• Keine Ergebnisse gefunden

Die Freistellung zur Stellensuche gem. § 629 BGB

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Die Freistellung zur Stellensuche gem. § 629 BGB"

Copied!
231
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

BAS 5

Die F rei st el lu ng zu r S tel lens uc he g em. § 6 29 B GB M ich ael M orit z

Beiträge zum deutschen und europäischen Arbeits- und Sozialrecht herausgegeben von Kerstin Tillmanns Band 5

Die Freistellung zur Stellensuche gem. § 629 BGB

Bestandsaufnahme und Reformbedarf

Michael Moritz

29,80 €

ISBN 978-3-96163-090-5 http://unipress.readbox.net

(2)

Michael Moritz

Die Freistellung zur Stellensuche gem. § 629 BGB

(3)

Beiträge zum deutschen und

europäischen Arbeits- und Sozialrecht

herausgegeben von Kerstin Tillmanns

Band 5

(4)

Die Freistellung zur Stellensuche gem. § 629 BGB

Bestandsaufnahme und Reformbedarf

Michael Moritz von

(5)

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der

FernUniversität in Hagen im Wintersemester 2016/2017 als Dissertation angenommen.

Erstgutachterin: Prof. Dr. Kerstin Tillmanns Zweitgutachter: Prof. Dr. Andreas Bergmann Disputation: 7. Dezember 2016

1. Auflage 2017 ISSN 2364-4427 ISBN 978-3-96163-090-5 readbox unipress

in der readbox publishing GmbH Münsterscher Verlag für Wissenschaft Am Hawerkamp 31

48155 Münster

http://unipress.readbox.net

(6)

Vorwort

Die vorliegende Arbeit hat die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Fern- Universität Hagen im Wintersemester 2016/2017 als Dissertation ange- nommen. Die Fertigstellung des Manuskripts der Arbeit erfolgte im Sep- tember 2016, weshalb Literatur und Rechtsprechung nur bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt werden konnten.

Mein herzlichster Dank gebührt Tini und meinen Eltern. Ohne das si- chere Wissen um deren stetigen Zuspruch und ihre Unterstützung hätte ich weder das Jurastudium noch diese Arbeit je begonnen. Bedanken möchte ich mich außerdem bei Anne Poppenberg und Alexandra Schenk für die geduldige Korrektur der Orthografie.

Bedanken möchte ich mich darüber hinaus bei meinem Arbeitgeber, der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, für die Freistellung zur Erstellung dieser Dissertation. Ein besonderer Dank geht dabei an Frau Hedwig Schwarz, die mich immer wieder bei der Literaturrecherche unterstützt hat.

Außerdem bin ich natürlich meiner Doktormutter Prof. Dr. Kerstin Tillmanns zu besonderem Dank verpflichtet, die diese Arbeit erst ermög- licht hat. Ihr sowie dem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Andreas Berg- mann danke ich für die Übernahme und die zügige Erstellung der Gutach- ten.

(7)

Inhaltsübersicht

Vorwort ... V Inhaltsverzeichnis ... VIII Abkürzungsverzeichnis... XV

A. Einleitung

B. Historische Entwicklung der Vorschrift und Regelungszweck

I. Entstehungsgeschichte des § 629 BGB... 3

II. Wechselseitige Pflichten der Parteien ... 5

III. Zweck und Bedeutung der Regelung ... 14

IV. Anwendungsbereich des § 629 BGB ... 23

V. Abdingbarkeit des § 629 BGB ... 24

VI. Zwischenergebnis ... 25

C. Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs auf Freistellung zur Stellensuche I. Dienstverhältnis ... 27

II. „Dauerndes“ Dienstverhältnis ... 33

III. Kündigung ... 59

IV. Freistellungsverlangen ... 75

V. Zum Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses ... 78

VI. Ergebnis zu den Tatbestandsvoraussetzungen ... 87

D. Rechtsfolgen I. Freistellung für angemessene Zeit ... 91

II. Durchsetzung des Anspruchs ...122

(8)

III. Vergütungsanspruch während der Zeit der Freistellung ... 156 IV. § 629 BGB und Erholungsurlaub ... 174 V. Ergebnis zu den Rechtsfolgen ... 178

E. Reformvorschlag und Zusammenfassung

I. Grund und Zielsetzung für eine Überarbeitung ... 181 II. Reformvorschlag zu § 629 BGB ... 182 III. Zusammenfassung ... 202

Literaturverzeichnis ...XIX

(9)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ... V Inhaltsübersicht ... VI Abkürzungsverzeichnis... XV

A. Einleitung

B. Historische Entwicklung der Vorschrift und Regelungszweck

I. Entstehungsgeschichte des § 629 BGB... 3

II. Wechselseitige Pflichten der Parteien ... 5

1. Fürsorgepflicht des Dienstberechtigten ... 6

2. Treuepflicht des Arbeitnehmers ... 10

3. Zwischenergebnis ... 14

III. Zweck und Bedeutung der Regelung ... 14

1. Erleichterung der Stellensuche ... 15

a) Sicherung der Lebensgrundlage des Dienstverpflichteten ... 16

b) Entlastung der Sozialkassen ... 17

2. Schutz des Erholungsurlaubs ... 19

a) Sinn und Zweck des Erholungsurlaubs ... 19

b) Praktischer Gesichtspunkt ... 21

3. Zwischenergebnis ... 22

IV. Anwendungsbereich des § 629 BGB ... 23

V. Abdingbarkeit des § 629 BGB ... 24

VI. Zwischenergebnis ... 25

(10)

C. Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs auf Freistellung zur Stellensuche

I. Dienstverhältnis ... 27

II. „Dauerndes“ Dienstverhältnis ... 33

1. Unbefristete Dienstverhältnisse ... 33

2. Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse ... 37

a) Selbständige Dienstverpflichtete ... 38

aa) Schutz des Erholungsurlaubs ... 40

bb) Zeitnahe Vermittlung einer Anschlussbeschäftigung ... 40

cc) Zwischenergebnis ... 41

b) Unselbständige Dienstverpflichtete / Arbeitnehmer ... 42

aa) Spezielle Schutzvorschriften aus dem TzBfG ... 42

bb) Praktischer Gesichtspunkt ... 43

cc) Zwischenergebnis ... 45

3. Befristete Dienstverhältnisse ... 46

a) Selbständige Dienstverpflichtete ... 47

aa) Schutz des Erholungsurlaubs ... 48

bb) Zeitnahe Vermittlung einer Anschlussbeschäftigung ... 48

cc) Zwischenergebnis ... 49

b) Unselbständige Dienstverpflichtete / Arbeitnehmer ... 49

c) Zwischenergebnis ... 52

4. Aushilfsarbeitsverhältnisse ... 52

5. Beendigung eines Dienstverhältnisses während der Probezeit ... 55

a) Unbefristete Dienstverhältnisse und Probezeit ... 55

b) Befristete Dienstverhältnisse und Probezeit ... 57

c) Zwischenergebnis ... 57

(11)

6. Ergebnis für den Begriff des „dauernden“

Dienstverhältnisses ... 58

III. Kündigung ... 59

1. Zeitpunkt der Entstehung des Freistellungsanspruchs... 60

2. Formen der Kündigung ... 64

3. Sonstige Beendigung des Dienstverhältnisses ... 65

a) Voraussetzungen einer Analogie ... 66

aa) Planwidrige Regelungslücke ... 66

bb) Ähnlichkeitsvergleich ... 70

b) Einzelprobleme einer Analogie ... 72

c) Ergebnis ... 75

IV. Freistellungsverlangen ... 75

V. Zum Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses ... 78

1. Maßnahmen, die unmittelbar auf das Finden einer neuen Stelle abzielen ... 78

2. Qualifizierungskurse der Agentur für Arbeit ... 81

3. Zwischenergebnis ... 86

VI. Ergebnis zu den Tatbestandsvoraussetzungen ... 87

D. Rechtsfolgen I. Freistellung für angemessene Zeit ... 91

1. Kriterien der Ermessensentscheidung ... 94

a) Allgemeine Kriterien ... 94

b) Rechtzeitigkeit des Freistellungsverlangens ...102

aa) Rechtzeitigkeit des Freistellungsverlangens als Obliegenheit ...102

bb) Nebenpflichtverletzung ...103

(12)

c) Zwischenergebnis ... 105

2. Termin der Freizeitgewährung ... 106

a) Interessen beim Termin der Freizeitgewährung ... 106

b) Vorrang der Interessen des Dienstverpflichteten ... 108

c) Zwischenergebnis ... 110

3. Dauer der jeweiligen Freistellung ... 110

4. Maximale Anzahl von Ausgängen zur Stellensuche ... 118

a) Kriterien der Ermessensentscheidung ... 118

b) Höchstgrenze der Ausgänge ... 119

5. Ergebnis ... 121

II. Durchsetzung des Anspruchs ... 122

1. Gerichtliche Durchsetzung ... 123

2. Recht zur Selbstbeurlaubung ... 124

a) Unmöglichkeit der Dienstleistung aufgrund Unzumutbarkeit der Leistungserbringung gemäß § 275 Abs. 3 BGB ... 125

