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(1)Averroes' Schriften zur Logik Der arabische Text der Zweiten Analytiken im Großen Kommentar des Averroes

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(1)

Averroes' Schriften zur Logik

Der arabische Text der Zweiten Analytiken

im Großen Kommentar des Averroes*, **

Von Helmut Gätje, Saarbrücken, und Gregor Schoeler, Gießen

Wie auf anderen Gebieten so hat der spanisch-arabische Philosoph

und Aristotelesexeget Averroes (gest. 595/1198)' auch auf dem Gebiet der

Logik mehr auf das mittelalterhche Abendland eingewirkt als auf seinen

eigenen Kulturkreis. Mit seinen exegetischen Schriften zum aristote¬

lischen Organon und der Erörterung logischer Einzelfragen hat er sich

einen Platz in der Geschichte der Logik im Abendlande erworben.

Freilich hat man in der älteren Forschung — ob nun zu Recht oder Un¬

recht — festgestellt, daß die Leistungen des Averroes auf dem Gebiete

der Logik ,,an sich durchaus Nichts" enthalten, ,,was üim selbst eigen- thümhch wäre"^. Er sei, so heißt es, ,, ledighch Commentator des Aristo¬

teles" gewesen, ,, dessen richtiges und klares Verständnis er dem Leser

ohne irgend welche Abweichungen zugänglich machen" wollte. Daher

dürfte es ,,fast genügen", werm man allgemein von ihm sage, ,,dass er

ein fleissiger und getreuer Erklärer des Aristoteles" gewesen sei, was im

* Unser herzlicher Dank gilt dem Direktor der Orientabteilung der Staats¬

bibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin, Herrn Dr. Dieter George.

Er hat uns die Publikationsgenehmigung für die Hs. Berlin, Ms. or. fol. 3176 erteilt, die im Mittelpunkt der folgenden Betrachtungen stehen wird.

** [Aus technischen Gründen konnte die sachliche Reihenfolge der Auf¬

sätze in diesem Heft der ZDMG nicht eingehalten werden, so daß dieser

Beitrag an den Schluß des Aufsatzteiles gestellt werden mußte. Die Red.]

' Zu ihm vgl. allgemein R. Arnaldez : /6n ÄMs/ttZ. In: EI" III, S. 909—20.

" So Carl Prantl: Oeschichte der Logik im Abendlande. II. Graz 1955

(Nachdruck), S. 381. Prantl hat sich bei der Darstellung der Logik des

Averroes so gut wie ausschließlich auf die mittelalterliche lateinische Tra¬

dition gestützt, die nicht immer eine zuverlässige Grundlage darstellt. —

Günstigere Urteile finden sich bei neueren Forschern, beispielsweise bei

Nicholas Rescheb: Studiea in the History of Arabic Logic. Liverpool usw.

1963, S. 17 (vgl. auch S. 91ff.). Reschbrs Angaben in: The Development of

Arabic Logic. Liverpool usw. 1964, S. 176ff. sind teilweise zu korrigieren,

weshalb im folgenden etwas weiter ausgeholt wird. — Sehr günstig ist das

Urteil von Charles E. Buttebwobth: Averroes' Three Short Commentariea

... (s. Anm. 16), SS. VII—IX, 3, 7—10, bes. 8.

(2)

558 Helmut Gütjü und Gbegob Schoeler

übrigen nicht nur von der Logik, sondern auch von der Metaphysik

gelte, welch letztere dem Abendland durch eine lateinische Fassung sei¬

nes Großen Kommentars zu dieser Schrift des Aristoteles zugänghch

wurde.

In der Tat hat Averroes nichts mehr und nichts weniger sein wollen

als ein guter Interpret des Aristoteles, in welchem das theoretische Den¬

ken ein für allemal seinen Höhepunkt erreicht haben soUte. In diesem

Sinne war das richtige Verständnis des Aristoteles für Averroes mit dem

richtigen Verständnis schlechthin identisch. Daß Averroes durch diese

Gleichsetzung seine Exegese dem Wissensstand seiner Zeit anpassen

mußte und daher den Rahmen einer rein historischen Interpretation

überschritten hat, ist verständhch und auch verschiedenthch dargelegt

worden^. Immerhin sind innerhalb der gegebenen Grenzen das Streben

nach einer möghchst getreuen Auslegung und auch die relative Nähe zu

Aristoteles unverkennbar, wenn man Averroes mit seinem großen Vor¬

gänger Avicenna (gest. 428/1036) vergleicht. Wie sehr sich Averroes um

seinen Gegenstand bemüht hat, zeigt der Umstand, daß er zahlreiche

Schriften des Aristoteles im Laufe seines Lebens verschiedenthch behan¬

delt hat. Man hat in diesem Zusammenhang von einem ,, peniblen, ja

fast boriürten Fleisse" gesprochen*.

Averroes hat seine Exegese des Aristoteles — so hat man angenom¬

men — mit einer Reihe von Kurzen Kommentaren, Kompendien oder

Epitomai {gawämi') begonnen, in denen er den wesenthchen Inhalt der

betroffenen aristotelischen Schriften frei und vielfach unter Weglassung

historisch-referierenden Materials, aber nicht ohne erkennbare Bezüge

auf die vorangehende griechische und islamische Aristotelesauslegung

wiedergab. In einer zweiten Phase seiner exegetischen Tätigkeit soll

Averroes dann die Form des sogenannten Mittleren Kommentars (tal¬

his) benutzt haben. Er hält sich hier eng an die Gedankenfolge seiner

Textvorlagen, die er jedoch nicht im vollen Wortlaut übernimmt, son¬

dern unter Einbeziehung einzelner Passagen paraphrasiert. Auch hier

sind Bezüge auf die ältere Aristotelesauslegung unverkennbar, weim auch

nicht in demselben Maße exphzit und ausführhch wie in den sogenaimten

Großen (oder: Langen) Kommentaren (Sarh oder tafsir), welche den

Höhepunkt in der Exegese des Averroes und womöghch auch in der ara¬

bischen Aristotelesauslegung überhaupt bilden. Hier wird der aristote¬

lische Text abschnittweise im vollen Wortlaut angeführt und ausgiebig

kommentiert. Neben der älteren Exegese werden auch Lesarten ver-

' So z.B. Helmut Gätje: Averroea als Aristoteleskommentator. In: ZDMG

114 (1964), S. 59—65.

* Pbantl II, S. 380.

(3)

Averroes' Schriften zur Logik 569

schiedener arabischer Übersetzungen registriert und gegeneinander ab¬

gewogen*. Averroes selbst war ausschheßhch auf arabische Übertra¬

gungen angewiesen, da er weder das Griechische noch das Syrische be¬

herrschte. Er konnte also keine griechischen Texte und auch keine

syrischen Übersetzungen beiziehen, sondern mußte versuchen, Unklar¬

heiten durch den Vergleich verschiedener arabischer Fassungen oder

durch Abwägen der inhalthchen Evidenz zu beseitigen. Daß darin eine

Gefahr lag, hat er selbst bemerkt und beklagt'.

Weim man Averroes auf dera Gebiet der Logik eine echte Eigenstän¬

digkeit abgesprochen hat, so hat man auf der anderen Seite festgesteUt,

daß er immerhin ,, einen äusseren Einfluss auf die Leetüre der aristote¬

lischen Schriften ausübte, welcher sich bis in das 16. Jahrhundert er¬

streckt"'. Averroes habe nämhch — so heißt es —■ den Stoff der aristote¬

lischen Schriften ,,zur leichteren Übersicht" in Teile, Abschnitte und

Unterabschnitte geghedert. Als beispielhafter Beleg dafür wird die Kate¬

gorienschrift angeführt, die aus einem einzigen Buch besteht, im Mitt¬

leren Kommentar^ des Averroes jedoch zunächst in Anlehnung an die

griechische Exegese in drei Teile zerlegt und dann im einzelnen noch

differenzierter geghedert ist, als dies bei der späteren, heute übhchen

Einteilung der gesamten Schrift in 15 Kapitel der FaU ist. Diese Ein¬

teUung wird von Averroes expUzit vorgeführt. Im ersten Druck des grie¬

chischen Textes der Kategorienschrift, nämlich der Ausgabe des Aldus

Manutius von 1495, wirkt diese Einteilung offensichthch noch in be¬

stimmten Einzelheiten nach. Man könnte in diesem Zusammenhang da¬

ran denken, daß eine saubere und inhalthch plausible Ghederung nicht

nur pädagogisch von Vorteil war, sondern auch wissenschaftssystema¬

tischen Gesichtspunkten Rechnung trägt, wie denn das Korpus der ari¬

stotelischen Schriften schon früh zu einem Modell für die GUederung der

verschiedenen Zweige der PhUosophie und anderer Wissenschaften ge¬

worden ist. Indessen mag offen bleiben, in welchera Maße derartige Ge¬

sichtspunkte hier tatsächhch von Bedeutung sind. Im übrigen weisen

nicht alle Kommentare des Averroes eine derart differenzierte und ex-

* Vgl. dazu u.a. Gätje: Studien zur Überlieferung der aristotelischen Psychologie im Islam. Heidelberg 1971, S. 28£f.

° Vgl. dazu Gätje: Die „inneren Sinne" bei Averroes. In: ZDMG 115

(1965), S. 260ff.

' Pbantl II, S. 382.

' Der arabische Text des Mittleren Kommentars, der hier relevant ist,

wurde von Maubice Bouyges ediert : Averroes : Talkhif Kitab al-Maqoulat.

Beirut 1932; englische Übersetzung von H. A. Davidson (s. Anm. 23). Die

lateinische Fassung, die Jakob Mantinus im 16. Jahrhundert anhand des

Hebräischen angefertigt hat, steht in der unten (Anm. 19) angeführten

Juntina im Teil I 1.

(4)

560 Helmut Gätje und Gregor Schoeler

plizit dargelegte Gliederung auf wie der Mittlere Kommentar zur Katego¬

rienschrift, so daß man den dort gesetzten Rahmen nicht ohne weiteres

veraUgemeinern darf

Für die Muslime und damit auch für Averroes umfaßte das Organon

des Aristoteles insgesamt acht Schriften*. Den im eigenthchen Sinne lo¬

gischen Werken, nämlich der Kategorienschrift, der Hermeneutik, den

Ersten und Zweiten Analytiken, der Topik und Sophistik waren bereits

in alexandrirüscher Zeit die Rhetorik und Poetik angeghedert worden;

dementsprechend wurden die beiden Schriften seitdem als Teile des Or¬

ganon behandelt. Daneben wurde auch die Einleitungsschrift (Eisagoge)

des Porphyrios beigezogen und verschiedenthch dem Organon im engeren

Sinne vorangestellt. Averroes war in diesem Punkte insoweit konsequent

als er ausdrückhch festgestellt hat, daß die Eisagoge nicht zum Organon

gehöre. Indessen hat er sie trotzdem raitbehandelt, weil er sich dazu ,,im

Hinblicke auf die einmal bestehende Gewohnheit von wissenschaftlichen Freunden gedrängt" sah'". Auf der anderen Seite hat Averroes bei der

Behandlung der Ersten Analytiken die vierte, nach seinem Zeugnis von

Galen stammende Figur des kategorischen Syllogismus mit Entschieden¬

heit als überflüssig abgewiesen und sich auf eine Diskussion ihrer schlüssi¬

gen Modi nicht eingelassen. Damit hat er sich nicht nur inhalthch als

konsequenter Aristoteliker gezeigt, sondern hat nach sachverständigem Urteil auch ,,in sehr vernünftiger Weise" gehandelt". Nur am Rande

sei dazu bemerkt, daß Averroes in der Geschichte der Logik lange Zeit

der einzige Zeuge für die Herkunft dieser Schlußfigur von Galen war''.

