SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 4/04 27
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Der Glanz der Brunello-Sterne
Montalcino, gut vierzig Kilome- ter südlich der italienischen Stadt Siena gelegen, geniesst seit jeher einen ausgezeichne- ten Ruf als Weinbaugebiet.
Prägten früher die Reben der begehrten süssen Muskatweine das Gesicht dieser landschaft- lich abwechslungsreichen Ge- gend der Toskana, sind es heu- te rote Gewächse. Der edle, fassgereifte Brunello di Montal- cino wie auch der jugendliche- re Rosso di Montalcino sind die beiden Spitzenreiter, die Mitte Januar im Hotel Carlton in Zürich der Schweizer Weinelite präsentiert wurden.
Der Brunello, eine Geschichte der Familie Biondi-Santi
Mitte des 19. Jahrhunderts be- gann Clemente Santi und da- nach sein Enkel Ferrucio Bi- ondi-Santi ihre Weine reinsor- tig zu keltern. Die Selektion des richtigen Brunello-Klons, der Sangiovese-Rebe, kurz ge- schnitten und spät gelesen, führte zu vollreifem, gehaltvol- lem Traubengut. Eine tempera- turkontrollierte Gärung bei 28 bis 30 °C sowie eine lange La- gerung in slowenischer Eiche verliehen dem Brunello di Montalcino nicht nur ein kraft- volles Auftreten in Bukett und Geschmack, sondern führten auch zu einem stolzen Preis.
Neben dem Weingut Il Greppo der Familie Biondi-San- ti stiegen bald weitere altehr- würdige Weingüter, wie etwa die Fattoria dei Barbi oder die grosse amerikanische Firma Banfi, ins lukrative Geschäft mit dem Brunello-Wein ein.
Das Consorzio Del Vino und die DOCG
Das Consorzio del vino Brunel- lo di Montalcino wurde im Jahr 1967 von etwa 25 Mitglie- dern als freiwilliger Zusam- menschluss von Weinprodu- zenten zur Förderung des Bru- nellos gegründet. In der Zwi- schenzeit hat sich die Mitglie- derzahl auf 230 erhöht, die ins-
gesamt 1700 ha mit Sangiovese bestockte Rebberge im Regis- ter eingetragen haben. Seit we- nigen Monaten gehört auch Bi- ondi-Santi offiziell der Vereini- gung an. Er hat sich bislang, wegen dem Rosso di Montalci- no, dem erlaubten Zweitwein mit kürzerer Ausbauzeit bis zur Vermarktung, einer Mitglied- schaft enthalten. Anwesend an der gemeinschaftlichen Prä- sentation in Zürich war Biondi- Santi allerdings nicht.
Im Jahr 1980 erhielt der Brunello als erster italieni- scher Wein die Anerkennung einer DOCG. Wurde auch die vorgeschriebene Fasslagerzeit seither reduziert, durchläuft der Wein immerhin noch eine Reifezeit von zwei Jahren im Eichenholz. Vier Monate Lage- rung auf der Flasche (Riserva sechs Monate) sind ebenfalls notwendig, bevor er jeweils im fünften Jahr (Riserva 6.
Jahr) auf den Markt kommt. Ei- ne Investition, die den Preis ei- nes jeden Brunellos zweifels- ohne mitbestimmt.
Das Consorzio unternimmt heute enorme Anstrengungen hinsichtlich der Pflanzdichte bei den Reben und bei der Ein- führung moderner Technolo- gien bei der Weinbereitung, um den Brunello auch in Zu- kunft zum unverwechselbaren Produkt auf einem hart um- kämpften Weinmarkt positio- nieren zu können.
Die Entwicklung verläuft ra- sant. Im Jahr 1967 standen 100'000 Flaschen zur Vermark- tung bereit. Vom Jahrgang
1999, der mit vier von fünf mög- lichen Sternen bedacht wurde, sind es bereits sechs Millionen.
Notizen zum Jahrgang 1999
Weine aus fünzig Betrieben fan- den den Weg ins winterlich kal- te Zürich. Der Brunello fällt, je nach Lage, Boden und Mikro- klima, sehr unterschiedlich aus. Von den nördlich ausge- richteten, höheren Lagen stam- men eher die traditionellen Weine, von den südlicheren La- gen die opulenten Weine im Stile der Neue-Welt-Tropfen.
Bei der Verkostung stellte man erstaunt fest, dass sich im Bukett noch viele Weine sehr verschlossen präsentierten, was dafür spricht, dass der Brunello zur Entfaltung seiner komplexen Aromatik Zeit braucht. Auffallend war, dass etliche Weine mit kräftigen Va- nille- und Holznoten prahlten.
Gut gelungen ist die Riserva 1998 vom renommierten Weingut Talenti-Pian di Conte.
Gereift in Eichenfässern aus dem Alliergebiet und aus Slo- wenien überzeugt dieser Wein durch seine Würzigkeit (Lak- ritze) im Bukett und eine gute Säure sowie einen kräftigen Gerbstoff im Geschmack.
Interessant sind die Weine aus dem Weinkeller Casato Pri- me Donne von Donatella Ci- nelli Colombini. In der Kellerei herrscht ausschliesslich das weibliche Geschlecht und das mit Erfolg. Der Brunello Pro- getto Prime Donne, selektio- niert von vier Frauen, betört
die Nase mit dezentem Holz und würzigen Komponenten.
Im Körper wirkt er kräftig, gerbstoffbetont und im Nach- trunk endet er auf einer ange- nehm wärmenden Note.
Von den jüngeren Betrie- ben stach besonders das Wein- gut San Polo Exe, im Jahr 1999 von der Familie Fertonani übernommen, mit dem Bru- nello Poggio San Polo hervor.
Der Wein von tiefer Farbe mit Violettreflexen, mit Fruchtno- ten nach schwarzen Kirschen, blumigen Anteilen von Veil- chen im Bukett und einer gu- ten Struktur im Körper zeigt, was aus dem Traubengut der Sangiovese Rebe gekeltert werden kann. Man experimen- tiere noch mit dem Holz, be- tonte Silvia Fertonani bei der Verkostung und man darf – wenn aus Gutem noch Besse- res wird – auf die kommenden Jahrgänge gespannt sein. Aller- dings hat auch dieser Wein be- reits die Preisgrenze von Fr.
50.– überschritten.
Es wäre unfair, nur einzelne Weingüter zu erwähnen. Aus fünfzig Weingütern, wovon 37 Winzer anwesend waren, stan- den doch sehr viele qualitativ hoch stehende Brunello- und Rosso di Montalcino-Weine zur Verkostung bereit. Ob nun am Stand von Valdicava, Ciacci Piccolomini d'Aragona, Fanti oder Mastrojanni, fündig wur- de man auf jeden Fall.
ROLANDBILL, AU
KURZ-INFO
Die Verkostung der Brunello- und Rosso di Montalcino-Weine bot reichlich Anlass zu fachlichen Notizen und regen Diskussionen.