aa) Begriff der Unmöglichkeit ... 125

bb) Verdrängung des § 275 BGB im Wege des Spezialitätsgrundsatzes ... 128

b) Zurückbehaltungsrecht des Dienstverpflichteten gemäß § 273 Abs. 1 BGB ... 129

c) Einrede des nichterfüllten Vertrages aus § 320 BGB... 133

d) Einrede der unzulässigen Rechtsausübung aus § 242 BGB ... 134

e) Zwischenergebnis ... 136

f) Keine Hilfe im Wege des einstweiligen Rechtschutzes möglich ... 137

aa) Selbsthilferecht aus § 229 BGB ... 138

(13)

bb) Unmöglichkeit wegen Unzumutbarkeit nach § 275

Abs. 3 BGB ...138

g) Zwischenergebnis ...140

3. Konsequenzen bei unrechtmäßiger Selbstbeurlaubung oder unrechtmäßiger Verweigerung der Freistellung ...141

a) Unrechtmäßige Selbstbeurlaubung durch den Dienstverpflichteten ...141

aa) Ansprüche auf Schadensersatz ...142

bb) Kündigungsrechte des Dienstberechtigten ...142

(1) Wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB ... 143

(2) Interessenabwägung im Rahmen des § 626 BGB ... 145

(3) Zwischenergebnis ... 147

b) Unrechtmäßige Verweigerung der Freistellung durch den Dienstberechtigten ...148

aa) Ansprüche auf Schadensersatz ...148

bb) Kündigungsrechte des Dienstverpflichteten ...151

c) Zwischenergebnis ...155

III. Vergütungsanspruch während der Zeit der Freistellung ...156

1. Rückgriff auf § 616 BGB ...157

a) Tatbestandsvoraussetzungen des § 616 BGB ...157

aa) Verhinderungstatbestand ...157

bb) Fehlendes Verschulden...158

cc) Zeitraum der Vergütungserhaltung ...160

(1) Definition des Zeitrahmens ... 160

(2) Abweichender Wortlaut hinsichtlich des Zeitrahmens bei § 616 und § 629 BGB ... 163

b) Disposivität des § 616 BGB ...165

aa) Abbedingung durch Tarifvertrag ...166

(14)

(1) Abschließende Regelung ... 167

(2) Kein Passus hinsichtlich einer abschließenden Regelung vorhanden ... 168

(3) Tarifvertragliche Regelung mit lediglich ergänzender Funktion ... 169

(4) Zwischenergebnis ... 170

bb) Abbedingung durch Betriebsvereinbarung ... 170

cc) Abbedingung durch Individualvertrag ... 172

dd) Zwischenergebnis ... 173

2. Zwischenergebnis ... 174

IV. § 629 BGB und Erholungsurlaub ... 174

V. Ergebnis zu den Rechtsfolgen ... 178

E. Reformvorschlag und Zusammenfassung I. Grund und Zielsetzung für eine Überarbeitung ... 181

II. Reformvorschlag zu § 629 BGB ... 182

1. Im Rahmen der Tatbestandsebene zu berücksichtigende Problemfelder ... 185

a) Formen der Beendigung eines Dienstverhältnisses ... 185

b) Ausdrückliche Erwähnung von Ausbildungsverhältnissen ... 186

c) Modifikation des Merkmals der „Dauerhaftigkeit“ des Dienstverhältnisses ... 187

d) Teilzeit und/oder befristete Dienstverhältnisse ... 190

e) Klarstellung hinsichtlich des Merkmals der „Stellensuche“ .... 191

f) Zwischenergebnis ... 193

2. Im Rahmen der Rechtsfolgen zu berücksichtigende Problemfelder ... 193

(15)

a) Umfang der Freistellung ...194

aa) Streichung des unbestimmten Rechtsbegriffs ...194

bb) Beibehaltung des bisherigen Wortlauts ...197

cc) Zwischenergebnis ...197

b) Fortfall des Freistellungsanspruchs ...198

c) Lohnfortzahlung im Rahmen der Freistellung ...198

d) Zwischenergebnis ...200

3. Wortlaut des Reformvorschlags ...200

III. Zusammenfassung ...202

Literaturverzeichnis ... XIX

(16)

Abkürzungsverzeichnis

a.A. andere(r) Ansicht

a.a.O. am angegebenen Ort

ABl. Amtsblatt

Abs. Absatz

AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz AOG Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit

AP Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts

ArbG Arbeitsgericht

ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz

ArbZG Arbeitszeitgesetz

AR-Blattei Arbeitsrecht-Blattei

Art. Artikel

Aufl. Auflage

AuR „Arbeit und Recht" (Zeitschrift)

BAG Bundesarbeitsgericht

BAGE Amtliche Sammlung von Entscheidungen des

Bundesarbeitsgerichts

BAT Bundesangestellten-Tarifvertrag BB „Betriebsberater" (Zeitschrift)

BBiG Berufsbildungsgesetz

BetrVG Betriebsverfassungsgesetz

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl. Bundesgesetzblatt

BGH Bundesgerichtshof

BGHZ Amtliche Sammlung von Entscheidungen des

Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BIStSozArbR „Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht“ (Zeitschrift)

BT-Drucksache Bundestag-Drucksache

BUrlG Bundesurlaubsgesetz

BuW „Betrieb und Wirtschaft“ (Zeitschrift) BVerfG Bundesverfassungsgericht

(17)

BVerfGE Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

DB „Der Betrieb" (Zeitschrift)

d.h. das heißt

DStR „Deutsches Steuerrecht" (Zeitschrift) EFZG Entgeltfortzahlungsgesetz

EG Europäische Gemeinschaft

Einl. Einleitung

etc. et cetera

f., ff. folgend, folgende

FA „Fachanwalt Arbeitsrecht“ (Zeitschrift)

Fn. Fußnote

FS Festschrift

GG Grundgesetz

HGB Handelsgesetzbuch

Hrsg., hrsg. Herausgeber, herausgegeben

i.d.F. in der Fassung

i.V.m. in Verbindung mit

JZ „Juristenzeitung" (Zeitschrift)

KSchG Kündigungsschutzgesetz

LAG Landesarbeitsgericht

MDR „Monatsschrift für Deutsches Recht“ (Zeitschrift)

Mot. Motive des BGB

MTV Manteltarifvertrag

m.w.N. mit weiteren Nachweisen

NachwG Nachweisgesetz

NJW „Neue Juristische Wochenschrift" (Zeitschrift)

Nr. Nummer(n)

NZA „Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht" (Zeitschrift)

RAG Reichsarbeitsgericht

RdA „Recht der Arbeit" (Zeitschrift)

Rn. Randnummer

RV-TzA Rahmenvereinbarung über Teilzeit Arbeit vom 6. Juni 1997, aufgenommen in die Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997, ABlEG 20. Januar 1998

S. Satz/Seite

(18)

SGB Sozialgesetzbuch

sog. sogenannte(r/s)

TVG Tarifvertragsgesetz

TzBfG Teilzeit- und Befristungsgesetz

usw. und so weiter

v. vor/von/vom

vgl. vergleiche

Vorbem. Vorbemerkung

z.B. zum Beispiel

ZfA „Zeitschrift für Arbeitsrecht“ (Zeitschrift) ZIP „Zeitschrift für Wirtschaftsrecht" (Zeitschrift)

ZPO Zivilprozessordnung

ZTR „Zeitschrift für Tarifrecht“ (Zeitschrift)

(19)
(20)

A. Einleitung

Ziel dieser Arbeit ist es, den Freistellungsanspruch zur Stellensuche des im Rahmen eines Dienstvertrages zur Dienstleistung Verpflichteten (im Nach- folgenden als Dienstverpflichteter bezeichnet) aus § 629 BGB einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen und auf Grundlage der Ergebnisse einen Reformvorschlag für die Norm zu formulieren.

Dabei sollen die sich gegenüberstehenden Interessen des zur Dienstleis- tung Berechtigten (im Nachfolgenden als Dienstberechtigter bezeichnet) und des Dienstverpflichteten dargelegt werden, um im weiteren Verlauf die Frage einer gerechten Interessenabwägung der wechselseitigen Rechte und Pflichten des Dienstverpflichteten und Dienstberechtigten im Hinblick auf den Freistellungsanspruch des Dienstverpflichteten zur Stellensuche nach erfolgter Kündigung zu klären.

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt dabei auf denjenigen Dienstverträgen, bei denen ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen Dienstbe- rechtigten und Dienstverpflichteten besteht, also den Arbeitsverhältnissen, da diese die praktisch bedeutsamsten Anwendungsfälle der Norm darstel- len. Zudem bestehen für Arbeitsverhältnisse eine Reihe von Spezialvor- schriften, die dem Schutz des Arbeitnehmers dienen und insoweit auch auf die allgemeinen Vorschriften des Dienstvertragsrechts einwirken.

