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Zum altindischen Königsrecht.
Von Alfred Hillebrandt.
In dem Kapitel des Kautillyasästra, das ,die Prinzenbehütung"
erörtert, wird hinsichtlich der Thronfolge gesagt, daß die Herr¬
schaft, abgesehen von Pällen der Gefahr, dem ältesten Sohne zu¬
fallen solle oder das Reich der Gesamtheit der Pamilie gebühre;
denn die Gesamtheit der Pamilie sei schwer überwindlich (I, 13). 5
Diesen Bestimmungen gehen andere voraus, die die Qualität
des zur Nachfolge zu Berufenden näher bestimmen. Nachdem ge-
sao't ist, man solle einen tüchtigen Sohn (ätmasampanna) als Ober¬
befehlshaber oder als Kronprinzen einsetzen, folgt eine Charakteristik
der Königssöhne, die klug, träge oder böse sein können. „Klug* 10
sei der, welcher Recht und Erwerb, darüber belehrt, begreife und
danach handle, ,träg" der, welcher sie begreife, aber nicht danach
handle, ,böse" der, welcher beständig auf Abwegen mit Recht und
Brwerbsverhältnissen im Widerspruch stehe. Habe der König aber
keinen Sohn*), so soll er auf die Erzeugung eines Sohnes bedacht 15
sein oder durch die Töchter sich einen Sohn verschaffen. Ist er
zu alt oder krank, so soll er von einem Verwandten mütterlicher¬
seits oder von einem mit gleichen Vorzügen ausgestatteten Vasallen¬
fürsten (oder Nachbarn) den , Samen auf dem Acker" der Königin
aufgehen lassen. !0
Das Sästra äußert sich nicht über die Personen, in deren
Hände die Entscheidung über die Thronfolge nötigenfalls gelegt
war. Wir begegnen aber Rämäyana II, 67 einer Verhandlung, die
die beteiligten Personen nennt. Da^aratha war gestorben, sein Sohn
Räma mit Laksmana in die Verbannung gezogen ; da treten die 25
„Königsmacher'*) zusammen, um den zweiten Bruder, den Sohn der
Kaikeyi zu berufen, weil ein Land nicht ohne König sein könne;
das sind Märkandeya, Maudgalya, Vämadeva, Ka§yapa, Kätyäyana,
Gautama, Jäbäli, Vertreter vornehmer Brahmanengeschlechter , die
sich mit den Ministern an den Hauspriester des Königs Vasistha so
wenden: „auch während der Großkönig lebte, übertraten wir nicht
1) Der Text liest: yadyekaputraJi; ich schreibe dafür yadyaputrah.
2) räjakartärah II, 67, 2.
42 Hülebrandt, Zum altindischen Königsrecht.
dein Wort. . . . Weihe du einen Prinzen , einen Iksväkusohn oder
einen andern zum König". Vasistha sendet drei Boten in das
Königshaus mit dem Auftrage Bharata zu sagen: ,Der Purohita
und alle Minister grüßen dich, komme schnell, du hast Dringendes
6 zu tun". Am Morgen des 14. Tages kommen die räjakartärah zu¬
sammen und fordern ihn auf, König zu sein: „übernimm das von
den Vätern überkommene Reich, weihe dich und schütze uns".
Bharata erwidert: „In unserem Geschlecht gebührt stets dem älte¬
sten Sohne die Königsherrschaft. Nicht dürft ihr so zu mir reden".
10 Das Wort räjakartr, das die Kommentare*) nicht mehr ver¬
standen zu haben scheinen, ist ein alter Kunstausdruck, den Pänini
(in der Form räjakrtvan 3,2,95), das Aitareya und Satapatha,
sowie der Atharvaveda kennen. Ait. Brähm. 8, 17 sagen die Königs¬
macher zu dem auf dem Thron sitzenden Fürsten : „ein Ksatriyä, dem
15 nicht zugerufen ist, vermag keine Kraft zu gewinnen. So wollen
wir ihm zurufen. ... Rufet ihm zu, ihr Leute, dem Allherrscher zur
Allherrschaft, dem Bhoja zum Vater der Bhojas, dem Selbstherrscher zur Selbstherrschaft. . . . Ein Reich entstand, ein Herrscher entstand,
ein Oberherr der ganzen Welt entstand, ein Nutznießer der Völker,
20 ein Vernichter der Feinde , ein Schirmherr der Brahmanen , ein
Schirmherr des Rechts".
