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463) Das Lied RV 10.86 gehört zu den fiir uns schwierigsten Gedichten des RV

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(1)

BEMERKUNGEN ZUM VBSAKAPI-GEDICHT (RV 10.86)

Von Paul Thieme, Tübingen

Hier und vielfach sonst bewährt sich die Überheblichkeit, mit der man gelegentlich

über den Geist vedischer Poesie abge¬

sprochen hat, schlecht; wenn man ohne

Voreingenommenheit nach dem Sinn sucht, ergibt das anfangs flir sinnlos gehaltene einen guten und wertvollen Sinn.

H. Lommel (Kleine Schriften, p. 463)

Das Lied RV 10.86 gehört zu den fiir uns schwierigsten Gedichten des

RV. Die Schwierigkeit liegt aber nicht etwa in einer besonderen Dichte

lexikalischer oder grammatischer Probleme, die uns hier gestellt würden.

Sie ist vielmehr durch den Inhalt gegeben. Unausweichlich werden wir vor

zwei Fragen gestellt: Was ist der Vorgang, auf den das Gespräch, das das

Lied ganz unbestreitbar darstellt, sich bezieht und den wir aus den Worten

der Gesprächsteilnehmer erschließen müssen, da er uns anderweitig rücht

bekannt ist? Wie konunt deim dies seltsame, teilweise geradezu uiülätig

klingende Gedicht in die Sanmüung feierlicher, von religiösem Emst erfüll¬

ter Lieder, als die der RV sich darbietet? Es begegnen zwar auch sonst

gelegentlich, z. B. RV 1.126.6 und 7, lüsterne, uns obszön klingende Verse.

Sie beziehen sich aber doch offenbar auf menschliche Beziehungen und

Erfahmng und stehen in keinem uiunittelbaren Zusaimneiüiang mit einer

Gottheit wie Indra, wie es in unserem Lied der Fall ist.

Entsprechend seiner Rätselhaftigkeit ist das Gedicht recht oft behandelt

worden (siehe H. Oldenberg: Noten II. 1912, S. 289)' Es seien insbeson¬

dere genaimt: L. v. Schroeder: Mysterium und Mimus im RV. 1908,

S. 304f.; H. Oldenberg: Noten II; Religion des Veda. ^1917, S. 166ff.;

K. F. Geldner: Vedische Studien II. 1897, S. 22ff.; Übersetzung III (1952,

aber bereits in den 20er Jahren in der vorliegenden Fassung fertiggestellt).

Die drei ersten Verse sind besprochen in: Thieme : Fremdling im RV. 1938,

S. 13 f.

An dem Gespräch, um das es sich handelt, sind zunächst beteiligt Indra,

der Heldengott und -könig, und die in Vers 9 ausdrücklich genannte „Gat¬

tin des Indra", die Indräni. In Vers 2 und 4 wird Indra angeredet, sie gehö¬

ren also der letzteren - die Antwort in Vers 3 natürlich dem Indra, Vers 5,

der die Aussage von Vers 4 fortfuhrt und präzisiert, der Indräpi.

Im Mittelpunkt des Gesprächs steht ein vr^älcapi- „Affenbulle" oder

„Affenhengst", so genannt in Vers 1,2,3, 4, auch als „gelbes Tier" (Vers 3)

oder schlechtweg als „Affe" (Vers 5) bezeichnet. Alle Versuche, diesen

Affen loszuwerden, indem man ihn z. B. in einen Vegetationsdämon oder

ein halb menschliches, halb affenähnliches Wesen oder in einen Bastard

' L. Renou: Bibliographie Vidique. Paris 1932, 24.90-93; R. N. Dandekar:

Vedic Bibliography Bombay 1946, 5.8,115.30-33.

(2)

des Indra (Sadgurusisya, Säyapa) oder gar in einen Schnapshandel betrei¬

benden General verwandelt, scheitem am klaren Wortlaut des RV, für den

er nichts, rein gar nichts ist als ein Affe.

Allerdings hat es mit dem Affen seine besondere Bewandtnis. Indra

spricht von ihm gleich im ersten Vers als mätsakhä „der mich zum Freund

hat", „dessen Freund ich bin". Es liegt in dem Ausdrack nicht mehr und

nicht weniger als das, was Indräni in Vers 4 dem Indra vorwirft: daß er ihn

als „seinen lieben Vr^äkapi beschützt", seine mächtige Hand über ihn hält.

Der Ausdmck erfüllt zugleich eine technische Furüition: er macht klar, daß

der Sprecher des Verses nur Indra sein karm, auf den allein er paßt, wie aus

dem Folgenden deutlichst hervorgeht. Indra spricht also, redet aber rüe-

manden an. Folglich siimiert er vor sich hin: er äußert seine Verwunde¬

mng:

1. [Indra:] „Man hat ja abgelassen vom [Soma-JPressen, nicht

hat man [also] Indra als Himmlischen geachtet, hier, wo Vr^ä-

kapi (der „Affenbulle") sich erfreute am blühenden Besitz des

Fremden (an „fremdem Besitz"), er, der mich zum Freund hat."

Über allem erhaben ist Indra!

Den nach jedem Vers sich wiederholenden Refrain klammern wir

zunächst aus: er steht in keinem genauen Zusammhang zu dem Iiüialt der

einzelnen Verse.

