NACHERNTETECHNOLOGIE
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Hans-Peter Grothaus, Göttingen
Thermische Em pfind l ich keit von Saatgut
Eine wirtschaftliche Trocknung von Körnerfrüchten sowie eine thermische Bekämpfung von samenbürtigen Schader
regern an Saatgut verlangt Kenntnisse über bestehende Temperatur I Feuchte I Zeit-Wechselwirkungen. Aus empirisch gewonnenen Erkenntnissen lassen sich Schlußfolgerungen über Möglichkeiten und Grenzen einer qual itätserhaltenden thermischen Behandl ung von Körnern ableiten.
E
ine Erwärmung von Körnerfrüchten ist bei der Trocknung unumgänglich, u m die Lagerfä higkeit von feucht geerntetem Materia l zu gewährleisten. Zum anderen ka nn auch a uf diesem Wege eine Sanierung der Körner von samenbürtigen Schaderregern erfolgen . Eine übermäßige Erwärmung bei der Konservieru ng führt zwangsläufig zu einer Veränderung. der l nhaltstoffe. Die i nsbesondere hierbei a uftretende Kei mschäd igung ist bei einer weiteren Verwertung a ls B rot- und Futter
getreide sowie für die Produktion von B ra ugerste und Saatgut zu vermeiden.
U ntersuchungen ü ber Tem peratu r I Feuchte I Zeit-Wechselwirku ngen auf ei
ne thermische Schädigung von Saatgut zeigen, daß erst d ie Kenntnis entspre
chender Zusammenhänge eine rationelle Trocknung von Körnerfrüchten sowie eine keimlingsschonende Sanieru ng von Saat
gut und Braugerste in Aussicht stellt.
Saatguteigenschaften
Körnerfrüchte weisen eine große morpho
logische und physiologische Vielfa lt und damit auch eine u nterschiedliche thermi
sche Empfind l ich keit a uf. Gesunde und vitale Körnerfrüchte zeigen eine weiterge
hende Toleranz gegenüber einer Wärme
behandlung a ls vergleichbar schwaches AusgangsmateriaL Aber a uch der Reife
grad bei der Ernte, d ie Aufbereitung und d ie Lagerungsdauer sind von Bedeutung.
Das Erntegut erweist sich in der Regel kurz nach der Ernte, während der Keim
ru he, am u nempfindlichsten gegenüber thermischen Einwirkungen [ 1 ] .
Die unterschiedliche mengen- und q ua litätsmäßige Ausstattung an wertbe-
Dr. sc. agr. Hans-Peter Grathaus ist wissen
schaftlicher Mitarbeiter am Institut für Agrar
technik der Georg-Ausgust-Universität Göttingen (Leitung: Prof. Dr. W Lücke), Gutenbergstr. 33, 37075 Göttingen.
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stim menden I nhaltstoffen wie Eiweißstof
fen , Koh lehydraten, Fetten , Vitaminen, Fermenten und Wasser bed i ngen eine spezifische Wärmeem pfindlichkeit ein
zelner Samenarten . Großsamige Legum i
nosen zeigen zum Beispiel eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Wärme in Ver
bindung m it Feuchtigkeit [2]. Auch die einzelnen Korn bestandteile reagieren un
tersch iedlich empfindlich auf eine Erwär
m u ng. Weiterhin erhöhen mecha nische Beschäd igungen von Körnerfrüchten bei der Ernte d ie thermische Sensibilität.
Trocknung von Körnerfrüchten
Zu hohe Tem peraturen bei der Trockn u ng von Körnerfrüchten fü hren im Korni nne
ren zu irreversi blen biochem ischen Reak
tionen und damit zu ei ner Schädigung therm isch empfind licher Korninha ltstof
fe, wie etwa der essentiellen Aminosäure Lysi n [3] . Werden bestimmte G renzen bei der Erwärmung von Saatgetreide und Braugerste überschritten, füh rt d ies zu ei
ner Beei nträchtigu ng der Keimfä higkeit.
Deshalb galt lange Zeit für eine schonen
de Trocknung von Getreidesaatgut eine Korntem peratur von 42 oc als G renzwert.