Bei Galen selbst findet sie sich in den uns bekannten Schriften nicht,

und es mag dahingestellt sein, wer sie letztlich wirklich in die Logik ein¬

gebracht hat.

Beschränkt man sich zunächst auf diejenigen logischen Schriften des

Averroes, die unmittelbar der zusammenhängenden Exegese des Organon

dienen, so ist zuerst eine Epitome des gesamten Organon einschheßhch

' Zu den einzelnen Schriften in der arabischen Überlieferung und damit

auch zu Averroes vgl. u.a. Moritz Steinschneider: Die arabischen Über¬

setzungen aus dem Griechischen. Graz 1960 (Nachdruck), S. (74)ff. ; Francis

Edward Peters: Aristoteles Arabus. Leiden 1968, S. Tff. sowie FarId

Öabr: Arisfü wa-l-Aris{ü}lya 'ind al-'Arab. In: Dä'irat al-Ma'ärif. Beirut 1971, S. 447ff.

'" So Prantl II, S. 384. — Die entsprechende Stelle steht in der Con¬

clusio des Averroes zum Mittleren Kommentar zur Eisagoge; in der von

Davidson herausgegebenen hebräischen Version (s. Anm. 23) S. 28, in der

englischen Übersetzung (s. ebd.) S. 27.

" Prantl II, S. 389f

'" Dazu aueh Prantl: Geschichte der Logik im Abendlande. I. Graz 1955 (Nachdruck), S. 570ff.

(5)

Averroes' Schriften zur Logik 561

der Eisagoge des Porphyrios zu nennen'^. In dieser Schrift, deren Ent¬

stehungszeit man auf ,,1159 oder früher"'* datiert hat, werden die Eisa¬

goge und die einzelnen Schriften des Organon nacheinander behandelt, so

daß man auch von einer Reihe von einzelnen Epitomai sprechen könnte'*.

Indessen ist das Ganze offensichthch als Einheit konzipiert. Diese Epi¬

tome, deren arabischer Text (in hebräischer Schrift) erhalten, bisher aber

noch nicht voUständig ediert ist", ist im 13. Jahrhundert durch Jakob

ben Machir ins Hebräische (gedruckt unter dem Titel Qissur Kol Meleket

ha-Higgayon. Riva di Trento 1559) und nach dessen Fassung im 16. Jahr¬

hundert durch Abraham de Balmes ins Lateinische übersetzt worden".

Außerdem hat Samuel ben Jehuda im 14. Jahrhundert das Kompendium

nochmals ins Hebräische übertragen. Und schließhch hat auch Johannes

Franciscus Burana (16. Jh.) eine lateinische Übersetzung der Epitome zu

den Ersten Analytiken angefertigt'*. Wenn man von einigen frühen

Wiegendrucken absieht, so war das 16. Jahrhundert ein Jahrhundert

großer abendländischer Aristoteles-Averroes-Ausgaben, in denen alles

nur greifbare Material zusammengefaßt und bearbeitet wurde. Es wurde

auf tatsächhch vorhandene oder vermeintUche Widersprüche hin unter¬

sucht und mit Vorschlägen zur Lösung der Widersprüche versehen. Zu

nennen sind liier insbesondere die Contradictiones ac solutiones des

Marcus Antonius Zimara. Der Erschheßung des Materials dienten aus¬

führliche Indizes. Eine derartige Ausgabe wurde ab 1562 in der Druckerei

der Giuntas veröffentlich. Sie ist durch einen jüngst erfolgten photome¬

chanischen Nachdruck'* verhältnismäßig leicht zugänglich und enthält

'^ Vgl. dazu u.a. Maubice Bouyges: Notes sur les philosophes arabes

eonnus des Latins au moyen-äge. V : Inventaire des textes arabes d'Averroes.

In: MFO 8 (1922), S. 19f. ; ferner Petbbs, SS. 10, 13,17, 20, 22, 26, 27 und 29.

'* So Manuel Alonso: Teologia de Averroes. Madrid, Granada 1947,

S. 55 ff.

" Pbantl (II, S. 380f.) unterscheidet zwischen Paraphrasen zu den

logischen Schriften und einer zusätzlichen Epitome des Organon. Hier liegt

offensiehtlich ein Irrtum vor.

'" Ediert (und übersetzt) sind bisher lediglioh die drei Epitomai zur Topik,

Rhetorik und Poetik: Averroes' Three Short Commentaries on Aristotle's

„Topics", „Rhetoric", and „Poetics". Ed. and transi. by Chables E. Butteb¬

wobth. Albany 1977.

" Vgl. dazu Steinschneidbb: Die hebräischen Übersetzungen des Mittel¬

alters und die Juden als Dolmetscher. Graz 1956 (Nachdruck), S. 54ff.

" Vgl. dazu Alonso, S. 6 und auch Habby A. Wolfson: Revised Plan

for the Publication of a Corpus Commentariorum Averrois in Aristotelem. In:

Speculum, Cambr., Mass., 38 (1963) S. 93. Im Rahmen dieses Aufsatzes

(S. 88—104) ist eine Übersicht über die erhaltenen Kommentare des Aver¬

roes gegeben.

" Aristotelis Opera cum Averrois Commentariis. Frankfurt am Main 1962.

Die Übersetzung von Bahnes steht in Teil I 2 b und Teil II.

(6)

562 Helmut Gätjb und Gbegob Schoeleb

auch die genannte Übersetzimg des Abraham de Balmes, nicht aber die

Teilübersetzung von Burana. Zum Teü sind derartige Übersetzimgen

übrigens unmittelbar für den Druck angefertigt worden.

In arabischer Sprache (und arabischer Schrift) erhalten, aber bisher

nicht vollständig ediert sind die Mittleren Kommentare des Averroes zu

den acht Schriften des Organon'^, die in der Zeit zwischen 1168 und

1175 entstanden sein soUen^'. Nicht erhalten zu sein scheint in diesem

Falle der arabische Text des Mittleren Kommentars zur Eisagoge. Hier

ist die Überheferung nicht mit derselben Einheithchkeit erfolgt wie bei

der Epitome. Zunächst wurden die Mittleren Kommentare zur Eisagoge

und den vier ersten Schriften des Organon im 13. Jahrhundert durch

Jakob Anatoh ins Hebräische übersetzf. Von den resthchen vier Kom¬

mentaren wurden sodann im folgenden 14. Jahrhundert je zwei durch

Kalonymos ben Kalonymos und Todros Tortosi ins Hebräische über¬

tragen. Die genannten Übersetzungen, die alle erhalten, aber nur teil¬

weise ediert worden sind'*, bildeten die Grundlage für lateinische Versi¬

onen des 16. Jahrhunderts, die zu verschiedenen Teilen von Abraham de

Balmes, Burana und Jakob Mantinus hergestellt wurden. Auch diese

Fassungen sind durch den Druck der Giuntas zugänghch'*. Erhalten

sind ferner auch noch lateinische Übersetzungen von einigen Mittleren

Kommentaren, die Hermannus Alemannus und Wilhelm von Luna im

13. Jahrhundert anhand arabischer Vorlagen angefertigt haben'*.

" Dazu Bouyges in: MFO 8, SS.20ff. sowie Pbtebs, SS. lOf., 13, 17, 20,

22, 26, 27, und 29f. — Ediert sind: 1. der Mittlere Kommentar zu den Kate¬

gorien (s. Anm. 8 und 23); 2. der Mittlere Kommentar zur Hermeneutik.

Hrsg. Muhammad Salim Sälim: Tallü^ K. Aristütälis fi l-Hbära. Kairo 1978;

3. der Mittlere Kommentar zur Topik. Hrsg. Chables E. Buttebwobth:

Talhis K. al-gadal. Kairo 1979; 4. der Mittlere Kommentar zur Rhetorik.

Neueste Ausgabe von Muhammad Salim Sälim: Talhis al-Ha{äba. Kairo

1967; 5. der Mittlere Kommentar zur Poetik. Neueste Ausgabe ebenfalls von

Sälim: Talhis kitäb Aristütälis fi S-Si'r. Kairo 1971.

" So Alonso, S. 77ff.

" Hierzu und zum folgenden Steinsohneideb: Hebr. Übers., S. 57ff. —

S. auch die folgende Arun.

"' Ediert und ins Englische übertragen wurden neuerdings von Hebbbbt

A. Davidson: Averrois Cordubensis Commentarium Medium in Porphyrii

Isagogen et Aristotelis Categorias. Cambridge, Mass., and Berkeley-Los

Angeles 1969. — Averroes: Middle Commentary on Porphyry's Isagoge,

translated from the Hebrew and Latin Versions, and on Aristotele's Categoriae,

translated from the Original Arabie and the Hebrew and Latin Versions.

Cambridge, Mass. and Berkeley-Los Angeles 1969.

" Nämlich in I 1, I 2 b, I 3 und II.

"' Vgl. dazu u.a. Steinsohneideb: Die europäischen Übersetzungen aus

dem Arabischen bis Mitte des 17. Jahrhunderts. Graz 1956 (Nachdruck), A,

S. 33 Nr. 50a und S. 80 Nr. 119a (dazu Nachtrag B, S. 82).

(7)

Averroes' Schriften zur Logilc 563

Wenn man aus bibliograpliischen Nachrichten im arabischen Bereich

schheßen könnte, daß Aveiroes den Ersten Analytiken einen Großen

Kommentar gewidmet hat'*, so ist bis heute ntu* ein solcher zu den

Zweiten Analytiken greifbar, der beide Bücher dieser Schrift umfaßt.

Auch zu den übrigen Org'anow-Schriften liegen keine Großen Kommen¬

tare des spanisch-arabischen Philosophen vor. Zu einer geschlossenen

Behandlung des aristotehschen Organon in Gestalt Großer Kommentare

ist Averroes offensichthch nicht mehr gekommen, obwohl er den Sarh

zum ersten Buch der Zweiten Analytiken wohl schon im Jahre 1180, also

immerhin 18 Jahre vor seinem Tode fertiggestellt hatte". Der gesamte

Große Kommentar zu den Zweiten Analytiken ist dann wiederum im 14.

