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Perspektiven für Arbeit und Berufe

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Academic year: 2022

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Perspektiven für Arbeit und Berufe

Abschlussbericht der Workshop-Reihe „Perspektiven für

Arbeit und Berufe“ der Dialogplattform Einzelhandel

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Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Bundes ministeriums für Wirtschaft und Energie.

Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Nicht zulässig ist die Verteilung auf Wahlveranstaltungen und an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben von Informationen oder Werbemitteln.

Diese und weitere Broschüren erhalten Sie bei:

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Referat Öffentlichkeitsarbeit

E-Mail: publikationen@bundesregierung.de www.bmwi.de

Zentraler Bestellservice:

Telefon: 030 182722721 Bestellfax: 030 18102722721

Impressum

Herausgeber

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)

Öffentlichkeitsarbeit 11019 Berlin www.bmwi.de Redaktion:

IFH Institut für Handelsforschung GmbH, Köln Gestaltung und Produktion

PRpetuum GmbH, München Stand

Mai 2017 Bildnachweis

Thomas_EyeDesign/istockphoto (Titel); Susie Knoll (S. 3); kali9/iStock (S. 5); peshkova/Fotolia (S. 7); kadmy/

iStock (S. 9); warchi iStock (S. 10); Monkey Business Images/Shutterstock (S. 12); baona/iStock (S. 14); sde- coret/Fotolia (S. 15); sanjeri/iStock (S. 16); filadendron/

iStock (S. 18); Robert Kneschke/Fotolia (S. 25); Szepy/

iStock (S. 27); Wellnhofer Designs/Fotolia (S. 29);

andresr/iStock (S. 32)

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist mit dem audit berufundfamilie®

für seine familienfreundliche Personalpolitik ausgezeichnet worden. Das Zertifikat wird von der berufundfamilie gGmbH, einer Initiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, verliehen.

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Über die Dialogplattform Einzelhandel . . . .2

Grußwort . . . .3

Zusammenfassung . . . .4

AUSGANGSLAGE . . . .7

Personal als Schlüssel zum Erfolg im digitalen Zeitalter. . . .8

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN . . . .10

1. Gute Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Qualifizierungsmaßnahmen sicherstellen . . . .11

2. Neue, digitale Qualifizierungsmaßnahmen für das Personal im Handel entwickeln und umsetzen. . . .13

3. Format und Inhalt der Weiterbildung je nach Mitarbeitergruppe differenzieren . . . .16

4. Das Image des Handels im „Wettbewerb um Talente“ optimieren . . . .18

5. Mitarbeiterrekrutierung zielgruppenspezifisch, innovativ und individualisiert ausrichten. . . .20

6. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Empathie für Bedürfnisse langfristig binden. . . .23

7. Führungskräfte für die Mitarbeiterbindung qualifizieren . . . .25

8. Arbeitszeiten im (stationären) Handel laufend beobachten und justieren . . . .27

9. Arbeitszeitmodelle flexibel einsetzen . . . .29

10. (Neue) Formen der Arbeitszeitgestaltung ermöglichen. . . .32

Statement: ver .di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft . . . .34

Statement: Handelsverband Deutschland (HDE) . . . .36

Weiterführende Literatur . . . .37

Verweise . . . .39

Inhalt

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 2

Demografischer Wandel, geändertes Konsumentenverhalten, technolo- gische Neuerungen und Digitalisierung – die Strukturen des Einzelhandels verändern sich nachhaltig. Die Folgen spüren nicht nur die Händler, son- dern die gesamte Gesellschaft. Unsere Innenstädte drohen zu veröden, auf dem Land ist die Nahversorgung zunehmend gefährdet.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Anfang 2015 die Dialogplattform Einzelhandel ins Leben gerufen. In insgesamt 16 Workshops zu fünf Themenfeldern haben Exper- ten aus den vom Strukturwandel betroffenen Stakeholder-Gruppen

Lösungsansätze in Form von Schlüsselstrategien und Handlungsempfehlun- gen erarbeitet, und zwar für alle betroffenen Gruppen. Zu diesen Stakehol- dern gehören Unternehmen, Gewerkschaften, Verbände, Kammern, Städte und Gemeinden, Bund und Länder sowie Wissenschaftler. Im gemeinsa- men Dialog konnten so umfassende Erkenntnisse erarbeitet werden, die anschließend – im Sinne einer aktiven Wissensplattform – auf der Web seite der Dialogplattform veröffentlicht wurden. Neue Erkenntnisse und Einsich- ten und vorhandenes Wissen wurden auf diese Weise gebündelt.

Die Workshop-Reihe zum Themenfeld „Perspektiven für Arbeit und Berufe“ widmete sich gezielt den Anforderungen, die sich aus dem Feld Mitarbeiterrekrutierung und -bindung im digitalen Zeitalter ableiten lassen. Entsprechend wurden inhaltlich in drei abgegrenzten Workshops folgende Themenschwerpunkte behandelt:

1 . Neue Anforderungen an bestehendes Flächenpersonal:

Veränderungen der Arbeitswelt im stationären Handel, u. a. durch Digitali- sierung und Demographie; Konsequenzen für Arbeitsorganisation, Arbeits- platzgestaltung und Arbeitsinhalte

2 . Fachkräftesicherung

Strukturwandel und seine Auswirkungen auf die Fachkräftegewinnung und -sicherung, Anforderungen von Nachwuchsführungskräften an potenzielle Arbeitgeber, Attraktivität des Handels als Arbeitgeber 3 . Bindungswirkung von Arbeitszeitmodellen im Handel

Aktuelle Arbeitszeitmodelle im Handel, Attraktivität und Bindungsfähig- keit des Handels als Arbeitgeber für langfristige Beschäftigung, Umstruktu- rierung von Arbeitszeitmodellen

Mit der Umsetzung der Dialogplattform Einzelhandel hat das BMWi das Institut für Handelsforschung (IFH) Köln beauftragt. Das IFH Köln hat das Projekt analytisch begleitet und auf prozessualer und inhaltlicher Ebene koordiniert.

Die erarbeiteten Ergebnisse und Handlungsempfehlungen stellen dabei Expertenmeinungen der Teilnehmer dar, die nicht notwendigerweise die Position der Organisation darstellen, der sie angehören. Sie müssen auch nicht der Meinung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie entsprechen.

Über die Dialogplattform Einzelhandel

Zielsetzung, Struktur und Organisation

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Seit April 2015 haben sich ausgewählte Expertinnen und Experten im Rahmen der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ins Leben gerufenen Dialogplattform Einzelhandel mit den Zukunftsfragen der Bran- che befasst: Wie mache ich mein Unternehmen fit für die Digitalisierung?

Wie könnten die ersten Schritte ins Internet aussehen? Wie gewinne ich neue Mitarbeiter, und welcher Weiterbildungs- und Qualifizierungsbedarf besteht in der zunehmend digitalisierten Welt des Einzelhandels? Wie spreche ich digital vernetzte und vorinformierte Kunden in meinem Geschäft an?

Die befragten Expertinnen und Experten stammen aus Unternehmen, Ver- bänden, Kammern, Gewerkschaften, Bund, Ländern und Kommunen. Sie haben in sechzehn Workshops eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen und Lösungsansätzen erarbeitet, wie der Einzelhandel und die Politik dem Strukturwandel begegnen können.

Die Ergebnisse liegen jetzt vor. Sie sind thematisch geordnet und in einer Broschüre sowie in fünf Online-Berichten zusammengefasst. Letztere gibt es zu den Schwerpunktthemen „Digitalisierung und technologische Herausforderungen“, „Perspektiven für eine lebendige Stadt“, „Perspektiven für den ländlichen Raum“, „Perspektiven für Arbeit und Berufe“ und zur

„Wettbewerbspolitik“. Die Broschüre „Perspektiven für den Einzelhandel – Ergebnisse der Dialogplattform Einzelhandel“ gibt einen Gesamtüber- blick über die Herausforderungen im Einzelhandel und die erarbeiteten Lösungsansätze.

Mein Dank gilt all den Expertinnen und Experten, die aktiv in den Workshops der Dialogplattform Einzelhandel mitgear- beitet haben, sowie den Mitgliedern des Projektbeirats. Dank Ihres Engagements haben wir viele praxisnahe Ergebnisse zusammengetragen. Mein Wunsch ist, dass diese Anregungen von den einzelnen Adressaten in einem nächsten Schritt geprüft und als Anregung für eigenes Handeln verstanden werden. Wenn das geschieht, eröffnet die aktuelle Dynamik im Einzelhandel tatsächlich viele Chancen und neue Perspektiven.

Brigitte Zypries

Bundesministerin für Wirtschaft und Energie

Grußwort

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 4

Gute Rahmenbedingungen für Qualifizierungsmaßnahmen sicherstellen

Aufgrund des Strukturwandels im stationären Einzelhandel verändert sich der Arbeitsalltag von Mitarbeitern. Daraus resultiert die Notwendigkeit zur Qualifizierung des Personals, wobei eine erfolgreiche Umsetzung diverse Rahmenbedingungen verlangt: Zunächst ist ein ausreichendes Angebot an Weiterbildungsmaßnahmen sowie -förderungen bereitzustellen. Auf Unternehmensebene gilt es, durch die Stärkung einer geeigneten Unter- nehmenskultur die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter gezielt und bedarfsorientiert zu fördern. Dazu zählt auch die frühzeitige Einbindung von Betriebsräten sowie Vertriebsvertretern.

