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Akuttherapie der Depression

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Academic year: 2022

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H A L I D B A S

«Wir haben bewusst den Namen Be- handlungsempfehlungen gewählt und nicht Leitlinien, da dieser Begriff in der Schweiz als zu einengend im Sinne von Richtlinien empfunden wird», stellte Frau Professor Edith Holsboer-Trachsler von den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel einleitend klar.

Das in Kürze zu publizierende Doku- ment «Die somatische Behandlung der unipolaren depressiven Störungen» soll als Entscheidungshilfe verstanden wer- den und ist Ergebnis langjähriger Dis- kussionen über Sinn und Zweck einer solchen Wegleitung sowie Frucht einer bemerkenswerten Zusammenarbeit in der Schweiz tätiger Experten. Diese haben sich für die «Schweizer Behand- lungsempfehlungen 2010» auf die Inter- nationalen Leitlinien der World Federa- tion of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP) 2008 und die Nationale Ver- sorgungsleitlinie (S3) der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychothe - rapie und Nervenheilkunde (DGPPN) 2009 gestützt. Die Arbeitsgruppe nahm jedoch eine eigene Einschätzung der

Evidenzlage (anhand der gängigen Evidenzgrade A bis E) vor, achtete auf ethische Verpflichtung und klinische Relevanz sowie auf die praktische An- wendbarkeit der Empfehlungen, ebenso wie auf Patientenpräferenz und Umsetz- barkeit, wie Frau Professor Holsboer- Trachsler betonte. Medikamente, die in der Schweiz gar nicht zugelassen sind, wurden nicht berücksichtigt.

Heute liegen den somatisch orientierten Behandlungsempfehlungen die Modell-

vorstellungen des seinerzeit bahnbre- chenden US-amerikanischen Psychia- ters David J. Kupfer zugrunde, die für depressive Störungen umschriebene Therapieziele zur Modifikation des Ver- laufs vorgeben (Abbildung 1).

Psychosoziale und berufliche Funktion wiederherstellen

In der akuten Behandlungsphase einer Depression ist das Erreichen einer Re- mission das Therapieziel. «Zur Remission gehört ausdrücklich auch die Wiederher- stellung der psychosozialen bezie hungs - weise beruflichen Funktion und nicht nur eine psychopathologische Besserung», be- tonte die Referentin. Mittelfristige Ziele sind die Elimination von Residualsym - ptomen, die Rehabilitation auf das frü- here Niveau und die Rückfallverhütung.

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ARS MEDICI 21 2010

Akuttherapie der Depression

Neue schweizerische Behandlungsempfehlungen

Die Schweizerische Gesellschaft für Angst und Depression (SGAD) hat zusammen mit der Schweizerischen Gesellschaft für Biologische Psych iatrie (SGBP) und in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) erstmals Behandlungsempfehlungen zur Akut- und Langzeittherapie der Depression herausgegeben. Hier werden die für die Praxis wichtigen Entscheidungshilfen zur Akuttherapie vorgestellt.

1stSwiss Forum for Mood and Anxiety Disorders (SFMAD)

26. August 2010 in Zürich

Gesundheit

Symptome

Syndrom

Krankheit

Behandlungsabschnitte Akuttherapie (6—12 Wochen)

Erhaltungstherapie (4—9 Monate)

Prophylaktische Therapie (ab 1 Jahr) Remission

Vollständige stabile Remission

Rückfall Rezidiv

3—6 Monate Monate/Jahre Therapeutisches

Ansprechen En

twick lung

de r Krankh

eit

Abbildung 1: Modell des typischen Verlaufs einer depressiven Störung und deren Behandlung (modifiziert nach Kupfer 1991)

(2)

Zur umfassenden Depressionsbehand- lung gehört als langfristiges Ziel die Pro- phylaxe erneuter depressiver Episoden (Abbildung 1).