Jahrhundert durch Kalonymos ben Kalonymos ins Hebräische über¬

setzt und nach dieser Fassung im 16. Jahrhundert dreimal ins Latei¬

nische übertragen worden, woran gleichfalls wieder Abraham de Balmes

und Jakob Mantinus (nicht vollständig)'* und dazu Johannes Franciscus

Bm-ana beteihgt waren. Das arabische Original galt bisher als verloren ;

die hebräische Übersetzung ist unseres Wissens auch hier nicht ediert,

während die drei lateinischen Fassungen nebeneinander im Druck der

Giuntas zu finden sind'*.

Neben der zusammenhängenden Exegese zu den logischen Schriften

des Aristoteles sind von Averroes auch eine Reihe kleinerer Abhand¬

lungen zu logischen Fragen (MasäHl) im arabischen Text (in arabischer

Schrift) erhalten*". Diese sind wahrscheinlich voUständig von Samuel

ben Jehuda ins Hebräische und danach von Balmes ins Lateinische über¬

setzt worden. Daneben gibt es hebräische und lateinische Teüübcrtra-

gungen. Die Übersetzung von Balmes findet sich wiederum in dem Druck

der Giuntas, wo die Abhandlungen als Quaesita bezeichnet sind*', wäh¬

rend der arabische Text und die hebräischen Fassungen offenbar nur teü¬

weise oder aber gar nicht im Druck zugänghch sind. Es handelt sich bei

diesen Abhandlungen des Averroes ,,mehr oder minder" um „Antworten

Ibn Abi Usaibi'a: Kitäb 'Uyün al-anbä' fi {abaqät al-a{ibbä'. Hrsg.

August Mülleb. II. Kairo 1299/Königsberg 1889, S. 27, 4 v.u.

" Hierzu und zum Folgenden wiederum Steinsohneideb: Hebr. Übers.,

S. 95f. Vgl. auch Petebs, S. 20 und zur Datierung Alonso, S. 91 f

"' Die Übersetzung von Mantinus geht bis Buch I Abschnitt 148 der

unten (S. 569f.) angeführten Gliederung. Es fehlen auch die Abschnitte I

4—6.

" Juntina I 2a. Die Folüerung ist zum Teil — bei richtiger Textfolge —

falsch. So sind foil. 241—248 und 250 irrtümlich als 291—298 und 300 be¬

zeichnet (richtig aber foil. 240, 249 und 251). Wir zitieren in korrigierter Form.

'° Dazu Bouyges in: MFO 8, S. 39ff. und, wie auch zum Folgenden,

Steinsohneideb: Hobr. Übers., S. 96 ff.

" Jimtma I 2 b.

(8)

564 Helmut Gätje und Gbegob Schoeleb

auf Anfragen ; sie mögen teilweise durch Stellen in seinen Kommentaren veranlaßt sein und könnten als Anhänge dazu betrachtet werden" (Steest-

schneidee). Unter diesen Quaesita finden sich insgesamt neun Abhand¬

lungen, die offensichthch Probleme aus dem Bereich der Zweiten Ana¬

lytiken betreffen. Die letzteren hat man in das Jahr 1186 oder früher da¬

tiert*'. Da sieh hier einzelne Widersprüche gegenüber den Kommentaren

zeigen, hat man die Quaesita des Averroes zu den logischen Schriften für

unecht gehalten**, aber gewiß zu Unrecht. In die hier folgenden Betrach¬

tungen sind die Quaesita wie auch die Epitome nicht einbezogen.

Im Rahmen des Großen Kommentars zu den Zweiten Analytiken findet

sich, wie bei den Großen Kommentaren übhch, neben dem Text des

Averroes auch die aristotelische Textvorlage. Hier hat es indessen eine

Tradition gegeben, die an Averroes vorbei führt. Bereits im 12. Jahr¬

hundert hatte nämhch Gerard von Cremona den arabischen Text des

Aristoteles ins Lateinische übersetzt. Außerdem hatte er auch die Para¬

phrase des Themistios zu den Zweiten Analytiken aus dem Arabischen ins

Lateinische übertragen. Beide Versionen Gerards sind im Druck zugäng¬

hch, imd zwar in kritischen Editionen**. Auf der anderen Seite ist vor

einigen Jahrzehnten eine alte arabische Fassung des aristotehschen Tex¬

tes erschienen, die auf Abü Bisr Mattä ibn Yünus (gest. 328/940) zurück¬

geht**. Diese Übersetzung findet sich zusammen mit anderen arabischen

Übertragungen logischer Schriften des Aristoteles in einer Handschrift,

die auf einer Ausgabe durch al-Hasan ibn Suwär (gest. nach 407/1017)

beruht. Ibn Suwär ist wiederum abhängig von seinem Lehrer Yahyä ibn

'" So Alonso, S. 92f.

" So zunächst Pbantl, der sich dann aber von Steinsohneideb eines

anderen belehren ließ (vgl. Pbantl II, S. 381, Anm. 289). Dasselbe gilt auch

für die Epitome, die Pbantl neben die Paraphrasen gestellt hat (vgl.

Anm. 15).

** LOBENZO (Laubentius) Minio-Paluello : Aristoteles Latinus. IV, 3:

Analytica Posteriora Oerardo Cremonensi interprete. Brügge/Paris 1954;

J. Reginad O'Donnell: Themistius'' Paraphrasis of the Posterior Analytics

in Gerard of Cremona's Translation. In: Medieval Studies 20 (1958), S.

239—315.

** Hrsg. 'Abdabbahmän Badawi: Manpiq Arispü. II.Kairo 1949, 309—465.

In den von Badawi unter dem Titel Manpiq Arisfü I — III. Kairo 1948 bis

1952, herausgegebenen alten arabischen Übersetzungen logischer Schriften

des Aristoteles sind die Seiten durchlaufend gezählt. — Zu Badawis Aus¬

gabe der Zweiten Analytiken und zum folgenden u.a. Richard Walzeb :

Greek into Arahic. Oxford 1962, S. 98ff. und auch Gebhaed Endbess: The

"Works of Yahyä ihn 'Adi. Wiesbaden 1977, S. 33f. Walzeb hat den Text

näher untersucht imd zahlreiche Bemerkungen dazu beigetragen. Trotzdem

bleibt noch vieles problematisch. Wir liaben die Korrekturen Walzebs,

soweit tunlich, stillschweigend übernommen und darüber hinaus weitere

getroffen.

(9)

Averroes' Schriften zur Logik 565

'Adi (gest. 365/974), einem Schüler Abü Bisrs, und hat Yahyäs Exem¬

plar der Übersetzung direkt und außerdem noch in der Abschrift des

Ibn Zur'a (gest. 398/1008), eines anderen Schülers von Yahyä, benutzt.

Die Ausgabe des Ibn Suwär enthält eine Reihe von Glossen oder Noten,

die teils von seinen Vorgängern, teils aber auch von ihm selbst stammen.

In der oben erwähnten Handschrift wird gesagt, Abü Bisr habe die

arabische Übersetzung des aristotehschen Textes nach der syrischen

Version des Ishäq ibn Hunain (gest. 299/918) angefertigt. Das stimmt

mit frühen bibliographischen Nachrichten überein, wie wir sie im Fihrist

(verfaßt 377/987) des Ibn an-Nadim** finden. Nach dessen Angaben hat

zunächst der berühmte Hunain ibn Ishäq (gest. 260/873) einen Teil der

Zweiten Analytiken ins Sjrrische übersetzt. Danach habe dessen Sohn

Ishäq ibn Hunain die ganze Schrift ins Syrische übertragen; und eben

diese syrische Fassung Ishäqs sei die Textgrundlage der arabischen Über¬

tragung Abü Bisrs gewesen. Tatsächhch finden sich in den Noten der

Ausgabe Ibn Suwärs eine Reihe von Bezügen auf das Syrische, wobei

gelegenthch auch der Name Ishäqs erwähnt wird. Freihch ist dabei nicht

immer genau zu entscheiden, wer diese Bezüge eingebracht hat.

In den Noten der Ausgabe von Ibn Suwär fällt auch der Name des

Abo Yahyä al-Marwaz! (9.-10 Jh. n. Chr.), der bei Ibn an-Nadim als

Lehrer Abü Bisrs bezeichnet ist und eine Erörterung {kaläm) zu den

Zweiten Analytiken verfaßt haben soll. Freihch müßte es sich dabei nach

einer ergänzenden Angabe um eine syrische Schrift gehandelt haben*'.

Nach dem Befund in den Noten der Ausgabe Ibn Suwärs hat Abü Yahyä

al-Marwazi bei der Vermittlung von Material aus der griechischen Exe¬

gese eine gewisse Rolle gespielt. Von den uns bekannten griechischen

Exegeten der Zweiten Analytiken werden in den Noten Alexander von

Aphrodisias und Johannes Philoponos genannt. Demgegenüber ist bei

Ibn an-Nadlm ohne weitere Angaben davon die Rede, daß Themistios

die Zweiten Analytiken vollständig kommentiert habe, daß der Kommen¬

tar des Alexander von Aphrodisias nicht (arabisch) existiere und daß

auch Johannes Philoponos die Zweiten Analytiken kommentiert habe.

Werm Themistios, wie es scheint, in den Noten der Ausgabe Ibn Suwärs

nicht genannt wird, so belegt nicht nur Gerard von Cremona durch seine

Übersetzung, daß die Paraphrase des Themistios arabisch vorhanden

war. Auch Averroes beruft sich in seinem Großen Kommentar zu den

** Kitäb al-Fihrist. Hrsg. Gustav Flügel. Beirut 1964 (Nachdruck).

I, S. 249. Sofern nichts anderes angegeben ist, gilt diese Stelle auch für den

folgenden Zusammenhang. Vgl. dazu Steinschneider: Arab. Übers., S. (81)

und Peters, S. 17 ff.

*' Fihrist I, S. 263, wo Abü Yahyä ebenfalls als Lehrer Abü Bisrs genannt

ist. Vgl. dazu u.a. Peters, S. 18 und Walzer, S. 67 sowie lOOff.