Um die Einordnung der sich an die Norm knüpfenden Problemfälle besser nachvollziehen zu können, soll zunächst die historische Entstehung der Vorschrift näher betrachtet werden. Dabei werden auch der Gesetzge- bungsprozess sowie einzelne Reformbestrebungen untersucht.

Im Fortgang der Untersuchung werden die sich gegenüberstehenden Rechte und Pflichten der Parteien eines Dienstverhältnisses auf Grundlage der Wertungen des BGB dargelegt. Dabei wird insbesondere auf die aus dem Grundsatz von Treu und Glauben resultierenden Prinzipien der sog.

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und der sog. Treuepflichten des Arbeit- nehmers eingegangen und die sich gegenüberliegenden Interessen einem gerechten und für beide Vertragsparteien angemessenen Ausgleich zuge- führt werden.

Im Rahmen dieses Interessenausgleichs gilt es, den Sinn und Zweck des

§ 629 BGB und die mit dieser Norm verfolgten Regelungsziele zu betrach- ten. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf den Zweck, dem Dienstver-

(21)

pflichteten zeitnah eine Anschlussbeschäftigung zu vermitteln, gelegt wer- den. Denn gerade im Hinblick auf die Verwirklichung dieses originären Regelungszwecks müssen etliche mit der Norm einhergehende Problem- felder und Interessenkonflikte einer angemessenen Lösung zugeführt wer- den. Die Konzentration und Fokussierung auf das Telos des § 629 BGB führt dazu, eine angemessene Lösung für die mit der Norm verbundenen Problemkreise aufzuzeigen, die vor allem den Interessen der Parteien bestmöglich zur Geltung verhilft.

Zunächst sollen die Entstehungsgeschichte und historische Entwicklung der Norm sowie die damit einhergehenden Regelungsziele des historischen Gesetzgebers untersucht werden.

Im zweiten Schritt folgt eine intensive Auseinandersetzung mit den ein- zelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 629 BGB. Für deren Auslegung wird auf die Interessenlage der Parteien und die Regelungsziele der Norm zurückgegriffen. Hier wird auch auf Regelungen einzugehen sein, die in einem direkten oder mittelbaren Zusammenhang zu § 629 BGB stehen und im Rahmen der Auslegung der Tatbestandsmerkmale zu berücksichti- gen sind.

Im Anschluss an die Tatbestandsvoraussetzungen werden auf der Rechtsfolgenseite die an die „Freistellung zur Stellensuche“ anknüpfenden Problemkreise erörtert. Dabei sollen die Beurteilung der Freistellungsdau- er, die Anzahl der Ausgänge, die Vergütung des Dienstverpflichteten wäh- rend der Dauer der Freistellung und der Fall des Zusammentreffens von Urlaubsanspruch und Freistellung eingehend untersucht und die auftreten- den Problemkreise einer Lösung zugeführt werden.

Nach der zusammenfassenden Darstellung der bestehenden Rechtslage wird im letzten Kapitel ein Reformvorschlag sowie der Entwurf eines überarbeiteten § 629 BGB diskutiert. Dabei kann auf den Reformvor- schlag, der im Zusammenhang mit dem Entwurf der Kommission für die Modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt1 diskutiert wird, zurückge- griffen werden.

–––––––––––

1 BT-Drucksache 15/201, S. 2.

(22)

B. Historische Entwicklung der Vorschrift und Regelungszweck

I. Entstehungsgeschichte des § 629 BGB

Zunächst wird die Entstehungsgeschichte der Norm kurz dargestellt, weil sich so die mit der Regelung verbundenen Problemkreise auf der Tatbe- standsebene und auf der Rechtsfolgenseite besser einordnen lassen.

Die Arbeiten zum BGB waren bereits am 18. August 1896 abgeschlos- sen und das Gesetz wurde am 24. August 1896 publiziert, wobei das Ge- setzeswerk erst zum 1. Januar 1900 in Kraft trat. Der Zeitraum von etwas über drei Jahren zwischen Publikation und Inkrafttreten resultiert aus dem gesetzgeberischen Bedürfnis, die besondere Bedeutung des Gesetzeswerks zu unterstreichen. Zudem sollte den Bürgern die Gelegenheit gegeben werden, sich mit dem „Neuen Gesetz“ vertraut zu machen.2

Die Regelung des § 629 BGB hat seit dem Inkrafttreten des BGB nichts an ihrer Bedeutung und Berechtigung verloren. Dies ist umso erstaunli- cher, als dass eine § 629 BGB entsprechende Regelung sich weder in den Motiven, noch in den Protokollen zum BGB findet.3 Die Regelung wurde überdies seit Inkrafttreten des BGB nicht geändert, obwohl im Zusam- menhang mit verschiedenen Gesetzesvorhaben4 wiederholt eine Reform der Norm diskutiert wurde. Einhergehend mit den sogenannten Hartz- –––––––––––

2 Staudinger/Honsell, BGB, Einl. zum BGB Rn. 104a.

3Brill, AuR 1970, 8; AR-Blattei SD/Brune, 1510 Rn. 5; ErfK/Müller-Glöge, BGB, § 626 Rn. 1; Staudinger/Preis, BGB, § 629 Rn. 1.

4 Weitere Entwürfe zur Änderung des § 629 BGB waren in den folgenden Gesetzesvor- haben enthalten: § 162 des Entwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes des Reichsarbeitsminis- teriums von 1923, abgedruckt in: Ramm, Entwürfe zu einem Deutschen Arbeitsvertragsge- setz, S. 125 ff.; § 110 des Entwurfs eines Gesetzes über das Arbeitsverhältnis von 1938, herausgegeben vom Präsidenten der Akademie für Deutsches Recht, abgedruckt in: Ramm, ebenda, S. 243 ff.; § 193 des Entwurfs einer Regelung der Arbeit von 1942 des Arbeits- rechtsausschusses der Akademie für Deutsches Rechts, abgedruckt in: Ramm, ebenda, S. 345 ff.; § 112 des Entwurfs eines Arbeitsgesetzbuchs – Allgemeines Arbeitsvertragsrecht – von 1977, herausgegeben durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, abge- druckt in: Ramm, ebenda, S. 401 ff.; § 141 des Diskussionsentwurfs des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit für ein Arbeitsvertragsgesetz von 1992, Gutachten D zum 59. DJT 1992; § 141 des Diskussionsentwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes (Henssler/Preis) von 2007, NZA-Beilage 2007, 1, 31.

(23)

Reformen und dem „Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeits- markt“5 wurde ein Entwurf zur Einführung eines § 629a BGB und damit eine Ergänzung des § 629 BGB speziell für Arbeitsverhältnisse diskutiert, aber letztendlich am 17. Dezember 2002 aufgegeben.6

In den ersten Entwürfen zum BGB wurde die Aufnahme einer Rege- lung hinsichtlich des Freistellungsanspruchs des Dienstverpflichteten nach erfolgter Kündigung als überflüssig erachtet. Denn ein solcher Freistel- lungsanspruch ergebe sich bereits nach den Auslegungsgrundsätzen von Verträgen nach Treu und Glauben sowie der Vertragssitte.7 Zudem be- stand damals die Befürchtung, dass bei einer besonderen Hervorhebung dieser Freistellungsverpflichtung im Dienstvertragsrecht auch in weiteren Gebieten des besonderen Schuldrechts, insbesondere im Mietrecht, eine entsprechende Erweiterung und ausdrückliche Erwähnung notwendig sei.8 Trotzdem wurde die Regelung des § 629 in zweiter Lesung im BGB aufgenommen.9 Gleichzeitig verzichtete man auf die Aufnahme entspre- chender Regelungen in weiteren Bereichen des besonderen Schuldrechts.

Im Mietrecht etwa erachtete man zwar weitere, den Vorschriften des Dienstvertragsrechts entsprechende Regelungen als angemessen. Bei- spielsweise die ausdrückliche Regelung hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem der Vermieter die vermietete Wohnung zum Zwecke der Besichtigung oder zur Durchführung von Reparaturen betreten darf. Letztendlich wurde von einer entsprechenden Regelung im Mietvertragsrecht aber abgesehen, weil die Entscheidung dem Ermessen des Richters im Einzelfalle überlas- sen bleiben sollte.10

–––––––––––

5 BGBl. I 2002 S. 4607.

6 BT-Drucksache 15/201, S. 2.

7Jakobs/Schubert, Beratung des BGB II, S. 828 f.; Mugdan, Die gesammelten Materialien zum BGB, Band 2, S. 1289 Rn. 88.

8Jakobs/Schubert, Beratung des BGB II, S. 828 f.; Mugdan, Die gesammelten Materialien zum BGB, Band 2, S. 1289 Rn. 88.

9Jakobs/Schubert, Beratung des BGB II, S. 828 f.; Mugdan, Die gesammelten Materialien zum BGB, Band 2, S. 1289 Rn. 88.

10Jakobs/Schubert, Beratung des BGB II, S. 828 f.; Mugdan, Die gesammelten Materialien zum BGB, Band 2, S. 1289 Rn. 88.

