• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "FDP-Wahlprogramm/Sozialdemokraten: Erneuerung der Sozialsysteme" (13.07.1998)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "FDP-Wahlprogramm/Sozialdemokraten: Erneuerung der Sozialsysteme" (13.07.1998)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

ei den politischen Ver- heißungen vor der Bundes- tagswahl liegen die Libera- len und die Sozialdemokraten wie bisher schon meilenweit auseinan- der. Dies gilt insbesondere für die sozial- und gesundheitspolitischen Grundpositionen der FDP und pro- minenter Sozial- und Gesundheits- politiker der SPD-Bundestagsfrak- tion. Durch die frühzeitige Festle- gung der FDP für die Erneuerung des Bonner Regierungsbündnisses – sollte die derzeitige Regierung bei den September-Wahlen bestätigt werden – gibt es denn auch keine Aussichten auf eine Wiederauflage einer sozialliberalen Koalition wie damals 1969, wiewohl der Vorsit- zende der FDP in Nordrhein-West- falen, der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfrak- tion, Jürgen W. Möllemann, es noch vor dem Leipziger Parteitag der Li- beralen spekulativ andeutete, aber aus „Parteiraison“ diesem Schlacht- plan inzwischen abgeschworen hat.

Das „Wahlprogramm zur Bun- destagswahl 1998“ stand nicht im Mittelpunkt des FDP-Parteitages (26. bis 28. Juni), wurde ohne länge- re Debatten in Leipzig einmütig be- schlossen.

Die Liberalen, die in den übri- gen politischen Positionen Eigen- ständigkeit und Abgrenzung von den Unionsparteien beschworen, haben dennoch in wesentlichen Aussagen zur Sozial- und Gesund- heitspolitik auffällige Affinitäten zu den bisherigen wahlpolitischen Äußerungen der CDU/CSU. Die Liberalen plädieren für einen

„schlanken Staat“, eine Erneuerung

der sozialen Marktwirtschaft in al- len gesellschaftspolitischen Berei- chen und für grundlegende Refor- men der sozialen Sicherung. Wie die CDU wollen auch die Liberalen das Verhältnis von Subsidiarität, Solida- rität und Eigenverantwortung neu definieren und deren Gewichtung neu ordnen. Die FDP will die Über- regulierung und Bürokratisierung in der sozialen Sicherung abbauen, den Leistungskatalog vor allem in der Gesetzlichen Krankenversiche- rung neu zuschneiden und „ver- krustete Strukturen“ überwinden.

Durchgängig sollen mehr Leistungs- und Qualitätswettbewerb in der Ge- sundheitssicherung Platz greifen, die Leistungstransparenz erhöht und verstärkt Leistungsanreize für die Leistungserbringer und die Ver- sicherten gesetzt werden.

Überprüfung der Finanzierung

Ganz nach der Losung der Bon- ner Koalition soll der einzelne Vor- fahrt vor dem Staat erhalten. In der Sozialversicherung müßten die Lei- stungsstrukturen ebenso wie die Fi- nanzierungsgrundlagen überdacht und den geänderten Rahmenbedin- gungen und den wirtschaftlichen Verflechtungen angepaßt werden.

Eine Überprüfung der Finanzie- rungsgrundlagen in der Sozialversi- cherung streben auch die Sozialde- mokraten an, freilich mit zum Teil anderen politischen Vorgaben als die Union und die Liberalen. Die FDP will – analog zu den Forderun- gen der CDU/CSU – die Beiträge

zur gesetzlichen Sozialversicherung von bisher 43 Prozent wieder auf unter 40 Prozent senken. Offen ist indes, in welchem Zeitraum dieses Ziel erreicht werden soll. Dabei muß auch die Steuerpolitik mitspie- len. Die FDP plädiert für eine

„große Steuerreform“ mit einem Stufentarif für die Einkommensteu- er sowie eine vollständige Abschaf- fung der Gewerbesteuer.

Unverändert ist es das Modell der FDP, ein „Bürgergeldsystem“

einzuführen, um die Sozialversiche- rung überschaubarer zu gestalten.

Dieser Vorschlag, fernab vom gel- tenden System, will die Einkommen- besteuerung und die steuerfinanzier- ten Sozialleistungen (Sozialhilfe und andere) zu einer „einfachen Gesamt- ordnung“ zusammenführen. Als er- sten Schritt will die FDP einen Grundfreibetrag in Höhe des Exi- stenzminimums gesetzlich fest- schreiben und den Familienlasten- ausgleich neu organisieren. Deutlich spricht sich die FDP für die Erhal- tung und Sicherung der gegliederten Altersvorsorge und der Rentenver- sicherungssysteme aus. Die Prinzipi- en der Generationengerechtigkeit und der Verläßlichkeit sollen neu ak- zentuiert werden. Es sei nicht hin- nehmbar, daß vor allem die heutige junge Generation Höchstbeiträge leisten müsse – bei ungewissen Ren- tenerträgen in der Zukunft. Die Beiträge zur Rentenversicherung sollten mittelfristig dauerhaft auf un- ter 20 Prozent gesenkt werden. Auf dem Gebiet der Alterssicherung und der Altenpolitik fordert die FDP:

– schrittweiser Übergang zu ei- ner Mischform aus umlagefinanzier- A-1763

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 28–29, 13. Juli 1998 (15)

FDP-Wahlprogramm/Sozialdemokraten

Erneuerung der Sozialsysteme

FDP-Parteitag in Leipzig plädiert für „schlanken Staat“ und Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft. Kontrastprogramm der SPD

B

(2)

ter und kapitalgedeckter Alterssiche- rung. Künftig soll durch die Gesetzli- che Rentenversicherung (GRV) eine beitragsfinanzierte Grundsicherung gewährleistet werden, die durch eine kapitalgedeckte Eigenvorsorge (Le- bensversicherung und anderes) er- gänzt werden soll. So könne jeder ein- zelne über den Umfang und die Art der Sicherung des Lebensstandards im Alter entscheiden.

– Transparenz des Bundeszu- schusses für die Rentenversicherung, der aus Steuermitteln aufgebracht wird. Allein im Jahr 1997 hat der Bundeszuschuß zur Rentenversiche- rung der Arbeiter und Angestellten bei rund 67 Milliarden DM gelegen, rechnet die FDP vor. Infolge des Ren- tenreformgesetzes ’99 wächst dieser Betrag auf mehr als 90 Milliarden DM (rund 25 Prozent der Gesamtaus- gaben der GKV). Dieser Bundeszu- schuß müsse den versicherungsfrem- den Leistungen eindeutig zugeordnet werden (rund 100 Milliarden DM).

Dadurch soll verhindert werden, daß künftig mehr Steuermittel in die Ren- tenversicherung fließen.

Die FDP spricht sich für das ge- gliederte System der Alterssicherung aus, in dem die eigenfinanzierten, staatsunabhängigen berufsständi- schen Versorgungswerke erhalten bleiben sollen. Auch die Union, an der Spitze Bundeskanzler Helmut Kohl, hat sich für die Erhaltung der Freiberufler-Versorgungswerke aus- gesprochen. Dagegen hat der Kanz- lerkandidat der SPD, Gerhard Schrö- der, jüngst betont, in seiner Partei ge- be es auch Teile, die hier dringenden Reformbedarf angemeldet hätten.

Die FDP will mehr Spielraum für Eigenvorsorgemaßnahmen durch steuerliche Entlastungen: Kapitalbil- dung und Wechsel von Anlageformen sollten steuerlich freigestellt werden.

Eine steuerliche Gleichbehandlung der Anlageformen schaffe zusätzli- chen Spielraum für private, kapitalge- deckte Formen der Alterssicherung.

Das Wahlprogramm nutzt die FDP, um erneut mehr marktwirt- schaftliche Regulative der Gesetzli- chen Krankenversicherung zur Ge- nesung zu empfehlen. Der Leistungs- katalog der GKV müsse rigoros durchforstet und die Leistungen müßten auf eine medizinisch abgesi-

cherte, ausreichende und notwendige Versorgung zurückgeführt werden.

Wahltarife statt Einheitstarife, Ver- handlungslösungen statt staatlicher Globalbudgetierung, für die die SPD vehement ficht, müßten ebenso Vor- rang haben wie mehr Information und Transparenz.

Lediglich die versicherungsbe- dürftigen Risiken sollten in der ge- setzlichen Versicherung abgedeckt, Obsoletes und Überschießendes je- doch müsse aus der GKV ausgegrenzt und in die Eigenverantwortung zurückverlagert werden. Das Ver- tragsrecht in der Autonomie der Krankenkassen und ihrer Verbände müsse gestärkt werden, das „Ein- kaufsmodell“, wie es die SPD-Ge- sundheitspolitiker fordern (so auch Rudolf Dreßler), lehnt die FDP ab.

Die gesetzlichen Vorgaben zum ge- meinsamen Handeln der GKV soll- ten ebenso ausgebaut werden wie staatliche Genehmigungsvorbehalte.

„Friedensgrenze tabu“

Den seit 1994 gesetzlich instal- lierten Risikostrukturausgleich in der GKV will die FDP Zug um Zug ab- bauen. Eine Regionalisierung lehnt die FDP indes ab. Die gegliederte Krankenversicherung unter Markt- abgrenzung von gesetzlicher und pri- vater Versicherung sei ein konstituti- ves Element des Wettbewerbs, das gestärkt werden müsse. An der 1970 gesetzlich festgelegten „Friedens- grenze“ und der Marktteilung will die FDP nicht rütteln. Im Gegenteil: Es solle geprüft werden, ob die Versiche- rungspflichtgrenze gesenkt und auf den sicherungsbedürftigen Personen- kreis begrenzt werden könne.