Indra wundert sich, daß er neuerdings nicht mehr zum Somatmnk einge¬

laden und geehrt wird bei Leuten, [bei denen er früher als Gast zu schwel¬

gen und] in deren reichen Gärten und Feldern Vf gäkapi sich gütlich zu tun

pflegte. Da die Lust an fremden Früchten dem Wesen des Affen durchaus

gemäß ist, denkt er offenbar gar nicht daran, das Benehmen des Affen, den

er schützt, und das Aufhören der Einladungen in ursächlichen Zusammen¬

hang zu bringen.

Ohne es zu wollen, hat er der Indräni ein Stichwort gegeben, das ihr

erlaubt, ihrem Groll gegen den Affen - sie ist keineswegs eine, die sagen

würde, der Affe habe sie zur Freundin - Luft zu machen. Sie deutet die

Schuld des Affen an und rät dem Indra, sich von ihm zu trennen: anderswo,

wo der Vf^äkapi mit seinem tollen Treiben ihm das nicht verdirbt, wird

Indra gewiß eingeladen werden^:

2. [Indräni:] „Eilst du fort, Indra, hinaus über das Getolle des

Vf§äkapi (das Gebiet, wo Vf^äkapi hemmtollt) - findest du denn (hif

wirklich (aha) nicht auch (u) anderswo [eine Möglichkeit] zum

Somatrunk?""

Über allem erhaben ist Indra!

Wieder wundert sich Indra, diesmal über seine Gattin. Warum bist denn

du, die Göttin, zornig auf den Vf^äkapi, ein „gelbes [Wild-]Tier", einen

^ Ich weiche hinsichtlich der Konstruktion und der inhaltlichen Auffassung von Vers 2 von der von mir selbst früher (Fremdling, S. 14) vertretenen ab. Man mag sie immerhin ebenfalls fiir möglich halten oder, meinetwegen, vorziehen.

^ gehört gewiß in den Hauptsatz, ist aber, da es an die zweite Stelle drängt, in den vorausgestellten Nebensatz geraten.

■* Fragesatz ohne Fragepartikel: Delbrück: Altind. Syntax S. 551.

(3)

[Rhesus-] Affen? Was hat er denn dem reichen Besitz des Fremden getan -

so großen Schaden kann doch ein einzelner' Affe nicht tun!

3. [Indra:] „Was hat dirdieser Vwäkapi, da,s gelbe [Wild-]Tier,

getan, daß du ihmjetztauch noch f^idM)zürnst,'oderwas dem

blühenden Gut des Fremden?"

Uber allem erhaben ist Indra!

Indräni antwortet emotional, sie wünscht dem Affen Böses (Vers 4),

zeigt Lust, ihn zu züchtigen, und sagt auch, was er ihr angetan hat (Vers 5).

Aber um das zu verstehen, müssen wir erst eimal weiter sehen.

Die beiden nun folgenden Verse (Vers 6 und 7) sind ebenfalls von einem

weiblichen und einem männlichen Partner gesprochen:

6. „Nicht ist' eine Frau von schönerem Hintern als ich!

Nicht von schönerem yäh^\ Nicht besser sich gegenbewe¬

gend, nicht besser den [Einzel-]Schenkel (obszön'^ hochbrin¬

gend!"

Über allem erhaben ist Indra!

7. „Ach, Mutter, du von schöner Umarmung - wie es sich

gleich herausstellen wird -, mein Hintern, mein [Einzel-]

Schenkel (obszön'), mein Kopf sträubt sich gleichsam aus-

einander'°(ist in höchster Erregung)!"

Über allem erhaben ist Indra!

Aber sie unterscheiden sich doch sehr deutlich von den vorausgehenden

wie von den unmittelbar folgenden Versen. Ich darf es mir ersparen, das im

einzelnen zu begründen. Sie klingen unanständig, geradezu unflätig.

Wer sind die Sprecher? Nach der Anukramani, der nicht nur Säyana

folgt, was selbstverständlich ist, sondern auch Geldner, von Schroe¬

der, Oldenberg und, soweit ich sehe, sämtliche anderen eiu-opäischen

Interpreten, wird Vers 6 von Indräni, Vers 7 vom Affen gesprochen.

Die Zuteilung von Vers 6 an Indräni scheint mir nun geradezu unmög-

' Ganze Affenherden können natürlich fürchterliche Verwüstungen anrichten,

wie es z. B. Rämäyana (Baroda) 5.60 ff. schüdert. Hier handelt es sich außerdem um Menschenaffen, die im Heimatgebiet des RV, im Gegensatz zu dem alten Südindien, gar nicht vorkommen.

' Die Ausdrucksweise deutet an, daß Indräni dem Affen sowieso nicht freundlich gesonnen ist.

' wa . . . bhuvat: der Injunktiv mit na gibt eine allgemeine Konstatierung, ihm fehlt „nicht nur der Prohibitivcharakter, sondern auch jede Modalität" : K. Hoff¬

mann: Injunktiv. 1967, S. 99 ff Ebenso zu beurteilen nd . . . bhuvarn in 5d.

* Bedeutung nur erratbar. Mir am wahrscheinlichsten die Vermutung „Ergie¬

ßung" (PW).