(24)

Die Aufnahme des § 629 BGB wurde damit begründet, „dass bei einer im gewöhnlichen Leben so häufig praktisch werdenden Frage eine ausdrückliche Regelung wünschenswert erscheine“.11

Aus den Materialien zum BGB wird deutlich: Aufgrund der Häufigkeit des Sachverhalts und Relevanz der Freizeitgewährung zur Stellensuche nach erfolgter Kündigung für den einzelnen Dienstverpflichteten sollte durch die Kodifizierung des entsprechenden Freistellungsanspruchs im BGB Rechtsklarheit und damit Rechtssicherheit für alle Parteien erreicht werden. Darüber hinaus verschafft die Regelung dem Dienstverpflichteten, der nicht zwingend mit allen Rechten vertraut ist, Rechtskenntnis.12

II. Wechselseitige Pflichten der Parteien

Im Folgenden sind die wechselseitigen Pflichten der Parteien eines Dienst- vertrages und deren rechtliche Grundlagen Gegenstand der Darstellung.

Dabei wird insbesondere auf die Nebenpflichten der Parteien aus einem Dienstverhältnis einzugehen sein. Die Darstellung der wechselseitigen Pflichten aus einem Dienstverhältnis dient zum einen dem Verständnis des Kontextes der Norm. Zum anderen soll sie dabei helfen, die Problemfelder bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale und auf der Rechtsfolgenseite einer für die Parteien angemessenen Lösung zuzuführen.

Auch im Rahmen eines Dienstverhältnisses erschöpfen sich die Pflich- ten der Vertragsparteien nicht mit der Erfüllung ihrer in § 611 BGB gere- gelten Hauptleistungspflichten: der Erbringung der Dienstleistung durch den zur Dienstleistung Verpflichteten und der Gewährung der vereinbar- ten Vergütung durch den zur Dienstleistung Berechtigten. Darüber hinaus bestehen nämlich weitere weitreichende Pflichten zur Wahrung der gegen- seitigen Interessen im Hinblick auf die Rücksichtnahme, sowie den Schutz und die Förderung des Vertragszwecks.13

–––––––––––

11Jakobs/Schubert, Beratung des BGB II, S. 828 f.; Mugdan, Die gesammelten Materialien zum BGB, Band 2, S. 1289 Rn. 89.

12 Die Gesetzeskenntnis war damals ein offenbar hohes Anliegen des Gesetzgebers, vgl.

etwa Staudinger/Honsell, BGB, Einl. zum BGB Rn. 104a.

13 ErfK/Müller-Glöge, BGB, § 611 Rn. 707; Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, § 611 Rn. 1032.

(25)

Diese zunächst aus dem im § 242 BGB verankerten Konzept von Treu und Glauben entliehenen Pflichten werden allgemein mit den heute eher überholten Begriffen „Fürsorgepflicht“14, für die Pflicht des Dienstberechtig- ten, und „Treuepflicht“15, für die Pflicht des Dienstverpflichteten, bezeich- net. Eine intensive Ausprägung dieser Pflichten findet sich im Arbeitsver- hältnis, da bei diesem eine besonders enge Einbindung des Arbeitnehmers in den betrieblichen und gegebenenfalls sogar persönlichen Herrschaftsbe- reich des Arbeitgebers erfolgt.

1. Fürsorgepflicht des Dienstberechtigten

Im Dienstvertrag besteht die Hauptleistungspflicht des Dienstberechtigten nach § 611 Abs. 1 BGB in der „Gewährung der vereinbarten Vergütung“. Neben der Hauptleistungspflicht bestehen umfassende weitere Pflichten zur Wah- rung der Interessen des Dienstverpflichteten.16

Dieser umfassende Pflichtenkatalog des Dienstberechtigten wurde all- gemein unter dem Begriff der Fürsorgepflicht zusammengefasst17 und stellt einen Ausschnitt der Nebenpflichten des Dienstberechtigten aus einem Dienstverhältnis dar. Als Quellen dieser Nebenpflichten kamen zunächst die jeweils einschlägigen Gesetze, anwendbare kollektivrechtliche Regelungen, ausdrückliche Regelungen im jeweiligen Dienstverhältnis so- wie der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB in Betracht.18

Bereits aus der historischen Diskussion über die Aufnahme des § 629 BGB ins BGB wird deutlich, dass die Norm ihre Berechtigung in dem Konzept von Treu und Glauben findet. So wurde in den Materialien zum BGB ausdrücklich festgehalten, dass die Regelung im jetzigen § 629 BGB als solche überflüssig sei, da sich die Verpflichtung der Freistellung zur Stellensuche „nach dem Grundsatz der Auslegung der Verträge nach Treu und –––––––––––

14v. Gierke, Deutsches Privatrecht III, S. 620 ff.; Tomandl/Richardi, Treue- und Fürsor- gepflicht im Arbeitsrecht, S. 41, 61; vgl. dazu auch Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB,

§ 611 Rn. 1033 m.w.N.

15 Tomandl/Richardi, Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht, S. 41, 64; Jobs, ZfA 1972, 305, 325 m.w.N.

16 ErfK/Preis, BGB, § 611 Rn. 610; Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, § 611 Rn. 1032.

17 Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, § 611 Rn. 1033.

18 ErfK/Preis, BGB, § 611 Rn. 610.

(26)

Glauben und nach der Vertragssitte von selbst ergebe.“19 Eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist die Annahme einer Fürsorgepflicht des Dienstberechtigten, welche auf Otto von Gierke und dessen Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis zurückgeht.20

Auf der Grundlage der von ihm begründeten Genossenschaftslehre entwickelte Otto von Gierke die Idee der sogenannten „Gemeinschaften kraft herrschaftlicher Gewalt“. Bei diesen Gemeinschaften bestand nach seinem Verständnis auch zwischen dem Geschäftsherrn und den mit ihm im Dienstvertrag verbundenen „Beamten, Gehülfen und Arbeitern“ eine personen- rechtliche Verbundenheit.21

Gemäß der Genossenschaftslehre erbrachte der Arbeitnehmer persönli- che Dienstleistungen in einem fremd organisierten Herrschaftsbereich und hatte aufgrund seiner Weisungsgebundenheit keinen Raum zum selbstän- digen wirtschaftlichen Planen und Handeln. Dem Arbeitgeber fiel die Ge- walt und damit die Pflicht zur Fürsorge für den Arbeitnehmer zu.22

Der Gedanke der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wurde insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus weiter ausgeformt und in Zusammen- hang mit der Treuepflicht des Arbeitnehmers weiterentwickelt.23 So wurde in § 2 Abs. 2 AOG von 1934 festgelegt, dass der Arbeitgeber „für das Wohl der Gefolgschaft zu sorgen“ habe. Diese Entwicklung gipfelte in der Auffas- sung, dass allein aufgrund des Arbeitsverhältnisses primär beiderseitige Treuepflichten begründet würden, aus denen sich sogar die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung, die Verpflichtung zur Zahlung des Ar- beitsentgelts und die Fürsorgepflicht aus sich heraus, das heißt ohne eine –––––––––––

19 Mugdan, Die gesammelten Materialien zum BGB, Band 2, S. 1289 Rn. 88; vgl. auch BAG Urteil vom 15.11.2005, 9 AZR 209/05, AP BAT § 50 Nr. 18; MüKoBGB/Müller- Glöge, BGB, § 611 Rn. 986.

20v. Gierke, Deutsches Privatrecht III, S. 610; v. Gierke in FS Brunner, S. 37ff. Vgl. dazu ErfK/Preis, BGB, § 611 Rn. 615; Jobs, ZfA 1972, 305; MüKoBGB/Müller-Glöge, BGB, § 611 Rn. 981; Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, § 611 Rn. 609.

21v.Gierke, Deutsches Privatrecht III, S. 610; v. Gierke in FS Brunner, S. 37ff. Vgl. auch Jobs, ZfA 1972, 305, der eine detaillierte Zusammenfassung der Lehre Otto von Gierkes verfasst hat; MHdB ArbR/Blomeyer, § 51 Rn. 6; Spindler, Von der Genossenschaft zur Be- triebsgemeinschaft, S. 137 f.

22v. Gierke, Deutsches Privatrecht III, S. 610; v. Gierke in FS Brunner, S. 37ff.; Jobs, ZfA 1972, 305. Vgl. dazu MHdB ArbR/Blomeyer, [2. Auflage 2000], § 51 Rn. 6, § 94 Rn. 4.

23 MüKoBGB/Müller-Glöge, BGB, § 611 Rn. 982. Vgl. dazu insbesondere Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG, § 2 Rn. 16s, 17, 17b.