Neue, digitale Qualifizierungsmaßnahmen für das Personal im Handel entwickeln und umsetzen

Damit das Personal auch im digitalen Zeitalter ein relevantes Differenzie- rungsmerkmal und Erfolgsfaktor des stationären Einzelhandels bleiben kann, gilt es, Weiterbildungsmaßnahmen einzuleiten, die sowohl ein über- greifendes Verständnis und Bewusstsein für neue Prozesse und deren Zu- sammenhänge schaffen und gleichzeitig digitale Inhalte sowie die konkrete

Zusammenfassung

Erkenntnisse, Anforderungen und Lösungsansätze

Umsetzung auf der Fläche thematisieren. Besonderer Fokus sollte dabei auf die Themenfelder Vernetzung von Vertriebskanälen, Kunde im digitalen Zeitalter und digitaler Point of Sale (Ort des Verkaufs) gelegt werden.

Format und Inhalt der Weiterbildung je nach Mitarbeitergruppe differenzieren

Im Rahmen einzuleitender Qualifizierungsmaßnahmen ist zu empfehlen, zwischen verschiedenen Mitarbeitergruppen bzw. im Bestfall personenspe- zifisch zu differenzieren, welche Inhalte der Weiterbildung und welches Trainingsformat am geeignetsten sind, um dem Mitarbeiter gerecht zu werden sowie den Unternehmensbedarf zu decken. Grundsätzlich ist im Kontext der Mitarbeiter zwischen sogenannten Multiplikatoren wie etwa Führungskräften und Personalentwicklern und dem weiteren (Flächen-) Personal zu unterscheiden. Weiterführende Hinweise zu Formaten und Inhalte bieten Mitarbeitergespräche, Befragungen und interne Workshops.

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Das Image des Handels im „Wettbewerb um Talente“

optimieren

Bei der Fachkräftesicherung steht der Handel – wie auch andere Branchen – vor der Herausforderung, im „Kampf um Talente“ als attraktive Arbeit- geberbranche zu überzeugen, um der sinkenden Zahl an Auszubildenden entgegenzuwirken. Dafür sollten die Stärken des Handels gezielt kommu- niziert und ausgespielt werden, um gegenüber (jungen) Bewerbern eine verbesserte Außenwirkung zu erzielen. Eine besondere Rolle kommt dabei Handelsverbänden und Ausbildungseinrichtungen zu.

Mitarbeiterrekrutierung zielgruppenspezifisch, innovativ und individualisiert ausrichten

Im Zuge der Rekrutierung neuer Mitarbeiter ist eine aktive Zielgruppen- ansprache über verschiedene Kanäle und (soziale) Medien zu empfehlen.

Werden zufriedene Mitarbeiter als Botschafter für das eigene Unterneh- men eingesetzt, können Vorzüge als Arbeitgeber glaubwürdig vermittelt werden. Innovative Recruiting-Projekte und -Konzepte, die verstärkt auf Persönlichkeit und Emotionalisierung Wert legen, können darüber hinaus Erfolg versprechen. Von hoher Relevanz ist dabei der Einsatz von Social Media-Plattformen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Empathie für Bedürfnisse langfristig binden

Um bestehende Mitarbeiter erfolgreich und langfristig an das eigene Unter- nehmen zu binden, verlangt es, die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit des Personals zu kennen und die dafür notwendigen Rah- menbedingungen zu schaffen. Dabei ist darauf zu achten, dass sich Werte

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 6

und Normen je nach Mitarbeitergruppe und Generation unterscheiden können und daher mitunter individuelle Bindungsmaßnahmen nötig sind.

Führungskräfte für die Mitarbeiterbindung qualifizieren

Führungskräfte und ihr Verhalten nehmen erheblich Einfluss auf die Bin- dung von Mitarbeitern in Unternehmen. Entsprechend wichtig ist es, dass Führungskräfte bewusst die Rolle des Verantwortungs- und Vertrauensträ- gers annehmen sowie eine offene und konstruktive Feedbackkultur vorle- ben, die bilateralen Austausch ermöglicht. Aufgrund der hohen Relevanz des (richtigen) Führungsverhaltens ist ein regelmäßiges Weiterbildungsan- gebot im Management zu etablieren.

Arbeitszeiten im (stationären) Handel laufend beobachten und justieren

Der stationäre Einzelhandel steht vor der Herausforderung, sowohl den Kundenerwartungen an Ladenöffnungszeiten – u. a. unter Druck durch die

„Dauerverfügbarkeit“ Online-Handel – als auch dem Arbeitnehmerwunsch nach mehr Arbeitszeitflexibilität gerecht zu werden. Zudem kommt aus gesellschaftspolitischer Perspektive vermehrt die Forderung nach mehr vollzeitnahen Beschäftigungsverhältnissen auf. Vor diesem Hintergrund ist der kontinuierliche Dialog zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sicherzustellen, um die Anforderungen und Bedürfnisse beider Interessen- gruppen zu verstehen und nach gangbaren (individuellen) Lösungen zu suchen.

Arbeitszeitmodelle flexibel einsetzen

Verschiedene Mitarbeitergruppen zeigen unterschiedliche Beweggründe für eine Anpassung ihrer Arbeitszeit und grundsätzlich ist es auch im Inte- resse des Arbeitgebers diesen Wünschen im Sinne einer hohen Mitarbeiter- bindung Rechnung zu tragen. Dennoch muss eine verlässliche Personalver- fügbarkeit sowie -planung weiterhin gewährleistet sein. Arbeitszeitmodelle bieten eine Möglichkeit, Flexibilisierung für beide Parteien in einem best- möglichen Rahmen einzuräumen, jedoch stets nach Prüfung der fallspezi- fischen Umsetzbarkeit aus Mitarbeiter- und Unternehmensperspektive.

(Neue) Formen der Arbeitszeitgestaltung ermöglichen

Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und der (infolgedessen) eintre- tenden Veränderungen der Arbeitszeit-, aber auch Arbeitsplatzgestaltung, sind Anpassungen des Arbeitszeitrechts erforderlich. Gleichzeitig besteht das gemeinsame Ziel, notwendige Rahmenbedingungen für die Schaf- fung mehr vollzeitnaher Stellen zu etablieren – dazu zählt unter anderem der Ausbau der betrieblichen Kinderbetreuung, längere sowie flexiblere Kita-Öffnungszeiten, ein breiteres Angebot an Ganztagsschulen, aber auch die Forcierung der allgemeinen gesellschaftlichen Akzeptanz von Vollzeit- betreuung.

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AUSGANGSLAGE

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 8

Der Einzelhandel ist mit mehr als drei Millionen Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber Deutschlands.i Aufgrund des durch die Digitalisie- rung und Filialisierung bedingten Strukturwandels sowie der damit ver- bundenen komplexeren Kundenerwartung wandeln sich Anforderungen an die Mitarbeiter im stationären Handel zusehends: Schon heute haben 51 Prozent der größten deutschen Einzelhandelsunternehmen vertriebliche Mehrkanal-Konzepte (Multi-Channel) umgesetzt und von diesen bieten 80 Prozent auch Cross-Channel (=Vertriebskanäle verzahnende) Services

an.ii iii Um die anvisierte Verzahnung umsetzen zu können, muss insbeson-

dere das Personal auf der Fläche über Hintergründe und das entsprechende Prozesswissen verfügen. Hinzu kommt die notwendige Kenntnis bezüglich des Einsatzes digitaler Technologien am Point of Sale (PoS = Ort des Ver- kaufs). Zudem wird auch der Kunde selbst immer digitaler und betritt mit einem im Internet generierten Informationsvorsprung das Ladengeschäft.

Das Verkaufspersonal muss daher in der Lage sein, diesem Wissen auf Augenhöhe zu begegnen.

Der Wettbewerb um Talente spitzt sich weiter zu

Mit Blick auf die Anforderungen im digitalen Zeitalter ist neben der Weiter- bildung und Bindung des bestehenden Personals für alle Unternehmens- arten und -größen entscheidend, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Die

Personal als Schlüssel zum Erfolg im digitalen Zeitalter

Strukturwandel verändert Anforderungen im Einzelhandel

Rekrutierung von qualifiziertem Personal gestaltet sich jedoch zunehmend schwierig: Laut einer Händlerbefragung des ECC Köln sind bereits etwa 60 Prozent der stationären Handelsunternehmen akut vom Fachkräfte- mangel betroffen bzw. rechnen in naher Zukunft mit Engpässen.iv Als einer der Gründe wird das Image der Handelsbranche angeführt. Der Handel wird von Bewerbern oft wenig positiv wahrgenommen: Im Rahmen einer aktuellen Studentenbefragung geben lediglich 3 Prozent an, eine Karriere im Handel anzustreben.v

Zudem kämpft der Handel aufgrund des hohen Anteils an Arbeitnehmern in Teilzeit oder geringfügiger Beschäftigung oft mit dem Vorurteil, lediglich als „Zuverdienerbranche“ wahrgenommen zu werden.

Zukunftsfähigkeit unterstützt durch neue Arbeitszeitmodelle und Interessenvertretungen

Die neuen Perspektiven für Arbeit und Berufe durch die digitale Transfor- mation stellen auch den stationären Handel vor grundlegende Herausfor- derungen: Zum einen muss das (Flächen-)Personal sich intensiv Qualifizie- rungsmaßnahmen unterziehen, um den gestiegenen Kundenansprüchen nach wie vor gerecht zu werden. Zum anderen sind auch Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels in der Pflicht, Möglichkeiten der Mitarbeiter-

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rekrutierung sowie -bindung neu zu überdenken, um im Wettbewerb zu überzeugen. In diesem Zuge bahnen sich auch neue Arbeitszeitmodelle den Weg und müssen – wo möglich – integriert werden.