Die Räjakartäras können hier nur die Vollzieher der Weihe¬
handlung sein, die Priester. Als Beispiele der Vollziehung solcher Weihen werden die Nachkommen priesterlicher Geschlechter genannt:
25 Tura Kavaseya weiht den Janamejaya Päriksita^ Cyavana Bhärgava
den ^äryäta Mänava, Parvata und Närada den Ämbästhya usw. Es
zeigt sich also eine sachliche Übereinstimmung mit dem Rämäyana.
Anders aber liegt es bei der vorausgehenden Schilderung der Weihe
Indras. Die einzelnen Götter sind zwar mit verschiedenen Hand-
80 lungen betraut, aber als Königsmacher walten die viivedeväh, die
die Götter auffordern, Indra zuzurufen. Nicht den Priestern unter
den Göttern , nicht Agni oder Brhaspati ist diese Rolle bei der
Weihe übertragen, sondern der Götterklasse, die, wie an anderen
Stellen die Maruts, wiederholt das Volk der Götter darstellen*).
88 Dieser Unterschied scheint nicht unbeträchtlich, weil er indirekt
noch auf eine Mitwirkung von Volksvertretern bei der Königsweihe
hinweist. Die Aufforderung an die Menge, hier der Götter, vorher
der Menschen , ihrem König zuzurufen , erinnert an die feierliche Vollborderteilung des deutschen Rechtes, die an Stelle der älteren
*u Waffenrührung eintrat"). Im Aitareya sind die Volksvertreter durch
1) Der zu Eäm. II, 67, 2 setzt es gleich räjno 'iesakäryakartärah; der zu Ait. Brähm. 8,17: pitrbhräträdayah (s. Goldstüclser. Diet. s. v. abhiseka);
Sat. Brähm. III, 4, 1, 7: rSjäkrtah räjatvasampädakäh patabhisekasyaCl) kartärah.
2) Eggeling, SBE. 12, XVI—xvill.
3) dextris in coelum levatis nomen novi regis cum clamore valido salutantes frequentabant : E. Schroeder, Lehrbuch der deutschen Eechtsgeschichte'^ S. 488.
Hillebrandt, Zum altindischen Königsrecht. 43
die Priester ersetzt; aber aus verschiedenen Stellen geht hervor,
daß der indischen Uberlieferung „Vertreter des Volkes" als räja¬
kartärah geläufig vraren. Sat. Brähm. III, 4, 1,7: yathä räjno 'rä¬
jäno räjakrtah sütagrämanya evam asya chandähsy abhitah
säcayäni; XIII, 2, 2, 18: yathä vai räjno 'räjäno räjakrtah süta- 6
grämanya evarn vä ete 'ivasya yat paryaiigyäh. Hier treten Sütas
und Grämanyas in enger Verbindung sds Königsmacher auf. Aus
dieser Verbindung, welche an anderen Stellen wiederkehrt und auch
von Patanjali zu VII, 1,56 vermerkt wird*), folgt, daß beides
mit einander in enger Beziehung stehende Begriffe sind. Weber lO
(ist. 17, 199) beraubt das Wort grämani durch seine Erklärung
„Führer einer Schar' seines Inhaltes, ebenso Bloomfield und Whitney, die „leaders of hosts' (SBE. 42, 114) resp. „troopleaders' übersetzen.
