stück bei der medizinischen Fachbuchhandlung Leh- manns und bei den Me- dizin-Fachschaften kos- tenfrei erhältlich. Die Zeitschrift erscheint einmal im Semester.
Begleitet wird das gedruckte Ma- gazin von der Internet-Ausgabe www.aerzteblatt-studieren.de, die neben Nachrichten und weiter- führenden Artikeln aus den The- mengebieten Studium und Karriere sowie Medizin und Ausland auch E-Learning-Kurse anbietet. mis
Die Regeln für die Vorabbefreiung von Zuzahlungen durch die Kranken- kassen werden nicht verschärft. Das gaben die Spitzenverbände der Kran- kenkassen bekannt. Das Bundesmi- nisterium für Gesundheit (BMG) hat- te die derzeitige Befreiungspraxis der Krankenkassen kritisiert. Diese sind nach § 62 SGB V berechtigt, in Ein- zelfällen eine Vorauszahlung des Ver- sicherten über den gesamten Zuzah- lungsbetrag bis zur Höhe der Belas- tungsgrenze zu ermöglichen, insbe- sondere dann, wenn diese Grenze in- nerhalb kurzer Zeiträume erreicht wird.
Eine Vorabbefreiung sei nur dann unproblematisch, wenn sie für einen bestimmten Personenkreis gelte, et- wa für Taschengeldempfänger in Heimen, hatte das BMG argumen- tiert. Nur dann sei der Steuerungsef- fekt, der durch Zuzahlungen erzielt werden soll, gegeben. Das Argu- ment der Krankenkassen, die Steue- rungswirkung bleibe unbeeinträch- tigt, weil auch nach der Zuzahlungs- befreiung nur medizinisch notwen- dige Leistungen erbracht würden, hatte das BMG nicht überzeugt. Es mache psychologisch sehr wohl ei- nen Unterschied, ob der Versicherte bei jeder Leistung zunächst selbst einen Beitrag zahlen müsse oder nur am Anfang des Jahres einen be- stimmten Betrag zahle.
Das BMG hatte jedoch letztlich von einer Gesetzesänderung abge- sehen, weil die Kassen angaben, die Vorabbefreiungspraxis spare Ver- waltungskosten ein, da die arbeits- intensive Prüfung der Erstattungs-
vorgänge wegfalle. MM
ZUZAHLUNGEN
Vorabbefreiung umstritten
Deutsches ÄrzteblattJg. 103Heft 4113. Oktober 2006 A2665
Foto:Vario Images