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des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Behindertenbericht der Bundesregierung

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Berlin, 24.6.2009

10833 Berlin - Postfach 110372 - 030 / 240 60 729

Stellungnahme

des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Behindertenbericht der Bundesregierung

für die 16. Legislaturperiode

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24.06.2009- Seite 2

Der Behindertenbericht beschreibt die Arbeit der Bundesregierung in den vergangenen vier Jahren und bietet dadurch einen umfassenden Überblick über den Status Quo in der Teilhabepolitik für Menschen mit Behinderung. Dabei werden nicht nur Fortschritte herausgestellt, es wird auch auf bestehende Defizite hingewiesen. Der DGB begrüßt die Veröffentlichung des Behindertenberichts in dieser Form und möchte in einem ersten Teil Anmerkungen zum Text geben und in einem zweiten Teil inhaltlich Stellung nehmen.

Ein umfassendes Positionspapier zur besseren Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben wird der DGB in den nächsten Wochen verabschieden. Dieses wird dann nachgereicht.

Anmerkungen zum Text

Der Bericht enthält viele Informationen, v.a. auch verschiedene positive

Elemente, von denen hier nur verschiedene kurz angesprochen werden sollen:

z.T. sehr wichtige praktische Handlungsanleitungen (z.B. zur weiteren Information)

Beschreibung von vielen Leistungsangeboten u.ä.

Insgesamt ist der Bericht jedoch zu sehr darauf ausgerichtet, die sicher wichtigen Fortschritte zu schildern und nicht konkrete Probleme zu benennen, die (noch) gelöst werden müssen. Außerdem fehlt es öfters an konkreten Zahlenangaben (absolut und prozentual), um die Fortschritte in Bezug auf das jeweilige Problem besser abschätzen zu können.

Allgemeines 1. Terminologie

Entsprechend dem Titel des VN-Übereinkommens sollte der Bericht nur von Menschen mit (schweren) Behinderungen und nicht von “behinderten Menschen”

sprechen.

2. VN-Übereinkommen

Unter 3.1.1 (S. 14 ff.) wird das Übereinkommen in allgemeiner Form und mit verschiedenen Umsetzungsinstitutionen sowie Veranstaltungen dargestellt.

Wegen seines umfassenden Ansatzes und seiner Aktualität sollte ihm jedoch ein größerer Stellenwert im gesamten Bericht eingeräumt werden. An verschiedenen Stellen wird es allgemein erwähnt. Konkrete Artikel werden nur sehr wenige benannt (Art. 9 bei der Barrierefreiheit (S. 96), 21 bei den Medien (S. 111) und 24 bei der Bildung (S. 30)). Die restlichen Verpflichtungen werden bei den einschlägigen Themen nicht näher benannt. Nur so ließen sich jedoch genauere Bedarfe hinsichtlich der erforderlichen Umsetzung erkennen.

Das erscheint schon deshalb erforderlich, weil - wie der Bericht auf S. 4 selbst benennt - ein wichtiges Anliegen der auf der Umsetzung dieses

Übereinkommens liegen wird. Der Hinweis darauf, dass die Meinungsbildung in der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen sei und dass man die

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24.06.2009- Seite 3

wesentlichen Akteure der Zivilgesellschaft einbeziehen wolle, erscheint nicht ausreichend.

3. Prävention

Grundsätzlich wird dem Gedanken zur Vermeidung von Behinderung zu wenig Beachtung geschenkt. Es muss deutlich gemacht werden, dass gerade diesem Aspekt eine große Bedeutung beigemessen wird bzw. beizumessen ist. Das gilt für das Erwerbsleben ebenso wie für das Alltagsleben.

So bleibt z.B. der Zusammenhang zum Arbeits- und Gesundheitsschutz im Wesentlichen unerwähnt. Zur medizinischen “Vorsorge und Prävention” (S. 73) wird nur auf die erweiterten Möglichkeiten, nicht jedoch die entsprechenden Konsequenzen (was ist jetzt konkret gemacht worden?) hingewiesen.