' sdkthi im Singular entspricht dem anasthd ürur avarämbamäncdi (RV 8.1.34,

wozu Thieme: Fremdling, S. 87). Vgl. auch 10.86.16 . . . yäsya rdmbate 'ntard sak- thyd kdprt.

bhdsad- nicht „Scham" (Geldner), sondern, wie immer, „Hintern" (und zwar tierischer: MS IV S. 34 Z. 4). siras- und bhasad- auch sonst nebeneinander:

ASv.GrhyaS. 4.8.8, SB 1.9.2.3 (siehe PW s.v. bhasad-). Danach siras . . . bhdsad unserer Stelle wohl zu verstehen im Sinn von „mein ganzer Körper".

(4)

lich; der consensus omnium, der sie als selbstverständlich unterstellt, fast

unbegreiflich. So spricht doch die Gattin des Indra, des Königs der Welt,

nicht von ihren Reizen. Oldenberg meint, sie tue es, mn den Affen auf

sich lüstern zu machen, ihn aufzureizen, um ihn dann, wenn er darauf her¬

einfällt, zu bestrafen; von Schroeder meint sogar, sie sei selbst lüstern

auf Vr^äkapi, ihr Zorn sei nur gespielt. Er geht so weit zu glauben, sie

begatte sich schließlich mit ihm - sozusagen auf offener Bühne -, während

Indra, vergnügt schmausend und zechend, das alles als einen wohlgelunge¬

nen Scherz betrachtet. Ist dergleichen tatsächlich einer ernsten Widerle¬

gung wert?

Für den RV ist Indra ein großer, gewaltiger, für seine Feinde furchtba¬

rer, für die lebendige Welt umfassend segensreicher Gott - wir dürfen ihn

rücht verwechseln mit dem amourösen Abenteurer nachrigvedischer

Mythologie, wie er zuerst in der Subrahmanyä-Formel (ÖB 3.3.4.18) auf¬

tritt - so wenig wie den Zeus in den Chorliedem des Aischylos (siehe insbe¬

sondere Agamemnon 160ff.) mit dem Liebhaber der Leda, der Io, der

Danae, der Europa, der Alkmene.

RV 1.32.16 Indra ist der Köiüg dessen, was da wandelt, was da rastet;

was da ungehörnt, was da gehörnt ist - er, der die Keule im Arm trägt.

Eben er herrscht auch als Köiüg über die Grenzen (die Völker der Men¬

sehen). Wie der Radkranz die Speichen umfängt er dieses alles (das Tier¬

reich wie das Menschentum).

RV 2.12.1 Der, kaum geboren als erster Verstandbegabter, als Hinun-

lischer die Himmlischen umfaßte; vor dessen Schnauben Himmel und Erde

in Furcht zitterten, auf Grund der Größe seiner Manrüieit - der, ihr Völker,

ist Indra!

2 Der die schwaiüsende Erde festigte; der die Berge, die in Aufregung

tobten, zur Ruhe brachte; der den Raum, den sehr breiten, durchmaß, der

den Himmel stützte - der, ihr Völker, ist Indra!

RV 3.33.7 Immerdar zu verkünden bleibt dieses Heldentum, die Tat

des Indra, daß er die Schlange zerhieb: mit seiner Keule zerschlug er die

Umhegungen (die sonst auch püras genaimten Wälle der Fluchtburgen sei¬

ner Feinde) , es gerieten die [eingeschlossenen] Wasser in Fortbewegung,

die sich Fortbewegung suchten.

Entschließen wdr uns also, den Vers 6, der der Indräni so gar nicht vnir-

dig ist, ihr abzuerkennen und ihn vielmehr der Äflin Vr^äkapäjä, der „Frau

des Vr^äkapi", zuzuschreiben, von der später ausdrücklich die Rede ist

(Vers 13)! Dann ergibt sich eine, wie mir scheint, sehr naheliegende, ja

schlagende Erklärung beider Verse.

Wer Tiere sprechen läßt, vermenschlicht sie. Wer spricht, muß ja auch

denken. Aber der Fabeldichter oder der Tiergeschichtenerzähler - ich

denke etwa an R. Kipling (Jungle Book) - pflegt doch dem Tier seine cha¬

rakteristischen Züge zu belassen: dem Fuchs die Schläue, dem Wolf die

Gier, dem Bären die Vorliebe für Honig, dem Elefanten die Weisheit, der

Schlange die Klugheit.

Was ist derm für den Affen charakteristisch ? Oder besser: Was erscheint

dem naiven Beobachter charakteristisch?

(5)

Zunächst: die Schamfreiheit, die er (der Mensch) als Unanständigkeit

empfindet - natürlich weil das Gesicht des Affen dem des Menschen so

ähnlich ist".

Der Dichter von RV 10.86.6 und 7 beläßt den Affen ihre Unanständig¬

keit: sie reden so, wie Affen eben reden würden, wenn sie reden könnten.

Damit verliert die Unflätigkeit der Ausdrucksweise ihre Anstößigkeit. Man

darf darüber lachen - zum Erröten ist kein Grund: die Natur ist unschuldig.

Sodann: der Nachahmungstrieb, oder was dem naiven Beobachter als

solcher erscheint - was Tierverhaltensforscher darüber denken mögen, ist

hier unerheblich.