Um die Zukunftsfähigkeit, aber auch die Beratungs- und Servicequalität als Erfolgsfaktor des stationären Handels, im digitalen Zeitalter zu erhalten, sind verschiedenste Akteure gefordert: Allen voran die Händler, die sich den Herausforderungen stellen müssen. Verbände und Kammern fungieren als Ansprechpartner und Repräsentanten der Branche und stellen Infor- mationen sowie beratende Unterstützungsmaßnahmen bereit. Gleichzeitig vertreten sie als Sprachrohr die Interessen gegenüber der Politik. Bund, Länder und Kommunen schaffen die notwendigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche (digitale) Zukunft des Handels.

Im Folgenden werden Lösungsansätze für die wichtigsten Handlungsfelder und aktuellen Herausforderungen, die im Rahmen der Workshop-Reihe

„Perspektiven für Arbeit und Berufe“ der Dialogplattform Einzelhandel dis- kutiert wurden, aufgezeigt. Dabei werden insbesondere Handlungsempfeh- lungen, die vom Strukturwandel betroffen sind, beleuchtet.

„Die digitale Transformation hat längst alle Branchen erfasst. Unternehmen benötigen Mitarbeiter, die diesen Wandel gestalten können.“

Dr. Bernhard Rohleder, Bitkom-Hauptgeschäftsführer

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HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

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Der verschärfte Wettbewerbsdruck, in dem sich der stationäre Handel wie- derfindet, erfordert mehr denn je, dass sich Unternehmen über ihr Perso- nal am Markt und in den Augen potenzieller Bewerber differenzieren. Um daher Mitarbeiter für das digitale Zeitalter zu rüsten, sind grundsätzliche Rahmenbedingungen gefordert, die eine erfolgreiche Umsetzung von not- wendigen Qualifizierungsmaßnahmen gewährleisten.

Umfangreiches Angebot an Weiterbildungsmaßnahmen schaffen

Um Weiterbildungsangebote in Anspruch nehmen zu können, sind zunächst Entwicklung sowie Vermittlung entsprechender Maßnah- men durch Institutionen wie Bildungseinrichtungen, Industrie- und Handelskammern, Handelsverbände oder Interessenvertretungen der Mitarbeiter zu erwirken. Gerade grundsätzliche, übergeordnete Inhalte, etwa im Bereich Multi-Channel- oder Cross-Channel-Vertrieb, kön- nen durch entsprechende externe Institutionen gelehrt werden, wäh- rend unternehmensspezifische Inhalte durch die Handelsunternehmen selber in Angriff genommen und direkt am Arbeitsplatz vermittelt werden sollen. Einen umfassenden Überblick über aktuelle Weiterbil- dungsmöglichkeiten im Handel finden sich auf der Weiterbildungs- datenbank der Zentralstelle für Berufsbildung im Handel e. V. (zbb;

http://www.weiterbildungsdatenbank-handel.de/). Verbände und Kam-

mern unterstützen, indem sie Händler und Mitarbeiter über vorhandene Weiterbildungsformate informieren und zum Teil auch selbst Schulungen und Seminare initiieren.

(Öffentliche) Fördermittel zu Weiterbildungszwecken bereitstellen

Aktuell stellen Bund und Länder bereits unterschiedliche Formen der För- derung – teilweise gesetzlich verankert oder auch in Programmform – zur Verfügung. So bietet etwa die Weiterbildungsinitiative WeGebAU (Weiter- bildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen) der Bundesagentur für Arbeit gezielt Subventionen zur För- derung der beruflichen Qualifizierung von Geringqualifizierten sowie älte- ren Arbeitnehmern an. Das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG), das sogenannte „Meister-BAföG“, unterstützt Fachkräfte mit finanziellen Mitteln bei ihrer beruflichen Entwicklung. Ergänzend zu solchen Förder- programmen für Unternehmen und Mitarbeiter bieten Verbände und Kammern Unterstützung, indem sie Unternehmen und Mitglieder über die verschiedenen Optionen informieren sowie bei der Inanspruchnahme von Förderungen beraten. In diesem Kontext kann auch auf das Programm

„Bildungsprämie“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung verwiesen werden.

1. Gute Rahmenbedingungen für die Umsetzung von

Qualifizierungsmaßnahmen sicherstellen

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 12

Gute Rahmenbedingungen auf Unternehmensebene schaffen

Es ist eine Unternehmenskultur gefordert, welche die Beschäftigung mit digitalen Themen ermöglicht: Auf allen Führungs- und Mitarbeiterebenen sollte der digitale Wandel als natürliche und wegweisende Entwicklung vorgelebt sowie erlebt werden, sodass die Qualifizierung in diesem The- menfeld als selbstverständliche Konsequenz und Chance wahrgenommen wird. Werden für implementierte Neuerungen im Geschäftsablauf, wie z. B.

neue Vertriebskanäle oder Cross-Channel-Services, von Anfang an kon- krete Multiplikatoren im Unternehmen definiert, können diese sowohl als Treiber der Umsetzung als auch als Coach für andere Mitarbeiter fungieren.

Zudem empfiehlt es sich bei der Einführung neuer Prozesse und Techno- logien bereits in einem frühen Stadium Betriebsrat sowie Betriebsvertreter in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. So lassen sich Akzeptanz und Ausrichtung der Neuerung von Beginn an zielorientiert entwickeln und etwaige Probleme in einer Frühphase gemeinsam lösen.

Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass Weiterbildungsmaßnahmen sich sowohl am unternehmerischen als auch am individuellen Bedarf orientie- ren. Gerade vor dem Hintergrund verschiedener Beschäftigungsformate wie Teilzeit, Vollzeit sowie geringfügiger Beschäftigung kann es herausfor- dernd sein, allen Mitarbeitern gleichermaßen Zugang zu Qualifizierungs- maßnahmen zu ermöglichen. Eine erfolgreiche Umsetzung, unter Berück- sichtigung unterschiedlicher Arbeitszeiten und Anstellungsarten sowie der Sicherstellung der Personalverfügbarkeit auf der Fläche, erfordert eine vorausschauende Planung seitens der Personalabteilung und der Unter- nehmensführung. Neben den unterschiedlichen Mitarbeiterzielgruppen müssen für einen hohen Wirkungsgrad geplante Maßnahmen der Quali- fizierung auch auf Unternehmensziel sowie Geschäftsmodell ausgerichtet sein.

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Die Berufsbilder des stationären Einzelhandels verändern sich mit dem kontinuierlichen Umsatzzugewinn des Online-Handels vor allem im Bereich neuartiger Multi- und Cross-Channel-Konzepte. Dies zeigt sich am Point of Sale selbst sowie in den zunehmend fordernden Erwartungen der Kunden. Insbesondere für das langjährig zugehörige Personal auf der Fläche erfordert dies Weiterbildungsmaßnahmen, um sich den neuen Gegebenheiten anpassen zu können.

Bewusstsein für Relevanz der Digitalisierung im Einzelhandel stärken

Bevor konkrete Inhalte und Umsetzungen vermittelt werden, muss beim Personal in allen Abteilungsbereichen eine grundsätzlich positive Einstel- lung gegenüber der Digitalisierung im Einzelhandel gegeben sein. Nur wenn die Belegschaft nachvollziehen kann, dass die Arbeit mit digitalen Themen für einen erfolgreichen Handel der Zukunft entscheidend ist, entsteht die notwendige Bereitschaft zur Umsetzung. Dabei ist deutlich herauszustellen, dass der Schritt in die Digitalisierung nicht nur in der IT verankert ist, sondern als strategische Entscheidung das ganze Unterneh- men und somit alle Abteilungen und alle Mitarbeiter betrifft. Möglich- keiten, dieses Bewusstsein in Unternehmen zu etablieren, bieten Vorträge und Workshops durch Experten, die Darstellung von erfolgreichen Pra- xisbeispielen sowie der allgemeine Austausch mit anderen Händlern und

2. Neue, digitale Qualifizierungsmaßnahmen für das Personal im Handel entwickeln und umsetzen

Interessengruppen auf Kongressen, Tagungen und Veranstaltungen. Im Unternehmen selbst muss die digitale Strategie von der Managementebene ausgehend klar vorgelebt und kommuniziert werden, um die entspre- chende Relevanz herauszustellen und die Mitarbeiter sprichwörtlich mit- zunehmen.

Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich „Multi-Channel“

Um Mitarbeiter für den Umgang mit Multi-Channel-Konzepten zu schulen, ist es zunächst wichtig, sie mit dem Online-Handel vertraut zu machen.

Dabei ist es entscheidend, die Mitarbeiter dafür zu sensibilisieren, dass das Internet respektive der Online-Handel nicht als Konkurrenz zum bestehen- den Geschäftsmodell gesehen werden darf, sondern auch für den stationä- ren Vertrieb Potenziale und Chancen bereithält. Im Rahmen von Grundla- genschulungen zum Online-Handel wird auch die Kundensicht auf diesen Vertriebskanal fokussiert, um Möglichkeiten des Mehrumsatzes, aber auch die Erschließung potenzieller neuer Kundengruppen zu erarbeiten.

Neben der strategischen Auseinandersetzung mit dem Online-Shop ist es für die Belegschaft entscheidend, die grundlegende Funktionsweise von Shops und die Verzahnung mit weiteren Vertriebskanälen allgemein und auf Prozessebene zu verstehen. Nur mit geschultem Wissen ist es dem (Flächen-)Personal dann möglich, den Online-Shop aktiv in der Interaktion

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 14

mit Kunden einzubinden. Durch Verkaufstraining am Beispiel konkreter Situationen (z. B. anhand von Ausverkaufsszenarien oder des kanalüber- greifenden Preisvergleichs durch Kunden) erfahren Mitarbeiter, wie sie unter Einbindung des Online-Shops Mehrumsatz und Kundenzufrieden- heit erzielen können.