SS ZDMG 130/3

(10)

566 Helmut Gätjb und Gregob Schoeler

Zweiten Analytiken häufiger auf Themistios**. Darüber hinaus nennt

Averroes auch einige Male Alexander, und zwar zum Teil in unmittel¬

barer Verbindung mit Themistios, bemerkt aber ausdrücklich, daß der

Kommentar des Alexander ihm nicht vorgelegen habe**. Jedenfalls ist

der Kommentar des Alexander auch im griechischen Bereich nur indi¬

rekt bezeugt, und zwar gerade durch Johannes Philoponos, dessen Kom¬

mentar ebenso wie die Paraphrase des Themistios griechisch erhalten ist,

während bisher noch keine arabischen Fassungen dieser Schriften vor¬

liegen. Aus den Noten bei Ibn Suwär geht hervor, daß die Zitate Alex¬

anders offensichthch durch Johannes Philoponos vermittelt worden sind,

und insofern besteht hier keine Unstimmigkeit gegenüber Ibn an-Nadim

oder Averroes. Auf der anderen Seite scheint Averroes in seinem Großen

Kommentar zu den Zweiten Analytiken den Johannes Philoponos gar

nicht zu erwähnen, so daß man in diesem Falle kaum von einem breiten

und nachhaltigen Einfluß sprechen kann.

Im Anschluß an die griechischen Exegeten nennt Ibn an-Nadim neben

Abü Yahyä al-Marwazi, dem Lehrer Abü Biärs, noch einmal den letzte¬

ren, und nunmehr als Kommentator der Zweiten Analytiken. Auch das

stimmt insoweit mit dem Befund bei Ibn Suwär überein, als in dessen

Noten verschiedenthch von Abü Biär Mattä die Rede ist. Freihch stellen

diese Zitate schwerhch den ganzen Umfang der exegetischen Tätigkeit

Abü Bilrs zu den Zweiten Analytiken dar (dazu auch unten S. 572). Als

weitere arabische Exegeten nermt Ibn an-Nadim al-Färäbi (gest. 339/

950), einen weiteren Schüler Abü Bisrs, und al-Kindi (gest. nach 256/

870), während er Yahyä ibn 'Adi, von dem Ibn Suwär gleichfalls exege¬

tisches Material anführt, in diesem Zusammenhang gar nicht neimt.

Tatsächhch hat von den älteren Exegeten offensichtlich al-Färäbi für

die Auslegung der Zweiten Analytiken eine besondere Rolle gespielt,

und zwar unter anderem durch einen ausführlichen Kommentar. Dem¬

entsprechend bezieht sich Averroes in seinem eigenen Großen Kommentar

zu den Zweiten Analytiken, dem wir uns nunmehr zuwenden wollen,

des öfteren auf al-Färäbi**.

So z.B. Juntina I 2a, fol. 13 C, 14 A, 16 A, 19 E u.ö. — Wenn Averroes

zu Beginn seines Kommentars sinngemäß sagt, daß ihm kein Sarh irgend¬

eines Exegeten bekannt sei, der die Zweiten Analytiken dem Wortlaut nach

erkläre (s. unten S. 569), so ist dabei zu bedenken, daß der Kommentar des

Themistios eine Paraphrase darstellt, „die nur den hauptsächlichen Inhalt"

angibt imd dabei auch zum Teil ,,die Reihenfolge der einzelnen Partien"

ändert (Pbantl I, S. 639).

" So Juntina I 2a, fol. 429 A. Vgl. ferner fol. 125 F und 450B.

*" So z.B. Juntina I 2a, fol. 2 C, 2 D, 3 C, 3 F, 4 B, 12 E, 13 D, 34 A usw.

(11)

Averroes' Schriften zur Logik 567

Zum Kommentar des Averroes hat man hn Rahmen der Geschichte

der Logik festgesteUt, dieser halte sich überwiegend an den Text; und

während wohl zuweüen Themistios, seltener aber Alexander von Aphro¬

disias erwähnt seien, finde man in auffallender Weise nur selten andere

Schriften des Aristoteles beigezogen*'. Somit sei nur wenig hervorzu¬

heben. Unter dem Wenigen, was dann hervorgehoben wird, fallen Kon¬

troversen mit al-Färäbi und Avicenna auf. In der Tat ist al-Färäbi der¬

jenige Exeget, den Averroes am häufigsten nennt, während Avicenna*'

und — wie wir hinzufügen können — Abü Bisr (s. unten S. 51 Iff.) und

Avempace (gest. 533/1138)** sehr viel seltener vorkommen. Auch

Themistios wird nicht so häufig zitiert wie al-Färäbi. Im ganzen belegt

auch dieser Kommentar das Bemühen des Averroes um einen reinen —

oder reineren — Aristoteles, was zugleich eine Abkehr von früheren

Tendenzen in der arabischen Phüosophie bedeutet.

Darüber hinaus hat man aus dem von Averroes zitierten aristoteUschen

Text aber auch gewisse Schlüsse auf die arabische Überheferung der

Zweiten Analytiken gezogen, wobei man das bisher greffbare Material in

repräsentativer Form verwendet hat**.

Zu diesem Material gehören zunächst die arabische Übersetzung der

Zweiten Analytiken durch Abü Bisr Mattä, sodann die lateinische Fassung

des Gerard von Cremona, der Oroße Kommentar des Averroes in der noch

nicht edierten hebräischen Fassung des Kalonymos ben Kalonymos

sowie den davon abhängigen lateiiuschen Fassungen von Balmes,

Burana und Mantinus und schUeßlich auch der Mittlere Kommentar des

Averroes in der lateinischen Fassung des WUhelm von Luna und in der

von der hebräischen Übersetzung des Jakob Anatoh abhängigen latei¬

nischen Fassung von Burana. Der Vergleich der verschiedenen Texte hat

zu folgender Annahme geführt : Die Übersetzung Abü Bi§rs ist von einem

unbekannten arabischen Autor** dergestalt umgearbeitet worden, daß der

knappe und oft dunkle aristoteUsche Text in einer ausführUcheren und

gewandteren Form wiedergegeben ist. Damit entfernt sich dieser Text

*' So Pbantl II, S. 396. Vgl. zum Folgenden auch den weiteren Zusam¬

menhang.

*' Juntina I 2 a, fol. 7 B, 34 E, 129 E, 154 F (falsch C) usw.

*' So z.B. Juntina I 2a, fol. 98 A und C. Gelegentlich ist auch einfaoh von den „expositores" die Rede. Aueh in den oben S. 563 f. erwähnten Quaesita aus dem Bereich der Zweiten Analytiken wird al-Färäbi reoht häufig genannt,

aber daneben u.a. auch Themistios, Avicenna und Avempace.

** Dazu Minio-Palüello, S. XVff., und zwar zum Teil anders als in der

zuvor verfaßten, in Anm. VIII 3 angeführten Abhandlung.

** Zu dem Problem der Identität des bei Ibn Suwär erwälmten Über¬

setzers Maräyä vgl. Walzeb, S. lOOf., und dazu wiederum Minio-Palttkllo, S. XX.

89»

(12)

568 Helmut Gätje und Gregob Schoeler

von jener Fassung des Abü Bisr Mattä, wie sie uns in der Überlieferung

durch Ibn Suwär vorhegt. Diese neue Rezension ist nun zur Grundlage

der lateinischen Übersetzung des Gerard von Cremona geworden und

liegt auch dem gesamten Mittleren Kommentar sowie dem Großen

Kommentar des Averroes zum ersten Buch der Zweiten Analytiken zu¬

grunde. Vor der Abfassung des Großen Kommentars zum zweiten Buch ■

wäre Averroes offenbar auf den Text des Abü Bisr gestoßen und hätte

diesen dann seiner Auslegung des zweiten Buchs zugrunde gelegt. —

Zu dem Zeitpunkt, da man diese Schlußfolgerungen gezogen hat, war

noch kein arabisches Exemplar des Großen Kommentars zu den Zweiten

Analytiken bekannt*', oder es war, genauer gesagt, eine bereits bekannte

arabische Handschrift noch nicht als Textzeuge für den Großen Kom¬

mentar zu den Zweiten Analytiken identifiziert worden*'.

Inzwischen hat nun Gregor Schoeler im Rahmen der Katalogisie¬

rung der Berhner orientalischen Handschriften bemerkt, daß die bisher |

mehrfach als Zeuge für den arabischen Text des Mittleren Kommentars I

angeführte Handschrift Ms. or. fol. 3176 (1913. 168) nicht den letzteren, 1

sondern den Großen Kommentar enthält. Damit ist nunmehr erstmals ein i

arabischer Textzeuge für den Oroßen Kommentar zugänghch. Allerdings '

enthält die Handschrift nicht den vollständigen Text des Werkes. Das !

Nähere ist der nun folgenden Beschreibung der Handschrift zu ent- j

nehmen. i

Schwarzer Ledereinband mit Blindpressung und Klappe. Rauhes bräunliches

Papier. Erhaltungszustand im allgemeinen gut. Auf fol. 1—20 ist jedoch der

obere Rand, jeweils außen, ausgebessert, dadurch auf fol. 2—13 geringer

Textverlust. Wurmfraß, vor allem an den Rändern, im letzten Drittel der

Hs., etwa ab fol. 80, besonders am oberen Rand; dadurch und durch Aus¬

besserungen der Löcher auf fol. 113b, 116a und 117 geringer Textverlust.

117 fol. Folüerung von einer modernen orientalischen Hand, keine Original-

Foliierung. Format: 19 x 28 cm. Schriftspiegel: 14 x 21,5 cm, gering

variierend.

25 Zl. Großes klares steiles nur etwas nach links geneigtes Magribi nait I

kalligraphischem Anspruch; braune Tinte. Abschnittsübersehriften (qäla

Aristäfälis, at-tafsir) durch große und fette Buchstaben hervorgehoben.

Schreiber: 'Abdalkabir b. 'Abdalhaqq (?) b. 'Abdalkabir al-Gäfiqi al-Iäbili.

Die Hs. ist nicht datiert, doch läßt sich mit an Sicherheit grenzender Wahr-

scheinhchkeit annehmen, daß sie aus dem 7./13. Jh. stammt. Darauf deutet

die Person des Schreibers hin. Ihn selbst konnten wir nicht identifizieren;

indessen läßt die Tatsache, daß er sich al-Isbili nennt, darauf schließen, daß er zumindest noch in Sevilla geboren wurde. Als terminus ante quem für seine

" So Bouyges in: MFO 8, 24.

*' So Carl Brockelmann: Geschichte der arahischen Litteratur. Suppl..

Bd. I. Leiden 1937, S. 835 und Minio-Paluello, Anm. XXVI 23.

(13)

Averroes' Schriften zur Logilc 569

Geburt hätten wir damit das Jahr 1248, in dem Ferdinand III. von Kasti-

hen die Stadt einnahm und die gesamte muslimische Bevölkerung vertrieb.

Möglicherweise ist unser 'Abdalkabir b. 'Abdalhaqq (?) b. 'Abdalkabir al-

Gäfiqi der Enkel des Rechtsgelehrten imd Traditionswissenschaftlers Abü

Muhammad 'Abdalkabir b. Muhammad al-Gäfiqi (536/1142—617/1220), der

in der Nähe von Ronda geboren \vurde und sich später in Sevilla ansiedelte*'.