Hier liegt nun der Schlüssel zu der Frage, warum Indräni so zornig auf

den Affen ist. Nicht weü er es gewagt hat, ihr einen schmutzigen Antrag zu

machen oder gar sie zu vergewaltigen, wie man sich nicht entblödet hat

anzunehmen; noch auch, weil er ihre „Nippsachen besudelt hat" (so Geld¬

ner) - sondem weil das so unanständig klingende Gespräch des Affenpaa¬

res gemeint war als äffische Nachahmung, als „Nachäffung", eines

Gesprächs, eines Liebesgeflüsters, zwischen Indra und Indräni, eine

Nachahmung freilich, die es in affenartige Derbheit übersetzt, die der In-

dräiji, die es zufällig mithört, als Verhöhnung erscheint. So sagt sie:

4. [Indräni:] „Den d% Indra, hier als deinen lieben Vr§äkapi

beschützest, den soll gleich ein Hund, ein Saufänger, am Ohr

packen !"

Über allem erhaben ist Indra!

5. [Indräiji:] „Meine ('die mir teuren')'^ fraulichen ('reifen''^) [Kör-

per-jFormen'" ('Zierden') hat der Affe schlecht gemacht. Seinen

Kopf schlage ich gleich wund". Nicht bin ich einem Übeltä¬

ter etwas Bequemes ('etwas Leicht-zugängliches')."

Über allem erhaben ist Indra!

„Meine fraulichen Formen hat der Affe schlecht gemacht" - gemeint ist:

„hat sie als etwas Schlechtes erscheinen lassen", „hat sie verspottet, ver¬

höhnt". In diesem Sinn wird ja dü^aya- oder vidü^aya- auch im klassischen

" Daher der Affe im Altindischen als sumukha- „von schönem Gesicht", im Alt¬

griechischen als KaXXiai; (kurz für xaXXinpoaumoc,) bezeichnet werden kann:

W. Schulze: Kleine Schriften, S. 370.

priyd- kann das Possessivpronomen ersetzen, wenn es sich um persönlichste

„Besitzstücke" handelt, deren Verlust von vitaler Bedeutung wäre oder ist:

RV 2.20.% priydm. . . sirah. So auch im klassischen Sanskrit: Pancatantra 2.36 sirn- hah . . . aharat pränän priyän Pänineh; Subhä^itävali 513 priyän . . . pränän; Mälav.

5, Vers 11 priyaih . . . asubhih; Kirät. 3.41 priyarfi pränam iväbhimänam; 11.28 priyäh . . . asavah; Vcar. 4.49 priyärfi kirtim. Analog homerische Ausdrücke wie (piXov fjxop, (pUov öu^iov (acc), ipiXa yovjvaTa usw.

Vgl. RV 10.85.21 vydktäm „geschlechtsreif'. Siehe auch PW s.v. vyanjana- 4) n. h).

So schon richtig K. Hoffmann: Injunktiv, S. 250.

J. Narten: Die sigmatischen Aoriste, S. 224ff.

" Oben Anm. 7.

(6)

Sanskrit gebraucht. Schon im AV begegnet der Ausdruck sunäm kaptr^^ iva

diißanah (3.9.4)". Whitney übersetzt - gewiß ehriich, aber doch kaum

überzeugend - „hke the ape, spoiler of dogs". Wir werden verstehen dür¬

fen: „ein Affe, der der Hunde spottet" - natürlich, indem er ihnen mit affen¬

artiger Behendigkeit im letzten Augenblick entwischt, auf einen Baum klet¬

tert und ihnen Gesichter zu schneiden'* scheint.

Wenn ein Affe die Reize der Indräni „verspottet", dann erweist er sich

als vidüsaka- „Spötter", und eben das ist ja die Bezeichnung des Clowns im

klassischen indischen Schauspiel. Charakteristischerweise tritt dieser auf

als derjenige, der zwar ein treuer Begleiter seines meist königlichen Herrn,

des eigentlichen „Helden" des Schauspiels, ist, zugleich aber, wie im Abhi-

jnänaääkuntalam, dessen Leidenschaften, die er nicht zu verstehen vermag

- die Jagd etwa, oder sein edles Liebesschmachten -, lächerlich macht.

Trotzdem behandelt ihn der Fürst als seinen Freund, denn er unterhält ihn,

vertreibt seine Langeweile, sorgt dafür, daß er nicht zur unrechten Zeit

schläfrig wird - kurz, er tritt auf fast in der Rolle des späteren narmaman- trin-, des „Scherzministers", das heißt: des Hofnarren. In ähnlicher Weise

betrachtet sich Indra als „Freimd" des Affen (Vers 1), beschützt er ihn

(Vers 4), sagt er: „Nicht finde ich Vergnügen ohne meinen Freund Vr§ä-

kapi" (Vers 12) und nennt er ihn, wie ich vermute, svapnanärfisana- „der die Schläfrigkeit verschwinden läßt" (Vers 21).

Die Verse 6 und 7 erläutern also, was Indräni meint, wenn sie sagt: „der

Affe hat meine fraulichen Formen verspottet". Man mag armehmen, daß

Indräni selbst die Worte des Affenpaares wiederholt: als Zitat wären sie

jedenfalls rücht wirklich anstößig". Möglich ist aber auch die Vermutung,

daß der Dichter sie in eigener Verantwortung spricht. Sie würden nur das

klarstellen, was früher geschehen ist, und wären vergleichbar dem, was wir

heute im Film als „Rückblende" kennen.

Indra seinerseits kann es gar nicht verstehen, warum seine fürstliche

Gattin, die er bewundert und liebt, den Affen emst nehmen und ihn um sei¬

ner dummen, aber lustigen Scherze willen angreifen kann: eine wirkliche

Beleidigung seiner Gattin würde er selbstverständlich auch selbst emst

nehmen.