Ebenso ist das große Potenzial und der Kundennutzen von Cross-Channel Services wie online einsehbare Verfügbarkeitsangaben von Produkten im Geschäft oder Click&Collect-Services (= online reservieren und stationär abholen) zu thematisieren. Mitarbeiter sollten die Funktionsweise und Vor- teile jeweiliger Lösungen kennen, um sie in den täglichen Beratungs- und Verkaufsprozess zu integrieren. Neben dem Flächenpersonal sind auch Mitarbeiter in Call Centern stärker zu Cross-Channel Services zu schulen, da sich dort Kunden melden, die Probleme mit entsprechenden Services hatten. Neben filialisierten Händlern sollten auch Franchise- und Verbund- systeme dafür Sorge tragen, dass Mitarbeiter wissen, wie Cross-Channel Services systematisch in Warenwirtschaft, Abrechnung, Lagerbestände und weitere Schnittstellen eingebettet sind.

Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich „Digitaler Kunde“

Grundlagenschulungen zum digitalen Kunden vermitteln ein Verständnis dafür, wie sich diese Kundengruppe im Informations- und Kaufprozess verhält und welche Ansprüche und Bedürfnisse an den (stationären) Han- del damit einhergehen. Dabei kann innerhalb der Gruppe der digital ver- sierten Kunden noch einmal zwischen verschiedenen Kundensegmenten, beispielsweise anhand des Alters oder Typologien unterschieden werden. Je nach Kundenpräferenz, z. B. in puncto Rolle von Internet und Smartphone im Kaufprozess, müssen Verkäufer im Beratungsgespräch den Kunden unterschiedlich ansprechen und fallspezifisch unterschiedlich auf Kunden eingehen. Wichtig ist, dass der Verkäufer selbst über genügend Digitalkom-

petenz sowie Produktwissen verfügt, um informierten Kunden auf Augen- höhe und vertrauensbildend zu begegnen. Auf Ebene des Produktwissens wird neben der klassischen Warenkunde auch vermehrt die Nachfrage nach einer erweiterten Warenkunde durch den Kunden laut, z. B. in Bezug auf Aspekte der Umwelt sowie der Nachhaltigkeit.

Aufgrund der Vorabrecherche im Internet besteht eine viel höhere Trans- parenz, auf die auch der stationäre Handel reagieren muss: Kunden kennen mittlerweile verschiedenste Wege, sich online über Produkte und Preise vorab zu informieren und betreten das Ladengeschäft daher oftmals mit

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einer klaren Erwartungshaltung. Das Verkaufspersonal ist entsprechend dahingehend zu schulen, wie die unternehmenseigene Strategie in Bezug auf Onlinepreise aussieht und welcher Verhandlungsspielraum im Rahmen von Preisverhandlungen besteht. Vor allem gilt es Argumentationslinien zu erarbeiten, um Kunden auch ohne Rabatte vom Kauf zu überzeugen – etwa über Services oder den Markenwert des Händlers.

Qualifizierungsmaßen im Bereich „Digitaler Point of Sale“

Auch der Verkaufsort selbst wird vermehrt digital und das Flächenperso- nal muss für den Einsatz diverser technischer Hilfsmittel beim Verkauf, z. B. Tablets, Smartphones oder Digital Signage (digitale Stelen), geschult werden. Mitarbeiter sollten ausdrücklich informiert werden, dass genutzte Geräte lediglich eine verkaufsfördernde Funktion einnehmen und Bera- tung nicht ersetzen. Für eine natürliche Integration in den Verkaufsprozess sollten Vorteile sowie konkrete Einsatzmöglichkeiten (bezogen auf Ware oder Situation) praxisnah durchgespielt werden. Praktische Übungen von Anwendungsfällen dienen sowohl dazu, Mitarbeiter mit der Funktions- weise vertraut zu machen als auch konkrete Potenziale aufzuzeigen.

Neben dem Einsatz für den Verkauf kommt technischen Hilfsmitteln im Zusammenhang mit Warenwirtschaft- und Produktinformationssyste- men eine zunehmende Bedeutung zu. Ist sich das Flächenpersonal über die Funktionsweise und das Ineinandergreifen der verschiedenen Systeme bewusst, können diese sowohl im Sinne der Kundenorientierung, aber auch zur gewinnbringenden Anreicherung weiterer Daten aus anderen Vertriebskanälen mehrwertgenerierend genutzt werden.

Weitere digitale Lösungen können im Kassenbereich integriert sein, etwa in Form von Selbstbedienungskassen oder über mobile Bezahlterminals.

Das Personal steht nicht nur vor der Aufgabe, die Funktionsweise der inno- vativen Services zu kennen, sondern diese auch in das Angebot vorhande- ner Zahlungsweisen zu integrieren. Dabei gilt es, die neuen Optionen und deren Mehrwert gegenüber Kunden absatzfördernd zu kommunizieren.

Typische Nutzungsbarrieren und Fehlerquellen sind aus Unternehmens- sicht zu analysieren, um sie gezielt abzubauen und Kunden bei der Anwen- dung zu unterstützen. Damit neue Systeme erfolgreich etabliert werden, ist zu empfehlen insbesondere das Verkaufspersonal in den Prozess zu invol- vieren.

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 16

Grundsätzlich ist im Fall von Qualifizierungsmaßnahmen individuell und bedarfsorientiert zu entscheiden, für welchen Mitarbeiter bzw. welche Mit- arbeitergruppe welche Weiterbildungsinhalte in welchem Format geeig- net und notwendig sind. Da diese fallspezifische Herangehensweise nicht immer umsetzbar ist, gibt es jedoch einige grundlegende Empfehlungen, die bei der Planung berücksichtigt werden können.

Externe Weiterbildung von Multiplikatoren

Zunächst empfiehlt es sich, die Qualifizierung sogenannter Multiplikatoren in Unternehmen vorzunehmen. Zu dieser Personalgruppe zählen unter anderem Führungskräfte, Ausbilder oder auch Personalentwickler. Die Schulung sollte im Idealfall durch Externe mit Praxiserfahrung bei anderen Unternehmen erfolgen, z. B. professionelle Trainer, Bildungseinrichtungen, Forschungsinstitute oder Anbieter der eingesetzten Technologien bzw.

Software-Lösungen, die Gegenstand der Weiterbildung sind. Für die Quali- fizierung der Multiplikatoren ist ein persönliches Training empfehlenswert, aber aufgrund von begrenzten zeitlichen Ressourcen – gerade beim Füh- rungspersonal – können alternativ auch zeit- und ortflexible Formate wie E-Learning oder Webinare gewählt werden.

3. Format und Inhalt der Weiterbildung je nach

Mitarbeitergruppe differenzieren

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Sind Multiplikatoren umfangreich qualifiziert, sind diese nach den soge- nannten Train-the-Trainer-Programmen in der Lage, das Wissen in die Belegschaft zu tragen. Dieser kaskadenartige Wissenstransfer innerhalb von Unternehmen empfiehlt sich, da es grundsätzliche Aufgabe der Füh- rungsebene ist, Mitarbeiter vom Transformationsprozess zu begeistern und zu motivieren sowie für den angestrebten Wandel Verantwortung zu übernehmen. Außerdem ist es internen Experten eher möglich, die eigene Unternehmensstrategie im Schulungsprozess zu berücksichtigen und so praxisrelevante Anwendungsbeispiele zu integrieren.

Flächenpersonal durch Multiplikatoren schulen

Sofern eine Schulung des „tages-operativen“ Flächenpersonals (z. B. Ver- kauf, Kasse, Visual Merchandiser) nicht durch die internen Multiplikatoren möglich ist, können auch externe, auf die jeweilige Zielgruppe spezialisierte, Trainer eingesetzt werden. Bei der Qualifizierung der Flächenmitarbeiter ist darauf zu achten, dass sich die Maßnahmen eng an der Zielgruppe und ihren Aufgaben orientiert. Des Weiteren muss im Rahmen der Qualifizie- rung stets der Nutzen für Mitarbeiter und Unternehmen im Vordergrund stehen – technische Details und Funktionalitäten sind demnach beispiels- weise nur in einer Detailtiefe zu thematisieren, die als notwendig angese- hen wird. Auch für das Flächenpersonal gilt das persönliche Training als

Format der Wahl. Insbesondere im Falle von Verkaufsmitarbeitern sollte bereits in einer frühen Phase der Weiterbildung auf praktische Anwen- dungsmöglichkeiten vor Ort Wert gelegt werden. Während Grundlagen- schulungen für nahezu alle Mitarbeitergruppen relevant sind, können konkrete technische Anwendungen, spezifische Warenkunde oder einzelne Services mitunter nur für bestimmte Mitarbeitergruppen bedeutsam sein.

Bei höherer Relevanz sollte folglich das persönliche Schulungsformat gewählt werden, während bei der übrigen Belegschaft auch auf E-Learning oder Kombinationen von unterschiedlichen Methoden (sogenanntes „Blen- ded Learning“) zurückgegriffen werden kann.