Ich sehe keine Veranlassung von der Bedeutung „Führer einer
Gemeinde', „Gemeindeältester' abzugehen, die auch für die zwei 16
Egvedastellen, an denen das Wort vorkommt, haltbar ist; ich über¬
setze „Ältester'*). Die Annahme ist ganz einwandfrei, daß die
„Ältesten' mit zur Königswahl berufen sind. Diesen gegenüber
stehen die Sütas. Es wäre sonderbar, daß neben den Gemeinde¬
ältesten die Sütas stünden , wenn das Wort nur in der späteren so
und den Kommentaren geläufigen Bedeutung als „Wagenlenker' zu
fassen wäre. Die Gesetzbücher, die in ihnen eine Mischkaste sehen,
geben ihnen einen hohen Rang ; sie bestimmen sie als die Nach¬
kömmlinge eines Ksatriyä von einer Brahmanentochter (Manu 10,
11. 17; Yäjnavalkya 1, 93; Gaut. 4, 17. 18). Die Stellung ergibt ss
sich nicht minder ans der Reihenfolge , in der einzelne Texte wie
das Öat. Brähm. die bei der Königskrönung beteiligten Würden¬
träger aufzählen; die Sütas folgen dort auf den Heerführer, den
Purohita, den zu Weihenden und die erste Gemahlin; in der TS.
geht nur noch die verlassene Frau des Königs voran, nur in Käthaka so
und Maiträyani stehen sie an achter Stelle^); Kätyäyana 15, 7, 12
nennt sie oder den Sthapati hinter dem König und dem Bruder
des Königs *) usw. Das Wort wird mit „Marschall", „Stallmeister'
wiedergegeben; Manu weist ihnen Pferdezucht und Wagenlenkung
{aävasärathyam) zu; Kätyäyana 15, 3, 7 und 15, 7, 12 erklärt ss
sie als as'vasärathi, a^vaposaka'), mit dem letzteren Wort als
1) Cf. noch Äp. 20, 4, 1: Matena räjaputraih 2: iatenäräjabhir ugraih 3: äatena sütagrämanibhih.
2) Es mag dahingestellt bleiben, wie sein Amt abgegrenzt war (cf. Egge¬
ling, SBE. 41, 60').
3) Weher, Räjasüya S. 22.
4) Mait. Saiph. II. S. 124, Z. 5: namo brahmanebhyo räjanyebhyai ca
vo namo namah sütebhyo viivebhyai ca vo namo namas taksabhyo ratha-
kärebhyai ca vo namah etc.
5) Warum Väj. Sainh. 30, 6 Süta und Nrtta zusammenstehen, kann ich nicht sagen; die Angabe scheint einer sehr späten Zeit zu entstammen, in der der Süta zum Barden geworden war. Einiges Material hierzu in des Verfassers Schrift: „Über die Anfänge des indischen Dramas' München 1914, S. 9*.
44 Hülebrandt, Zum altindüehen Königsrecht.
„Pferdezüchter". Was süta etymologisch bedeutet, ist ungewiß;
aber übersehen darf nicht werden , daß Manu in dem Verse , der
ihnen Pferdezucht und Wagenlenkung zuschreibt, neben ihnen die
Ambasthas , Vaidehas , Mägadhas nennt , denen Heilkunst , Prauen-
5 dienst , Handel zugewiesen werden , daß also möglicherweise auch
die Sütas einem bestimmten, durch Rossezucht berühmten Stamme
ursprünglich zugehörten. Wie die Römer ihre Schafhirten aus den
Donaugegenden, Vorreiter und Boten aus Numidien und Mazaken,
Pferdeknechte aus Gallien holten , lieferten in Indien verschiedene 10 Völkerschaften Berufsstände und Mischkasten*).
Der hohe Rang , den die Sütas einnahmen , ihre Bezeichnung
als Pferdezüchter und Wagenlenker der Pürsten zeigen, daß es sich
nicht schlechthin um Angehörige eines Stammes, sondern um seine
Edelinge gehandelt haben wird — gleich den Rajputen •— die den
15 Grämanis, den Altesten des Volkes gegenüber standen. Sie stellen
im Kreise der „Edelsteine" oder „Edelsteinträger" die sonst nicht
genannten Ksatriyas, wohl zu unterscheiden von den Räjanyas, dar.
