A 318 Deutsches Ärzteblatt
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22. Februar 2013QUALITÄTSSICHERUNG IN DER ENDOPROTHETIK
Zertifizierung von Zentren gestartet
Seit Oktober 2012 können sich Endoprothesenzentren,
die einen definierten Anforderungskatalog erfüllen, zertifizieren lassen.
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or dem Hintergrund der ak - tuellen Diskussion über die Versorgungshäufigkeit und -qualität erhält die Qualitätssicherung be- sonderes Gewicht für alle Fachge- sellschaften. Ein zentrales Anliegen der Deutschen Gesellschaft für Or- thopädie und Orthopädische Chir - urgie ist seit langem die Qualitätssi- cherung im Bereich der Endopro- thetik. Dazu gehört seit Oktober 2012 die Zertifizierung als Endoprothe- senzentrum für Einrichtungen, die sich vorrangig mit dem Gelenker- satz beschäftigen und einen definier - ten Anforderungskatalog erfüllen.Patientensicherheit erhöhen Mit derzeit mehr als 390 000 Opera- tionen pro Jahr ist die Endoprothe- tik nicht nur für den Patienten, son- dern auch gesundheitsökonomisch von großer Bedeutung. Die Deut- sche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) verfolgt konsequent das Ziel, die Patientensicherheit und die Versor- gungsqualität zu erhöhen. Daher hat sie auf Initiative von Prof. Dr.
med. Wolfram Mittelmeier bereits im Jahr 2009 ein Projekt zur Zerti- fizierung von Endoprothetikzentren – „EndoCert“ – ins Leben gerufen (Informationen: www.endocert.de;
www.clarcert.de). Neben Vertretern der DGOOC beteiligen sich die Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik als Sektion der Deutschen Gesell- schaft für Orthopädie und Unfall- chirurgie und der Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie daran.
Die für viele Bereiche der Medi- zin identifizierten und nachweisbar relevanten Faktoren für eine ver - besserte Patientenversorgung gelten auch für die Endoprothetik. Um zer- tifiziert zu werden, muss eine Ein- richtung nachweisen, dass sie die definierten Anforderungen in Bezug
auf diese Kernelemente erfüllt. Die durch die Fachgesellschaft einge- setzte Arbeitsgruppe hat sich bei der Definition der Kriterien an deren wissenschaftlich belegbarer bezie- hungsweise überprüfbarer Relevanz für die Patientensicherheit und Ver- sorgungsqualität orientiert.*
In Pilotphasen überprüft Nach Erarbeitung der Kriterien wur- den deren Gültigkeit und das Ver- fahren selbst in zwei Pilotphasen an 23 Einrichtungen aller Versorgungs- stufen und unterschiedlicher Struk- tur überprüft. Neben rein endopro- thetisch ausgerichteten Fachabtei- lungen nahmen auch unfallchirurgi- sche Kliniken und Einrichtungen mit Belegarztstrukturen an der Pilot-
phase teil. Die Versorgungsrealität wurde somit berücksichtigt.
Durchläuft eine Einrichtung das Zertifizierungsverfahren, werden die Struktur- und Prozessqualität über- prüft. Zusätzlich fließt die Ergeb- nisqualität in die Bewertung mit ein. Gerade dieser Bereich soll künftig ausgebaut werden. Zusam- men mit dem ebenfalls als Projekt der DGOOC eingeführten Endopro- thesenregister Deutschland (EPRD) ergibt sich damit ein umfassendes System zur weiteren Verbesserung der Versorgungsqualität in der En- doprothetik.
Die wesentlichen Elemente, die bei der Zertifizierung bewertet wer- den, stellen den Patienten und seine Behandlung in den Mittelpunkt. En- doprothetikzentren müssen über ei- nen interdisziplinär gestalteten Be- handlungspfad verfügen, über den alle an der Behandlung des Patien- ten beteiligten Abteilungen und Be- reiche eingebunden und Zuständig- keiten verbindlich geregelt sind.
Dieser Behandlungspfad muss re- gelmäßig im interdisziplinären Dia- log überprüft und angepasst werden.
Die leitlinienbasierte Betreuung der Patienten dient dabei als Grundlage.
Die ausführliche Beratung und aktive Einbindung der Patienten verbessern den Behandlungserfolg.
Die Maßnahmen des Endoprothetik- zentrums in diesem Bereich werden ebenso überprüft wie die aktive Teilnahme an externen Qualitätssi- cherungsmaßnahmen. Aus deren Er- gebnissen sollen Ziele für das eige- ne Qualitätsmanagement abgeleitet werden. Für die Einrichtungen ist zudem die Teilnahme am EPRD verpflichtend.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen in den Behandlungsprozess Mehr als 390 000
Operationen jähr- lich werden hierzu- lande in der Endo- prothetik durchge- führt, davon entfal- len etwa 210 000 auf künstliche Hüft- gelenke.