Eine Mitarbeitergruppe, die im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen besondere Beachtung erhalten sollte, ist die der geringfügig Beschäftigten, die laut Statistik immerhin rund ein Drittel der Belegschaft im Einzelhan- del ausmachen.vi Ziel sollte es sein, auch für geringfügig Beschäftigte ein Weiterbildungsformat zu finden, das eine hohe Relevanz für die auszufüh- rende Tätigkeit sowie die persönliche Fortbildung aufweist, sodass Bereit- schaft und Motivation zur Teilnahme – trotz geringerer Präsenzzeit am Arbeitsplatz – gewährleistet sind.

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 18

Um Nachwuchskräfte für die Branche gewinnen und binden zu können, gilt es die derzeitigen Rahmenbedingungen zu verbessern, die den (statio- nären) Handel als Branche für Bewerber in keinem allzu guten Licht dar- stellen. Dazu zählen ein vergleichsweise geringes Entgeltniveau, ein hohes Aufkommen an Teilzeitstellen, aber auch ein insgesamt negatives Image.

Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer im Einzelhandel verbessern

Letztlich ist eine verbesserte Außenwirkung der Branche nur durch das Zusammenwirken von Arbeitgebern und Gewerkschaften möglich, die gemeinschaftlich bessere Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer schaf- fen. Bereits in der Ausbildung sind Schwerpunkte wie Digitalisierung, Wirtschaft, Medien und IT-Kompetenz in den Unterricht zu integrieren, um vor allem für die jüngere Zielgruppe einen Zugang zum Handel zu erwirken. Außerdem kann eine Erweiterung des Angebots von berufsbe- gleitenden Verbundstudiengängen als zielführend erachtet werden. Auf Unternehmens ebene sollten Bewerbern und Mitarbeitern von Anfang an Perspektiven aufgezeigt werden, die eine Karriere im Einzelhandel attrak- tiv machen – angefangen mit der Übernahme nach der Ausbildung in ein wünschenswert unbefristetes Arbeitsverhältnis sowie möglichen Entwick- lungswegen im Rahmen der Berufslaufbahn.

4. Das Image des Handels im „Wettbewerb um Talente“

optimieren

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Gezielte Personalmarketingmaßnahmen zur Imageförderung einsetzen

Die aktive Teilnahme an Wettbewerben und die Bewerbung um Auszeich- nungen (z. B. „Deutschlands Beste Arbeitgeber“ oder „Top Jobs“) wirkt eben- falls unterstützend, um das Image des Handels zu stärken und Vorteile der Branche bzw. des eigenen Unternehmens herauszustellen. Für gezieltere Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität sind zunächst die unterschiedlichen eigenen Bewerberzielgruppen strukturiert zu erfassen:

Basierend auf den Bedürfnissen und Erwartungen können dann ent- sprechende öffentlichkeitswirksame Marketingmaßnahmen geplant und eingeleitet werden. Neben guten Karrierechancen und spannenden sowie abwechslungsreichen Arbeitsinhalten, sollten dabei auch vermehrt soziale Stärken in den Fokus gerückt werden: Bewerber wünschen sich ein gutes Betriebsklima mit der Möglichkeit, eigene Ideen und Werte einzubringen.

Vor diesem Hintergrund wird auch der Aspekt der Nachhaltigkeit immer relevanter, der z. B. von einem führenden Handelsunternehmen im Droge- rieumfeld durch den Einbezug von Nachhaltigkeitsprojekten in die Ausbil- dung aufgegriffen und gelebt wird.vii In diesem Kontext sei erwähnt, dass der Handelsverband Deutschland (HDE) als Dachverband des Einzelhan- dels in Deutschland bereits erste Imagekampagnen angestoßen hat.

Das Handwerk zeigt wie es geht

Der Deutscher Handwerkskammertag (DHKT) e. V. zeigt, wie sich eine Branche im „Kampf um Talente“ humorvoll und bewerbernah positio- nieren kann: Werbeplakate mit Ansagen wie „Ich schneide keine Haare.

Ich rette dein nächstes Date“ sprechen gezielt junge Bewerber an, um sie für eine Beschäftigung im Handwerk zu gewinnen. Der einminütige Spot „Der Weg des Meisters“ wird unter anderem sogar im Kino-Werbe- programm vor Hollywoodverfilmungen gezeigt, um die breite Zielgruppe (häufig junger) Kinogänger auf die Handwerksbranche sowie ihre Pers- pektiven (z. B. Meisterausbildung) aufmerksam zu machen.viii Stimmen zur Relevanz des Handwerks von prominenten Persönlichkeiten wie Günther Netzer oder Angela Merkel auf der Internetseite des DHKT e. V. runden den Imageauftritt mit Botschaften bekannter Persönlichkeiten ab.

aus der Praxis

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 20

Wer Personal gewinnen möchte, muss seine Zielgruppe verstehen und gezielt ansprechen. Dabei gilt es, den Fokus neben klassischen Rekrutie- rungskanälen auch verstärkt auf digitale und innovative Maßnahmen zu lenken, welche eher der Lebenswelt junger Bewerber entsprechen.

Die (erweiterte) eigene Zielgruppe kennen

Ein grundsätzliches Verständnis für Normen, Werte und Verhaltensweisen der eigenen (Bewerber-) Zielgruppe ist für Rekrutierungsbestrebungen unumgänglich. Einen ersten Anhaltspunkt kann die Betrachtung der ver- schiedenen Generationen liefern (Babyboomer, Generation X, Generation Y und Generation Z), die sich (pauschal) anhand ihrer jeweiligen Einstel-

5. Mitarbeiterrekrutierung zielgruppenspezifisch, innovativ und individualisiert ausrichten

lungen und Ansichten unterscheiden. Diese Differenzierung sollte in der Zielgruppenansprache Berücksichtigung finden.ix

Unternehmen ist zusätzlich anzuraten, auf aktuelle Studien und Infor- mationsquellen zurückzugreifen, die einen Überblick über die aktuelle Stimmungslage am Bewerbermarkt geben und Rekrutierungstrends tiefer beleuchten (z. B. Studienreihen wie die Absolventenstudie von Kienbaum oder Fachkraft 2020 von Constata). Dennoch ist der alleinige Fokus auf eine junge Zielgruppe unzureichend: Die Integration von Bewerbern und Auszubildenden aus der Altersklasse 50+ sowie die Berücksichtigung von Branchenfremden, Studienabbrechern und Personen mit „ungeradem Lebenslauf“ kann ebenso erfolgversprechend sein. Der erweiterte Ziel- gruppenfokus ist nicht nur aus Gründen der Chance auf gesellschaftliche Teilhabe wichtig und fördert das Arbeitgeberimage, sondern begründet sich aus einer Nachhaltigkeitsperspektive heraus: Bei diesen Zielgruppen ist allgemein von einem längeren Verbleib in der Branche bzw. im Unterneh- men auszugehen. Programme wie die „Perspektive 50 Plus“, die von 2005 bis 2015 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert wurde, und deren Ziel es war, älteren Personen wieder bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt einzuräumen, müssen von Bund und Ländern vermehrt ins Leben gerufen und gefördert werden.

Kriterien Babyboomer Generation X Generation Y Generation Z Geburtsjahr ca. 1950 – 1965 ca. 1965 – 1980 ca. 1980 – 1995 ab ca. 1990/95

Geräte nutzung

+ + - +

Grund-

einstellung Idealismus Skeptizimus Optimismus Realismus Einstellung

Beruf/Privat Beruf wichtig Privat wichtig Beruf-Privat- Vereinigung

Beruf-Privat- Separation

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Social Media zu Rekrutierungszwecken nutzen

Klassische Rekrutierungswege wie die Unternehmenswebsite oder (Online-)Stellenportale bleiben für die Positionierung im Markt wichtig, da sie für viele Interessenten nach wie vor den primären Weg darstellen, um sich über vakante Stellen zu informieren. Daneben wird, gerade bei der jüngeren Zielgruppe, verstärkt der Einsatz von Social Media-Kanälen

wichtig, um die Bewerber dort anzusprechen, wo sie sich im Alltag bewe- gen. Plattformen wie Facebook, YouTube oder Instagram werden von den meisten großen Unternehmen bereits für Marketingaktivitäten genutzt, sodass die Ressourcen für eine zusätzliche Rekrutierungslösung recht schnell aufgebracht sind. Kleinere Unternehmen, die weniger präsent im Bewusstsein der Zielgruppe verortet sind, können sich zunächst regionaler Jobportale bedienen und über Formate wie „Arbeitskreise Social Media“

anhand von Praxisbeispielen nach möglichen Anknüpfungspunkten für Soziale Medien im eigenen Unternehmen suchen.x Grundsätzlich sollten Social Media-Rekrutierungsaktivitäten strategisch ausgerichtet sein – daher empfiehlt sich vor der Umsetzung ein schriftliches Regelwerk abzulegen, das die Nutzungsweise beschreibt, sowie klare Verantwortlichkeiten festzu- legen.

Persönlichkeit als Erfolgsfaktor in der Mitarbeitergewinnung

Die Nutzung von Social Media-Kanälen zu Rekrutierungszwecken erhält nicht nur aufgrund des innovativen Charakters Zuspruch, sondern auch weil sie die bilaterale Kommunikation zwischen Unternehmen und Bewer- ber erlaubt: Interessenten können ihre Fragen direkt an Mitarbeiter im Unternehmen stellen und finden (mehr oder minder) unmittelbar Gehör.