Man kann, wenn man will, einen Hinweis darauf auch in der Vor¬
schrift sehen, daß im Hause des Süta grade für Varuna ein Opfer
20 gebracht wird *). Bei der Anlegung der Peuer läßt wenigstens
Kätyäyana „nach Varunas Satzung' einen Ksatriyä, einen Räjanya
„nach Indras Satzung' das Peuer anlegen. Es mögen dann An¬
gehörige des Sütastandes im königlichen Dienst die Stelle von
Marschalks, „Stallgrafen", Wagenlenkern übeniommen haben 8). Mit 26 dieser Deutung gewinnen wir „Adel" und „Volk" als Teilnehmer
an der Königswahl. Das Alter der Vorschrift wird gewährleistet
durch das Atharvalied III, 5, 7, in dem der Thronaspirant an ein
Amulett seine Wünsche richtet und ihm sagt, wen es ihm zuwillen
machen solle : dhiväno rathakäräh, karmärä ye manisinah, arä-
so jäno*') räjakrtah sütä grämanyaä ca ye. Die Ubersetzungen
„Stallmeister" (Weber, 18^17^199), „Wagenlenker« b) (Ludwig
3, 246), „charioteer" (Bloomfield and Whitney) fassen das Wort
zu eng, zu sehr in der späteren Bedeutung; denn dem durch die
GrämanTs repräsentierten Volk gegenüber erwarten wir eine Ver¬
as tretung des Adels, des Ksatriyatums.
Zu diesen beiden Beteiligten des Landes kommen im Atharvan
nun noch die der beiden vernehmsten Gewerbe, das des Wagen-
1) Verfasser „Brahmanen und Südras' in der Festschrift für Weinhold, Breslau 1896 (Sep.).
2) Weber, Räjasüya S. 20.
3) Eggeling läßt sich zu sehr von deren späteren Pflichten leiten, wenn er SBE. 41, 60 sie als bloße , court-minstrels and chroniclers' erklärt.
4) Diese von Weber zuerst vorgeschlagene Lesung: aräjäno für räjä¬
no wird durch die angeführten Angaben des Sat. Brähm. als richtig erwiesen.
Bloomfield's Meinung „nevertbeless minor potentates, influential in the choice of a greater king, may be alluded to here' läßt sich auf Grund der oben be¬
rührten Zusammenhänge nicht zustimmen.
5) Als „Wagenlenker' erklärt der Komm, zu SSS. 16,1,20 das Wort Jcsattr.
i
Hillebrandt, Zum altindiscben Königsrecht. 45
bauers und des Schmiedes*). Merkwürdig ist, daß grade diese
beiden (oder vielmehr Zimmermann und Wagenbauer) in der Liste
der Maiträyani beim Räjasüya genannt werden (Weber, Räjasüya
S. 22), während andere sie übergehen, so daß auf eine verschiedene
Handhabung geschlossen werden darf. Süta und Grämani treten 5
aber immer auf.