8. [Indra:] „Warum, du von schönen Armen, von schönen Fin¬

gern, von breiten Flechten, von breiten Hüften - [wamm,] du

unsere Heldengattin, greifst duden Vr?äkapi an (abhy ämißi)!'

Über allem erhaben ist Indra!

" Der Verdacht hegt nahe, daß in der überzähhgen Zeile iva falsche Lesung für vi ist, das zu dM^anah gehört. Die Dunkelheit der folgenden Worte läßt eine irgend¬

wie sichere Entscheidung nicht zu.

Vom „Scherzen" (narma) und ausdrucksvoll scheinenden Gesichtsbewegun¬

gen des Affen spricht z. B. der Vers Subhä^itabhändägära (Bombay 1952, 18. Aufl.), 235, 152 (yükänveßana-roßa-saukfiya-bakuläs ce^fä niukhotthäh).

" Die Zulässigkeit der „Nachahmung" oder „nachahmenden Zitierens" wird dis¬

kutiert von Patafljali zu värtt. 3 zu Sivasütra 2 (Mähäbhäsya, ed. Kielhorn, 20.15ff.).

(7)

Auch Indra spricht von den frauhchen Reizen der Indräiji, aber in einer

Weise, die ihr gefallen muß. Die Adjektive, die er ihr beilegt, sind der

Sprache der Poesie entnommen und stehen in scharfem Kontrast zu den

Ausdrücken der Affen. Sie lassen sich, bis auf das letzte, in das hochde¬

zente Griechisch des Homer umsetzen, teilweise wörtlich:

„von schönen Armen (subähu-) entspricht: tünv^xuc, (Eur.); „von schönen

Fingern" (svanguri-): poöoödxTuXoq „von Rosenfmgem", gesagt von der

wunderschönen Göttin der Morgenröte; „von breiten Flechten" (prthu^tu-):

euTtXöxapoc; „von schönen Flechten". Nur die letzte Bezeichnung würde

Homer nicht brauchen. Er erwähnt bekanntlich nur solche weiblichen

Reize, die das Gewand sichtbar läßt; so sagt er z.B. auch AeuxwXevoc; „von

weißen Ellbogen", xaXXiaipvpoc; „von schönen Fesseln", ßctWixoATCoc; „von tiefem Buseneinschnitt". Erst sehr viel spätere griechische Dichtung kennt

auch ein dem Ausdruck „von breiten Hüften" (prthujäghanä) entsprechen¬

des xaXXinvyoQ.

Im folgenden Vers beharrt Indräni auf ihrem Standpunkt. Nicht sie

greift den Affen an, sondem der Affe greift sie an - diesen Ausdrack

allerdings vermeidet sie, offenbar weil er auch heißen könnte: „er faßt mich

an": das will ihr nicht über die Lippen. Sie sagt nur abhlmanyate „er sieht es auf mich ab". Sie bemft sich auf ihre Würde als Mutter herrlicher Söhne,

als Gattin des Indra, als von anderen mächtigen Himmlischen geachtete

und beschützte Fürstin:

9. [Indräni:] „Auf micÄ sieht es dieser sardru-C^) ab. Und doch

habe ich [ausgezeichnete] Söhne, ich, die Gattin Indras, deren

Freunde die Marut sind."

Über allem erhaben ist Indra!

Ich hoffe, die Besprechung dieser ersten neun Verse des Vr^äkapi-

Gedichts zeigt deutlich, woram es sich hier handelt: um eine Burleske, die

einen Zwischenfall im Eheleben des Gottes Indra darstellt. Es geht dabei

teilweise derb zu, aber die 'Unanständigkeiten', die hier ausgesprochen

werden, sind Affen in den Mund gelegt, zu deren Natur sie nun eimnal gehö¬

ren. Erst die Schreibtischunschuld von Gelehrten verwandelt die unanstö¬

ßige Schamfreiheit der Tiere in zotige Schamlosigkeit, die dann auch noch

der fürstlichen Göttin, die sich in Wahrheit ihrer weiblichen Ehre aufs emp¬

findlichste bewußt ist, zugeschrieben werden. Indräni teilt den Standpunkt

Indras, der die äffische Schamfreiheit als komisch belacht, keineswegs,

sondem fühlt sich auf unanständige Weise verhöhnt und beleidigt.

Man darf vielleicht erwägen - wenn auch keinesfalls mit Sicherheit

behaupten -, daß diese Form der Burleske, in der die Anwesenheit spre¬

chender Tiere es erlaubt, unanständige Reden in unbefangener Scherzhaf-

tigkeit wiederzugeben, in eine sehr alte, in indogermanische, Vorzeit

zurückgeht. Es könnten sich aus ihr entwickelt haben die Tierfabel und -

wanun nicht? - schließlich auch die attische Komödie des Aristophanes, in

der die Chöre ja mehrfach von als Tieren verkleideten Menschen darge¬

stellt werden: als „Wespen", „Vögel", „Frösche".