Foto: BVMed
*Die Erhebungsbogen mit den Anforderungskrite- rien und ein Begleittext erscheinen im Thieme- Verlag (im Druck)
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22. Februar 2013 A 319 eingebunden werden. Die regelmä-ßige Schulung im Umgang mit den Implantatsystemen und die verbes- serte Information aller mitwirken- den Berufsgruppen senken die Feh- leranfälligkeit. Zudem ist für die Sicherstellung einer künftigen, qua- litativ hochwertigen Versorgung der Bevölkerung die Aus- und Weiter- bildung der ärztlichen Mitarbeiter von großer Bedeutung.
Eine sichere Behandlung der Pa- tienten setzt voraus, dass struktu - relle Vorgaben erfüllt und geltende rechtliche Standards im Bereich der Hygiene und bei der Handhabung von Medizinprodukten eingehalten werden. Darauf wird bei der Zertifi- zierung besonderer Wert gelegt.
Anzahl der Operationen wichtig Als wissenschaftlich belegt gilt der Zusammenhang zwischen der An- zahl durchgeführter Operationen oder Behandlungen und der erreich- ten Qualität. Dies gilt nicht nur für Operateure, sondern auch für die jeweilige Einrichtung selbst. Die Bedeutung einer ineinandergreifen- den Betreuung der Patienten durch alle Berufsgruppen wird hierdurch besonders deutlich. So setzt eine Zertifizierung auch Mindestzahlen der Einrichtung und des jeweiligen Operateurs voraus.
Vorrangig für Zentren der Ma - ximalversorgung wird zudem die Durchführung beziehungsweise Un- terstützung von Forschungsvorha- ben gefordert.
Die Auditierung der Einrichtung erfolgt durch wenigstens zwei ge- schulte, externe Auditoren (Fach- experten), die die Erfüllung der Anforderungen vor Ort überprüfen.
Die Fachexperten selbst unterlie- gen der Kontrolle durch eine Fach- kommission und eine zugelassene Zertifizierungsstelle.
Für die Erfassung der Ergebnis- qualität werden zum jetzigen Zeit- punkt verschiedene, im Wesentli- chen radiologische Kriterien heran- gezogen. Durch die Verpflichtung der zertifizierten Endoprothetikzen- tren zur Teilnahme am EPRD ist eine auch langfristige Erfassung der Behandlungsergebnisse sicher- gestellt. Daneben sollen künftig auch Kriterien der Patientenzufrie-
denheit mit dem Behandlungser- gebnis erfasst und zunächst in Pilot- projekten ausgewertet werden. Hier- mit ergeben sich weiterführende Perspektiven für die Bewertung der endoprothetischen Versorgung.
Die weitere Verbesserung der in Deutschland bereits hohen Qualität der endoprothetischen Versorgung ist das wesent liche Ziel des EndoCert- Systems. Dies soll durch eine mög- lichst flächendeckende Verbreitung des Verfahrens erreicht werden. Den- noch bleibt die Zertifizierung eine freiwillige Maßnahme für Einrich- tungen, die ihren Schwerpunkt in der endoprothetischen Versorgung sehen.
Die Zertifizierung durch eine Fachgesellschaft ist auch für die Kos - tenträger ein interessantes Modell für qualitätssichernde Maßnahmen.
Das Verfahren erfasst bisher aus- schließlich die elektive Endopro- thetik. Eine gemeinsame Bewer- tung von Elektiv- und Frakturendo- prothetik ist nicht sinnvoll, da die Frakturendoprothetik mit einer un- terschiedlichen Klientel verbunden ist, andere Ergebnisse erbringt und andere Voraussetzungen erfordert.
Die DGOOC plant daher gemein- sam mit Vertretern der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie die Erstellung eines „Frakturmoduls“.
Patienten werden durch die zu- sätzliche Transparenz in ihren Ent- scheidungen unterstützt und können damit noch besser in die Therapie eingebunden werden. Durch die Ver-
pflichtung der zertifizierten Zentren zur Ausbildung nachfolgender Ge- nerationen wird darüber hinaus ein wesentlicher Beitrag zur Zukunfts- sicherung in der Patientenversor- gung geleistet.
Lernendes System
Die Weiterentwicklung des Verfah- rens und die Etablierung als lernen- des System sind wesentliche Aufga- ben der Zertifizierungskommission.
Die Kommission fungiert außerdem als Bindeglied zwischen der Fachge- sellschaft und den direkt am Zerti - fizierungsverfahren Beteiligten. Be- reits wenige Wochen nach Freigabe im Oktober 2012 haben sich zahlrei- che Kliniken zur Zertifizierung ange- meldet. Dies zeigt die hohe Akzep- tanz des Zertifizierungsverfahrens.