Praxisbeispiele wie Whatsapp@Daimler verdeutlichen, wie der Austausch umgesetzt werden kann: Ein Mitarbeiter berichtet über den Nachrichten- dienst von seinem Arbeitsalltag, schickt Fotos und beantwortet Fragen – so entsteht ein authentischer Einblick in das Unternehmen und transparenter Dialog wird gefördert.xi Ein weiterer Weg, bestehende Mitarbeiter für die Neugewinnung von Personal einzusetzen, sind Mitarbeiter als Botschafter:

Zufriedene Mitarbeiter sind ein Überzeugung schaffender Ansatz im Perso- nalmarketing, da sie Vorzüge des Arbeitgebers glaubwürdig aus Arbeitneh- merperspektive transportieren. Auch hierbei können Social Media-Kanäle Treffen zahlenbasierter Entscheidungen

bei Witt

Die Witt-Gruppe als Textilversandhändler stand vor der Herausforderung, junge Mitarbeiter mit Digitalkompetenz zu rekrutieren, um den Wandel zu einem E-Commerce-Unternehmen mit passendem Personal zu erwirken.

Daher wurde 2011 ein Controlling-Projekt initiiert, das seither eine effek- tive und effiziente Gestaltung des Rekrutierungsvorgangs ermöglicht: Ziel des Projektes war es, ausschließlich solche Kandidaten anzusprechen, für die das Unternehmen sowie der Standort auch attraktiv und somit eine erfolgreiche Anstellung wahrscheinlich war. Sämtliche Informationen zu bis dato erfolgreichen Anstellungen wurden zu diesem Zweck gesammelt bzw. über Telefonbefragungen nacherhoben und ausgewertet. Auf diesem Weg konnte festgestellt werden, dass rekrutiertes Personal vorab primär an einer von drei Hochschulen studiert und oftmals bereits ein Praktikum bei der Witt-Gruppe absolviert hatte. Des Weiteren wurden mindestens drei Schnittstellen sowie persönliche und virtuelle Kontakte zum Kandi- daten benötigt, um ihn für das Unternehmen zu gewinnen. Eine Konse- quenz aus den Analyseergebnissen war die Neuausrichtung des Praktikan- tenprogramms sowie die Einführung eines Talente-Pools, um bestehende Kontakte zu pflegen und gezielt reaktivieren zu können.

aus der Praxis

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 22

sowie die Unternehmenswebsite als Plattform für Botschaften dienen. Auf der Karrierewebsite des schwedischen Einrichtungskonzerns IKEA werden z. B. verschiedene Mitarbeiter anhand ihrer individuellen Laufbahn vorge- stellt – neben der grundlegenden Zufriedenheit der (langjährigen) Mitar- beiter wird der Fokus somit auch auf die vielfältigen unternehmensinter- nen Karrieremöglichkeiten gelegt. Jeder Mitarbeiter beschreibt zudem sein persönlich schönstes Erlebnis beim Unternehmen – eine Maßnahme, die Leser bzw. Bewerber emotional anzusprechen.

Neben dem emotionalen und individuellen Zugang über Onlinekanäle ist auch der persönliche Kontakt in der Mitarbeiterrekrutierung zu empfehlen.

Dafür bieten sich zunächst Praktika an, aber auch innovative Rekrutie- rungsprojekte, die das gegenseitige Kennenlernen von Unternehmen und potenziellen Arbeitnehmern ermöglichen. Die Umsetzung von gemein- nützigen Projekten zusammen mit Bewerbern kann ebenfalls genutzt werden, um authentische Einblicke in das Unternehmen und seine Werten zu vermitteln. Die Zusammenarbeit mit Schulen und Unternehmen ist wünschenswert (im besten Fall unter Einbezug des Branchenverbands), um potenziellen Arbeitnehmern die Arbeit im Handel direkt erlebbar zu machen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KMPG z. B. sucht den persön- lichen Kontakt mit möglichst vielen Interessenten, indem sie mit einigen Vertretern unterschiedlicher Karrierestufen zu (primär universitären) Ver- anstaltungen anreist und dort ein „Speed Dating-Konzept“ verfolgt: Stu- denten können sich in schneller Abfolge eine Zeit lang mit einem Wunsch- gesprächspartner austauschen. Der große Vorteil aus Bewerbersicht ist, dass das Format vergleichsweise ungezwungen ist, aber dennoch die Möglich- keit einer Soforteinstellung bereithält.xii

Rekrutierung über Emotionen

Das Kölner Start-up-Unternehmen 22 Connect profiliert sich durch eine Passlösung, die im Gegensatz zu herkömmlichen Jobbörsen nicht auf den Abgleich harter Fakten, wie Qualifikation oder Berufsjahre setzt, sondern auf „weichere“ Kriterien. Damit fokussiert das Unternehmen vor allem Absolventen und Berufseinsteiger, deren beruflicher Werdegang zum Zeitpunkt noch unklar ist und die daher durch andere Kompeten- zen punkten müssen. Auf Basis einer Selbsteinschätzung der Bewerber werden Persönlichkeitsprofile erstellt und diese dann in Kombination mit Wunschkriterien an den künftigen Arbeitgeber mit Erwartungen des Unternehmens an die Soft Skills eines Kandidaten abgeglichen.

Dieser Passungs-Algorithmus ist wissenschaftlich fundiert und wird um zusätzliche qualitative Faktoren wie Interessen, Motivationslage sowie gewünschte Arbeitssituation ergänzt. Die Schwerpunktsetzung dieser Lösung auf die individuelle Persönlichkeit des Kandidaten, kommt bei Bewerbern gut an und führt dazu, dass die Plattform aktuell bereits 130.000 Nutzer zählt.xiii Doch nicht nur für Bewerber ist das System inte- ressant – auch Unternehmen bieten sich neue Perspektiven und Möglich- keiten: Großunternehmen mit starker Arbeitgebermarke werden entlastet, da sie weniger Bewerbungen von Kandidaten erhalten, die sie nur auf- grund des Rufs auswählen und kleinere Unternehmen können sich über Vorzüge wie kurze Entscheidungswege und abwechslungsreiche Aufgaben gegenüber potenziellen Bewerbern positionieren.

aus der Praxis

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Es gilt nicht nur, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen – sondern diese auch langfristig zu binden. Dafür ist ein tiefes Verständnis der Anforderun- gen und Wünsche der Arbeitnehmer nötig, um die wesentlichen Einfluss- faktoren der Mitarbeiterzufriedenheit kennen und steuern zu können.

Kenntnisse über die Grundbedürfnisse der Mitarbeiter

Wie schon bei der Mitarbeiterrekrutierung, sind auch im Rahmen der Mitarbeiterbindung unterschiedliche übergeordnete Werte und Normen je Zielgruppe zu beachten. Gerade junge Mitarbeiter bzw. Auszubildende haben besondere Erwartungen an Arbeitgeber: Grundsätzlich ist bekannt, dass es im Handel verstärkt zu Arbeitseinsätzen in den Abendstunden und am Wochenende kommt, aber dennoch ist Planungssicherheit und Verlässlichkeit im Hinblick auf Arbeitszeiten bestmöglich sicherzustellen.

Gleichzeitig ist jungen Mitarbeitern nach Möglichkeit Flexibilität in ihrer Arbeitszeitgestaltung einzuräumen, sodass private Aktivitäten mit dem Berufsleben vereinbar bleiben. Ebenfalls wichtig sind abwechslungsreiche Arbeitsinhalte. Eine aktive Feedbackkultur wird von jungen Menschen stark eingefordert und sollte entsprechend etabliert werden. Werden jun- gen Mitarbeitern von Beginn an transparent die Aufstiegs- und Karriere- möglichkeiten aufgezeigt, wirkt dies motivierend für den weiteren Ver- bleib. Auch das Aufzeigen möglicher Arbeitszeitmodelle in verschiedenen Lebensphasen trägt gemäß Experten zu einer langfristigen Arbeitnehmer- bindung bei. Insgesamt ist es für junge Arbeitnehmer nachweislich wichtig,

6. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Empathie für Bedürfnisse langfristig binden

sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren zu können und eine Zugehörig- keit im Unternehmen zu finden.

3M schafft Freiräume für Mitarbeiter und ihre Ideen

Beim Multitechnologiekonzern 3M können Mitarbeiter im Bereich For- schung und Entwicklung 15 Prozent ihrer Arbeitszeit für eigene Projekte nutzen – wenn sie ihren Vorgesetzten davon überzeugen. Dieser Ansatz erlaubt Mitarbeitern Entwicklungsfreiräume – und schafft im Bestfall sogar Innovationen: Beim Unternehmen sind daraus beispielsweise die selbstklebenden Haftnotizzettel als wichtiges Produkt hervorgegangen.xiv

aus der Praxis

Mitarbeiteranforderungen regelmäßig erfassen

Die Anforderungen, die Mitarbeiter an ihre Arbeit und das Unternehmen stellen, sind laufend zu prüfen. Es eignen sich dafür neben bewährten Inst- rumenten wie Mitarbeitergesprächen und Zufriedenheitsbefragungen auch weitere Ansätze: Zunächst gilt es Führungskräfte entsprechend zu schulen, dass sie Herausforderungen und Wünsche ihrer Mitarbeiter frühestmöglich erkennen und darauf eingehen können. Seminare oder auch Kongresse

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 24

bieten Trainings zu den nötigen Methoden und Kenntnissen an. Zusätzlich dienen gemeinschaftliche Aktivitäten außerhalb des Unternehmens (z. B.

Sprach- oder Sportkurse) dazu, einen persönlichen Zugang zu Mitarbeitern zu erhalten und mehr über sie sowie ihre Bedürfnisse zu erfahren. Nicht zuletzt kann ein systematisches Exit-Management ausscheidender Mitar- beiter dabei helfen, wesentliche Kündigungsgründe zu identifizieren und darauf aufbauend die Rahmenbedingungen für das bestehende Personal zu optimieren.