4. Verfahren

Verfahren zur Anerkennung der (Gleichstellung der)

Schwerbehinderteneigenschaft sowie zur Entziehung sollten beschrieben und zahlenmäßig benannt werden. Besonders wichtig wären nähere Angaben darüber, inwieweit die Schwerbehinderteneigenschaft in einem bestehenden Arbeitsverhältnis (beantragt und) anerkannt wird. Hintergrund sind die beiden Thesen, dass

- Menschen mit Behinderungen ihre Anträge auf Anerkennung nicht vor, sondern eher im laufenden Arbeitsverhältnis stellen (Schwierigkeiten bei der Einstellung) - Behinderungen häufig im Arbeitsverhältnis entstehen (siehe Prävention).

Zu einzelnen Punkten

Zu 3.1.1 (Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen)

- S. 16: Dass das DIMR zur unabhängigen innerstaatlichen “Überwachung und Durchführung” benannt wurde, ist zwar sicher zu begrüßen. Diese sehr

weitreichende Aufgabenstellung bedarf sicher einer ausgebauten Infrastruktur.

Wie soll ein umfassendes Übereinkommen in der ganzen Bundesrepublik

“durchgeführt und überwacht” werden? Zumindest lässt sich sagen, dass z.B.

eine neu geschaffene Stelle oder bestimmte Projekte (s. S. 23) dafür sicher nicht ausreichend wären.

- S. 17: Die Bundesregierung ist der Auffassung, “dass die Rechtslage den Anforderungen des VN-Übereinkommens entspricht”. Wenn trotzdem ein Umsetzungsbedarf (“Vorarbeitung zur Umsetzung”) gesehen wird, dann sollte doch deutlich gemacht werden, worauf er sich konkret bezieht.

Keine nähere Angabe erfolgt auch darüber, was die Bundesregierung unter

“relevante gesellschaftliche Akteure” versteht, die sie “einbinden” will.

Insbesondere wäre anzugeben, in welchem Umfang sie darunter Gewerkschaften versteht.

Zu 3.2. (Gleichbehandlung behinderter Menschen in Deutschland)

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24.06.2009- Seite 4

Hier nimmt die Bundesregierung insbesondere zum AGG Stellung. Grundsätzlich ist festzustellen, dass hier nur abstrakt auf die gesetzlichen Regelungen und nicht auf die praktischen Probleme hingewiesen oder gar eingegangen wird. So fehlt z.B. ein Hinweis auf das besondere Problem der Mehrfachdiskriminierungen von Menschen mit Behinderungen und anderen Diskriminierungsmerkmalen wie z.B. Geschlecht und Alter.

Die internationale und europäische Kritik an den einschränkenden Regelungen des AGG wird nicht benannt. Zum einen sei auf die Kritik des CEDAW-

Ausschusses, zum anderen auf das Schreiben der Kommission zur Vorbereitung eines Vertragsverletzungsverfahren hingewiesen.

Zu 3.2.1. (Gleichbehandlung in der Arbeitswelt)

- S. 22 Hier wäre nicht nur der allgemeine Hinweis auf abrufbare Gerichtsurteile sinnvoll, sondern die beispielhafte Benennung der diesen Urteilen

zugrundeliegenden Probleme und eventuelle Lösungen.

Zu 3.2.3 (Antidiskriminierungsstelle und -verbände)

Es sollte geprüft werden, ob hier nicht auch die Schwerbehindertenvertretungen ausdrücklich genannt und näher beschrieben werden sollten, auch wenn sie sich

“nur” auf das Arbeitsleben beziehen.

Zu 5.4.5 (Beschäftigung schwerbehinderter Menschen beim Bund)

- S. 61: Die Überschrift stimmt nicht (voll) mit dem Inhalt überein, da auch Aussagen zur Beschäftigung bei den obersten Landesbehörden gemacht werden. Im Übrigen sollten (zumindest beispielhaft) die dort Beschäftigten benannt werden (sind z.B. die LehrerInnen darunter gefasst?). Auch sollte das Verhältnis zur gesetzlichen Beschäftigungsquote deutlich gemacht werden.