Ganz wohl ist es freilich dem Dichter nicht dabei, wenn er den König der

Götter, der Menschen und der Tiere in einer Bmleske redend und Stellung

(8)

nehmend auftreten läßt. Das dürfte der Refrain verraten, der jedem Vers,

auch dem 'unanständigsten', angefugt ist. Wir haben ihn offenbar gespro¬

chen zu denken - nicht von den Partnern der Unterhaltung, sondem - vom

Dichter selbst, der damit immer wieder zum Ausdmck bringen will, daß er

die Erhabenheit Indras nicht etwa, auch nur fiir einen Augenblick, vergißt

oder vergessen kann.

Warum hat er aber diese Burleske überhaupt gedichtet, und wde kommt

sie in den RV?

Die Richtung, in der die Beantwortung dieser Fragen zu suchen ist, weist

uns eine zunächst unscheinbare Äußerlichkeit. In dem Abschnitt des RV, in

dem unser Gedicht erscheint, sind die Lieder nach absteigender Verszahl

angeordnet. Nun zählt RV 10.85: 47 Verse, 10.86, unser Gedicht: 23

Verse, RV 10. 87 aber: 25 Verse. Die Reihenfolge ist also gestört, wir

erwarten die Gedichte in der Folge: 10.85, 10.87 und dann erst 10.86.

Wenn der Redaktor diese Liedfolge geändert hat, könnte das den Gmnd

haben, daß 10.85 und 10.86 inhaltlich so eng zusammengehören, daß er sie

nicht auseinander reißen wollte.

RV 10.85 ist eine Sammlung all der Verse, die bei der Hochzeit, begin¬

nend mit der Werbung und endend mit dem Einzug der Braut in ihr neues

Heim, teils vom Priester, teils vom Vater der Braut, und teils vom Bräuti¬

gams usw. aufgesagt wurden. Auch unsere Burleske müßte bei irgendeiner

Gelegenheit der Hochzeit aufgesagt sein. Welche Gelegenheit könnte das

sein?

Die Frage stellen heißt eigentlich schon: sie beantworten. Mehrfach

bezeugt^" für das alte Indien ist die Gepflogenheit, daß nach dem Einzug

der Braut der junge Ehemann zwar mit ihr im gleichen Gemach schläft, sie

aber zunächst nicht berühren darf. Die Sitte begegnet übrigens auch in

Europa, es handelt sich hier mn die sogenannten „Tobias-Nächte".

Das Motiv der Sitte scheint mir, abweichend von Winternitz: Hoch¬

zeitsrituell, S. 88, gar nicht so schwer erkennbar: es ist die Furcht vor bösen

Geistem. Die Defloration, die das Eheleben einleitet, ist eine Befleckung.

Und jede Befleckung ist ein Tor, durch das böse Geister eintreten können.

Indem man zunächst mehrere Nächte in Keuschheit nebeneinander schläft,

täuscht man die bösen Geister, die eben „dumme Teufel" sind. Sie ver¬

schwinden, weil sie sich (allzu rasch) in der Erwartung, hier ein „Tor" zu

finden, getäuscht sehen.

Bezeugt ist uns auch die Sitte, daß Zeugen im Brautgemach anwesend

sind, die sicherstellen, daß der Bräutigam sich nicht doch etwa vergißt. Sie

erleichtern ihm seine Auflage, indem sie ihn durch allerlei Scherze zum

Lachen bringen. Denn Lachen enterotisiert. Die Braut aber wdrd dadurch

aufgelockert und ermutigt, ihre ihr streng anerzogene, allzugroße Scham-

haftigkeit aufzugeben.

Ap.G.S. 8.8 usw. Siehe M. Wintebnitz: Das altindische Hochzeitsrituell

(Denkschriften, Akademie der Wissenschaften Wien, Phü. Hist. Kl. Bd 40, 1892),

S. 86 flf.

(9)

So sind in der ersten Nacht nach der Hochzeit von 6iva und Pärvati, wie

Kahdäsa es im Kumärasambhava (7.95) schildert, Freundinnen der Braut,

aber auch die Begleiter des Siva anwesend. Diese schneiden Gesichter und

bringen dadurch die Braut zmn Lachen (diesen Gesichtspunkt stellt Käli¬

däsa in den Vordergrund):

Die Gauri (Pärvati), die geschmückt war mit bräutlicher Schamhaftig-

keit,

die ihr Gesicht entzog, wenn er es heftig zu sich zu wenden trachtete,

die auch ihren ihr Lager teilenden Freundinnen kaum zu antworten ver¬

mochte,

brachte der [höchste] HERR (Siva) durch die Grimassen seiner Beglei¬

ter ziun heimlichen Lachen.

Das Vr^äkapi-Gedicht ist also verfaßt, um in der ersten Nacht, die die

Eheleute miteinander, aber in Keuschheit, verbringen, aufgesagt - mögli¬

cherweise: aufgeführt - zu werden.

Es hat aber wohl nicht nur den Sinn, zum Lachen zu bringen. Nach ver¬

breitetem Glauben haben unanständige Ausdrücke, die zu den Ohren einer

Frau kommen, jedenfalls bei gewissen Gelegenheiten, die Wirkung, ihre

Fruchtbarkeit zu steigern. Daher bis heute die Sitte, beim indischen Holi-

Fest, der indischen Frühlingsfeier, Frauen auf der Straße Unflätiges zuzu¬

rufen. Bei der Hochzeit können auch im heutigem Indien Obszönitäten eine

wichtige Rolle spielen^'. Damit erklärt sich denn auch die Derbheit der

Vr§äkapi-Burleske. Der Dichter hat mit bemerkenswertem - mir scheint:

bewunderungswürdigem - Takt die magisch notwendigen Obszönitäten

Affen in den Mund gelegt^^.

