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Archiv "Lovis Corinth: Unbeirrbar subjektiv" (14.11.2008)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 46⏐⏐14. November 2008 A2475

K U LT U R

F

einfühliger Meister und Ber- serker“, Maler mit „feinem Sinn fürs Grobe“, „zu spät gekom- mener Romantiker“ – diese Ver- suche, Lovis Corinth zu charakteri- sieren, bezeugen vor allem die be- ständige Widersprüchlichkeit des Künstlers. Zum einen ist er ganz Traditionalist, malt Historienbilder, Selbstbildnisse und Landschaften.

Doch zugleich zeigen seine Bilder einen Hang zu parodistischer Aus- einandersetzung mit der Gegenwart.

Dabei ist seine Nähe zum Objekt immer auch ein Sehen im Namen der gesamten Tradition.

Am 21. Juli 1858 wird Franz Heinrich Lovis Corinth im ost- preußischen Tapiau geboren. Er wächst zusammen mit fünf Halbge- schwistern aus der ersten Ehe seiner Mutter auf. Konflikte mit der Mutter und den Stiefgeschwistern prägen seine Jugend. „Ich bin während des gesamten Lebens unglücklich ge- wesen. (. . .) Ich beneidete die, wel- che ein heiteres Temperament oder mehr Fähigkeiten hatten als ich. Ein brennender Ehrgeiz hat mich schon immer verfolgt“, schreibt er in sei- ner „Selbstbiographie“. Zunächst studiert Corinth an der Königsber- ger Akademie, ab 1880 setzt er sich in München mit Wilhelm Leibls Realismus und dem Naturalismus Max Liebermanns auseinander.

Doch unabdingbare Grundlage je- der künstlerischen Arbeit, „das La- tein der Malerei“, werden für Co- rinth das genaue Studium und die präzise Darstellung des nackten menschlichen Körpers. „Die ge-

zeichneten Akte zu zählen, bin ich außerstande. (. . .) Modelle gingen in Corinths Atelier ein und aus“, schreibt seine spätere Frau Char- lotte Berend-Corinth.

In einer Zeit, in der dieses Genre noch einmal auflebt, dann aber um- kippt in seine eigene Parodie, möch- te Corinth vor allem eins sein: His- torienmaler. Dabei hat er seine Lek- tion aus Friedrich Nietzsches „Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“ gelernt und nennt Geschichte sein Lebensthema. Von Rembrandt übernimmt Corinth das Verfahren, sich selbst in biblische und antike Szenen einzubringen. So fügt er Historie und Selbstbild zu- sammen und sieht sich selbst als Stellvertreter etwa Jesu Christi oder des leidenden Menschen. Die Kreu- zigungsszene von 1907 zeigt nicht Jesus, der ans Kreuz gebunden wird.

Bewusst nennt Corinth das Gemäl- de auch nicht „Kreuzigung“, son- dern „Martyrium“ und spielt damit

auf sich selbst und seine Rolle als Künstlerheros an.

Anfang der 1890er-Jahre ist Co- rinth mit seinen Gemälden unzufrie- den und wendet sich der Radierung zu. 1894 entsteht eine Reihe grafi- scher Blätter, die er „Tragikomödi- en“ nennt. Vor seiner skeptischen Fantasie verschwindet alle Lyrik der Weltgeschichte. Da erscheint selbst die todgeweihte französische Köni- gin („Marie Antoinette auf dem We- ge zum Schafott“) als komödianti- sche Figur. Die Münchener Sezessi- on lehnt Corinths „Salome“ (1899) ab. Auf einer Ausstellung der Berli- ner Sezession ein Jahr später wird das Bild ein großer Erfolg. Das will das Berliner Publikum sehen – nicht eine verträumte romantische Tänze- rin wie bei Gustave Moreau, sondern aggressive Präsenz, die sich zugleich vom dargestellten Thema distanziert.

In den ersten zwei Dritteln seines Lebens trinkt Corinth zu viel; erst nach einem Schlaganfall Ende 1911 ruft er sich zur Ordnung. Dem Schlaganfall eine Veränderung sei- nes Stils zuzuschreiben, ist ein My- thos der Kunstwissenschaft, der so nicht haltbar ist. Doch hat die Er- krankung – Corinth ist danach links- seitig gelähmt – seine expressive Kraft noch gesteigert. 1925 stirbt Corinth auf einer Reise nach Ams-

terdam. n

Christof Goddemeier

LOVIS CORINTH

Unbeirrbar subjektiv

Vor 150 Jahren wurde der Maler im ostpreußischen Tapiau geboren.

Zum einen war er ganz Traditionalist, aber zugleich zeigen seine Bilder einen Hang zu parodistischer Auseinandersetzung mit der Gegenwart.

Die Ausstellung „Lovis Corinth und die Geburt der Moderne“

ist bis 15. Februar 2009 im Kunstforum Ostdeutsche Gale- rie Regensburg zu sehen.

Informationen: www.kunstforum.de

Lovis Corinth:

Selbstporträt im weißen Kittel, 1918

Lovis Corinth:

Salome, II. Fassung, 1900

Foto:Wallraf-Richartz-Museum,Köln Foto:Museum der bildenden Künste,Leipzig

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