Zu 5.5 (Betriebliches Eingliederungsmanagement)

Hier handelt es sich um ein wichtiges Instrument. Deshalb sollten auch Angaben zum öffentlichen Dienst gemacht werden. Außerdem fehlen konkrete

Zahlenangaben zu größeren Unternehmen und vor allem zu den KMU; die besondere Aufmerksamkeit, die ihnen geschenkt wird, legt eine besonders geringe Zahl von betrieblichem Eingliederungsmanagement nahe.

Anmerkungen zu den inhaltlichen Schwerpunkten Gleichbehandlung

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzt (AGG) aus dem Jahre 2006 und die im März 2009 in Deutschland in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention haben die Rechte von Menschen mit Behinderung deutlich gestärkt.

Insbesondere die in dieser Legislaturperiode ratifizierte UN- Behindertenrechtskonvention kann als Meilenstein in der Behindertenpolitik bezeichnet werden.

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24.06.2009- Seite 5

In der Konvention steh u.a.: „Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderung auf Arbeit.“ Die UN- Behindertenrechtskonvention fordert eine Arbeitswelt, in der Menschen mit oder ohne Behinderung die gleichen Chancen auf gute, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen haben.

Um dieses Ziel zu erreichen, muss jedoch in den nächsten Jahren einiges getan werden. Menschen mit Behinderung sind nach wie vor besonders von Arbeitslosigkeit betroffen. Von gleichberechtigter beruflicher Teilhabe, wie sie die VN-Konvention fordert, kann noch lange nicht die Rede sein. Und noch längst bieten nicht alle Arbeitsplätze gute, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen.

Bildung

Bildung ist ein Menschenrecht, das zur Wahrnehmung anderer Rechte erst befähigt. Schul- und Berufsabschlüsse sind die wichtigsten Voraussetzungen für einen guten Start in das Arbeitsleben. Ohne entsprechende Abschlüsse ist das Risiko der Arbeitslosigkeit besonders hoch. Das gilt für Menschen mit und ohne Behinderung.

Die Bestrebungen der Bundesregierung für das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung sind richtig. Gleichzeitig werden momentan noch mehr als 400.000 Kinder und Jugendliche mit Behinderung ausgesondert.

Für sie bedeutet die Ausgrenzung in Sonderschulen den Einstieg in lebenslange Sonderwege an den Rändern der Gesellschaft.

Um dies zu verhindern, ist ein verbindlicher Aktionsplan der Länder zur Umsetzung inklusiver Bildung notwendig. Dazu zählt das Recht auf Aufnahme in die zuständige allgemeine Schule und eine Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte, die sie zur Umsetzung eines inklusiven Bildungsanspruchs befähigt. Dazu brauchen die Regelschulen auch ausreichende sonderpädagogische, sozialpädagogische und pflegerische Ressourcen.

Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben die Vorteile des gemeinsamen Lernens für Kinder mit und ohne Behinderung belegt. Ein inklusives und ausreichend ausgestattetes Schulsystem ist eine wichtige Voraussetzung, um auch die Zahl der Schulabbrecher zu verringern.

In Deutschland gibt es ca. 80.000 Schulabbrecher pro Jahr. Ungefähr die Hälfte davon sind Schüler, die die Förderschule ohne Hauptschulabschluss verlassen.

Diese Zahl muss durch individuelle Förderung an inklusiven Schulen drastisch gesenkt werden.

Ausbildung

Selbst mit Schulabschluss ist es oftmals schwierig, einen Ausbildungsplatz zu finden. Viele Unternehmen bilden überhaupt nicht aus. Für junge Menschen mit Behinderung ist es besonders schwierig, eine Berufsausbildung im dualen System zu beginnen.

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24.06.2009- Seite 6

In 2006 gab es ca. 5.500 behinderte Azubis in deutschen Unternehmen.

Gleichzeitig haben von September 2005 bis September 2006 ca. 32.300 behinderte Jugendliche einen Ausbildungsplatz gesucht. Nur schätzungsweise jeder sechste bis siebte junge Mensch mit Behinderung findet eine Ausbildungsstelle in einem Betrieb. Deshalb war die Einführung des Ausbildungsbonus in 2008 ein richtiger Schritt, um einen Anreiz zur betrieblichen Ausbildung behinderter junger Menschen zu setzen. Um zukünftig mehr jungen Menschen mit Behinderung eine Ausbildung im Betrieb zu ermöglichen, sollte in der nächsten Legislaturperiode die Beschäftigungspflicht von Menschen mit Behinderung in den Unternehmen von 5 auf 6 Prozent erhöht werden.