Zu diesen Würdenträgern fügt das Ritual des Räjasüya noch
andere; es nennt außer dem senäni, brahman (purohita), räjan
(räjanya), der ersten und der verstoßenen. Gemahlin des Königs,
den ksattr, samgrahitr, bhägadugha, aksäväpa, govikarta und lo
pälägala (düta). Die Texte schwanken; der pälägala (düta) steht
nur im Öat. Brähm., der govikarta dort, in der M. S. und als go-
vycuxha im Käthaka; die Worte sind z. T. unklar und die Erklä¬
rungen der Kommentare unentschieden ; immerhin läßt sich etwas
Licht gewinnen. 15
Am wenigsten Schwierigkeiten bietet die Bezeichnung bhäga¬
dugha. Wir dürfen hier von der zutage liegenden Etymologie
ausgehen und an bhäga -f- duh anknöpfen. Sowohl der Komm, zu
Sat. Brähm. V, 3, 1, 9 (S. 487): räjflah präptam sastharn prajä-
bhyo grhitvä räjne dogdhi prayacchatiti bhägadughah als der «o
zu Taitt. Samh. sehen in ihm den , der die Abgaben erhebt , den
Steuerdirektor, den karagräha oder samäJutrtf des indischen Staates;
bhäga ist ja auch sonst die Abgabe, und duh ist in Verbindung da¬
mit ganz am Platze*). Eggeling läßt sich durch die im Brähmana
I, 1, 2, 17 gegebene Erklärung püsä bhägadugha 'danam upani- 8»
dhätä verleiten, an Homerisch daizqö? zu denken. Da es sich aber
um die höchsten Staatslenker handelt, brauchen wir auf diese, auch
an sich nicht wertvolle Bemerkung des Brähmana nicht Rücksicht
zu nehmen, vielmehr könnten wir auch in dieser Stelle bhägadugha
so fassen : Püsan als den „der den Anteil für die Götter eintreibt so
und ihnen Speise vorsetzt'.
samgrahitr. Komm, zu Sat. Br. V, 3, 1, 8 (S. 487): ratha-
yojitä I savyasthrpadena samgrahitocyate. Das Brähmana selbst
sagt an der Stelle (S. 446): äJvinam dvikapälam purodäJam nir-
vapati sayoni vä aJviruiu sayoni savyasthfsärathi samänam hi 36
ratham adhitisfhatah; Komm. TSamh. vol. II, S. 105: dhanasarn-
grahakartä kodädhyaksah; ^ Komm. VSamh. 16, 26: sarngj-hnanty
advän iti samgrahitärah ; Sänkh. 16, 1, 20: mantri; Kät. S. 872:
särathih ; Komm. Ait. Brähm. 2,25: samgrahitärah särathayas
(man vergleiche auch Eggeling, SBE. 41, S. 62, Anm.). .Mir«
scheint, daß das fsat. Brähm., welches hier zwei Personen einführt.
1) Man vergleiche hierzu die lehrreichen Bemerkungen von Heinrich Schurtz, Urgeschichte der Kultur S. 144, welcher auseinandersetzt, wie die Aufseher der einzelnen Berufsarten nach und nach ganz von selbst die wirk¬
lichen Vertreter der ihnen zugewiesenen Gruppen des Volkes wurden.
2) Kät. Komm. S. 872: bhojayitä \ pariveftä | bhägän dogdhi.
46 Hillebrandt, Zum altinditchen Königsrecht.
gewaltsam an die beiden Asvins anknüpft und Säyana dieser An¬
knüpfung lediglich folgt. Ein Wagenlenker wird weder in dem
angeblich Kautilya entstammenden Zitat Raghuvam§a 17, 68^) noch
Rämäyana II, 100, v. 36^) unter den Tirthas genannt; auch in dem
5 Verzeichnis der Würdenträger im Pancatantra 111,69*) begegnen
wir einem solchen nicht. Den leitenden Minister, den mantripar-
sadadhyaksa des Tanträkhyäyika, können wir hier nicht herbei¬
ziehen, weil die Stellung des samgrahitr in der Aufzählung des
Sat. Brähm. und der Taitt. Samh. erst nach dem Suta und Grämani
10 dieser Würde nicht entspräche; aber es zeigen sich andere Möglich¬
keiten. Da aus der Liste des Pancatantra mit dem vedischen bhä¬
gadugha sehen der samähartf verglichen worden ist , käme für
den samgrahitr entweder der samnidhätir in Betracht oder nach
dem Raghuvaüäakommentar der kärägärädhikärin , der Polizei-
16 meister. Gegen letzteren spricht die Etymologie gram -\- sam ; wir
würder wohl ni erwarten müssen, gegen ersteren das dann anzu¬
nehmende Vorhandensein zweier den Staatschatz verwaltender Be¬
amten. Indes haben die indischen Politiker wohl in ihren Meinungen
geschwankt; wir sehen aus Kautilya, wie verschiedene Ansichten
20 unter den Lehrern der Nlti herrschten. Das Pancatantra zeigt
außer dem samähartf noch den samnidhätr und kodädhyaksa;
der RaghuvaA^akommentar nennt nur den dravyasarricayakrt;
Kautilya selbst bespricht außer den Pflichten des samähartj- die
des samnidhätr II, 6, der die Eingänge an Edelsteinen, Gold, Ge¬
ll Siehe: „Kautilya und Verwandtes' S. 19, Breslau 1908; (hier Anm. 2).