Zieht man die Seltenheit des Namens 'Abdalkabir in Betraeht — in Kahhäla's

Mu'gam finden sich ledighch zwei Persönlichkeiten mit diesem ism —, so

gewinnt diese Annahme noch an Wahrscheinlichkeit. — Sollte unsere

Identifizierung richtig sein, so ergäbe sich wiederum das 7./13. Jh. als Lebens¬

zeit des Schreibers. Schließlich deutet auch der Duktus darauf hin, daß die

Abschrift aus dieser Zeit datiert.

Die Hs. war Eigentum mehrerer Angehöriger der jüdisch-spanischen Familie

Abü l-'Äfiya. Als Besitzer haben sich auf fol. la eingetragen: Abül-'Äfiya

b. 'Aun (b. [?]) Ibrähim b. Süsän, Abü l-'Äfiya b. Süsän und Abü l-'Äfiya

b. Abo (sio !) Ishäq Ibrähim b. Däwüd b. Süsän (alle Namen in arabischer

Schrift). Wir haben keine dieser Persönlichkeiten genauer identifizieren können.

Titel : Sarh kitäb al-burhän li-Arisfäfälis.

Anfang (fol. lb): Al-garadu fl hädä l-qauli Sarhu Abülüflql (sio !) at-täniyati

wa-huwa l-ma'rüfu bi-kitäbi l-burhäni id lam yaqa' ilainä li-ahadin mina

l-mu'abbirlna fihi Sarhun 'alä l-lafzi.

Ende (fol. 117b): wa-dälika mustahllun li-anna mä baina l-afräfl l-mutanä- hiyati mutanähin darüratan. hunä kamala s-sifru l-auwalu min Sarhi . . . bni RuSdin . . . li-kitäbi l-burhäni li-Arisfäfälis.

Die Hs. ist nicht vollständig. Sie bricht nach dem ,, ersten Buch" {sifr) (um hier ihrer eigenen Einteilung zu folgen) ab. Dieses „erste Buch" beinhaltet

aber nur Text und Kommentar zu den ersten 23 Kapiteln des ersten Buches

des Grundwerks (nach heutiger Zählung), während das vollständige erste

Buch der Zweiten Analytiken 34 Kapitel (nach heutiger Zählung) hat.

Die Abschrift ist nicht vom Autograph angefertigt und wurde auch nicht

mit diesem kollationiert. Das ergibt sich daraus, daß der Schreiber auf fol.

97 a bemerkt, daß seine Vorlage unvollständig sei, und daß er auf der folgen¬

den Seite Platz zum Ausfüllen der Lücke gelassen hat.

Die Hs. ist am Ende verheftet: Während die Blattfolge bis einschließlich fol. 108 stimmt, ist danach wie folgt zu ordnen: fol. 115, 114, 113, 116, 109,

110, Ul, 112, 117.

Am Rand durchgehend Verbesserungen und — seltener — Glossen von der

Hand des Schreibers und von anderen Händen. Bis fol. 48 hebräische

Glossen (meist Stichwörter); auf der ersten Seite auch lateinische Rand¬

bemerkungen.

Im Gegensatz zu der heutigen Ghederung, nach welcher das erste Buch

der Zweiten Analytiken 34 und das zweite Buch 19 Kapitel verschiedenen

Umfanges umfaßt, ist der Stoff der Zweiten Analytiken im Druck der

Giuntas und in anderen alten Drucken in kleinere Abschnitte geteilt, die

Zu ihm 'Umar R. Kahhäla: Mu'gam al-mu^allifln. V. Damaskus 1958,

S. 313.

(14)

570 Helmut Gätjb und Gbeoor Schoeleb

jeweils aus dem Lemma der aristotelischen Textvorlage und dem dazu¬

gehörigen Kommentar des Averroes bestehen. Diese Abschnitte sind

nach Text und Kommentar innerhalb der beiden Bücher der Zweiten

Analytiken durchgezählt, und zwar so, daß das erste Buch 202 und das

zweite Buch 107 Text- und Kommentarabschnitte enthält. Der uns vor¬

liegende arabische Text bricht nach dem Text- und Kommentarabschnitt

159 des ersten Buches ab**. Im einzelnen ist die lateinische Ghederung

in Abschnitte offenbar gänzlich von der arabischen Einteilung im

Großen Kommentar des Averroes abhängig. Bezeichnend ist dabei, daß

der letzte Satz des Textes von Abschnitt 152*" sowohl bei Averroes als

auch in den lateinischen Übersetzungen zu Beginn des Abschnittes 153

wiederholt wird*'. In der lateinischen Übersetzung des Gerard von

Cremona, die nur den aristotehschen Text enthält, steht dieser Satz

naturgemäß nur einmal*'. Im Gegensatz zu den lateinischen Drucken des

Großen Kommentars sind die Text- und Kommentarabschnitte im Ara¬

bischen nicht durchgezählt. Sie sind aber dadmch hervorgehoben, daß

vor dem zitierten aristotehschen Text jeweils in großer und fetter Schrift qäla Aristätälis (Aristoteles sagt) und vor dem Kommentar in ebensolcher

Schrift at-tafsir (Kommentar) steht (s. oben S. 568). Vor dem Text von

Abschnitt 28 steht außerdem noch fasl (Abschnitt), und zwar vor qäla

Aristätälis^^. Offenbar ist dies aber die einzige Stelle, die so gekennzeich¬

net ist. Zu Begiim des Ganzen, also vor dem ersten Textabschnitt, steht,

wie im Lateinischen, die Einleitung des Averroes. Der Übergang zum

eigenthchen Kommentar ist durch die Überschrift al-maqäla al-ülä (das

erste Buch) markiert**, der dann mit der übhchen Formel qäla Aristä¬

tälis der erste Textabschnitt folgt. Wenn es zum Schluß der Handschrift

heißt, daß damit der erste Teü des Kommentars von Averroes ende

(s. oben S. 569), so ist eine solche Zäsur, die hier nach dem Kommentar¬

abschnitt 159 des ersten Buches stehen müßte, im Lateinischen nicht

gegeben. Es ist auch nicht ersichthch, aus welchen inhaltlichen Gründen

an dieser Stelle, die genau mit dem Abschluß von Buch I Kapitel 23 der

heutigen Zählung zusammenfällt (s. oben S. 569) eine Zäsur zu setzen ist.

Offenbar geht diese Zäsur zu Lasten der arabischen Handschrift, die sich

als ein relatives Ganzes geben wül.

*• Juntina I 2 a, fol. 342 A.

" Juntina I 2a, fol. 324 F. Averroes, fol. 108 b, 12f

" Juntina I 2a, fol. 327 D. Averroes fol. 114a, 5f

Nämlioh Minio-Paluello, S. 45, 13f

Der Text ist unten (S. 575ff.) mitgeteilt. Zu bemerken ist noch, daß die

heutigen Kapitelgrenzen vielfach, aber nieht immer, mit Zäsuren in der

Gliederung nach Abschnitten zusammenfallen.

" So fol. 3 b, 19.

(15)

Averroes' Schriften zur Logik 571

Es stellt sich nunmehr die Frage, ob und inwieweit die Einsicht in den

arabischen Text des Großen Kommentars die bisherigen Schlüsse auf die

arabische Überlieferung der Zweiten Analytiken des Aristoteles und deren

Behandlung durch Averroes bestätigt oder modifiziert. Diese Frage soll

hier nicht abschließend behandelt werden, doch seien eirüge Hinweise

gegeben. Eine der oben angeführten Schlußfolgerungen ging dahin, daß

Averroes seinem Großen Kommentar zu den Zweiten Analytiken im

ersten Buch einen anderen Text als den des Abü Bisr Mattä, im zweiten

Buch aber den des letzteren zugrunde gelegt habe. Soweit es die Lem¬

mata betrifft, bestätigt der arabische Text diesen Befund für die von

ihm belegten Teüe, also für Buch I, Kapitel 1 bis 23 der heutigen Zäh¬

lung. Hier liegt in der Tat ein anderer Text als der des Abü Bisr Mattä

zugrunde, und zwar eben jener, den Gerard von Cremona unmittelbar

aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt hat. (Dabei ist von ge¬

wissen Varianten und stellenweise auch von Uiüilarheiten oder Irrtümern

abzusehen, die sich jedoch zum Teü anhand des Kommentartextes be¬

seitigen lassen) . Allerdings — und das hat man bisher übersehen — bezieht

sich Averroes gelegenthch auch im ersten Buch seines Kommentars

auf Abü Bisr Mattä, so etwa im Zusammenhang mit der Exegese von

I 10. (Bekkbb) 76b 23—27 = Kommentarabschiütt 77. Hier geht es um

den Passus 76b 26 f., der griechisch folgendermaßen lautet**:

'Ael Y^p effTiv evoTvivai Ttpoi; tov ^^to Xöyov, aXXa nphc, tov 2<to) Xoyov oux a.sL

Stellt man den Lemmatext des Averroes neben die Übersetzung Abü

Biärs, so ergibt sich folgender Befund, der jeweUs durch die Übersetzung

des Gerard von Cremona und Abraham de Balmes ergänzt ist :

Lemma des Averroes*' Abü Biär Mattä*'

fa-inna n-nutqa l-häri^a wa-dälika anna l-qaula

qad yumkinu an yu'änada l-häri^a qad yu'änadu

aidan dä'iman fa-ammä däHman läkinna

n-nutqu d-dähilu <(/a->Zö l-qaula l-hätina laisa

yumkinu mu'änadatuhü däHman yu'änadu däHman

„Dem äußeren Grund kann ,,Denn dem äußeren Grund mag

man nämUch auch immer man immer widersprechen,

widersprechen, während dem inneren Grund aber nicht

beim iimeren Grund nicht immer",

immer ein Widerspruch mög¬

hch ist".

5» Wir benutzen für das Griechische den Text nach W. D. Boss.

" Fol. 55b, 17 und Rand. " Badawi, S. 340, llfif.

(16)

572 Helmut Gätjb und Gregor Schoeler

Gerard** Abraham**

Sermo enim extrinsecus Exterior enim oratio

possibile est contradici potest semper oppugnari,

etiam semper, sed ratio interiori oratione

intrinseca non est possi- nequit semper obüci.

bile contradici semper.

Im Kommentar zu dieser Stelle bemerkt Averroes"*: wa-ammä lladi

lä yaHarifu l-insänu bihi bi-nutqihi d-dähili fa-qad yu'ätiaduhü dä'iman

bi-nutqihi l-härigi — hädä t-tafsiru fassarahü Mattä l-mutargimu ,,Was der

Mensch nicht durch seinen inneren Grund kennt, dem kann er stets

durch seinen äußeren Grund widersprechen. — So hat es der Übersetzer

Mattä erklärt". Bei Abraham*' steht dafür: Illi vero, quod aliquis nescit

sua interiori oratione, potest sua exteriori oratione semper obücere. Et

hanc expositionem exposuit Matheus traductor. ■— Schlägt man in

Badawis Textausgabe der Übersetzung Abü Bisrs nach, so fehlt dort

die entsprechende exegetische Bemerkung, was übrigens auch für eine

Stelle aus dem zweiten Buch der Zweiten Analytiken zu gelten scheint"

und als ein Indiz dafür zu werten wäre, daß die uns vorliegende

Textausgabe nicht das gesamte exegetische Material Abü Bisrs ent¬

hält.