Diejenigen, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz finden, absolvieren eine Berufsausbildung in einem Berufsbildungswerk, nehmen an berufsvorbereitenden Maßnahmen teil oder gehen direkt in die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). Auch für diese jungen Menschen muss es so viel Kontakt wie möglich zur realen Arbeitswelt geben, in Form von inklusiven Berufsschulen, verzahnter Ausbildung oder Praktika in Unternehmen. Die Bundesregierung stellt richtigerweise fest, dass insbesondere der bestehende Automatismus von der Förderschule in die Werkstatt aufgebrochen werden muss. Auch hierzu würde aus Sicht des DGB ein inklusives Schulsystem beitragen.

Seit Mai 2009 gibt es eine weitere Option im Anschluss an die Förderschule. Das arbeitsmarktpolitische Instrument der `Unterstützten Beschäftigung`, welches Jugendlichen mit Werkstattempfehlung eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt durch zwei bis dreijährige Förderung an den Arbeitgeber ermöglichen soll.

Die “Unterstützte Beschäftigung“ ist als Alternative zur Werkstatt begrüßenswert.

Sie darf jedoch keine Alternative zur Berufsausbildung sein. Ausbildung muss in der Regel immer vor Beschäftigung kommen. Eine Berufsausbildung eröffnet mehr und stabilere Beschäftigungschancen, als ein Anlernverhältnis. Deshalb muss wissenschaftlich evaluiert werden, inwiefern die „Unterstützte Beschäftigung“ längerfristige Integration bringt und ob Ausbildungsanstrengungen vernachlässigt werden.

Beschäftigung

Entsprechend den Anforderungen der VN-Konvention muss mehr Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht werden. Auch bei guter Konjunktur sind Menschen mit Behinderung überdurchschnittlich oft arbeitslos.

Im Jahr 2008 betrug die allgemeine Arbeitslosenquote bei den abhängigen Erwerbspersonen 8,7 Prozent, bei den Menschen mit schwerer Behinderung waren es 14,6 Prozent. Ein Schritt zu mehr Beschäftigung und hin zu dem Ziel der VN-Konvention ´gleichberechtigte Teilhabe´ ist die Erhöhung der gesetzlichen Beschäftigungspflicht.

Generell gilt für Unternehmen mit mehr als zwanzig Beschäftigten eine gesetzliche Beschäftigungspflicht von 5 Prozent behinderter Menschen.

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24.06.2009- Seite 7

Unternehmen, die diese nicht erfüllen, zahlen eine Ausgleichsabgabe. Die Beschäftigungspflicht wurde 2001 von 6 auf 5 Prozent abgesenkt. Dies war als Anreiz für die Unternehmen gedacht, im Gegenzug sollten 50.000 neue Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung entstehen. Dieses Versprechen wurde nicht eingelöst und auch die abgesenkte Beschäftigungspflicht wird seit Jahren nicht erfüllt. Die Beschäftigungspflicht muss deshalb wieder auf 6 Prozent erhöht werden. Dies erhöht den Druck und Anreiz für Unternehmen, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Mit den Mitteln der Ausgleichsabgabe werden wichtige Fördermaßnahmen für Menschen mit Behinderung finanziert.

Betriebliches Eingliederungsmanagement

Kranke Menschen haben ein hohes Arbeitsplatzrisiko. In Deutschland stellen sich die Unternehmen noch nicht ausreichend auf Menschen ein, deren Leistungsvermögen sich aus Alters- oder gesundheitlichen Gründen verändert hat. Auch die Arbeitsbedingungen sind noch nicht so, dass alles getan wird, um Erkrankungen am Arbeitsplatz vorzubeugen. Vor diesem Hintergrund muss Arbeit wieder humaner und gesünder werden. Die Humanisierung der Arbeitswelt muss durch einen Wandel in der Unternehmenskultur vorangetrieben werden.

