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ARS MEDICI 62017

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ie Medizin ist – Gott sei dank» dem Fortschritt verpflichtet, und so kommt es, dass immer neuere und bessere Techniken und Medikamente alte Verfahren ablösen. Zum Beispiel in der Kardiologie, wo ausgeklügelte Devices wie die Stents die chirurgi- sche Bypassoperation in der Masse abgelöst haben, weil sie einfacher und sicherer sind. Bis es aber so weit war, vergingen viele Jahre.

Bei der Transkathether-Aortenklappenimplantation (TAVI) sind die Uhren wieder auf null gestellt. Auch hier ist der Fortschritt gross, am Tag nach dem Eingriff sind die Pa- tienten schon wieder auf den Beinen. Doch kommen nur solche Patienten in den Genuss einer TAVI, die ein hohes Operationsrisiko haben oder nicht operiert werden kön- nen (1). Alle anderen müssen diesen Eingriff aus eigener Tasche bezahlen oder sich einer chirurgischen Opera- tion unterziehen. Das hält die Nachfrage tief. Man fragt sich, wie viele folgekostenintensive chirurgische Klap- penersatzoperationen noch durchgeführt werden müs- sen, bis das neue Verfahren allen zugutekommen kann, die es nötig haben.

Auf den ersten Blick ist dies verwirrend, sollten doch wirksame, zweckmässige und wirtschaftliche Behand- lungen möglichst für alle zugänglich sein.

Ein weiteres Beispiel ist in der Diabetestherapie zu fin- den. Lange Zeit konnten Antidiabetika nur mikrovasku- läre Komplikationen wie Retinopathien, Nephropathien oder Neuropathien verhindern, bei makrovaskulären Komplikationen wie kardiovaskulären Ereignissen waren sie jedoch machtlos. Das hat sich seit der Einführung der SGLT-2-Hemmer und der GLP-1-Agonisten geändert.

Beide haben in Studien erstmals eine Mortalitätssen- kung gezeigt (2, 3). Das sind wirklich gute Nachrichten.

Denn auch hier können neben dem Leiden auch die enormen Folgekosten, die kardiovaskuläre Ereignisse mit sich bringen, vermieden werden. Ausserdem ver- meiden sie Hypoglykämien und führen zu Gewichtsver- lust (2, 3). Dennoch dürfen die beiden Substanzklassen nicht miteinander kombiniert werden, wenn eine Sub- stanz für die Erreichung der Blutzuckerzielwerte nicht ausreicht, was ja häufig ist. Dies nicht etwa aus pharma- kologischen Gründen, sondern weil es die Krankenkasse nicht übernimmt (4).

So muss der Vorteil, den die neuen, aber teuren Mittel bieten, durch die zwingende Kombination mit altbekann- ten Antidiabetika, die wieder dick machen oder zu Unter- zuckerungen führen können, wieder aufgegeben wer- den. Diabetiker, die Kombinationen brauchen, aber nicht scharf sind auf kardiovaskuläre Ereignisse, Gewichts - zunahme oder unangemeldete Hypoglykämien, müssen die bahnbrechende neue Therapiemöglichkeit selbst bezahlen. Auch dies unverständlich.

Fortschritt ist teuer. Doch ist dies ein ethisch vertret - barer Grund, dessen Errungenschaften nur zahlungs- kräftigen Patienten zu ermöglichen? Krankenkassen- technisch sind solche Limitationen eine Massnahme gegen die Mengenausweitung. Denn sonst käme ja jeder ... Doch sei die Frage erlaubt, wie viel denn ein - gespart würde, wenn «jeder» komplikationsärmere Therapien erhielte.

Valérie Herzog

1. Eidgenössisches Departement des Innern: Verordnung des EDI über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, Stand 1. März 2017.

2. Zinman B et al.: Empagliflozin, Cardiovascular Outcomes, and Mortality in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 2117–2128.

3. Marso SP et al.: Liraglutide and Cardiovascular Outcomes in Type 2 Diabetes.

N Engl J Med 2016; 375: 311–322.

4. Empfehlungen der SGED/SSED: Massnahmen zur Blutzuckerkontrolle bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2. http://sgedssed.ch/fileadmin/files/6_empfehlungen_

fachpersonen/61_richtlinien_fachaerzte/SGED_Empfehlung_BZ-Kontrolle_T2DM_

Finale_Version_12_korr_17.10.16.pdf. Letzter Zugriff: 16.3.2017.

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