Weiterhin wird im lateinischen Text des Kommentarabschnittes 142

zu I 19, 82a 19f. aus einer „anderen Übersetzung" zitiert, ohne daß

deren Autor genannt wäre. Sachlich geht es hier um die Feststellung,

daß es bei konvertiblen Begriffen kein logisches Früher oder Später gibt.

Ausgenommen sind jedoch Begriffe, die nicht in gleicher Weise konver¬

tiert werden körmen. Die betroffene griechische Stelle lautet mit den

entsprechenden Parallelen bei Averroes, Abü Biär, Gerard und der aha

translatio bei Abraham :

nXvjv el [i,y) 6[iolu>c, zMMyzioLi avTiCTTpecpew, aXXöt to [i,sv uic, au[xßeß7)- xo?, t6 S' oic, xaTV)Yoptav.

»' Minio-Paluello, S. 23, 25—27.

" Juntina I 2 a, fol. 170 D.

Fol. 56b, 4 v.u. f.

" Juntina 1 2a, fol. 172 C.

Juntina I 2a, fol. 531 A (Abraham: Mathius autem interpres dicit).

Es handelt sich um den Kommentarabschnitt 86 des zweiten Buches (zu

Aristoteles II 14. 98a 12—19). Vgl. dazu Badawi, S. 453, 1—7, wo sich

zwar eine Bemerkung Abü Bisrs (Anm. 1) findet, die aber offenbar nicht mit

der bei Averroes identisch ist.

(17)

Averroes' Schriften zur Logik 573 Lemma des Averroes**

wa-ka-dälika wa-in lam

yan'akis ba'duhä 'alä ba'din 'alä hädä l-waghi läkin yan'akisu ahaduhumä n'ikäsa gauharin 'alä 'aradin wa-l-äharu n'ikäsa 'aradin 'alä gauharin

„Und so ist es aueh, wenn man die (Begriife) nicht in dieser Weise miteinander vertauscht,

sondern den einen als

Substanz mit einem Akzidens

und den anderen als Akzi¬

dens mit einer Substanz vertauscht".

Gerard**

Et simOiter et si non conuertantur ad inuicem

hunc modum, sed conuer-

tatur unum eorum con-

uersione substantie per accidens et alterum conuersione accidentis super substantiam.

Die Gegenüberstellung macht deutlich, daß die alia translatio mit der

Übersetzung des Abü Bisr Mattä identisch ist, die in diesem Falle dem

griechischen Text ungleich näher steht. Freilich bricht der arabische

Text unserer Handschrift unmittelbar vor dem Zitat aus der aha trans¬

latio ab*' und enthält auch die im Lateinischen noch folgenden Teile

dieses Kommentarabschruttes lücht. Im Hinblick auf die Textvorlage

des Averroes ist bemerkenswert, daß sich in Badawis Ausgabe** eine

kommentierende Glosse des Abü Bisr befindet, wonach mit der Prädi¬

kation gemeint sei, daß man etwas als Substanz prädiziere wie den

Abü Bisr Mattä**

allähumma in lam yakun

yumkinu an yaküna 'aksuhä

ba'duhä 'alä ba'din 'alä mitälin

wähidin bal yakünu hädä

ka-l-'aradi wa-hädä ka-l-hamli

,,Es sei denn, daß man die (Begriffe) nicht in gleicher Weise

miteinander vertauschen kann,

sondern dieser als Akzidens und

jener als Prädikation auftritt".

aha translatio bei Abraham**

Nisi sit possibilis

alterna conversio earum una : sed hoc fit per accidens, hoc autem secun¬

dum praedicationem.

Fol. 98a, 5—7. " Badawi, S. 369, 14f.

" Minio-Paluello, S. 39, 31—34.

«« Juntina I 2a, fol. 296 C. " Fol. 98b, 10.

'« S. 369, Anm. 6 (nicht 2 wie bei Walzeb, S. 102).

(18)

574 Helmut Gätje und Gbegob Schoeler

Menschen vom Lachenden und das Pferd vom Wiehernden. Es folgt

eine Note des „Saih" (es handelt sich entweder um Yahyä ibn 'Adi oder

um al-Hasan ibn Suwär**), daß entweder die Prädikation des Universalen

von den Partikularien oder aber die Prädikation des Akzidens von der

Substanz gemeint sei. Dabei weist zumindest das Beispiel des Lachenden

in die griechische Exegese zurück'*.

Wenn an dieser Stelle die nicht namenthch genannte Übersetzxmg

Abü Bisrs im arabischen Text fehlt, so daß man auch an einen Nachtrag

aus späterer Zeit denken könnte, so wird sie im Rahmen des Kommentar¬

abschnittes 148 als targamat Mattä zitiert. Betroffen ist die Stelle I 22.

(Bekker) 83a 14f. : die griechisch folgendermaßen lautet:

Et St) Set vofjioOeTvicai, iaxta t6 oÖtw X^yetv xaTVjYOpeiv.

Die Gegenüberstellung des Lemmatextes bei Averroes und des Textes

von Abü Bi§r Mattä im Kommentar des Averroes ergibt folgenden Befund,

der allerdings eine Unklarheit im Text des Abü Bisr Mattä aufweist :

Lemma des Averroes"

ja-in käna ya^ibu an nada'a qänünan fi dalika fa-l-na^'ali

l-mahmüla lladi huwa 'alaihi

mahmülun 'alä hädä n-nahwi

huwa l-mahmüla 'alä tariqi t-tahqiqi.

,,Wenn wir nun eine Regel

dafür aufstehen müssen, dann wollen wir dasjenige

Ausgesagte, welches in

diesem Siime Ausgesagtes

ist, zum Ausgesagten im

eigenthchen Sinne machen".

Abü Bisr Mattä bei Averroes"

fa-in käna yanbagi

an nada'a fi amri Hmhnat

sunnatan fa-l-yakuni l-qaulu

'alä hädä n-nahwi huwa

l-hamla.

,,Weim wir nun ein Gesetz für ... (?) aufstellen müssen, dann soll die in dieser Weise erfolgte Rede die Aussage sein".

" Nach Walzer, S. 102 wäre hier Yahyä ibn 'Adi gemeint. Er wird in

den Noten Ibn Suwärs meist ai-fädil Yahyä, aber einmal auch aS-Saih

dt-fädil Yahyä (S. 351, Anm. 1) genarmt. Indessen bezeichnet der Kopist

der Handschrift im Nachwort zur Sophistik (Badawi: Mantiq III, S. 1017)

auch al-Hasan ibn Suwär als iaih (Mitteilung von Endress).

Es findet sich bei Johannes Philoponos; vgl. Joannes Philoponi in

Aristotelis Analytica Posteriora Commentaria. Ed. Maximilian Wallibs.

Berlin 1909 (Commentaria in Aristotelem Graeca. Vol. XIII, Pars III),

S. 224. •— Das Beispiel vom Wiehemden hat Philoponos nicht.

" Fol. 103a, 18f.

'» Fol. 104b, 6f. Dazu Abü Biär bei Badawi, S. 374, paen. — 376, 1.

(19)

Averroes' Schriften zur Logilc 575

Bis auf den teilweise unklaren Passus Hmhnat sunnatan, bei dem in der

Handschrift offensichthch am ersten Wort radiert worden ist, stimmt das

Zitat von Averroes mit dem edierten Text des Abü Bisr Mattä überein,

der sicherhch nicht zufälhg an derselben Stelle eine Unklarheit zeigt, die

vom Herausgeber fragend in aS-sahir (sie!) emendiert worden ist. Für

den Lemmatext des Averroes sei hier wieder die Übersetzung des Gerard

von Cremona und für den nach Abü Bisr Mattä zitierten Text in diesem

Falle die des Jakob Mantinus angeführt.

Gerard'»

Quod si necesse fuerit

ut ponatur canon in ülo,

tunc ponatur predicatum

quod est predicatum hoc modum

esse predicatum secundum viam uerificationis.

Jakob'*

Si autem debemus imponere in illa re, tunc oratio hoc pactu erit ipsam predicatio.

Beide Texte lassen deuthch die Verschiedenheit der jeweiligen Vor¬

lage erkennen, und auch die Unklarheit bei Abü Bisr Mattä spiegelt sich

bei Jakob Mantinus teilweise wieder, was übrigens auch für Abraham

de Balmes und Johannes Franciscus Burana gilt. Vergleicht man die

beiden arabischen Texte mit dem uns vorhegenden griechischen des

Aristoteles, so zeigt sich, daß Averroes auch an dieser Stelle mit Recht

die Übersetzung des AbO Biär Mattä herangezogen hat. Sie steht dem

Original ungleich näher.

Das letztere gUt nun auch für eine Reihe anderer Stellen, wobei aller¬

dings die größere Textnähe nicht immer die Verständlichkeit fördert.

Als Beispiel für die verschiedene Art der Wiedergabe des griechischen

Originals sei hier der auch sonst'* schon verwertete Lemmatext von

Abschnitt 28 (I 4. 73 a 21—25) nebst dem Text des Abü Biär Mattä bei¬

gezogen:

'EtceI S' aSuvaTov aXXw? ^x^iv o5 ^(ttiv eTtwnQfiV) (xtcXw?, ävayxaiov av e'it) t6 eTciCTTYjTÖv TO xara Ty)v «TtoSetxTixyiv eTCtCTT7)[i7)V dcTcoSstxTixy) 8' eerrlv £;(o(xev t« e;(Eiv dcTToSei^iv. zE, ävayxaiwv apa <TuXXoYta[i,6<;

effTW 7) a7t6Sei5ti;. XyjTiTeov apa ex xivwv xal ttolwv al aTcoSet^ei.«; elalv.

'» Minio-Palueixo, S. 42, 24—27.

Juntina I 2a, fol 314 D.

" MrtflO-PALUBLLO, S. XVI.

(20)

576 Helmut Gätjb und Gregor Schoeler

Lemma des Averroes'*

wa-mina l-haiyini anna l-matäliba llati tu'lamu Hlman muhaqqaqan

gairu mumkinin an takünu

bi-hiläfi mä hiya 'alaihi fa-mina l-idtiräri an taküna hädihi innamä

tu'lamu bi-l-burhäni min a§li anna l-burhäna lladi yüqafu bihi 'alä S-Sai'i 'alä t-tahqlqi huwa darüriyun li-annahü bi-l-'illati gairu

mustahilin wa-lä mutagayyi- rin wa-idä käna bi-hädihi a-sifati fa-muqaddamätuhü darüriyatun gairu mustahi- latin wa-lä mutagayyiratin fa-ya^ibu idan an yunzara fi l-hawässi wa-S-Surüti llati bihä takünu muqadda- mätu l-burhäni darüriyatan tumma yatba'u dälika n-nazaru fi matälibi l-burhäniyati.