(27)

entsprechende gesetzliche Grundlage im Dienstvertragsrecht, ergeben würde.24 Diese Ansicht wurde nach 1945 aufgegeben.25

Letztendlich sind aber Rechtsprechung und Wissenschaft gemeinsam dem Ansatz gefolgt, unter Rückgriff auf die Fürsorgepflicht des Arbeitge- bers und die Treuepflicht des Arbeitnehmers einzelne offene Fragestellun- gen und problematische Einordnungen des Arbeitsvertragsrechts einer angemessenen Lösung zuzuführen. So wurden insbesondere der Gleichbe- handlungsgrundsatz26 und die Konstruktion der privilegierten Arbeitneh- merhaftung27 zunächst auf Grundlage der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers entwickelt.28

Als zu weitgehend wurde in diesem Zusammenhang aber die Ansicht verworfen, dass eine generalklauselartige Verpflichtung des Arbeitgebers bestünde, sich für den Arbeitnehmer einzusetzen, ihm Schutz und Fürsor- ge zu gewähren sowie alles zu unterlassen, was die Interessen des Arbeit- nehmers schädigt.29

Spätestens in den 1960er Jahren kam es zu einer endgültigen Abkehr von der Rechtsfigur des „personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses“, weil der Begriff aus rechtsdogmatischer Sicht verfehlt erschien. Die Bezeich- nung als „personenrechtlich“ ist inhaltsleer, weil es ein solches Personenrecht, etwa vergleichbar dem Beamtenrecht mit einem feststehenden Kodex von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Grundsätzen, im Dienstvertrags- recht beziehungsweise Arbeitsrecht nicht gibt.30 In der Folge kann ein solches Personenrecht auch nicht zur Lösung bestehender Problemfelder –––––––––––

24 Vgl. Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG, § 2 Rn. 16s, 17, 17b.

25 MüKoBGB/Müller-Glöge, BGB, § 611 Rn. 983.

26 BAG Urteil vom 19.9.1956, 2 AZR 152/54, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 3;

MüKoBGB/Müller-Glöge, BGB, § 611 Rn. 983.

27 Grundlegend RAG Urteil vom 12.6.1937, RAG 297/36, ARS 30, 1; RAG Urteil vom 14.1.1941, RAG 201/39, ARS 41, 259; BAG Beschluss vom 15.9.1957, GS 4 (5)/56, BAGE 5, 1; vgl. im Übrigen die umfassenden weiteren Nachweise in Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 44 Fn. 144.

28 MüKoBGB/Müller-Glöge, BGB, § 611 Rn. 983.

29 BAG Urteil vom 6.2.1992, 2 AZR 408/91, AP BGB § 119 Nr. 13; BAG Urteil vom 14.9.1994, 5 AZR 632/93, AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 13; bei beiden Urteilen ist nach der Formulierung des BAG seitens des Arbeitgebers auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen; Boemke, Schuldvertrag und Arbeits- verhältnis, S. 384 f.

30 MüKoBGB/Müller-Glöge, BGB, § 611 Rn. 161.

(28)

im Bereich des Arbeitsrechts und zur Begründung eigenständiger Ver- pflichtungen herangezogen werden.

Ebenso ist die Einordnung eines Arbeitsverhältnisses als „Gemeinschafts- verhältnis“ nicht zielführend. Gemeinschaftsverhältnisse im BGB sind vor allem die Rechtsgemeinschaft beziehungsweise Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 BGB und die BGB-Gesellschaft nach § 705 BGB. Keine der Tatbestandsvoraussetzungen der beiden Gemeinschaftsformen wird im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfüllt.31

Die Parteien haben auch keinen Vertrag dergestalt getroffen, dass sie ei- nen gemeinsamen Zweck erreichen wollen und dazu wechselseitige Beiträ- ge schulden, wie dies beim Gesellschaftsvertrag als Grundlage der BGB- Gesellschaft üblich ist. Vielmehr bestehen bei einem Arbeits- beziehungs- weise Dienstverhältnis eine Reihe von möglichen Interessenkollisionen zwischen den Parteien.32

Es lässt sich daher festhalten, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtun- gen aus dem Arbeitsverhältnis so erfüllen muss und seine Rechte nur in- soweit ausüben darf, dass die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhält- nis stehenden Interessen des Arbeitnehmers in einer Weise gewahrt wer- den, wie dies unter Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann.33

Im Zuge des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 200134 wurde eine für alle Schuldverhältnisse gültige Beschreibung der gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten der Vertragspartner bezüglich der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils in § 241 Abs. 2 BGB aufgenommen.35 Das Bundesarbeitsgericht hat diesbezüglich auch klarge- stellt, dass die Regelung des § 241 Abs. 2 BGB eine auf Arbeitsverhältnisse

„unbedingt anzuwendende Regel“ darstelle.36

–––––––––––

31 MüKoBGB/Müller-Glöge, BGB, § 611 Rn. 161.

32 MüKoBGB/Müller-Glöge, BGB, § 611 Rn. 101.

33 BAG Urteil vom 7.12.1988, 4 AZR 471/88, AP ZPO § 829 Nr. 8; BAG Urteil vom 15.11.2005, 9 AZR 209/05, AP BAT § 50 Nr. 18.

34 BGBl. I 2001 S. 3138.

35 MüKoBGB/Müller-Glöge, BGB, § 611 Rn. 985.

36 BAG Urteil vom 28.10.2010, 8 AZR 418/09, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitneh- mers Nr. 136.

(29)

Daher ist der Begriff der Fürsorgepflicht mittlerweile als überholt anzu- sehen. Zum einen ist er Ausdruck eines nicht mehr zeitgemäßen Über- und Unterordnungsverhältnisses, wie es bei Entstehung des BGB noch vor- herrschte. Zum anderen ist gerade durch § 241 Abs. 2 BGB eine Regelung ins BGB aufgenommen worden, die den Begriff der Fürsorgepflicht voll- ständig abdeckt.37

Der Begriff der Fürsorgepflicht findet aber sowohl in der Rechtspre- chung38 als auch in Teilen der Literatur39 noch Verwendung. Deshalb er- scheint es angebracht, ihn im Kontext der historischen Darstellung der Entwicklung des Freistellungsanspruchs aus § 629 BGB auch hier zu ver- wenden.

Damit bleibt zunächst festzuhalten, dass der Freistellungsanspruch zur Stellensuche aus § 629 BGB Ausfluss des Gebots von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ist. Im Rahmen des Freistellungsanspruchs aus § 629 BGB sind heute die Nebenpflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB von den Parteien zu beachten. Die Regelung in § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet die Parteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interes- sen des anderen Vertragspartners.

2. Treuepflicht des Arbeitnehmers

Die Nebenpflichten des Arbeitnehmers wurden lange unter dem Begriff der Treuepflicht beziehungsweise Treuepflichten zusammengefasst. Bis in die 1960er Jahre war in Rechtsprechung und Lehre anerkannt, dass das Pendant der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers die Treuepflicht des Arbeit- nehmers zum Arbeitgeber ist.40

Im Gegensatz zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, welche in § 619 BGB eine ausdrückliche Aufnahme zumindest in die Überschrift des Ge- setzestextes gefunden hat, hat die Treuepflicht des Arbeitnehmers im –––––––––––

37 Schaub/Koch, Arbeitsrechtshandbuch, § 108 Rn. 1.

38 Vgl. nur BAG Urteil vom 15.11.2005, 9 AZR 209/05, AP BAT § 50 Nr. 18.

39 So etwa bei BeckOGK/Tillmanns, BGB, § 629 Rn. 2; ErfK/Müller-Glöge, BGB, § 629 Rn. 1 und Staudinger/Preis, BGB, § 629 Rn. 2.

40 BAG Urteil vom 5.3.1968, 1 AZR 229/67, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 6; BAG Beschluß vom 17.10.1969, 3 AZR 442/68, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 7;

Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 53 Rn. 1; Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB,

§ 611 Rn. 608; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhält- nis, S. 62 f.

(30)

Dienstvertragsrecht keine explizite gesetzliche Grundlage. Mit Hilfe der Treuepflicht wurde versucht, das starre Synallagma des Arbeitsverhältnis- ses mit der Verpflichtung zur Leistung der Dienste auf der einen Seite und der Verpflichtung zur Gewährung der Vergütung auf der anderen Seite aufzulösen, indem eine Anreicherung des Dienstverhältnisses um bestimm- te weitere Nebenpflichten vorgenommen wurde.41

Dabei geht auch das Konzept der Treuepflicht auf Otto von Gierke und seine Lehre vom „deutschrechtlichen Ursprung des Dienstvertrags“ zurück.42 Ge- stützt wurde diese Konzeption auf die Auffassung, dass sich die wechsel- seitigen Pflichten der Parteien des Arbeitsvertrags nicht alleine aus dem BGB ergeben. Vielmehr galt es, eine Reihe weiterer Spezialregelungen, die den Gedanken von Treu und Glauben umfassender aufgriffen als die sei- nerzeitigen Regelungen über den Dienstvertrag, zu berücksichtigen.43

Folglich seien personenrechtliche Beziehungen, die ursprünglich aus- schließlich für das Dienstvertragsrecht galten, auch auf den Arbeitsvertrag anwendbar, weil jeder Dienstvertrag ein persönliches Herrschaftsverhältnis zwischen den Parteien begründe.44 Daraus folgerte Otto von Gierke, dass auch ohne besondere gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen die nach allgemeinen Grundsätzen geschuldete Vertragstreue für den Dienstver- pflichteten den persönlichen Inhalt der Diensttreue begründe.45 Im Rah- men dieser Verbundenheit ließen sich die gegenseitigen Pflichten der Par- teien des Dienstverhältnisses auf „eine Pflicht zur Treue“ als Grundpflicht aus dem Dienstverhältnis zurückführen.46 Auf Grundlage dieser Lehre kam Otto von Gierke zu dem Ergebnis, dass der Dienstvertrag ein persönliches Herrschaftsverhältnis begründe, aus dem für den Arbeitnehmer neben der Leistungs-, Gehorsams-, und Verhaltenspflicht eine persönliche Treue- pflicht erwachse.