Bereits 1834 haben Edwards und Colin [4] die u nterschiedliche Wirkung hoher Tem peraturen in Abhängigkeit von der U mgebu ngsfeuchte a uf das Keimverha l
ten von Getreidesaatgut beschrieben. Die Grenztem peraturen für eine thermische Beha ndl ung werden maßgebl ich von der Körnerfeuchte beeinfl ußt. in einer von H utehinsan [5] a ufgestel lten empirischen Beziehung wird d iese für eine vorgegebe
ne Lagerzeit ei nes Getreidesaatgutes mit einer bestimmten Feuchte a ngegeben :
Og = 122 - 5 . log10 t - 44.1og10 U wobei:
Og = Tem peratu r, a b der eine Schäd i-
gung a uftritt [°C]
30
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Bild 1 : Zulässige Getreidekorntempera
tur in Abhängigkeit von der Körnerfeuchte und Dauer der Tempe
ratureinwirkung [6] ...,, !'... ,65
Fig. 1: Permissabte grain temperature
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1-75
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t = Behandlu ngszeit [minl U = Feuchtegehalt d es Saatgutes [%]
Pitzin [6] hat wen ig später eine ä hnliche Beziehung aufgestellt, i n der a uch die spezifische Wärme des Korns Ei ngang findet:
Og = 23,5 I Ck + (20-10 .log10 • t ) wobei :
Og = Tem peratu r, a b d e r eine Schädi-
gung a uftritt [°C]
Ck = spez. Wärme des Korns
[kcal.kg-1.oCJ t = Beha ndlu ngszeit [minl Der Einfl uß der Beha ndlungsdauer auf d ie zulässige Tem pe ratur weist Pitzin doppelt so hoch wie H utehinsan aus. Dies deckt sich weitgehend mit eigenen U n
tersuchungen , nach denen eine Verdop
pelung der Behandlu ngsdauer, bei kon
stant geha ltener Feuchte, eine Verringe
rung der G renzte m peratur u m 3 K bewirkt. Nach der Formel von H utehi nsan ist hier n u r eine Verri ngerung der maximal zu lässigen Korntem peratur um 1 ,5 K zu erwarten.
M it zunehmender Körnerfeuchte steigt d ie Wärmeem pfindlich keit des G utes ( Bild 1 ) , da d ie Feuchtigkeit zur Aktivie
ru ng von Enzymen beiträgt, d ie bei anschließender H itzeeinwirkung geschä
digt werden. Diese Zusammenhänge m üssen besonders bei der Trocknung von Körnerfrüchten beachtet werden, da
m it es nicht zu einer Schäd igung der Keimanlage d u rch Denaturierung der Kleberproteine und somit zu einer Beein
trächtigung der Backqualität kommt.
Thermische Sanierung von Saatgut Kommt d ie Wärmebehandlung nicht zu Trock n ungszwecken , sondern zur Abtö
tung von pilzliehen Schaderregern an Saatgut zur Anwendung, muß i nsbeson
dere d ie u nterschied liche H itzeem pfi nd-
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depending on grain 2 4 6 10 20 40 50 100 200 mi n 700 maisture content and Dauer der Temperature inwir kung duration of tempera- Dura tion of thermal treatment
ture influence [6] '---'
53. Jahrgang LAN DTEC H N I K 1/98
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Bild 2: Keimfähigkeit von in Folienbeuteln luftdicht eingeschweiß- . tem Zuckerrübensaat
gut nach thermischer Behandlung für 900 s
Zusammenfassung
unbehandelt 45
Untrealed
50 55
Behandlungstemperotu;
Temperalure of IrealmenFig. 2: Germination rate of sugar beet seed after evacuation in foil bags and thermal treatment for 900 s
Sowoh l bei der Trockn ung als auch bei der therm ischen Sanierung von pilzbefal
lenem Saatgut spielen Tem peratur I Feuchte I Zeit-Wechselwirkungen eine entscheidende Rolle. Diese aus der Lite
ratur bekannten Zusam menhänge wur
den a n dem thermisch sehr empfindli
chen Zuckerrü bensaatgut ü berprüft und erweitert. Eine gezielte therm ische Be
hand l u ng von Körnerfrüchten, sei es zur Trocknung oder zur Abtötung von Schad
erregern, setzt die B estim m u ng des Feuchtegehaltes voraus. N u r so l assen sich notwend ige Tem pe raturen und -zei
ten , welche einen sichere n Beha ndlungs
erfolg gewährleisten u n d zudem eine therm ische Schädigung des Materials a usschließen, ermitte l n . Bei der Trock
nung gilt es, wertbestim mende I nhaltstof
fe und d i e Verwertungseigenschaften zu erhalten. Bei der Erwärmung von Saatgut und Bra ugerste sind der Erhalt der Keim
fähigkeit und d ie Abtötung samenbürtiger Schaderreger d ie vord ringlichen Zielset
zungen. Engere Tem peraturkorridore ver
la ngen hier ein sicheres Verfahrensmana
gement lichkeit von Wirt (Saatgut) und Erreger
bekan nt sei n . Es ist vorteilhaft, die n ied ri
geste Tem peratur für eine sichere Abtö
tung samenbürtiger Schaderreger zu wählen, um eine weitgehende Schonung der Keiman lage zu gewährleisten.