Belastungen jeglicher Art am Arbeitsplatz müssen erkannt und vermieden werden - bevor Erkrankungen entstehen.

Beschäftigte, die trotz aller Vorsorgemaßnahmen erkranken, müssen im Unternehmen gehalten werden. Dies ist auch im Interesse der Unternehmen, vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft und des drohenden Fachkräftebedarfs. Doch nur jedes zweite Unternehmen praktiziert bisher die gezielte Wiedereingliederung von Beschäftigten, die aus längerer Krankheit zurückkehren – obwohl solch ein Verfahren als Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 84 SGB IX).

Besonders kleine und mittlere Unternehmen gilt es hierbei noch zu überzeugen.

Unternehmen, die dauerhaft dieser gesetzlichen Pflicht nicht nachkommen, sollten in Zukunft mit Sanktionen rechnen müssen. BEM muss unter Beteiligung der betrieblichen Interessenvertretung und mit ausreichenden Regelungen zum Datenschutz durchgeführt werden.

Werkstätten für behinderte Menschen

Die Zugänge in die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) haben deutlich zugenommen. Ursache hierfür sind auch fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Als Alternative zu Arbeitslosigkeit gehen auch behinderte Menschen in die WfbM, die nicht schwerstbehindert sind. Zum einen soll hier das seit Mai 2009 geltende neue Arbeitsmarktinstrument der Unterstützten Beschäftigung eine Alternative bieten. Darüber hinaus sind jedoch weitere Alternativen zur WfbM notwendig.

Den von der 85. Arbeits- und Sozialministerkonferenz bekundeten Willen, mehr Beschäftigungsalternativen zur Werkstatt für behinderte Menschen zu schaffen, sieht der DGB positiv. Die Reform der Eingliederungshilfe muss sich jedoch daran orientieren, was den Menschen mit Behinderung wirklich nützt zur

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24.06.2009- Seite 8

Teilhabe am Arbeitsleben. Die für die nächste Legislaturperiode angestrebte Reform darf sich nicht vorrangig an den finanziellen Interessen von Bund, Ländern, Kommunen und Rehabilitationsträgern ausrichten.

Berufliche Rehabilitation

Bildung und Qualifizierung sorgen bei Menschen mit oder ohne Behinderung für nachhaltige Integrationen in den Arbeitsmarkt. Stattdessen werden den Arbeitslosen jedoch hauptsächlich kurzfristige Maßnahmen und Arbeitsgelegenheiten, so genannte Ein-Euro-Jobs, vermittelt.

Auch bei den Menschen mit Behinderung machen den größten Anteil der Maßnahmen die Ein-Euro-Jobs aus. Ihre Zahl wurde für diesen Personenkreis innerhalb der letzten Jahre von ca. 20.000 (2004) auf ca. 30.000 (2007) aufgestockt. Die Eingliederungsquote - also der Anteil derjenigen, die sechs Monate nach Maßnahmeende sozialversichert beschäftigt sind - ist hierbei eher gering. Von 100 Teilnehmenden konnten nur 12 integriert werden. Großteils können diese Maßnahmen nicht in Beschäftigung vermitteln und reduzieren somit nur die offiziell ausgewiesene Arbeitslosigkeit.

Die Zahl der Ein-Euro-Jobs hat in den letzten Jahren zu-, die Zahl der Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation dagegen abgenommen. Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)1 befanden sich im Jahr 2002 ca. 50.000 Personen in speziellen und damit kostenintensiveren Maßnahmen für Menschen mit Behinderung. In 2007 waren es nur noch ca.

22.000 – und das, obwohl Behinderungen in einer älter werdenden Bevölkerung zunehmen.

Ursächlich für den Rückgang der Maßnahmen sei, laut Studie, hauptsächlich die mangelhafte Betreuung im Hartz IV-System. Viele SGB II-Vermittler greifen demnach auf günstigere allgemeine, aber weniger zielgruppenspezifische Angebote zurück.