Einsatz konkreter Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung

Sind die Bedürfnisse der Belegschaft bekannt, können gezielte Maßnah- men zur Mitarbeiterbindung folgen. Zunächst sind Rahmenbedingungen, die dem Mitarbeiter geboten werden stets an dessen Lebensphase und die damit einhergehende, veränderte Anforderung anzupassen. Wird von Unternehmensseite die aktive Kommunikation gesucht, sobald sich der Mitarbeiter mit einer neuen Lebensphase konfrontiert sieht, können kon- krete Bleibeperspektiven aufgezeigt werden. Auch eine aktive Karrierepla- nung, basierend auf individuell aufgestellten Weiterbildungsmaßnahmen, ist eine wichtige Maßnahme zur Mitarbeiterbindung. Dabei ist darauf zu achten, dass die angestrebten Qualifikationen auch bedarfsorientiert auf den individuellen Mitarbeiter zugeschnitten sind und im Arbeitsalltag Anwendung finden – sonst sind weder für Arbeitgeber noch für Arbeitneh- mer Mehrwerte zu generieren. Außerdem ist sicherzustellen, dass alle Hie- rarchieebenen Zugang zu Weiterbildungen erhalten, um eine empfundene

„Zwei-Klassen-Gesellschaft“ im Unternehmen zu vermeiden. Der Einsatz von Anreizsystemen und Wettbewerben kann die Leistungsbereitschaft auf Abteilungs- sowie individueller Ebene fördern. Incentivierung in Form von Prämien, Provision oder Boni motiviert Mitarbeiter, fördert den Zusam-

menhalt im Team und unterstützt die Identifikation mit dem Unterneh- men insgesamt. Die Identifikation mit dem Unternehmen wird ebenfalls durch Marketingmaßnahmen erzielt, wobei externe Ansätze primär darauf ausgelegt sind, das Image des Unternehmens zu verbessern und interne Maßnahmen dagegen direkte Hebel der Mitarbeiterbindung darstellen.

Interne Inhalte können Erfolgsgeschichten einzelner Mitarbeiter, erfolg- reich abgeschlossene Projekte oder umgesetzte Verbesserungsvorschläge aus dem Mitarbeiterkreis sein. Grundsätzlich ist anzustreben, Mitarbeiter über Möglichkeiten der Mitbestimmung aktiv in die Entwicklung des Unternehmens mit einzubeziehen.

Gesundheitsmanagement bei Niederegger

Der Marzipanhersteller Niederreger in Lübeck setzt seit einigen Jahren auf sportliche Betätigung für Schichtarbeiter am Fließband. Büromitarbeitern steht dagegen ein auf allen Computern installiertes „Office Physio“-Pro- gramm zur Verfügung, das Online-Ausgleichsübungen zeigt und Rücken- schmerzen vorbeugen soll. Ebenfalls Bestandteil der Gesundheitsvorsorge sind regelmäßige Aktionstage zu den Themen Ernährung, Entspannung, Bewegung sowie ein ausgewogenes Kantinenessen. Das Programm, das auch Befragungen zur Mitarbeiterzufriedenheit und Patenschaften für neue Mitarbeiter umfasst, zahlt sich laut Unternehmensaussage aus: Die Mitarbeiter sind zufriedener, zeigen eine höhere Leistungsbereitschaft und das Unternehmen verzeichnet geringere Fluktuationsquoten.xv

aus der Praxis

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Führungskräfte leisten über ihre Rolle im Unternehmen einen wichtigen Beitrag zur Mitarbeiterbindung, da sie das Unternehmen gegenüber Mitar- beitern repräsentieren.

Entwicklung von Vorgesetzten zu Führungskräften

Um Mitarbeiter langfristig an Unternehmen zu binden, müssen Führungs- kräfte zunächst in die Rolle eines Verantwortungspartners hineinwachsen.

Das bedeutet, dass sie eine Vorbildfunktion einnehmen, aber auch Vertrau- ensträger darstellen, dem sich Mitarbeiter zuwenden können. Um diesem Profil gerecht zu werden, müssen Kompetenzen wie Begeisterungsfähig- keit, Ehrlichkeit, Authentizität sowie (Fach-)Autorität bestehen und ausge- baut werden.

Wesentlicher Bestandteil der Entwicklung zur Führungskraft ist die Erkenntnis, wie Mitarbeiter „richtig zu führen“ sind. Indem Mitarbeiterbin- dung direkt bei der Zielfestsetzung von Führungskräften Berücksichtigung findet, wird ihr von Beginn an eine hohe Bedeutung zugeschrieben. Leitfä- den und Seminare können dabei helfen, die eigenen Unternehmenswerte zu transportieren und zugänglich zu machen. In der Weiterbildung von Führungskräften ist daher stets auf eine Mischung aus fachlichen sowie persönlichkeitsbezogenen Qualifikationen zu achten. Vor allem vor dem Hintergrund zeitlicher Engpässe sind für Führungskräfte Trainingsformate wie E-Learning oder Webinare anzuraten, da diese mehr Flexibilität zulas- sen.

7. Führungskräfte für die Mitarbeiterbindung qualifizieren

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 26

„Für die Mitarbeiter ist die Führungskraft das Unternehmen.“

Jürgen Block, Leiter Kulturentwicklung OTTO und Berater für Unternehmenskultur

Eine Kommunikations- und Feedbackkultur etablieren

Ein guter Führungsstil beinhaltet ebenfalls den Einsatz von Lob, da er sowohl die Motivation als auch die langfristige Bindung der Mitarbeiter steigert. Daneben sind weitere Formen des Feedbacks einzubringen – stets geleitet vom Bestreben nach einer kontinuierlichen Verbesserung der Unternehmensprozesse. Wichtig ist, dass Feedback nicht nur einseitig, son- dern wechselseitig zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitern gegeben wird.

Instrumente, die dafür zum Einsatz kommen können, umfassen klassische Mitarbeiterbefragungen sowie ein 360-Grad-Feedback, das Führungskräfte aus der Perspektive verschiedenster Mitarbeiter beurteilen lässt.

Die adäquate Wahl des richtigen Kommunikationsformats ist essentiell:

Emotionale Themen sind vorrangig im persönlichen Gespräch zu klären, während sich für fachliche Rückmeldungen und organisatorische Frage- stellungen auch telefonische Abstimmung oder der E-Mail-Kontakt eignet.

Trotz permanenter digitaler Optionen und der damit einhergehenden zeitlichen und örtlichen Flexibilität sind Führungskräfte gut beraten, ihrer Umgebung und ihren Mitarbeitern mit situativer Aufmerksamkeit zu begegnen: Digitale Permanenz ersetzt gemäß Experten keine analoge Prä- senz.

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8. Arbeitszeiten im (stationären) Handel laufend beobachten und justieren

Der Einzelhandel findet im Wechselspiel zwischen Kunden, Arbeitnehmern und Arbeitgebern statt. Damit generiert sich auch eine gesellschaftspoliti- sche Perspektive. Sie betrifft vorrangig die unterschiedlichen Anforderun- gen an die Gestaltung der Arbeitszeiten, aber auch den angestrebten Aus- bau vollzeitnaher Beschäftigung im Einzelhandel. Um die Bedürfnisse aller Parteien zu identifizieren und bestmöglich abzudecken, gilt es den steten Dialog zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu fördern.

Erwartungen der Kunden an Ladenöffnungszeiten beachten

Aufgrund der stetig wachsenden Bedeutung des Online-Handels, steigen auch die Erwartungen der Kunden an eine „Dauererreichbarkeit“ stationä- rer Ladengeschäfte. Zwar ist eine Erweiterung der Ladenöffnungszeit auf 7x24h, wie sie im Internet vorherrscht, nicht realisierbar und auch nicht wirtschaftlich, dennoch bleiben die Abdeckung der Abendstunden und des Wochenendes für (berufstätige) Konsumenten wichtig, um Einkäufe außer- halb der eigenen Arbeitszeit zu erledigen. Eine hinreichende Personalprä- senz muss daher auch zu diesen – aus Perspektive der Mitarbeiter eher unattraktiven – Zeiten durch den Handel gewährleistet sein.

Bedürfnisse der Arbeitnehmer an Arbeitszeitgestaltung beachten

Auf Arbeitnehmerseite können verschiedene Bedürfnisse eine Überarbei- tung der Arbeitszeit erforderlich machen: So kann sowohl der Wunsch nach beruflicher Weiterbildung als auch ein langer Arbeitsweg die Reduzie- rung der bestehenden Arbeitszeit oder auch die Umlagerung auf weniger Wochentage begründen. Oftmals sind es konkrete familiäre Motive, die zu einem veränderten Arbeitszeitwunsch führen, z. B. die Familiengründung oder die Übernahme pflegerischer Leistungen in der Familie. Auch das Bedürfnis nach Ausweitung der bestehenden Arbeitszeit, beispielsweise im

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 28

Rahmen einer Rückkehr nach der Elternzeit in eine Vollzeitbeschäftigung, ist denkbar. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber nur im Dialog mit dem Arbeitnehmer – der unter Umständen selbst viele offene Fragen hat und nach Beratung und Unterstützung sucht – den individuellen Beweggrund erkennen und an einer praktikablen Lösung für beide Seiten arbeiten.