Die bisherigen Erfahrungen bele- gen, dass bereits die Vorbereitung auf die Zertifizierung zu wesentlichen, nachweisbaren Verbesserungen in den Einrichtungen führt. So profitie- ren Kliniken direkt, auch wenn ein Engagement für dieses neue wegwei- sende Verfahren mit Aufwand für die Teilnehmer verbunden ist.
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Dr. med. Holger Haas, Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Gemeinschaftskrankenhaus Bonn;
h.haas@gk-bnn.de Prof. Dr. med. Wolfram Mittelmeier, Orthopädische Klinik & Poliklinik,
Universitätsmedizin Rostock
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eKasten: Autorengruppe/Pilotteilneh- mer: www.aerzteblatt.de/8318Trägerin des Verfahrens ist die Deutsche Ge- sellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chir urgie (DGOOC). Die an der Erarbeitung der Anforderungen beteiligten Gruppen sind über Vertreter in der Zertifizierungskommission re- präsentiert.
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Die Zertifizierungskommission hat die wesentliche Aufgabe, das Verfahren in enger An- bindung an die Fachgesellschaft weiterzuentwi- ckeln und Grundsatzfragen aus dem Zertifizie- rungsprozess zu klären. Sie setzt sich aus vier Fachvertretern der DGOOC sowie jeweils einem Vertreter der unterstützenden Gesellschaften (Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie) beziehungsweise Verbände (Ar-beitsgemeinschaft Endoprothetik/Sektion der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Un- fallchirurgie) zusammen. Die Kommission wird geleitet durch Dr. med. Holger Haas, Bonn, der stellvertretende Vorsitzende ist Prof. Dr. med.
Wolfram Mittelmeier, Rostock.
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Der mit Fachexperten aus unterschiedli- chen Versorgungsformen zusammengesetzte Zertifikatserteilungsausschuss entscheidet über die Vergabe des Zertifikats. Er überprüft da- bei die Empfehlung, die durch die vor Ort auditie- renden Fachexperten ausgesprochen wird.●
Die praktische Durchführung und organisa- torische Ausführung des Verfahrens übernimmt die Zertifizierungsstelle ClarCert in Neu-Ulm.ORGANE VON ENDOCERT
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22. Februar 2013Mitglieder der Autorengruppe (alphabetisch) bei Beginn der Entwicklungsphase 2009
Michael Ebner, Neustadt/Saale Joachim Grifka, Regensburg Klaus-Peter Günther, Dresden Holger Haas, Bonn
Karl-Dieter Heller, Braunschweig Wolfram Mittelmeier, Rostock Fritz-Uwe Niethard, Aachen Henning Windhagen, Hannover
Zertifizierte Teilnehmer der Pi- lotphasen I und II (Reihenfolge der Zertifizierung):
endobonn – Gemeinschaftskranken- haus Bonn (EPZmax)*
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie/
Universitätsklinikum Bonn (EPZmax) Orthopädische Klinik/Herzogin-Elisa- beth-Hospital Braunschweig (EPZmax) Orthopädische Klinik im Annastift Han- nover (EPZmax)
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie/
St.-Remigius-Krankenhaus Opladen (EPZmax)
Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg/Asklepios-Klinik Bad Ab- bach (EPZmax)
Abteilung für Orthopädie und Unfall- chirurgie/Sana-Klinikum Ostholstein, Oldenburg (EPZ)
Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Rostock (EPZmax)
Orthopädische Universitätsklinik Fried- richsheim, Frankfurt/Main (EPZmax) Orthopädie im Rotkreuzklinikum Mün- chen (EPZ)
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie/
Universitätsklinikum Aachen (EPZmax) Endogap/Klinikum Garmisch-Parten- kirchen (EPZ)
Klinik für Orthopädie und Unfallchirur- gie/St.-Vincenz-und-Elisabeth-Hospital Mainz (EPZmax)
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie/
Lukaskrankenhaus Bünde (EPZmax) Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Evangelischen Diakoniekranken- haus Bremen (EPZmax)
OCM/Sana-Kliniken Solln-Sendling/
München (EPZmax)
Klinik für Orthopädie und Unfallchirur- gie/St.-Marien-Hospital Borken (EPZmax)
Orthopädische Klinik und Poliklinik/Kli- nikum Großhadern/Ludwig-Maximili- ans-Universität München (EPZmax) Klinik für Orthopädie/Universitätsklini- kum Dresden (EPZmax)
Gemeinschaftspraxis Havelklinik Berlin (EPZ)
Klinik für Unfallchirurgie und Orthopä- die/St.-Vincenz-Krankenhaus Pader- born (EPZ)
*EPZ = Endoprothetikzentrum; EPZmax = En- doprothetikzentrum der Maximalversorgung