Dieser Auffassung folgte das Reichsarbeitsgericht mit Urteil vom 10.

März 1915 und stützte eine für den Arbeitnehmer bestehende Geheimhal- –––––––––––

41 Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, § 611 Rn. 608.

42 v. Gierke, Deutsches Privatrecht III, S. 610; vgl. Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch,

§ 53 Rn. 1; Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, § 611 Rn. 609.

43 Vgl. Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, § 611 Rn. 609.

44 v. Gierke, Deutsches Privatrecht III, S. 610; vgl. Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB,

§ 611 Rn. 609.

45 Vgl. Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, § 611 Rn. 609.

46 Vgl. MHdB ArbR/Blomeyer, § 51 Rn. 6.

(31)

tungspflicht über technische Neuerungen auf das zwischen dem Arbeitge- ber und Arbeitnehmer bestehende Treueverhältnis.47 Die Lehre vom per- sonenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis Otto von Gierkes hatte daher neben der Etablierung der Fürsorgepflicht48 auch maßgeblichen Anteil an der Manifestation der Treuepflicht als eigenständige Verpflichtung des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsvertrag.49

Der Gedanke der Treuepflicht wurde vor allem während des National- sozialismus in den Vordergrund gestellt und durch die ausdrückliche Auf- nahme in § 2 Abs. 2 AOG weiter verfestigt.50 Der entsprechende Passus zur Treuepflicht in § 2 Abs. 2 AOG sah vor, dass die Betriebsangehörigen, welche als Gefolgschaft bezeichnet wurden, dem Führer des Betriebs „die in der Betriebsgemeinschaft begründete Treue zu halten“ hätten. Deshalb wurde die Treuepflicht dahingehend ausgelegt, dass der Arbeitnehmer sich nach bes- ten Kräften für die Interessen des Arbeitgebers und das Gedeihen des Betriebes einzusetzen und alles zu unterlassen habe, was dem Arbeitgeber oder dem Betrieb abträglich sein könnte.51

Auch nach 1945 wurde zunächst am Gedanken der Treuepflicht als selbständige rechtsdogmatische Kategorie festgehalten.52 Es ist aber fest- zuhalten, dass die Treuepflicht keine eigenständige rechtsdogmatische Kategorie darstellt, sondern lediglich aus der Qualifizierung des Dienstver- hältnisses als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis hervorgegangen ist. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sollte synallagmatisch mit der Treuepflicht des Arbeitnehmers verknüpft werden. Dabei wurde aber übersehen, dass die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ein Korrelat zur Un- terordnung des Arbeitnehmers in den sachlichen und personellen Macht- bereich des Arbeitgebers darstellt. Ihr entspricht keine korrespondierende Pflicht des Arbeitnehmers.53

–––––––––––

47 RG Urteil vom 10.3.1915, Rep. I. 211/14, RGZ 86, 315.

48 Vgl. dazu oben B.II.1

49 Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 53 Rn. 1; Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, § 611 Rn. 610.

50 Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 53 Rn. 1.

51 RAG Urteil vom 26.9.1932, 162/32, ARS 15, 561; Nikisch, Arbeitsrecht, § 34 Rn. 1.

52 Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, § 611 Rn. 611.

53 Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, § 611 Rn. 612; Tomandl/Richardi, Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht, S. 41, 64.

(32)

Folglich gibt es keine allgemeine Treuepflicht, sondern lediglich Treue- pflichten, die als Nebenpflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB den Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmen. Im Professorenentwurf zu einem Arbeitsvertragsgesetz aus dem Jahr 1992 wurde daher auch von einer Generalklausel für die Treupflicht abgesehen und stattdessen wurden spezielle Pflichten in Bezug zur Arbeitsaufgabe aufgenommen.54 Auch der von Martin Henssler und Ulrich Preis erstellte Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes verzichtet auf die Aufnahme einer Generalklausel und sieht in den §§ 72 bis 87 eine Aufzählung von Einzelpflichten für den Arbeitnehmer vor.55

Wenn man nun eine generelle, umfassende Treuepflicht des Arbeitneh- mers als Pendant zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aufgrund der feh- lenden Vergleichbarkeit der Pflichten ablehnt, so ist fraglich, ob und in welchem Umfang Treuepflichten des Arbeitnehmers überhaupt bestehen, zumindest soweit solche speziellen Treuepflichten nicht individual- oder kollektivrechtlich vereinbart sind.

Das Bundesarbeitsgericht definierte den Inhalt der Treuepflicht negativ,

„der Arbeitnehmer sei verpflichtet alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber oder dem Betrieb abträglich ist“.56 In einem späteren Urteil stellte das Bundesarbeitsge- richt aber fest, dass sich die entsprechenden Verhaltenspflichten des Ar- beitnehmers nunmehr aus § 241 Abs. 2 BGB ergäben.57

Die von der Rechtsprechung entwickelten Formeln zu einer allgemeinen Treuepflicht gehen zu weit, weil sie bei konsequenter Befolgung zu einem Eingriff in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre des Arbeitnehmers führen können. Es ist nämlich keinesfalls so, dass der Arbeitnehmer alle eigenen Interessen hinter die Interessen des Arbeitgebers zurückstellen müsste. Ein derartiges Verständnis würde in unzulässiger Weise in die Rechte des Arbeitnehmers eingreifen.58

–––––––––––

54 Diskussionsentwurf des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit für ein Arbeitsvertrags- gesetz von 1992, Gutachten D zum 59. DJT 1992.

55 Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes (Henssler/Preis) von 2007, NZA- Beilage 2007, 1, 31.

56 BAG Urteil vom 16.8.1990, 2 AZR 113/90, AP BGB § 611 BGB Treupflicht Nr. 10.

57 BAG Urteil vom 24.3.2010, 10 AZR 66/09, BAGE 134, 43.

58Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 18; ErfK/Preis, BGB, § 611 Rn. 709.

(33)

In den meisten Fällen lässt sich im Rahmen des § 241 Abs. 2 BGB eine klare Differenzierung der Nebenleistungspflichten, selbständigen Schutz- pflichten sowie Unterlassungs- und Handlungspflichten des Arbeitnehmers herausarbeiten. Deshalb verbietet sich eine generelle Festlegung der Treuepflichten und eine jeweils individualisierende Betrachtung erscheint geboten.59

Diese Pflichten des Arbeitnehmers ließen sich unter dem Begriff Treue- pflichten zusammenfassen. Wobei dieser Begriff dann aber nur ein Ober- begriff für eine Reihe aus § 241 Abs. 2 BGB folgender Nebenpflichten wäre.60

Diese Pflichten sind bei der Abwägung etwaig auftretender Zweifelsfra- gen im Rahmen des § 629 BGB zu berücksichtigen. Insoweit ist festzuhal- ten, dass die Existenz einer Treuepflicht des Arbeitnehmers als Neben- pflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB nicht bestritten wird. Es bedarf aber einer auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Betrachtung, um die jeweils einschlägigen Pflichten zu bestimmen und im jeweiligen Einzelfall abzuwägen.

3. Zwischenergebnis

Es bleibt damit im Ergebnis festzuhalten, dass der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer aufgrund ihrer schuldrechtlichen Pflichtenstellung im Rah- men des § 629 BGB einen Ausgleich ihrer widerstreitenden Interessen finden müssen, in deren Rahmen auch die nachfolgend dargestellten Rege- lungszwecke des § 629 BGB einbezogen werden müssen. Dabei sind die früher sogenannte(n) Fürsorgepflicht(en) und die Treuepflicht(en) als Ne- benpflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB einzuordnen.

III. Zweck und Bedeutung der Regelung

Der Freistellungsanspruch zur Stellensuche nach § 629 BGB beruht histo- risch auf der Fürsorgepflicht des Dienstberechtigten.61 Um etwaige Zwei- felsfragen im Rahmen der Auslegung des § 629 BGB oder Interessenkon- –––––––––––

59 ErfK/Preis, BGB, § 611 Rn. 709; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 53 Rn. 7.

60 MHdB ArbR/Blomeyer, § 51 Rn. 2; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 53 Rn. 2.

61 Vgl. oben unter B.I.

(34)

flikte zwischen den Parteien des Dienstverhältnisses aufzulösen, ist es an- gebracht, auf den Sinn und Zweck der Regelung einzugehen, zumal der Wortlaut einer Regelung häufig verschiedene Auslegungsvarianten zulässt.

