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Die Grenzen der Video-Diplomatie

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42 |IP • Juli / August 2020

Gute Besserung Titelthema

Die Grenzen der Video-Diplomatie Die

Corona- Krise beeinträchtigt die politische Zusammenarbeit in der EU. Schon jetzt ist klar: Digitale Konferenzformen können direkten Austausch nicht ersetzen.

Von Rainer Rudolph

Rainer Rudolph ist Senior Fellow der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

E

s sollte das Highlight der kroati- schen Ratspräsidentschaft sein und natürlich in Zagreb stattfinden: das Gipfeltreffen mit den Staaten des westli- chen Balkans am 6. Mai 2020. Durch die Corona-Krise bedingt wurde daraus eine Videokonferenz – seit März wegen der Rei- sebeschränkungen in Europa praktisch der diplomatische Normalfall.

Alle Treffen des EU-Ministerrats und des Europäischen Rates wurden in jüngs- ter Zeit durch Videokonferenzen ersetzt.

Physische Treffen auf Botschafter-Ebene in Brüssel fanden zwar umso häufiger statt, die vorbereitenden Arbeitsgruppentref- fen wiederum wurden auf ein Minimum reduziert, weil nur in wenigen Sitzungs- räumen ein Arbeiten mit ausreichendem physischen Abstand möglich ist. Erschwe- rend hinzu kommt seither die massiv ein- geschränkte Kommunikation innerhalb der nationalen Regierungsapparate und zwischen den EU-Hauptstädten: beides Schlüsselelemente für erfolgreiches Ar- beiten in Brüssel.

Diese beschränkten Arbeitsmöglichkei- ten haben zu einem erheblichen Verlust

an Effizienz geführt. Infolgedessen wurde die EU-Arbeit auf das nötigste Krisenma- nagement reduziert. So wurden der sym- bolträchtig für den Europatag am 9. Mai angekündigte Start der Konferenz zur Zukunft Europas und der für September in Leipzig geplante EU-Gipfel mit China auf unbestimmte Zeit verschoben.

Es ist eine Sache, wenn Mitarbeiter ihre Aufgaben im Homeoffice erledigen; wenn politische Entscheidungen aber nicht mehr als Ergebnis eines persönlichen Aus- tauschs getroffen werden, ist das etwas anderes. Eine Videokonferenz von Staats- und Regierungschefs oder Ministern kann die Unmittelbarkeit einer Verhandlung am Konferenztisch nicht ersetzen. Und die of- fizielle Sitzung im Konferenzsaal ist nur eine von vielen Kommunikationsebenen, die bei einer Ratstagung zustande kom- men: Politiker treffen sich zu vereinbarten bilateralen Gesprächen am Rande oder sie tauschen sich spontan während der Sitzungspausen aus. Häufig werden hier die entscheidenden Deals verhandelt, die dann später im Sitzungssaal nur noch for- mell angenommen werden.

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IP • Juli /August 2020 |43

Die Grenzen der Video-Diplomatie Titelthema

Neu ins Amt gekommene Regierungs- chefs oder Minister nutzen die Treffen, um einen persönlichen Kontakt mit ihren Kol- leginnen und Kollegen aufzubauen. Bei den internationalen Meetings der EU mit den sogenannten „Drittstaaten“ finden praktisch immer Gespräche am Rande mit NGOs oder Wirtschaftsvertretern statt.

Hinzu kommt: Die Vertraulichkeit ei- ner Videokonferenz ist begrenzt, da die Teilnehmer nicht überblicken können, wer das Gespräch mitverfolgen kann und die Leitungen oft ungeschützt sind. Auch ganz ohne „hacks“ ist in der Regel nicht nachzuvollziehen, wer möglicherweise außerhalb des Blickfelds der Kamera mit- hören kann. Es gibt gute Gründe, warum der Europäische Rat ganz ohne nationale Mitarbeiter der Regierungschefs tagt. Die mitreisenden Berater der Politikerinnen und Politiker verabreden sich hingegen meist zu Gesprächen mit ihren Kollegen aus den anderen Delegationen, oftmals über Themen, die gar nicht auf der offi- ziellen Tagesordnung stehen. Und für die Politiker kann eine Videopressekonfe- renz zum Abschluss einer Tagung nicht die persönliche Kommunikation mit den Medienvertretern ersetzen.

Unter den Krisenbedingungen muss das Spannungsverhältnis zwischen Ver- traulichkeit und demokratischer Trans- parenz neu austariert werden. Für die Legitimität europäischer Entscheidungen ist ausschlaggebend, dass sie transparent und somit nachvollziehbar getroffen wer- den. So sieht der EU-Vertrag vor, dass der Rat öffentlich tagt, wenn er über Gesetz- gebungsakte berät und abstimmt.

Die in der Krise eingeführten Verfahren sind nicht von ihrem inhaltlichen Gegen- stand, der unmittelbaren Krisenbewälti- gung, zu trennen. „Remote“-Beratungen sind weder geeignet, eine Lösung der schwierigen Entscheidungen (wie etwa über den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU) herbeizuführen, noch können sie je die Effizienz der vielen täglichen Ar- beitstreffen in Brüssel erreichen.

Der persönliche Kontakt

Wann wird es eine Rückkehr zu den frü- heren Arbeitsmethoden geben? Könnten Teile der neuen Praxis künftig beibehalten werden und wäre dies wünschenswert?

Große Unternehmen kündigen schon weitreichende Änderungen ihrer Arbeits- methoden an: Google- und Amazon-Mit- arbeiter werden noch Monate von zuhause arbeiten können, wenn ihre Aufgaben das zulassen. Jack Dorsey, der CEO von Twit- ter, hat sogar mitgeteilt, dass alle Beschäf- tigten dauerhaft im Homeoffice arbeiten können, wenn ihre Tätigkeit dies zulässt.

So wie geänderte Arbeitsbedingungen in der Wirtschaft als Teil einer neuen Nor- malität vorbereitet und umgesetzt werden, ist dies auch für die europäischen politi- schen Entscheidungsverfahren denkbar:

Tagesordnungen für physische Sitzungen können reduziert, die Zahl der Mitarbeiter im Sitzungssaal beschränkt, mitreisende Delegationen verkleinert werden. Ent- scheidend dabei ist, dass die Europäische Union rasch wieder in die Lage kommt, beim akuten Krisenmanagement, vor al- lem aber darüber hinaus in legitimierten und akzeptierten Verfahren ihre umfas- sende politische Agenda von Klimaschutz über Migration bis hin zu digitaler Wett- bewerbsfähigkeit voranzubringen. Dazu gehört, dass Politik und Diplomatie wie- der im persönlichen Kontakt und direkten Austausch stattfinden können.

Die in der Krise eingeführten

Verfahren sind lediglich in

der aktuellen Lage hilfreich

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