„Es ist klar, daß die

Fragen, von denen man ein

sicheres Wissen hat, sich nicht anders verhalten können, als sie das tun.

Also muß es so sein,

daß man diese nur durch

den Beweis weiß, und zwar

deshalb, weil der Beweis,

durch den man etwas

richtig erfaßt, notwen¬

dig ist, denn er ist von

Abü Bisr Mattä"

wa-lammä käna

l-amru lladi l-'ilmu bihi 'alä l-itläqi

gaira mumkinin an yaküna

'alä hiläfi mä huwa 'alaihi fa-mina l-idtiräri an yaküna l-ma'lümu huwa l-amra lladi yakünu bi-l-'ilmi l-burhäniyi

wa-l-'ilmu burhäniyu

huwa l-häsilu lanä min

tariqi annahü ydhsulu lanä burhänuhü

fa-l-burhänu idan huwa qiyäsun

yakünu 'an muqaddamätin darüri-

yatin

fa-qad yanbagi idan an yu'hada

mimmä dä wa-min ayyi l-aSyä'i

yakünu l-burhänu.

„Nachdem dasjenige, wovon

man ein Wissen schlechthin hat, sich

nicht anders verhalten kann, als es das tut, muß

das Gewußte dasjenige sein,

welches aus dem apodikti¬

schen Wissen hervorgeht. Das apo¬

diktische Wissen ist aber das¬

jenige, welches uns dadurch zu¬

teil wird, daß uns sein Beweis zuteil wird. Somit ist der Be-

" Fol. 21a, 11—16.

" Badawi, S. 321, 10—14. Vgl. dazu Gerard bei Minio-Paluello, S. 10, 25—11, 1 und Juntina 1 2a, fol. 64 B-C.

(21)

Averroes' Schriften zur Logik 577

der Ursache her unwandel- weis ein Schluß, der aus not¬

bar imd unveränderhch. wendigen Prämissen hervorgeht.

Ist er von dieser Beschaf¬

fenheit, so ist er notwen¬

dig, unwandelbar und unver¬

änderlich. Folglich muß man Folghch muß man ermitteln,

die Besonderheiten und woher er kommt und aus welchen

Bedingungen betrachten, auf Dingen der Beweis hervorgeht".

Grund derer die Prämissen des Beweises notwendige

sind. Darauf folgt dann die

Betrachtung der Fragen, die

mit dem Beweis zusammenhän¬

gen".

Vergleicht man beide Übersetzungen mit dem griechischen Text, so

kann man sicher nicht sagen, daß die Version Abü Bisrs in jeder Weise

gelungen ist, aber sie klammert sich doch verhältnismäßig stark an das

äußere Wortgefüge des Griechischen. Im Gegensatz dazu entfernt sich

der Lemmatext bei Averroes erheblich vom griechischen Original, das er

teilweise soweit paraphrasiert, daß von einer Übersetzung im eigent¬

lichen Sinne nicht mehr die Rede sein kann. Es kommt auch vor, daß

im Lemmatext griechische Termini in einer Weise wiedergegeben werden,

die nicht den Gepflogenheiten anderer arabischer Übersetzer entspricht

und vom unmittelbaren Wortgebrauch her inadäquat ist. So findet man

beispielsweise in Abschnitt 155 Ende für griechisches aXXou yevou«; zic,

ÄXXo (I 23. 84b 17), das bei AbO Bisr Mattä terminologisch adäquat

durch min ^insin ilä ginsin ähara'^ wiedergegeben ist, min tabi'atin ilä

uhrä (Gerard von Cremona: de natura ad aham)", und damit ein ganz

anderes Etymon.

Die von Averroes im Großen Kommentar zum ersten Buch der Zweiten

Analytiken benutzte Textvorlage kann somit nicht im vollen Umfange

als eine Übersetzung im eigentlichen Sinne bezeichnet werden. Wie wh

bereits (oben S. 567 f.) bemerkt haben, hat man deshalb an eine Über¬

arbeitung der Abo Bisr-Übersetzung gedacht. Diese These hat, wie wir

schon jetzt feststellen können, viel für sich. Sicher ist jedenfalls, daß bei

der fraglichen Überarbeitung eine gewisse Sachkenntnis in den anste¬

henden Problemen der Logik eingebracht worden ist, was nicht aus¬

schließt, daß der nunmehr vorliegende Text bisweilen am Sinn des

" Badawi, S. 382, 4f

Averroes fol. 116b, 15; Gerard bei Minio-Paluello, S. 47, 9 und dazu

Juntina I 2a, fol. 333 B.

(22)

578 Helmut Gätje und Gregor Schoeler

Originals vorbeigeht. Dabei folgt aus der zumeist sachverständigen

Paraphrasierung, daß zumindest ein exegetischer Einschlag vorhegt.

Es mag hier offen bleiben, wie weit dieser über den Bereich der Schule

Abü Bisrs oder überhaupt über den arabischen Bereich hinausführt.

Um das Verhältnis zwischen beiden Fassungen weiter zu verdeut¬

hchen, sei hier noch das letzte Lemma der arabischen Handschrift nebst

dem Text des Abü Bisr Mattä angeführt. Dieses Lemma entspricht dem

Abschnitt 159 des ersten Buches der Zweiten Analytiken und stellt naeh

der heutigen Ghederung das Ende von Kapitel I 23 (85a 1—12) dar. Das

Stück ist inhalthch nicht ganz einfach und auch im Text nicht ganz

unproblematisch. Der Sache nach geht es darum, daß innerhalb eines

schlüssigen Syllogismus kein Begrifif außerhalb der Außenbegrifife fallen

kaim. Die Begriffe selbst sind durch Buchstaben symbolisiert, und zwar

anhand des griechischen bzw. des arabischen Abgad-Alphabetes, wobei

wir allerdings gewisse Unkorrektheiten im Arabischen stillschweigend

korrigiert haben. Betroffen sind grundsätzhch nur Syllogismen aus den

drei aristotelischen Schlußfiguren. Auch Averroes nimmt im Kommen¬

tar zu dieser Stelle nicht auf die vierte, dem Galen zugeschriebene

Schlußfigur Bezug. Zur weiteren Orientienmg sei auf kommentierende

Übersetzungen verwiesen*".

'Ev [AEv ouv loZq SeixTixoii; a\jKkofiay.oic, toü UTtapxovToi; ouSev e^co TtiTtTEi., ev Ss Toiii; crTepTjTtxo'öi;, Sv0a (aev o Set UTtapxetv, oiiScv toijtou

mmti, olov ti tÖ A tw B Sloc toü F [Aig (el y*P y-^'^ B TravTi t6

r, TW Se r [i.v]SEvl t6 A)' TtaXiv av Sey) oti tw T t6 A oüSevl UTtap^^ei, [xeaov XrjTCTeov toü A xal F, xal o{>t(o<; ael TropeuceTai.. eav Sc Sey) Set^ai

8ti, TO a tw E oü/ ÜT:ap/ei. tw to F tw (xev A TtavTl ÜTrap/sw, tw Se E

(AYjSevl [rj [LTj TtavTi], toü E oüSeTtOT' e'^w TCoretTaf toüto S' eoTiv & Sei uTtapxeiv. enl Se toü TplTou TpoTtou, oute 1x9' oö Sei ouTe 6 Sei aTep^aai oüSeTtoT' e^w ßaSieiTai.

Lemma des Averroes*' Abü Bilr Mattä*'

Ammä l-maqäyisu llati Fa-ammä fi l-maqäyisi llati

tvbayyinu (sie 1.) tubarhinu (1. tubayyinu'i)

l-i^äba fa-inna l-wasata annahü maugüdun (?)

laisa yaqa'u fihä häri^an fa-laisa yaqa'u härigan

wa-lä wähidun (sie 1.)

So etwa Jonathan Barnes: Aristotle's Posterior Analytics. London

1975. Enthält ausführhehe Bemerkungen des Übersetzers, der dem griechi¬

schen Toxt von Ross folgt und in einer kurzen Passage einen nicht gerecht¬

fertigten Zusatz sieht. " Fol. 112b, 14—22.

BadawI, S. 383, 3 v.u.— 384, 8. Vgl. dazu Gerard bei Minio-Paluello.

S. 48, 11—23 und Juntina I 2a, fol. 340 D-F.

(23)

Averroes' Schriften zur Logik 579

Lemma des Averroes

wa-ammä l-mxiqäyisu s-sälibatu fa-innahü idä käna l-ausatu maugüdan li-l-asgari fa-innahü lä yaqa'u härigan

mitla in aradta an tubayyina anna A laisat li-B bi-tawassuti Ö

ta-innahü in känat Ö

mau^üdatan li-kulli B

wa-A wa-lä 'alä Sai'in min Ö fa-in da'ati d-darüratu ilä an

tubayyina anna A

wa-lä 'alä Sai'in minÖ fa-yagibu an yügada haddun ausatu bainahumä

li-yatabayyana bihi dälika wa-'alä hädä l-mitäli dä'iman

fa-ammä in käna l-qiyäsu fi S-Sakli t-täni bi-manzilati

mä tubayyinu anna Ö

gairu maugüdatin li-kulli

H wa-känatÖ al-wasata tu'hadu

maugüdatan li-kulli D

fa-innahä takünu gaira maugüdatin li-Sai'in min H

au gaira mau,^üdatin li-kulli H

fa-inna s-salba lä yakünu härigan 'ani t-tarafi lladi huioa

fi waqtin mina l-auqäti

wa-ammä fi d-darbi t-täliti fa-lä sabila

ilä an-ta'huda s-salba härigan 'ani t-tarafi l-maslübi.

Abü Bisr Mattä wa-ammä fi s-sälibati fa-haitu yakünu maugüdan li-Sai'in-mä

fa-wa-lä wähidun min hädä yaqa'u

härigan

mitälu dälika in känat A li-B (lä) bi-tawassuti Ü

fa-innahü in känat Ö

maugüdatan li-kulli B

wa-A UM-lä 'alä Sai'in min Ö in da'atka

d-darüratu (sie 1.) ilä an taküna (?) A

wa-lä 'alä Sai'in min ö fa-qad yagibu an yügada haddun

ausatu baina A wa-Ö

wa-hädä l-ma'hadu naslukuhu dä'iman

fa-in da'ati d-darüratu ilä

an tubayyina anna Ö

laisat maugüdatan li-kulli

H hi-anna Ö

mau^üdatun li-kulli D

wa-gairu maugüdatin li-Sai'in min H

au laisat li-kulli H (sie. 1.) fa-innahü

häri jan (sie 1. ?) 'an H lä yaqa'u wa-lä

fi waqtin mina l-auqäti

wa-hädä huwa lladi lä ya¬

gibu an yaküna maugüdan lahü

wa-ammä d-darbu t-tälitu fa-laisa laka

an tasluka ilä

härijin min dälika lladi taslubuhü.