2) Tanträkhyäyika, ed. Hertel, S. 109: mantrin, furohüa, äsanapä- laka, yuvarSja , dauvärika, antarvaiiäika , sästr, samühartr, samnidhätr, pradefflr, näyaka, puuravyävahärika, kärmänlika, mantripar sadadhyaksa, dandin, durgäntapäla, äkwika. Anders Pürnabhadra S. 180, Z. 1: mantrin, purohita, senäpati, yuvaräja, dauvärika, antarvauiika . prasästr. samü¬
hartr, samnidhätr, pradestr, asvädhyakfa, koiädhyakfa, gajädhyaksa, pärisada, balädhyaksa, durgapäla, protkalabhrtyätavikädayali. In dieser
Liste wären für satngrahUr der koäadhyak.m und samnidhätr vergleichbar.
Der Übersicht wegen füge ich die Zitate aus dem Kommentar zum Raghuvamsa (angeblich Kautilya) 17, 68 (a) und dem Kommentar zum Rämäyana (b) noch¬
mals hier bei:
a) mantrl purohita^ caiva yuvaräjas camüpatih \ paiicamo dvärapälus ca saßtho 'ntarvesikas tathä ||
härägärädhikäri ca dravyasarricayakrt tathä | krtyäkrtyefu cärthänärn navamo viniyojakah ||
pradestä nagarädhyaksah käryanirmänakrt tathä \
dharmädhyaksah sabhädhyakso dandapälas tripancamah ||
sodaäo durgapälas ca tathä rästränlapälakal}, \ atampälakäntäni tirthäny ostädasaiva. tu ||
b) mantri, purohitah, yuvaräja, senäpatih, dauvärikah, antahpurä- dhikrtah , bandhanägärädhikrtali , dhanädhi/aksah , räjäjnayä äjnäpyesu vaktä, prädv^äkasarnjno vyavahärapraßl.ä , dharmäsanädldkrtah , vyava- häranirnetä sabhyäkhyali, senäyä jivitabhrtidänädhyaksa/i, karmänte veta- nagrähinah, nagarädhyaksah. rästräntapälah ayam evätavikah, duftänäm dandanädhikärl, jalagirivanasthaladurgapäläli \
Hillebrandt, Zum altindischen Königsrecht. 47
treide, Waren in Empfang zu nehmen (prati-grah) und zu prüfen
hat. Ich möchte den sarncjrahltr mit diesem gleichsetzen und
glauben , daß Säyanas Erklärung als dhanasarngrahakarta koää-
dhyaksah die einzige ist, die Anspruch auf Beachtung hat und
eine alte Tradition bewahrt: „Schatzmeister*. Ein „thesaurarius"
gehörte zu den Hofämtern des germanischen Rechts.
ksattr^). Eggeling übersetzt , chamberlain*, Weber „Käm¬
merer*. Ich halte das für richtig, die Kommentare stimmen damit
meist überein. Die angeführten Stellen aus dem Pancatantra u. a.
nennen stets an fünfter oder sechster Stelle den dauvärika und
antarvansika ; ein Kämmerer wird unter den hohen Beamten auch
hier nicht fehlen dürfen, wie er im deutschen Recht nicht fehlte:
„durch sein Amt kam er in vielfache Beziehungen zu der Königin
und dem im Frauenzimmer (gynaeceum) untergebrachten weiblichen
Hofgesinde* (R. Schroeder, 1. c.» S. 143").