Machbarkeit der Arbeitszeitflexibilisierung und Arbeitgeberimage beachten

Die veränderten Arbeitszeitwünsche aufseiten der Mitarbeiter gehen mit großem Planungsaufwand einher: Wenn ein Mitarbeiter beispielsweise seine Arbeitszeit um zehn Wochenstunden kürzen möchte, liegt es am Unternehmen die freigewordenen Zeitfenster mit gleichermaßen qualifi- ziertem Personal zu besetzen, um Beratungs- und Servicequalität aufrecht zu erhalten. Handelt es sich um unattraktive Arbeitszeiten in den Abend- stunden und am Wochenende ist die Kompensation noch herausfordern- der und resultiert oftmals entweder in Überstunden bestehender Mitarbei- ter oder in befristeten Einstellungen von geringfügig Beschäftigten sowie Teilzeitkräften. Mit der Nutzung flexibler Beschäftigungsformen kann es Arbeitgebern im Handel gelingen, entstehende Personallücken zu schlie- ßen. Gleichzeitig werden diese Stellen aus gesellschaftspolitischer Perspek- tive heraus häufig als nicht vollwertig angesehen und sind Ursache für den Ruf der Handelsbranche als „Zuverdienerbranche“. Es gilt, diese oft pau- schalisierte Sicht zu revidieren: Die Vielzahl an Optionen für unterschiedli- che Mitarbeitergruppen mit unterschiedlichen Erwartungen allgemein und in puncto Arbeitszeitgestaltung sind intensiver zu kommunizieren. Ver- bände wie der Handelsverband Deutschland (HDE) haben bereits Kampag- nen gestartet, um die Vielfalt der Branche zu untermauern. Diese bedürfen jedoch eines Ausbaus und vor allem einer stärkeren Unterstützung durch die Einzelhandelsunternehmen selbst.

Auch sind im Kontext der Imagewahrnehmung individuelle Bedürfnisse von Bewerbern und des Personals zu erfassen und zu bedienen, um einer- seits eine erfolgreichere Fachkräftegewinnung sowie -sicherung zu errei- chen, aber auch um andererseits eine Steigerung der Kundenzufriedenheit und damit mittelbar eine Verbesserung des öffentlichen Arbeitgeberimages zu erwirken.

Unterscheidung verschiedener Mitarbeitergruppen ist erforderlich

Es ist bekannt, dass je nach persönlichem Hintergrund und Lebensphase des Mitarbeiters die Ansprüche an die Arbeitszeitgestaltung differieren.

Entsprechend stellt auch die Vollzeitbeschäftigung nicht für jeden Mitar- beiter die angestrebte Arbeitsform dar. So wechseln beispielsweise Frauen und Mütter, die ihre Ausbildung nicht im Einzelhandel absolviert haben, nach der Elternzeit bewusst in eine Teilzeitbeschäftigung im Handel, um den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu finden.

Aus Unternehmensperspektive unterscheiden sich Mitarbeiter nicht nur hinsichtlich ihrer privaten Veränderungen, sondern insbesondere auch vor ihrem betrieblichen Hintergrund. Kriterien, die dabei Beachtung finden, schließen etwa die Abteilung, in der der Arbeitnehmer tätig ist mit ein, den Standort der Filiale, aber auch ganz grundsätzlich die Branche, der das Unternehmen zuzuordnen ist. Je nachdem, ob es sich um ein familienge- führtes Unternehmen oder um einen filialisierten Konzern handelt, sind aus Arbeitgebersicht unterschiedliche Aspekte auf der Suche nach einer spezifischen Arbeitszeitlösung zu beachten. In kleinen Betrieben stellt es etwa eine größere Herausforderung dar, den Spezialisten einer bestimm- ten Abteilung zu ersetzen, während in einem großen Unternehmen häufig mehrere gleichwertig qualifizierte Mitarbeiter verfügbar sind, die gegebe- nenfalls auch abteilungsübergreifend eingesetzt werden können.

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9. Arbeitszeitmodelle flexibel einsetzen

Arbeitnehmer fordern verstärkt eine höhere Arbeitszeitsouveränität, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen. Oft liegt die Realisierung dieser Arbeitszeitwünsche auch im Interesse des Arbeitgebers, da diese ein effektives Instrument im Rahmen der Fachkräftesicherung sowie Personalbindung darstellt. Der Einsatz bestehender flexibler Arbeits- zeitmodelle kann für Unternehmen eine Lösung darstellen, um Mitarbei- terwünschen sowie betrieblichen Anforderungen nachzukommen.

Informationen zu bestehenden Arbeitszeitmodellen einholen

Verschiedene Ansätze der flexiblen Arbeitszeitgestaltung finden sich bereits bei (Handels-)Unternehmen und sind dort etabliert (z. B. Arbeitszeitkonten, Vertrauensarbeitszeit, Telearbeit). Letztlich liegt es gemäß Experten an den Unternehmen selbst, sich über das bestehende Angebot an Arbeitszeit- modellen zu erkundigen und die Passung zum eigenen Geschäftsmodell zu prüfen. Informationen diesbezüglich stellen verschiedene Institutionen, Initiativen und Organisationen bereit. Im Rahmen der Initiative Neue Qua- lität der Arbeit (INQA) wurde z. B. das Projekt „Zeitbüro FOM“ entwickelt, das als deutschlandweite Koordinations- und Anlaufstelle für komplexe Arbeitszeitproblematik fungiert und zentraler Ansprechpartner für Unter- nehmen, Beschäftigte oder Mitarbeitervertretungen sowie Multiplikatoren ist. Kammern und Verbände unterstützen, indem Mitglieder über solche Initiativen informiert sowie entsprechende Fachinformationen zusam- mengestellt und verbreitet werden.

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PERSPEKTIVEN FÜR ARBEIT UND BERUFE 30

Arbeitszeitmodelle adaptieren, um eine individuelle Passung zu erzielen

Die betrieblichen Rahmenbedingungen mittelständischer Einzelhandels- unternehmen unterscheiden sich mitunter maßgeblich voneinander. Z. B.

sind diese auch abhängig von den Anforderungen der jeweiligen Handels- branche und dem Handelsformat. Um Wirtschaftlichkeit und Serviceori- entierung auf Unternehmensseite sowie den individuellen Wünschen auf Seiten der Beschäftigten gerecht zu werden, empfehlen sich Adaptionen

und Weiterentwicklungen bestehender Arbeitszeitmodelle. Der Vorteil von maßgeschneiderten Lösungen liegt neben der optimalen Passung in einer von Beginn an hohen internen Akzeptanz der Beteiligten. Bei der Entwick- lung eines neuen Arbeitszeitmodells sollte auch auf externe Unterstützung und Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. So gibt es z. B. Unterneh- mensberatungen, die explizit auf die Erarbeitung von maßgeschneiderten Arbeitszeitmodellen spezialisiert sind und Betriebe bei der Einführung und Umsetzung begleiten

Wahl-Arbeitszeit-Rhythmus und Flexi-Konto bei Pohland Herrenbekleidung

Im Dortmunder Modehaus Pohland Herrenbekleidung führten vor Einfüh- rung eines adaptierten Arbeitszeitmodells lange Arbeitstage mit bis zu zehn Stunden zu einer großen Belastung für das Verkaufspersonal, worunter auch die Beratungs- und Servicequalität für Kunden litten. Zudem wurde die Gleichverteilung des Personals über Tage, Wochen und Monate hinweg nicht den sich stetig wechselnden Kundenströmen gerecht. Schlussend- lich kam hinzu, dass sich die Arbeitsbelastung in den Abteilungen deutlich unterschied, ein flexibler Mitarbeitereinsatz zwischen den Abteilungen jedoch durch eine über Jahre eingespielte Abteilungszugehörigkeit des älte- ren Personals erschwert wurde.

Das neu eingeführte Arbeitszeitmodell umfasst mit Blick auf die Aus- gangssituation zwei zentrale Bausteine: Ein Wahl-Arbeitszeit-Rhythmus gibt drei verschiedene Arbeitsrhythmen vor, die sich hinsichtlich täglicher Arbeitszeit sowie Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage unterscheiden. Mit- arbeiter haben die Möglichkeit den Rhythmus zu wählen, der am ehesten den privaten Bedingungen gerecht wird. Durch eine vorgegebene Vertei- lungsquote wird von Unternehmensseite gewährleistet, dass die benötigte

Personal präsenz jederzeit gegeben ist. Des Weiteren wurden bis dato starre Dienstanfangs- und Endzeiten durch flexible Zeitkorridore bei festgelegter Mindestbesetzung ausgetauscht. Dadurch entsteht nicht nur auf Arbeitneh- merseite eine höhere Arbeitszeitsouveränität, sondern veränderten Kunden- frequenzen kann auch besser begegnet werden.

Der zweite Baustein des neuen Arbeitszeitmodells beinhaltet das „Flexi- Konto“, das als Anreizsystem zum wirtschaftlichen Umgang mit Zeitressour- cen zu verstehen ist: Durch einen flexiblen Zeit- bzw. Personaleinsatz sollen die Mitarbeiter einer Abteilung, in der unvorhergesehen sehr viele Kunden zu bedienen sind, Hilfe aus anderen Abteilungen erhalten – im Sinne einer kurzfristigen Verteilung von Belastungsspitzen. Grundvoraussetzung für dieses System bildet der Ausbau der Beratungskompetenz über Abteilungs- grenzen hinweg. Durch einen entsprechenden Extra-Einsatz erhalten die Mitarbeiter sogenannte „Flexi-Punkte“, die angesammelt und in Freizeit, Qualifizierung oder Maßnahmen der Gesundheitsförderung umgewandelt werden können. Durch eine differenzierte Gewichtung der Punkte für die einzelnen Gegenleistungen, konnten gleichzeitig strategische Ziele des Unternehmens (z. B. Durchführung einer Qualifizierungsoffensive) gefördert werden.

aus der Praxis

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