^' Wichtige Nachweise bei Durga Bhagwat: The riddle in Indian life . . . Bom¬

bay 1965, S. 57 ff.; J. C. Oman: Cults, Customs and Superstitions of India. London 1908, S. 273 (quoted by D. Bhagwat: o.e. 85 f.). Ich verdanke diesen Hinweis der Freundlichkeit von Frau Dr. C. Kiehnle. - Zu beachten ist, daß auch, und gerade,

Frauen am Vortrag von Obszönitäten teUnehmen; daß diese Obszönitäten aber

nicht extemporiert, sondern rezitiert werden (Oman I.e.): sie können der/den Vor¬

tragenden selbst also nicht angelastet werden. „Ich kann nichts dafür, die

Geschichte geht so", habe ich selbst gelegentlich einer dörflichen FamUienfeier in ähnhcher Situation gehört.

Auch die unanständigen Verse 16 und 17 sind natürlich vom Affen gesprochen zu denken:

16. „Nicht der ist Herr [im Haus, bei Indra nämlich], zwischen dessen Schenkeln ein Penis hängt (das heißt: der Marm) ; d e r ist Herr, dessen Behaartes auseinander¬

klafft, wenn er sich [im Schneidersitz] hingesetzt hat (das heißt: die Frau)."

Über allem erhaben ist Indra!

Eine Frau, die „Herr ün Hause ist", die, wie wir sagen: „die Hosen anhat", wird

vom Sprecher als grammatisches Maskulinum behandelt.

17. „Nicht d e r ist Herr [in meinem, des Affen, Haus] , dessen Behaartes auseinan¬

derklafft, wenn er sich hingesetzt hat, der ist Herr, zwischen dessen Scheiüseln ein Penis hängt."

Uber allem erhaben ist Indra!

Zum Ausdruck ydsya romasäm ni^edüso vijfmbhate vgl. Jätaka 526, gäthä 13 (mit Kommentar) (ed. FausboU V 197, 14 ff.). In diesem Zusammenhang sind die „Unan-

(10)

In ihrer eigenthchen Absicht stellt demnach die Burleske einen Frucht¬

barkeitszauber dar. Das wird bestätigt durch den letzten Vers des Liedes,

der mit der Handlung der Burleske gar nichts zu tun hat:

23. Eine Nachkommin des Manu (also: 'eine Menschenfrau') -

eine parsu- wahrlich mit Namen! - hat zwanzig auf einmal

geboren. Glückhaftes ist ihr wahrlich(?) geschehen, deren

Bauch [während der Schwangerschaft] litt.

Uber allem erhaben ist Indra!

Ein wunderbarer, als wahr unterstellter Ausnahmefall wird hier

beschworen. Es handelt sich um eine saccakiriyä^^, wie die Buddhisten auf

Pali sagen, in der Form eines 'Legendenzaubers'^". Der Burleske, die durch

die himmlischen Teilnehmer eine religiöse Würde erhält, die durch den

Refrain immer wieder zum Bewußtsein gebracht wird, ist ein Zauberspruch

angehängt, der ihr nur durch diesen Refrain, der zu ihm nicht paßt, ganz

äußerlich verbunden wird, ihr in Wahrheit aber nur insofern parallel läuft,

als er das gleiche Ziel verfolgt, Verleihung von Fruchtbarkeit: dvir baddham

subaddharfi bhavati.

Eine Schwierigkeit bietet noch der Ausdruck parsu-. parsu- ist ja das

gewöhiüiche Wort für „Rippe", und so hat es wohl auch an unserer SteUe

der Autor von TB 3.2.2.2. verstanden^^ Aber „Rippe" wiW im Zusammen¬

hang gar lücht passen. An eine Analogie zu dem keineswegs naheliegenden

Einfall von Genesis 2.21 f. kann doch überhaupt rücht gedacht werden: die

Vorstellung von der Erschaffung der Frau aus einer Rippe des Maimes

wäre zudem hier ganz fehl am Platz.

E. Benveniste^' hat im Khotansakischen einpä'sa „Schwein", das zu

lat. porcus, lit. parSas, dtsch. Ferkel gehören wird, nachgewiesen und

K. Hoffmann ein *pardsa- (geschrieben pdrdsa-) „Ferkel" im Awestischen

aufgespürt^'.

Nun stehen mehrfach in den idg. Sprachen neben alten o-Stämmen

solche auf M-: lat. ianos : ianus, lat. mergus (o-Stamm) : Sanskrit madgu-,

lat. fagus (o-Stamm) : fagütum, Sanskrit varäha : Varähu- (Name eines

Dämonen), bhalla- „Bär" : bhallüka (dass.). Ohne weiteres anreihen ließe

sich awestisch *pardsa- : vedisch parsu- „junges Schwein"^*.

ständigkeiten" des Verses erzählerisch gerechtfertigt durch die Schamfreiheit - nicht von Tieren, sondern - des völlig unschuldigen Knaben, der ihn spricht.

" Ausfuhrlich über diese Vorstellung H. Lüders: Varuna I (1951) 15ff.

Thieme: Agastya und Lopämudrä. In: ZDMG 113, S. 69 ff.

Siehe Oldenberg: Noten zu 10.86.23.