aksäväpa, dem Namen nach durchsichtig, nicht der Sache
nach: der „Würfler*, „Würfelbewahrer*. War er ein Intendant
der königlichen Spiele oder hatte er die Würfel für wichtige Ge-
lecenheitenO aufzubewahren, ' unter denen auch die,' das Würfelorakel
zu befragen, nicht gefehlt haben wird? Im Ritual*) spielte man
nicht nur bei dem Räjasüya, sondern auch bei Anlegung des Sabhya-
feuers, das nach Äußerung eines Kommentars nur den K.satriya
angeht. Auch hier fehlt dem Spiel das Wesen eines Orakels oder
sieghafter Vorbedeutung nicht.
govikarta oder govyaccha. Er ist nicht allen Ritualen
bekannt. Eggeling auf Grund der Kommentare „huntsman*
Die Erklärung als ■„ Jäger" entstammt einer Zeit, der die Be¬
schäftigung des „Rindzerlegers" anstößig war; die, welche das Wort
nur auf die Zerlegung der in die Sabhä getriebenen und dort aus¬
gewürfelten Kuh bezieht, ist zu eng. Ich vermute „Küchenmeister".
Abgesehen von dem Könige selbst, bildeten also der Purohita,
die erste und die abgedankte Gemahlin des Königs , Heerführer,
Schatzmeister oder Polizeimeister, ein Vertreter des Adels und
Ältester des Volkes, der Steuerdirektor, die Gilde der Zimmerer
und Wagenbauer*) die ratna'?, („Edelsteine") oder ratnin's („Edel¬
steinträger")*) oder tirtha's des indischen Staatsrechtes. So nach
1) Sat. Br. S. 487: kfattä näma yaftihasto 'ntahpurädhyakfah sarve¬
säm niyantä pratihäräparaparyäyah ; K5t. S. 872: pratlhäro düto vä |
mantri \ yastihasto 'ntahpurädhyaksah; TS. II, S. 105: yaftihasto ^ntah- purädhyaksah; usw., aber VS. 16, 26 (S. 500): rathädhisthärah.
2) Weber, Räjasüya S. 65; Hülebrandt, Rituallitt. S. 108. 146;
Lüders, Das Würfelspiel S. 24 u. s.
3) Sat. Bräbm. S. 487: mrgayäsahäyabhüto gohinsako vyädhah; Kät.
S. 873: hälikah, sabhädhigatäm gäm vikrntati govikartah, karfukah, go- hiiisako vyädhah.
4) Natürlich ist damit der Gildemeister gemeint.
5) Nach einem äußeren Abzeichen so genannt?
6 *
48 Hülebrandt, Zum altinditchen Königsrecht.
der Maiträyani - Samhitä. Die anderen Texte zeigen hie und da
Abweichungen ; das Sat. Brähm. läßt Zimmerer und Wagenbauer
weg und erwähnt neben dem Würfelbewahrer den Küchenmeister
und den „Gesandten" ; ebenso nennen TS. und Käthaka diese beiden
6 Gilden nicht; Baudhäyana Sr. S. 12, 5 führt brahman, räjanya,
mahisi, vävätä, parivrkti, senäni, ksattf, süta, grämani, sam¬
grahitr, bhägadugha, aksäväpa an, nennt also drei Frauen des
Königs ^) ; es kommt auf diese weiteren Unterschiede wenig an. Der
„Gesandte" ist wohl der Vertreter des gesamten Außendienstes wie
10 der Süta ein Vertreter des Adels und der Älteste ein Vertreter
des „Volkes" ist.