Vor dem Sinn und Zweck einer Regelung ist zu prüfen, ob die gewählte Auslegung dem Regelungsziel des § 629 BGB bestmöglich zur Geltung verhilft. Die Bedeutung dieser Auslegungsmethode wurde auch seitens des Bundesgerichtshofs unterstrichen. Denn er wählt im Rahmen seiner Rechtsprechung ebenfalls die Auslegungsmethode, die dem Sinn und Zweck der Regelung am nächsten kommt.62 Dies erfolgt im Rahmen der Rechtsprechung dergestalt, dass die Auswirkungen der verschiedenen Aus- legungsvarianten ermittelt und hinsichtlich des Sinns und Zwecks der je- weiligen Regelung beurteilt werden. Am Ende wird die Auslegungsvariante gewählt, die dem Sinn und Zweck der Regelung am ehesten entspricht.63

Mit der Regelung des § 629 BGB werden in erster Linie zwei Rege- lungsziele verfolgt. Zum einen soll die Stellensuche bei einem absehbaren Ende des Dienstverhältnisses beschleunigt werden, um etwaige Zeiten der Beschäftigungslosigkeit zu vermeiden und es dem Dienstverpflichteten zu ermöglichen, seinen Lebensunterhalt weiter zu sichern. Zum anderen dient die Norm dem Schutz des Erholungsurlaubs des Dienstverpflichteten,64 dies allerdings nur insoweit, als einem Dienstverpflichteten ein Anspruch auf Erholungsurlaub zusteht.65 Auf beide Regelungsziele wird im Nachfol- genden eingegangen.

1. Erleichterung der Stellensuche

Das wichtigste Ziel der Regelung des § 629 BGB seitens des Gesetzgebers ist die Beschleunigung der Stellensuche und damit einhergehend die mög- –––––––––––

62 BGH Urteil vom 24.6.1955, I ZR 88/54, BGHZ 18, 44, 49; BGH Urteil vom 19.11.1971, V ZR 100/69, BGHZ 57, 245, 248; Staudinger/Honsell, BGB, Einl. zum BGB Rn. 149.

63 Vgl. BGH Urteil vom 2/3.12.1968, III ZR 2/68, BGHZ 51, 125, 130; BGH Urteil vom 23.3.1971, VI ZR 177/69, BGHZ 56, 27, 33; BGH Urteil vom 19.11.1971, V ZR 100/69, BGHZ 57, 245, 248.

64 BAG Urteil vom 26.10.1956, 1 AZR 248/55, AP BGB § 611 Urlaubsrecht Nr. 14;

BeckOGK/Tillmanns, BGB, § 629 Rn. 2; Staudinger/Preis, BGB, § 629 Rn. 2.

65 AR-Blattei SD/Brune, 1510 Rn. 5; BeckOGK/Tillmanns, BGB, § 629 Rn. 2;

ErfK/Müller-Glöge, BGB, § 629 Rn. 1; MHdB ArbR/Boewer, § 70 Rn. 26; Staudinger/Preis, BGB, § 629 Rn. 2.

(35)

lichst zeitnahe Aufnahme eines neuen Beschäftigungsverhältnisses (An- schlussbeschäftigung) durch den Dienstverpflichteten.66

Der Gesetzgeber verfolgt mit diesem Regelungsziel zwei unterschiedli- che Zielsetzungen: Zum einen die Sicherung und Erhaltung der Lebens- grundlage des Dienstverpflichteten durch die Vermeidung etwaiger Zeiten der Nichtbeschäftigung67 und zum anderen die Entlastung der Volkswirt- schaft von Kosten, die aufgrund langandauernder Arbeitslosigkeit infolge der Nichtbeschäftigung entstehen können.68

a) Sicherung der Lebensgrundlage des Dienstverpflichteten

Die Regelung in § 629 BGB dient dem primären Interesse eines jeden Dienstverpflichteten zeitnah im Anschluss an die Beendigung seines alten Dienstverhältnisses ein neues Dienstverhältnis einzugehen und dadurch seinen Lebensunterhalt erhalten und sichern zu können.69

Wie schon das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, ist die Er- werbstätigkeit ein wesentliches Merkmal zur Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage eines Menschen in unserer modernen und arbeitsteiligen Gesellschaftsform.70

Primärer Zweck des Freistellungsanspruchs ist es daher, den Dienstver- pflichteten vor finanziellen Einbußen zu bewahren. Diese können entste- hen, wenn er sich nicht schon vor der Beendigung des alten Dienstverhält- nisses um die Begründung eines neuen Dienstverhältnisses bemüht hat.

Folglich sollen längere Zeiten der Nichtbeschäftigung, in denen der Dienstverpflichtete keinen Lohn bezieht, vermieden werden.71

–––––––––––

66 AR-Blattei SD/Brune, 1510 Rn. 5; BeckOGK/Tillmanns, BGB, § 629 Rn. 2;

ErfK/Müller-Glöge, BGB, § 629 Rn. 1; Staudinger/Preis, BGB, § 629 Rn. 2.

67 Vogt, DB 1968, 264; Brill, AuR 1970, 8; MHdB ArbR/Boewer, § 70 Rn. 26.

68 Bericht der Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, 2002, S. 81, 83, http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-

aktuell/_Politikfelder/Arbeitsmarkt/Dokumente/hartzteil1.pdf (zuletzt abgerufen am 18.

August 2016); Staudinger/Preis, BGB, § 629 Rn. 2.

69 Vogt, DB 1968, 264; Brill, AuR 1970, 8; MHdB ArbR/Boewer, § 70 Rn. 26.

70 So bereits das BVerfG im sog. „Apotheker-Urteil“ vom 11.6.1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, in dem das BVerfG zugleich auch die Würde des Berufs für alle soziale Schichten betont.

71 So bereits Vogt, DB 1968, 264; Brill, AuR 1970, 8; AR-Blattei SD/Brune, 1510 Rn. 5;

Staudinger/Preis, BGB, § 629 Rn. 1.

(36)

b) Entlastung der Sozialkassen

Zum anderen dient die Norm auch volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Dies wurde im Rahmen der zu Anfang der Jahrtausendwende getätigten Bemühungen zur Reform des Arbeitsmarkts besonders deutlich. Diese Bemühungen waren das Ergebnis der Kommission für „Moderne Dienstleis- tungen am Arbeitsmarkt“72 (besser bekannt als Hartz-Kommission). Die da- mals durchgeführten Reformen hatten insbesondere die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und damit die Beschleunigung der Vermittlungsgeschwin- digkeit der Arbeitnehmer an eine neue Arbeitsstelle zum Ziel.73

Die Realisierung der vorgenannten Ziele sollte im Zuge der sogenannten Hartz-Gesetze erfolgen. So enthielt die vom Bundestag am 15. November 2002 verabschiedete Fassung des Gesetzes „Erstes Gesetz für moderne Dienst- leistungen am Arbeitsmarkt“ (Hartz I) eine neu im BGB aufzunehmende Vor- schrift den § 629a BGB.74

Die Regelung sah unter anderem in ihrem ersten Absatz vor, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach der Kündigung oder der Vereinba- rung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Verlangen eine angemes- sene Zeit von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreien musste. So sollte dem Arbeitnehmer ausreichend Zeit für die Stellensuche, Vermittlungsak- tivitäten und für eine Maßnahme der Eignungsfeststellung sowie Trai- ningsmaßnahmen oder eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme der Bun- desagentur für Arbeit bleiben. Daneben sollte § 629 BGB weiter Anwen- dung finden.75

Dem Arbeitnehmer wurde durch die Regelung ermöglicht, sich frühzei- tig um eine neue Arbeitsstelle zu bemühen und zusätzlich auch Qualifizie- rungsmaßnahmen wahrzunehmen, um sich für die Vermittlung auf dem –––––––––––

72 Bericht der Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, 2002, http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-

aktuell/_Politikfelder/Arbeitsmarkt/Dokumente/hartzteil1.pdf (zuletzt abgerufen am 18.

August 2016).

73 Bericht der Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, 2002, S. 81, 83, http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-

aktuell/_Politikfelder/Arbeitsmarkt/Dokumente/hartzteil1.pdf (zuletzt abgerufen am 18.

August 2016); Staudinger/Preis, BGB, § 629 Rn. 2.

74 BT-Drucksache 15/77, S. 37.

75 Hümmerich/Holthausen/Welslau, NZA 2003, 7.

(37)

Arbeitsmarkt weiterbilden zu können und so zeitnah eine Anschlussbe- schäftigung zu finden.

Gerade durch die im Rahmen des Gesetzes „Erstes Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ beabsichtige Reform des § 629 BGB in Form der Ergänzung durch § 629a BGB wird die gesetzgeberische Intenti- on ersichtlich, durch Verkürzung der Vermittlungsdauer die durch Arbeits- losigkeit verursachten Kosten zu minimieren.76

Zwar wurde die Regelung des § 629a BGB im Vermittlungsausschuss aufgegeben,77 aber das kann nicht als Abkehr vom Regelungsziel einer zeitnahen Anschlussbeschäftigung des Dienstverpflichteten gewertet wer- den, weil von diesem Ziel gerade kein Abstand genommen werden sollte.