(

(24)

580 Helmut Gätjb und Gbegob Schoeleb

„Bei den Schlüssen,

welche die Bejahung aufzeigen,

fäUt der Mittelbegriflf rücht außerhalb davon.

Bei den verneinenden Schlüssen fällt der Mittelbegriff,

wenn er dem Unterbegriflf

zukommt, nicht

außerhalb.

Wenn man beispielsweise

aufzeigen wül, daß A dem B

nicht durch G zukommt,

und wenn dann G jedem B,

A aber keinem G zukommt,

dann muß, wenn man aufzuzei¬

gen hat, daß A keinem G zu¬

kommt, ein gemeinsamer Mit¬

telbegriff zwischen beiden

bestehen, damit das dm'ch ihn

klar wird. So ist es immer.

Weim es sich aber um den

Schluß in der zweiten Figur handelt, so daß man aufzeigen

soll, daß G nicht jedem H

zukommt, wobei G als der an¬

genommene Mittelbegriff jedem

D zukommt, aber keinem

oder nicht jedem H,

dann geht die Verneinung nicht über den Außenbegriff hinaus, der zu irgendeiner Zeit besteht.

Bei der dritten Art gibt es keinen Weg, die Verneinung außerhalb des Außenbegrififes anzuweden, der verneint wird".

,,In den Schlüssen,

welche beweisen, daß etwas

(einem anderen) zukommt (?),

fällt nichts außerhalb.

In den verneinenden fällt,

insofern etwas irgendeiner

Sache zukommt, lüchts davon

außerhalb.

Zum Beispiel :

Werm A dem B

nicht durch G zidiommt,

und wenn dann G jedem B,

A aber keinem G zukommt,

dann muß, wenn man aufzuzei¬

gen hat, daß A keinem G zu¬

kommt, ein gemeinsamer Mit¬

begriff zwischen A und G

bestehen.

Diesen Weg geht man immer.

Wenn man aber

aufzuzeigen hat,

daß G lücht jedem H

dadurch zukommt, daß G

jedem

D zukommt, aber keinem

oder lücht jedem H,

dann fällt er

nicht außerhalb H,

und zwar zu kemer Zeit.

Dieses (H) aber ist es,

welches (dem G) rücht not¬

wendigerweise zukommt.

Bei der dritten Art kaim man

nicht

außerhalb dessen voranschrei¬

ten, was man verneint".

Vergleicht man die beiden Texte miteinander, so gewinnt man auch

hier wieder den Eindruck, daß die von Averroes zitierte Fassung auf

(25)

Averroes' Schriften zur Logik 581

emer Überarbeitung xind teilweisen Umgestaltung der Übersetzxmg AbO

Bisrs beruht, wobei gegen Ende ein Satz entfallen ist, der bei Gerard und

in den übrigen lateinischen Fassungen bezeichnenderweise gleichfalls

fehlt. Im übrigen darf man hier nicht immer von der Textform in

Bada wis Edition ausgehen, die mancherlei Mängel zeigt. Der anonyme

Bearbeiter müßte schon eine bessere Vorlage gehabt haben, die noch

über die von verschiedener Seite vorgenommenen Emendationen xmd

Ergänzungen hinaus vom edierten Text abgewichen hat.

Zusammenfassend können wir also feststellen, daß sich die bisherigen

Annahmen bezüghch der anonymen Fassung und ihrer Verwendung

im Oroßen Kommentar des Averroes zum ersten Buch der Zweiten Analy¬

tiken durch unsere Untersuchung des neu aufgefundenen arabischen

Textes im wesenthchen bestätigt haben: Der spanisch-arabische Philo¬

soph hat für diesen Teil seines Werkes tatsächhch eine Überarbeitung

der Abü Bisr-Übersetzung verwendet. Auch dem (wohl früher ent¬

standenen, s. oben S. 562) Mittleren Kommentar, don wir in der Fassung

des Johannes Franciscus Burana benutzt haben, liegt offensichthch die

anonyme Fassung zugrunde, ohne daß dabei an den Parallelstellen zum

Großen Kommentar von Abü Bisr Mattä oder einer ,,aha translatio" die

Rede wäre**. Freihch fehlen im Mittleren Kommentar auch die zahl¬

reichen Hinweise auf andere Exegeten, so daß sich aus diesem Umstand

nichts Besonderes ergibt.

Daß Averroes dann bei der Niederschrift seines Großen Kommentars

zum zweiten Buch Agt Zweiten A nalytiken die ursprünghche AbO Bisr-

Version zugrunde gelegt hat, ist gleichfalls offensichthch. Man kann dies

aber keinesfalls in dem Sinne deuten, daß Averroes bei der Niederschrift

seines Großen Kommentars zum ersten Buch noch keine Kenntnis von

Abü Bisrs Übersetzung und seiner Exegese gehabt hat, denn bereits hier

zieht er diese ja einige Male im Rahmen seiner eigenen Auslegungen

heran. Was Averroes dazu veranlaßt hat, im Großen Kommentar zum

zweiten Buch die Übersetzung zu wechseln, geht, soweit wir sehen, aus

den uns vorliegenden lateinischen Fassungen nicht unmittelbar hervor,

wie überhaupt der Text Wechsel hier nicht kennthch gemacht ist. Man

muß wohl aimehmen, daß Averroes die ursprünghche Version AbO Bisrs

trotz aUer Knappheit und teilweisen Unbeholfenheit bei näherem Über¬

denken für genuiner gehalten hat als die überarbeitete Fassung und in

diesem Sinne auch hier einen Schritt zu Aristoteles zurück getan hat. Ob

diese Amiahme zu Recht besteht, muß eine nähere Untersuchung des

Zu den Stellen aus dem Oroßen Kommentar Buch I, Abschnitt 77, 142

und 148 sowie Buch II, Abschnitt 86 vgl. Juntma I 2b, fol. IOG, 12 L f.,

18 Ff. und 86 L f.

40 ZDMG 130/3

(26)

582 Hemitjt Gätjb und Gbbgob Schoeleb

Materials ergeben. Die hier vorgenommene Überprüfung beruht weit¬

gehend auf Stichproben.

Zur weiteren Verdeuthchung dessen, was hier von der überarbeiteten

Fassung gesagt worden ist, seien aus ihr noch zwei andere Textstellen

mitgeteilt und übersetzt, und zwar die Textabschnitte und 9** des

ersten Buches. Sie entsprechen in der heutigen Zählung den Teilen

I 1. 71a 1—11 und I 2. 71b 19—25 (Badawi 309f.).

(1) Iläoa SiSacxaXia xal uaoa |Aa6Y)Gi<; StavovjTixT) ex 7tpoÜ7rapxoti<nf)(;

ylveTai fMäatfüc,. <I>avep6v Se toüto öetüpoijGiv eTcl Tracwv ai Te yap [i.a6y)[i.aTixal tcov e7tiGTYj[i.cüv Sia toutou toü TpoTiou TrapaylvcvTat xal

Tcöv aXXcdv cxacTTT] Te/vcov. ly-oic^Q Se xal uepl Toüi; Xdyouc o'i Te Sia

auXXoYic(ji,wv xal ol St' ino-yo^yriQ' afjtcpoTepot yap Sta 7ipoytvcüoxo[i.£vci)v TToioüvTat T7)v StSacxaXlav, ol (xev Xa(jtßavovTe<; Tiapa ^uvtevTCJV, ol Se SetxvüvTei; to xaöoXou Sta toü Sr^Xov etvat to xa6' exaoTov. u>q S' auTcoi;

xal ol p7]Toptxol CTU(i.7ret6ouatv tq yap Sia TrapaSetyjAaTwv, 6 eoTtv

eTraytoyy], y] St' cvOu[xrj(iaTtov, 6nep ccttI cu>Jioyta(i,6(; .

(9) 'Et Totvuv ec7Tl to cTttoTaaOai oiov c6c[i.ev, ävayxT] xal tvjv (XTtoSetxTi- xrjv c7TtCTTYj[jtY]v iE, aXvjöwv t' elvai xal T^pwTtov xal «.[liaciM xal yvtopi- (jttOTepcov xal TTpoTepwv xal atTtcov toü (TU[i.T:epa<j[xaT0(;' oötco yap

IcovTat xal al a.pjcd otxetat toü Setxvu[i.evou. auXXoytafjtot; (j.£V y^p

eoTat xal aveu toutwv, a7i6Set^i(; S' oüx caTat" oü yap TcotTjoet cTciaT7jji,y)v.

(1) Kullu taHimin wa-ta'allumin dihniyin innamä yakünu min ma'rifatin

mutaqaddimati l-wugüdi wa-hädihi l-qadiyatu yazharu lanä sidquhä bi-

l-istiqräH wa-dälika anna l-'ulüma t-ta'älimiyata innamä yüqafu 'alä

matälibihä bi-hädä l-waghi wa-ka-dälika kullu wähidatin wähidatin mina

s-sanä'i'i l-bawäqi wa-'alä hädäl-mitäli yajril-amru fi-mä yaqa'u t-tasdiqu

bihi bi-l-qauli a'ni bi-l-qiyäsi wa-l-istiqräH fa-inna sä'ira mä yudraku

bi-hädaini t-tariqaini innamä yudraku bi-asyä'a yataqaddamu 'ilmuhä

fa-S-Sai'u lladi yu'lamu bi-l-qiyäsi innamä yaqa'u l-'ilmu bihi ba'da an

yaiaqaddama l-'ilmu bi-l-muqaddamäti wa-l-muqaddamatu l-kulliyatu llati

tajuzharu bi-l-istiqrä'i innamä yumkinu izhäruhä bi-l-istiqrä'i ba'da an

yataqaddamu 'indanä zuhüru säHri l-juz'iyäti wa-l-hutäba'u innamä

yumkinuhum an yaHü hi-ahkämin (muqni'atiny bi-an yataqaddamü fa-

yastaqrü uxi-yüridü l-amtilata au bi-an yaHü bi-l-maqäyisi l-mudmarati.

" Fol. 3b, 20— 4a, 2. Vgl. dazu Abü Bisr Mattä bei Badawi, S. 309, 10—

310, 3; Gerard bei Minio-PalueIxLO, S. 4, 4—19 und Juntina I 2a, fol. 12

A-D.

" Fol. 10a, 13—17. Vgl. dazu Abü Bisr Mattä bei BadawI, S. 313, 3—8;

Gerard bei Minio-Paluello, S. 6, 28—6, 1 und Juntina I 2 a, fol. 31 B — D.

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