Die Liberalen sprechen sich auch für ein Umsteuern in der Dro- genpolitik aus. Langfristig müßten bundesweite Strategien zur Präventi- on umgesetzt und mehr Information über die Wirkungen und Nebenwir- kungen von Suchtmittelmißbrauch vermittelt werden. Generell wird ein Verbot des Verkaufs von „weichen Drogen“ (zum Beispiel in Apothe- ken) gefordert.

Innerhalb der SPD gibt es zur Zeit ein Hickhack über die Marktab-

grenzung von privater und Gesetzli- cher Krankenversicherung. Während der Bundesgeschäftsführer der SPD, Franz Müntefering, noch am 10. Juni vor dem PKV-Verbandstag in Würz- burg versicherte, weder in dieser noch in der kommenden Legislatur- periode werde an der Pflicht- und Beitragsbemessungsgrenze in der GKV gedreht, sagte Rudolf Dreßler in Bonn, die Bemessungs- und Pflichtversicherungsgrenze in der Krankenversicherung müsse auf das Niveau der gesetzlichen Rentenver- sicherung angehoben werden. Eine völlige Aufhebung der Bemessungs- grenze sei aber tabu, weil dies die Solidaritätspflicht der Höherver- dienenden überfordern könnte.

Die SPD will die paritätisch fi- nanzierte Gesetzliche Krankenversi- cherung sowie den derzeitigen Lei- stungskatalog in der GKV im wesent- lichen unangetastet lassen. Dreßler sprach sich dafür aus, den Wertschöp- fungsbeitrag „langfristig neu zu the- matisieren“. Es könne nicht angehen, daß der Produktionsfaktor Arbeit ge- genüber dem Produktionsfaktor Ka- pital benachteiligt wird.

Die Sozialdemokraten haben sich darauf eingeschworen, den

„Marsch in das Zuzahlungsgesund- heitswesen“ zu stoppen, wie sie es in dem von der Koalition durchgesetz- ten zweiten GKV-Neuordnungsge- setz sehen. Eine Direktzuzahlungs- last in Höhe von 19,5 Milliarden DM allein zu Lasten der Versicherten und Kranken sei sozial unverantwortlich, so Dreßler.

Die SPD lehnt die von der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung vor- geschlagene Liste individueller Ge- sundheitsleistungen („IGEL-Kata- log) strikt ab; dieser Katalog enthält rund 70 Leistungen, die außerhalb der GKV durch den Nachfrager finanziert werden sollen. Statt dessen soll, so die SPD, der Leistungskatalog in der GKV, in enger Abstimmung zwischen Ärzteschaft und der Politik, neu defi- niert werden. Dem „aufgeblähten Ver- ordnungsmarkt“ im Bereich der Arz- neimittel, Heil- und Hilfsmittel will die SPD mit einer Positivliste zu Leibe rücken. Ein „unabhängiges Arznei- mittelinstitut“ soll dabei helfen, wirk- same von unwirksamen Arzneimit- teln zu trennen. Dr. Harald Clade A-1764

P O L I T I K LEITARTIKEL

(16) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 28–29, 13. Juli 1998

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Ersatzneubau befindet sich in der Lage des heutigen Brückenbauwerks. Durch Anforderungen der DB hinsichtlich Anpassung Lichtraumprofil und Brückenkonstruktion wird die

Um die Dringlichkeit der Umsetzung zu betonen, hat die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag eine Initiative eingebracht (vgl. „Sexuelle und geschlechtliche

wir bedanken uns für Ihre Anfrage und beantworten die von Ihnen übersendeten Wahlprüfsteine zur Landtagswahl Brandenburg 2019 wie folgt:.. Wie beurteilen Sie den Aktionsplan

Im Schulhaus Kreuzfeld sorgt in Zukunft eine Komfortlüf- tung für gute Luft.. Das Stadtbauamt Langenthal entschied sich für die mechanische Lufterneuerung, obwohl diese

Voraussichtlich im Juli 2019 wird die Behörde mit der ersten Ausbaustufe am Standort Langenha- gen beginnen. Stellenbesetzungsverfahren für diesen Standort sind mit einer

Der Senat stimmt entsprechend der Vorlage der Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport vom 05.10.2021 einer mündlichen Antwort auf die Anfrage der Fraktion Bündnis

oder Rost für Eisen. Sie fressen sich in den Charakter des Menschen, und wenn man ihnen nicht beizeiten ernstlich Widerstand entgegensetzt, dann wird die Folge der ersten

Für den Fall, dass die/der Erkrankte nicht in der Lage ist zu unterschreiben, muss sie/er bei „Unterschrift“ ein Handzeichen setzen; dieses muss entweder notariell oder