Vielmehr wurde die Vorschrift des § 629a BGB als obsolet angesehen, weil die mit der Regelung des § 629a BGB verfolgten Ziele auch durch den unveränderten § 629 BGB gewährleistet sein sollten.78 Zudem empfanden die Arbeitgeberverbände die Reichweite der im Rahmen des § 629a BGB ausdrücklich geregelten Freistellungsverpflichtungen als zu weitgehend und belastend; auch deshalb wurde auf eine ausdrückliche Kodifizierung ver- zichtet.79

Tatsächlich ging der Entwurf in § 629a BGB weiter, da er, anders als die Regelung in § 629 BGB, einen Anspruch auf Vergütung während der Frei- stellung zur Stellensuche vorsah. Das hätte eine über den Regelungsgehalt des § 629 BGB hinausgehenden Regelungsgehalt und damit eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung bedeutet.80 Daher kann allein aus dem Streichen dieser Regelung nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sich etwas an dem gesetzgeberischen Regelungsziel der zeitnahen An- schlussbeschäftigung des Dienstverpflichteten zur Vermeidung zusätzli- –––––––––––

76 Düwel, FA 2003, 108.

77 BR-Drucksache 15/201, S. 2.

78 Sibben, DB 2003, 826, der aber hinsichtlich der Streichung des § 629a BGB auf Seite 4 der Bundestags-Drucksache 15/201 verweist, wobei die entsprechende Bundestagsdrucksa- che nur über zwei Seiten verfüge, die letztendlich keinen Aufschluss für die Streichung der entsprechenden Passage gäben; MüKoBGB/Henssler, BGB, § 629 Rn. 14, verweist ebenfalls darauf, dass die Streichung aufgrund der Tatsache, dass § 629 BGB als ausreichend angese- hen wurde, vorgenommen wurde, verweist diesbezüglich aber auch auf den Aufsatz von Sibben.

79 Düwel, FA 2003, 108, 109.

80 BeckOGK/Tillmanns, BGB, § 629 Rn. 3.

(38)

cher Kosten für die Volkswirtschaft sowie zur Sicherung und Erhaltung der Lebensgrundlage des Dienstverpflichteten geändert hat.81

Die Regelung in § 629 BGB ist daher auch im Hinblick auf das Rege- lungsziel einer zeitnahen Anschlussbeschäftigung des Dienstverpflichteten aus volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu sehen. Die Vermeidung von Zeiten der Beschäftigungslosigkeit soll letztendlich die Arbeitslosenversi- cherung sowie die Sozialkassen und damit die gesamte Volkswirtschaft entlasten.

2. Schutz des Erholungsurlaubs

Das weitere Regelungsziel des § 629 BGB ist der Schutz des Erholungsur- laubs des Dienstverpflichteten.82 Es ließe sich zwar durchaus argumentie- ren, dass die Beendigung eines Dienstverhältnisses im Risikobereich eines jeden Dienstverpflichteten liegt. Deshalb ist es auch Aufgabe des Dienst- verpflichteten selbst, sich in seiner Freizeit um eine neue Beschäftigung zu bemühen. Gegenüber dem Dienstverpflichteten könnte man also auch darauf verweisen, anstelle seines Freizeitverlangens beim Dienstberechtig- ten Erholungsurlaub zu beantragen, um nach Zugang der Kündigung oder eines entsprechenden auf Beendigung des Dienstverhältnisses abzielenden Ereignisses einen potentiell neuen Dienstberechtigten zum Zwecke der Stellensuche aufzusuchen. Eine solche Argumentation verbietet sich aber aus zweierlei Gründen: Einerseits, weil sie sich nicht mit dem Sinn und Zweck des Erholungsurlaubs vereinbaren ließe.83 Andererseits sprechen auch praktische Gesichtspunkte gegen eine solche Argumentation.

a) Sinn und Zweck des Erholungsurlaubs

Eine Verweisung des Dienstverpflichteten auf seinen Erholungsurlaub liefe dem Sinn und Zweck der Gewährung von Erholungsurlaub zuwider.

Bereits aus dem Wortlaut von § 1 BUrlG „Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.“ ergibt sich, dass der Sinn und Zweck des Urlaubs, die Erholung und Regeneration des Arbeitneh- –––––––––––

81 BeckOGK/Tillmanns, BGB, § 629 Rn. 3.

82 BAG Urteil vom 26.10.1956, 1 AZR 248/55, AP BGB § 611 Urlaubsrecht Nr. 14;

BeckOGK/Tillmanns, BGB, § 629 Rn. 2; Staudinger/Preis, BGB, § 629 Rn. 2.

83 BeckOGK/Tillmanns, BGB, § 629 Rn. 2.

(39)

mers von der Arbeit ist.84 Die Verwendung des Wortes „Erholungsurlaub“

macht deutlich, dass der Erholungszweck bei der Durchführung des Ur- laubs im Vordergrund stehen soll. Allerdings ist Erholung nicht im Sinne einer Beseitigung eines Erschöpfungszustands zu sehen,85 sondern, wie sich auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt, in der „Erhaltung und Wieder- auffrischung der Arbeitskraft."86

Aus dem Wortlaut der Regelung wird darüber hinaus deutlich, dass für den selbständigen Dienstverpflichteten kein Anspruch auf Erholungsur- laub bestehen kann, weil der Wortlaut lediglich auf Arbeitnehmer Bezug nimmt und ein selbständiger Dienstverpflichteter aufgrund der fehlenden Weisungsgebundenheit nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Bundesur- laubsgesetzes einzuordnen ist.87 Lediglich in den Fällen, in denen ein selb- ständiger Dienstverpflichteter als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 2 Satz 2 BUrlG einzustufen ist, kommt ihm ein Anspruch auf Erho- lungsurlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz zu.88

Im Ergebnis ist die Sicherung des Erholungsurlaubs beim selbständigen Dienstberechtigten, der nicht als arbeitnehmerähnliche Person einzustufen ist, nicht in die Abwägung bestehender Auslegungsfragen oder Interessen- konflikte als Argument mit einzubeziehen, da einem Selbständigen kein gesetzlicher Anspruch auf Erholungsurlaub zusteht.

Hinsichtlich bestehender Arbeitsverhältnisse hat das Bundesarbeitsge- richt bereits in den fünfziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts entschie- den, dass eine Verweisung des Arbeitnehmers auf den Erholungsurlaub zur Stellensuche nicht mit dem Sinn und Zweck der Regelungen über den Erholungsurlaub vereinbar sei.89 Zwischenzeitlich hat auch der Europäi-

–––––––––––

84 Vgl. BAG Urteil vom 20.6.2000, 9 AZR 405/99, AP BUrlG § 7 Nr. 28.

85 BAG Urteil vom 8.3.1984, 6 AZR 600/82, AP BUrlG § 3 Rechtsmißbrauch Nr. 14;

ErfK/Gallner, BUrlG, § 1 Rn. 4; BeckOK ArbR/Lampe, BurlG, § 1 Rn. 5, der neben dem Erholungsgedanken auch auf die Sphäre der Selbstbestimmung in persönlicher Freiheit abstellt; ebenso Kohte BB 1984, 609, 612, der neben dem Erholungszweck auch eine Ergän- zung im Hinblick auf den Selbstbestimmungsgedanken sieht.

86 BT-Drucksache IV/207, S. 3 und IV/785, S. 1.

87 ErfK/Preis, BGB, § 611 Rn. 99 i.V.m. ErfK/Gallner, BUrlG, § 1 Rn. 15.

88 BeckOGK/Tillmanns, BGB, § 629 Rn. 2; ErfK/Preis, BGB, § 611 Rn. 99 i.V.m.

ErfK/Gallner, BUrlG, § 1 Rn. 15.

89 BAG Urteil vom 26.10.1956, 1 AZR 248/55, AP BGB § 611 Urlaubsrecht Nr. 14; so auch LAG Düsseldorf Urteil vom 11.1.1973, 3 Sa 521/72, DB 1973, 676; AR-Blattei

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

H¨ ohere Mathematik II f¨ ur die Fachrichtung

Von paramil itäri schen Krei sen wi rd vielfach gegen die gewaltfreie Ver- tei di gung argument i ert, indem man behauptet, es sei sehr unwahrschei n- li ch, daß ei ne große Anzah 1

He had taken com- mand about the time that these things were being reviewed at Air Force Headquarters in a study called the Becker Study (after the man who ran it), and

Gap 3 - Gap from WG OFF to next ID AM sync and allows for the erase core to clear the Data Field CRC bytes, speed and write oscillator variation, read preamplifier recovery

A File Designation should be used in lieu of a channel

Die Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegenV. grober Unbilligkeit 220

B) Räumlichkeiten für begleitete Umgänge/Umgangsbegleitung durch Dritte gem. 3 Satz 3 BGB. Grundsätzlich ist immer eine vorherige Terminabsprache aus

Den Weg des privatschriftlichen Testaments sollten Sie nur wählen, wenn Sie sicher sind, dass Sie damit das erreichen, was Sie möchten. Wenn die tatsächlichen Verhältnisse oder