Zur U ntersuchung von therm ischen G renzbed ingungen der Saatgutschädi
gu ng bei definierter Feuchte muß somit ein Feuchtigkeitsverlust wäh rend der Be
handlung unterbunden werden. Dies wurde exemplarisch an dem thermisch sehr empfindl ichen Zuckerrü bensaatgut d u rchgeführt. Das Versuchssaatgut wur
d e d u rch gezieltes Befeuchten konditio
niert und einlagig luftd icht in Folienbeutel verschweißt. U na bhängig vom Feuchte
gehalt des Saatgutes ist zunächst a uf
grund der Erwärmung eine Keimstimulie
rung zu erken nen ( Bild 2) . Diese erreicht bei einem Saatgutfeuchtegehalt von 10 % u nd Temperaturen zwischen 60 und 70 oc mit 95 % Keimfä higkeit i h r Maximum (strich punktierte Linie). Höhere Tem pera
tu ren führen zu einer thermischen Schä
d igung und somit zu red uzierter Keim
fäh igkeit. M it zunehmenden Feuchtege
halten des Saatgut verschiebt sich das jewei ls optimale Keimfä higkeitsergebnis i n R ichtung nied rigerer Tem peraturen .
M a n findet d ie am Beispiel der Keim
fä higkeit von Zuckerrübensaatgut darge
stel lten Wechselwirkungen in ä h n licher Form auch für den pi lzliehen Wurzel
branderreger Phoma betae ( Bild 3). Be
handlungstem peraturen , die ü ber den wachstumsoptimalen Tem peraturen für d iesen Schaderreger von 20 oc bis 30 oc liege n , führen zu einem raschen Abster
ben dessel ben. Ein Vergleich der Bilder 2 und 3 verdeutlicht, daß eine vollständige Abtötung des Kra n kheitserregers bei un
verm inderter Keimfä h igkeit nur mit weni
gen Temperatur I Feuchte-Kom binatio
nen wie etwa 10 % Saatgutfeuchte und 70 oc Behandlungstem peratur bei einer Behandlungsdauer von 1 5 Minuten zu rea lisieren ist.
53. Jahrgang LANDTEC H N I K 1/98
Hält man Temperatur und Saatgut
feuchte bei einer thermischen Behand
l u ng konstant, wie d ies nur bei der beschriebenen Versuchsanstellung mög
lich ist, ergeben sich interessante Para lle
len zwischen Letalitätstem peraturen von Weizen und Zuckerrü bensaatgut Es ließ sich eine Ü bereinstim m u ng der Grenz
temperaturen feststellen, ab denen ein R ückgang der Anfangskeimfähigkeit zu verzeichnen ist. Diese Ergebnisse lassen vermuten, daß unter Berücksichtigung der oben erwähnten saatgutspezifischen Eigenschaften und der Saatgutfeuchte ei
ne Ü bertragbarkeit der Ergebnisse auch auf andere Saatgutarten möglich ist.
Bild 3: Befall mit Phoma betae von in Folienbeuteln luftdicht eingeschweißtem Zuckerrübensaatgut nach thermischer Behandlung für 900 s
Literaturhinweise sind vom Verlag unter LT 98 1 1 9 erhä ltlich.
Fig.3: lnfection rate of sugar beet seed with
Phoma betae after evacuation in foil bags
and thermal treatment unbehandelt
Unlrea/ed
wr 900 s L---�
U m mögliche Einsatzfelder einer ther
m ischen Saatgutdesinfektion zu ermit
teln, muß eine Bestim mung von Tem pe
ratur I Feuchte-Wechselwirkungen für versch iedene Saatgutarten und Schader
reger erfolgen. Dann können auch größe
re Mengen an Saatgut oder Braugerste thermisch von Schaderregern befreit wer
den. Allerd i ngs stellt d ies hohe An
sprüche a n die Prozeßführung.
Schlüsselwörter
Trocknu ng, Thermothera pie, Tem peratur I Feuchte IZeit-Wechselwirku ngen
Keywords
Dryi ng, thermothera py, tem peraturel maisture I time-interactions
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