" BSL 45 (1944), S. 74 ff.

" Aufsätze zur Indoiranistik 2 (1976), S. 491 ff.

Nicht unmöglich scheint die Vermutung, daß der Dichter, um die Feminität eines *parsa- „Jungschwein" herauszubringen, in Analogie zu svasrits, vadhus ein - auch smCsüs „Mutterschwein" reimendes - *parsüs gebUdet hat, das von der Überlie¬

ferung zu bekaimtem pdrsus „Rippe" stimmendem pdrsus geändert worden wäre.

Solche falschen Harmonisierungen begegnen ja auch sonst. Es sei z. B. erinnert an durchgehend überliefertes chärdis-, das des öfteren chddis- zu lesen ist, wie das

Metrum zeigt: Thieme, Language 31 (1955), S. 443 f.

(11)

Die Menschenfrau, die „zwanzig auf einmal gebar", wird also als eine

„parsu- wahrlich mit Namen", das heißt „ein wahres [junges Mut¬

ter-] Schwein" bezeichnet, hn Blickpunkt steht, und zwar ausschließlich,

die auffällige Fruchtbarkeit des Schweins. Sie ist es auch, die bei der

gewöhnlichen idg. Benennung des Schweins: *süs „Gebärerin" Pate gestan¬

den hat. Die im Abendland verbreitete Vorstellung vom „Glücksschwein"

ist gewiß erwachsen in einer Zeit, da auch bei uns, wie im alten Indien,

Reichtum an Nachkommenschaft als „glückhaft" {bhadra-) galt, als man

noch gar nicht daran denken konnte, „die etwas reichliche Nachkommen¬

schaft einer Frau zu verspotten", wie es Oldenberg {Noten) der Aussage

unseres Verses, fragend allerdings, unterstellt.

(12)

RAMA DER RECHTSCHAFFENE

Zur Entwicklung eines Epos

Von J. L. Brockington, Edinburgh

Ungefähr seit dem letzten Jahrhundert diskutiert man über den

Ursprung und die Wichtigkeit der Rämasage, und hat allerlei verschiedene

Darstellungen vorgebracht. Einig ist man sich darüber, daß die ersten und

letzten Bücher spätere Anhänge sind. Man ist auch zur Erkenntnis gekom¬

men, daß das ursprüngliche Gedicht, das im zweiten bis sechsten Buch ent¬

halten ist, jahrhundertelang Neuerungen und Zusätze bekommen hat.

Unser Verständnis für die verwendeten Techniken und unsere Interpreta¬

tion der Informationen über viele Seiten der indischen Kultur, die das Epos

erkennen läßt, stützen sich jedoch auf eine genaue Kenntnis und Datierung

der aufeinanderfolgenden Entwicklungsstufen. In meinem Buch, das dem¬

nächst erscheinen soll', gehe ich von einer Analyse des Textes selbst aus.

Eine statistische Untersuchung der sprachlichen und stilistischen Merk¬

male jedes sarga läßt uns diese Stufen genau wahmehmen. Mit der Auswei¬

tung des Textes sieht man auch die Entwicklung Rämas vom Vorbild des

pflichtgetreuen Sohnes und Prinzen durch die Verkörpemng des dharma

bis zur letzten Stufe der Identifiziemng als avatära Visnus.

Die erste Stufe des Werkes Välmikis (d. h. der Kern in den Büchern zwei

bis sechs) kann man am schwierigsten datieren^. Das Fehlen von etwas

dem Epos Ähnlichen in der vedischen Literatur schließt eindeutig aus, daß

man die beiden Epen einem sehr frühen Datum im ersten Jahrtausend vor

Christus zuschreibt. Die Sprache läßt andererseits darauf schließen, daß

das Rämäyana nicht viel jünger als die vedische Literatur ist. Überall

scheint die Sprache derjenigen der späteren Brähmanas und Sütras ähnlich,

wie sie auch in enger Beziehung zu den ältesten Teilen des Mahäbhärata

steht. Sie ist im Vergleich mit der Beschreibung Päninis etwas einfacher;

mehrere Eigentümlichkeiten, die in den Brähmanas fehlen, fehlen auch

hier; die Arten der Nominalkomposition stellen aber einen kleinen Sprach¬

fortschritt im Vergleich mit den ältesten Upanisads dar. Wir brauchen nicht

an ein späteres Datum denken, da die epische Sprache aufder Hofsprache

bemht, und nicht auf der veralteteren Brähmanensprache. Sogar eine

bestimmte Neuemng der Formung des pseudo-desiderativischen Adjectivs

(zum Beispiel vaktukäma), die bei Pänini unbekannt ist, wird von Kätya

"yana gelehrt. Die größere Gleichförmigkeit der Sprache (und auch des

Metrums) des Rämäyana deutet wahrscheinlich an, daß das Datum seines

Urspmngs ein wenig später als dasjeniges des Mahäbhärata ist, und recht¬

fertigt auch die traditionelle Annahme, daß das Rämäyana von einem ein-

zelenen Dichter verfaßt wurde.

Man kann auch bemerken, daß, während das Mahäbhärata sich auf

Kumksetra konzentriert, das Rämäyana doch in seinem politischen Hinter-

' Righteous Räma: the Evolution of an Epic, Oxford University Press, Delhi, 1984.

^ Siehe die beiliegende Tafel der Entwicklungsstufen am Ende dieses Beitrags.

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