Bei der Wahl der geeigneten Behand- lungsalternative soll man sich nach der Schwere der Symptome, dem Erkran- kungsverlauf sowie der Patientenpräfe- renz richten. Die Behandlungsempfeh- lungen nennen vier primäre Strategien:

■ aktiv-abwartende Begleitung

■ Medikamente

■ Psychotherapie

■ Kombination von Pharmako- und Psychotherapie.

In der Akutbehandlung ist zwischen einer leichten sowie einer mittelgradig oder schweren depressiven Episode zu unterscheiden (Abbildung 2).

Vorgehen bei leichter depressiver Episode

Bei einer leichten depressiven Erkran- kung ist die aktiv-abwartende Beglei-

tung (watchful waiting) ausdrücklich als Option erwähnt. Bei Verschlech - terung sollte aber spätestens nach 14 Tagen eine spezifische Therapie be- gonnen werden. Diese kann medika- mentös oder psychotherapeutisch sein.

«Diese Empfehlung trägt der Tatsache Rechnung, dass es bei leichten Depres- sionen für eine Überlegenheit der Phar- mako- über die Psychotherapie keine Evidenz gibt», sagte Frau Professor Holsboer. «Bei leichten Depressionen scheinen Medikamente häufig nicht zu wirken», so die Referentin. «Sehr wich- tig ist in jedem Fall die Aufklärung und Psychoedukation, um die Patientin oder den Patienten als Partner auf dem weite- ren Weg zu gewinnen.»

Zur Erstbehandlung bei leichten Depres- sionen werden Antidepressiva nicht ge- nerell empfohlen, denn es hat eine indi- viduelle Abwägung zwischen Nutzen und Risiken zu erfolgen. Beim Einsatz von Antidepressiva ist dem Wunsch oder der Präferenz des Patienten Rech-

nung zu tragen. Für Antidepressiva sprechen positive Erfahrungen des Pa- tienten mit gutem Ansprechen in der Vergangenheit, das Fortbestehen von Symptomen nach anderen Interventio- nen sowie mittelgradige oder schwere depressive Episode(n) in der Vorge- schichte. «Die Psychotherapie ist bei leichter und mittelschwerer Episode ein angemessenes Angebot», präzisierte die Basler Psychiaterin. Unter den geeigne- ten Psychotherapien erwähnte sie die kognitive Verhaltenstherapie, die inter- personelle Psychotherapie sowie psy- chodynamische Kurztherapien.

Vorgehen bei mittelgradiger und schwerer depressiver Episode

Bei akuter mittelgradiger depressiver Episode soll ein Antidepressivum ange- boten werden. Eine Psychotherapie ist aber eine Alternative (Abbildung 2). Dem- gegenüber ist bei der akuten schwe ren Depression eine Kombinationsbehand- lung aus Psycho- und Pharmakotherapie A K U T T H E R A P I E D E R D E P R E S S I O N

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Psychotherapie ODER

Pharmakotherapie Monitoring (1×/W.)

klinische Wirkungsprüfung nach 3—4 Wochen

Fortsetzen der Therapie

Therapieanpassung/

Ergänzung (Augmentation)

Monitoring alle 2—4 Wochen Ab dem 3. Monat > 4 Wochen

Monitoring alle 1—2 Wochen Wirkungsprüfung nach 3—4 Wochen Leichte Depression?

Aufklärung/Psychoedukation

Partizipative Entscheidung

Aktiv abwartende Begleitung (14 Tage)

Anhaltende/verschlechterte Symptomatik?

Besserung > 50% Besserung < 50%

Psychotherapie ODER/UND Pharmakotherapie Mittelgradige/schwere Depression?

Aufklärung/Psychoedukation

Partizipative Entscheidung Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja Ja

Abbildung 2: Algorithmus zur Therapie depressiver Störungen in den Schweizer Behandlungsempfehlungen 2010

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das empfehlenswerte Vorgehen. Bei psy- chotischer Depression soll in jedem Fall eine medikamentöse Behandlung erfol- gen.

Die neuen Behandlungsempfehlungen halten bemerkenswerterweise fest, dass bei leichten und mittelgradigen Episo- den bei Beachtung der spezifischen Ne- benwirkungen und Interaktionen ein erster Therapieversuch mit einem Jo- hanniskrautpräparat unternommen wer - den kann.