Gerade für Hartz IV-Bezieher darf man jedoch die Maßnahmen der beruflichen Reha nicht aus Spargründen zusammenstreichen. Fast jede/r Zweite in Hartz IV ist nach eigener Einschätzung gesundheitlich eingeschränkt (35 %) oder anerkannt behindert (11%)2. Gerade hier ist berufliche Rehabilitation also dringend nötig.

Außerdem muss die Betreuung von arbeitslosen Menschen mit Behinderung verbessert werden. Da nur die Arbeitsagentur verpflichtet ist, Reha-Beratung vorzuhalten, werden Menschen mit Behinderung zwischen Jobcenter und Arbeitsagentur hin und her geschickt. Ein wesentlicher Beitrag zur Barrierefreiheit wäre es, wenn die Vermittlung aus einer Hand bei den Agenturen für Arbeit erfolgen würde.

1 IAB Kurzbericht 25/2008

2 IAB Kurzbericht 02/2009

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24.06.2009- Seite 9

Renten für behinderte Menschen

Gute Arbeit mit fairer Bezahlung und gesunden Arbeitsbedingungen ist die Voraussetzung für eine gute Alterssicherung. Doch nur, wer es tatsächlich bis zur Rente schafft, hat volle Ansprüche aus der Rentenversicherung. Der Großteil der Menschen mit Behinderung (74 Prozent) ist über 55 Jahre alt und überdurchschnittlich oft arbeitslos. Alter ist für viele Unternehmen ebenso ein Ausschlusskriterium wie Behinderung. Wer mit über 50 Jahren arbeitslos wird, schafft es kaum noch mal in einen Job. Nur jeder Fünfte geht momentan aus sozialversicherungspflichtiger Arbeit in die Rente, am Bau schafft es nur jeder Zehnte. Die meisten sind schon lange vorher raus, weil sie gesundheitlich nicht mehr können oder weil sie ihre Arbeit verloren haben.

Bei überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit älterer Menschen birgt die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters die Gefahr von Lücken am Ende der Erwerbsbiographie. Deswegen bleiben die Gewerkschaften bei der Ablehnung der Rente mit 67. Diese ist eine fatale Entscheidung an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei. Statt der Rente mit 67 benötigen wir ein Paket an Maßnahmen, das dazu beiträgt, dass Beschäftigte länger in Arbeit bleiben und abgesichert aus der Arbeit in den Ruhestand übergehen können.

Dazu gehört auch, dass die Zugangskriterien zur Erwerbsminderungsrente besser an die Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt angepasst werden, statt diese immer mehr abzuschotten. Im Jahr 1994 gingen fast 300.000 Menschen in eine Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit, und im Jahr 2000 noch ca. 200.000 Versicherte. Im Jahr 2007 waren es nur noch ca. 162.000 Versicherte, d. h., knapp mehr als die Hälfte im Vergleich zu 13 Jahren vorher.

Gerade für ältere Versicherte muss es einen erleichterten Zugang zur Erwerbsminderungsrente geben.

Barrierefreiheit

Die Arbeitsstättenverordnung muss die angestrebte Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung deutlicher als in der bisherigen Fassung verlangen.

Bisher wird der Eindruck erweckt, dass der Arbeitgeber sich nur in denjenigen Betrieben Gedanken über die Barrierefreiheit seiner Arbeitsstätte machen muss, in denen tatsächlich behinderte Menschen arbeiten. Und dann auch nur, wenn der Umbau zumutbar ist. Arbeitsstätten müssen vielmehr vorsorglich und generell so eingerichtet und betrieben werden, dass die besonderen Belange von Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden.

Bei Entstehung, Umbau und Betrieb ist daher darauf zu achten, dass alle denkbaren Vorkehrungen getroffen werden, um spätere Anpassungen der Arbeitsumgebung möglichst einfach und kostengünstig zu realisieren. Diese Vorkehrungen sind in allen Betrieben unter Berücksichtigung der Anforderungen des Baurechtes zu realisieren. Entsprechende Vorgaben sind in der Arbeitsstättenverordnung und, sofern dort kein ausreichendes Schutzniveau erreicht werden kann, auch im Regelwerk des Ausschusses für Arbeitsstätten (ASTA) umzusetzen.

Referenzen

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