Dieser Kreis der Würdenträger, zusammengesetzt aus Priestern,
königlichen Frauen, Vertretern von Adel, Bürgern und hohen Staats¬
beamten, tritt bei der Königsweihe in Erscheinung. In dem Hause
16 eines jeden von ihnen werden besonders charakterisierte Opfer ge¬
bracht, ihnen kündigt der Brahmane den zu weihenden König mit
den Worten an: „Das ist euer König, ihr Bharatas" oder „Das ist
euer König , ihr Kurus" usw.*) ; sie oder einige von ihnen wirken als „Aufseher" bei dem Würfelspiel^) oder treten dort anderweitig
20 in Funktion. Diese Ratnas sind es, die nach dem Ausdruck des
Taittiriya Brähmana I, 7, 1 „die Herrschaft verleihen und die Herr¬
schaft nehmen"*).
Die Erblichkeit des Königtums wird auch in Indien das übliche
gewesen sein , wenn ein angestammtes oder kraftvolles Königshaus
26 vorhanden war. Starb es aus, zeigte es ungeeignete Herrscher oder
begegneten sonst der Thronfolge Schwierigkeiten , so wird — ab¬
gesehen von dem für sich stehenden Fall einer Usurpation — die
Wahl eingetreten sein , auf die schon der Rgveda und noch mehr
der Atharvaveda hinweist, der die Königswähler oder doch einige
30 von ihnen besonders bezeichnet.
1) Der „Gesandte* fehlt also auch hier, steht aher hei Äpastamba 18, 10, 25 ff._
2) Ap. 18, 12, 7 ff.; KSt. 15, 4, 17 usw.
3) Ap. 18, 19, 8 upadraßtärah \ Baudh. 12, 15.
4) Flir die Wahl kommen die königlichen Frauen natürlich nicht in Be¬
tracht.
6 «
49
Neue Beiträge zur keilinschriftlichen Gewichtskunde.
Von F. H. Weifibach.
I. Kapitel.
Neue Gewichtstücke.
1. In den Comptes rendus de l'Acadömie des Inscriptions
1912 pp. 478 SS. hat Scheil ein spindelförmiges Gewichtstück
aus Kalkstein bekannt gemacht, dessen vierzeilige Inschrift lautet: 5
115 Sekel. ^Gott Nin-Gir-Su. «Uru-ka-gi-na * König von
Gir-Su.
Pür Nichtassyriologen sei bemerkt, daß die Umschreibung
Gir-Su provisorisch ist und der Name vielleicht umgekehrt Sugir
ausgesprochen wurde. Wie Scheil selbst bereits betont bat , ist lo
dieses Gewichtstück das älteste, das annähernd datiert werden kann.
Der König Uru-ka-gi-na wird mit E. Meyer (Geschichte des Alter¬
tums» I 2 S. 494. Stuttg. 1913) um 2800 v. Chr. anzusetzen sein.
Das Stück ist wohl erhalten und wiegt 119,3 g.
2. Der gleichen Dynastie wie Uru-ka-gi-na gehört Ur-Nin- 15
Gir-Su an, von dem King (Cuneiform Texts P. XXXIII PI. 50,
Nr. 104 721. Lond. 1912) die Legende eines Duck-weight veröffent¬
licht hat. Sie lautet:
^2 Talente gut. * Ur-Nin-Gir • Su »Priesterfürst * von
LagaS. 20
Da Ur-Nin-Gir-Su nach Meyers (a. a. 0. S. 551) wahrschein¬
lichem Ansatz in das 26. Jahrhundert gehört, ist dies das älteste
bisher bekannte Entengewicht, nach seiner Inschrift zugleich auch
das schwerste in dieser Gestalt. Über sein Material (Stein), sein
Eigengewicht und seinen Erhaltungszustand sind leider noch keine 25
Mitteilungen gemacht worden. Die Inschrift erscheint etwas ab¬
gerieben, aber jedes Zeichen ist vollkommen erkennbar.
3. Die Kenntnis eines noch unveröffentlichten Gewichtstückes
des Konstantinopeler Museums verdanke ich meinem Preunde
E. Unger (Brief v. 28. IV. 1913). Es ähnelt seiner Gestalt und so
seinem Material nach (gelblicher alabasterartiger Kalkstein) durchaus
Zeitachrift der D. M. O. Bd. 70 (1916J. 4