Auch bei der Auswahl von anderen Antidepressiva ist den individuellen Aspekten Rechung zu tragen. So haben trizyklische Antidepressiva (TZA) und neue Antidepressiva (neue AD) unter- schiedliche Nebenwirkungsprofile. Bei den TZA ist wegen der geringen Über- dosierungssicherheit (Suizid) Vorsicht geboten. Anhaltspunkte ergeben sich aus der früheren Wirksamkeit und Ver- träglichkeit eines Präparats. Auch die in- dividuelle Erfahrung des Arztes mit ein- zelnen Antidepressiva spielt eine Rolle.

Schliesslich sind Komorbiditäten sowie höheres Alter, begleitende Zwangsstö- rung und Komedikationen und Patien-

tenpräferenzen (individuelle Gewich- tung von Wirkung und Nebenwirkun- gen) wichtig.

Kein adäquates Ansprechen auf Pharmakotherapie: wie weiter?

«Beim Hausarzt darf bei 60 bis 80 Pro- zent der Patienten mit einer Remission oder Response gerechnet werden, beim Psychiater, der die schwereren Fälle sieht, bei 40 bis 60 Prozent», stellte Frau Professor Holsboer-Trachsler fest. Eine ungenügende Therapieantwort ergibt sich insgesamt bei 30 bis 50 Prozent der Patienten, ist also ein häufiges Ereignis.

Gründe für ein Nichtansprechen auf die medikamentöse Behandlung sind:

■ falsche oder unvollständige Diagnose

■ übersehene Komorbiditäten

■ nicht adäquate Durchführung der Therapie

■ Complianceprobleme

■ Interaktionen, Pharmakogenetik.

Rund 10 Prozent der Kaukasier metabo- lisieren das Cyp2D6-Enzym «schlecht»

oder «exzessiv». In einer Studie mit Fluoxetin zeigte sich beispielsweise, dass

nach 6-wöchiger Nonresponse 41 Pro- zent der Nonresponder nach 12 Wochen dennoch remittierten. Auch für Sertralin ist ein verzögerter Eintritt der erwünsch - ten Wirkung in einer Studie dokumen- tiert worden.

Ein Wechsel des Antidepressivums ist in mehr als der Hälfte der Fälle bei Thera- pieresistenz hilfreich (Evidenzgrad B).

«Demgegenüber gibt es wenig Evidenz bezüglich der Wahl des zweiten Antide- pressivums», stellte die Referentin fest.

Für die Wirksamkeit einer Kombina - tionstherapie gibt es keine überzeu- gende Evidenz (Grad C) und keine klini- schen Richtlinien.

Für die verschiedenen Augmentations- strategien (Abbildung 3) fanden die Au- toren der Behandlungsempfehlungen sehr gute Evidenz (Lithium, Atypika wie Olanzapin oder Aripiprazol, kognitive Verhaltenstherapie, serieller Schlafent- zug, Elektrokrampftherapie [EKT]: Grad A; Schilddrüsenhormone: Grad B). Halid Bas

Teil- oder kein Ansprechen auf eine 2- bis 4-wöchige Behandlung

mit einer antidepressiven Medikation in adäquater Dosierung

Optimierung der Behandlung (Dosiserhöhung)

Augmentationsstrategien 1. Wahl: Lithium

Andere: atypische Antipsychotika, Schilddrüsenhormon (T

3

)

Angemessene zusätzliche Psychotherapie zu jedem Zeitpunkt während der

Behandlung

Erwägen einer EKT zu jedem Zeitpunkt während der Behandlung

Wechsel zu einem neuen Antidepressivum einer anderen oder derselben pharmakologischen Klasse Kombination zweier

Antidepressiva verschiedener

Klassen

Abbildung 3: Therapeutische Möglichkeiten bei nur Teil- oder fehlendem Ansprechen auf die anfängliche Behandlung mit einem Antidepressivum EKT = Elektrokrampftherapie

Referenzen

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