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Statistische Methoden in der Indologie'
Von Johann Tischleb, Gießen
Im Jahre 1880 veröffenthchte W. W. Whitney einen kurzen Aufsatz*,
in dem er die Ergebnisse seiner Berechnungen der relativen Häufigkeit
der verschiedenen Laute des Sanskrit bekanntgab, zu dem er durch
ähnliche Vorarbeiten Föestemänns', die aber statistisch nicht genügend
zuverlässig waren, angeregt worden war*.
Er untersuchte Texte unterschiedlichen Alters, vom Rg-veda über
die Bhagavad-gitä zur Väsavadattä, verwendete die sich dabei ergebenden
Unterschiede aber nur am Rande. Als besonders bedeutungsvoU empfand
er vielmehr die Tatsache, daß im Sanskrit das Verhältnis von Vokalen
(43,52%) zu Konsonanten (56,58%) 1:1,3 ist, während dieser Faktor
für das englische Lautsystem 1,7 beträgt. (Da jedoch nur 10 der insgesamt
41 Phoneme des Sanskrit Vokale sind, ergibt sich ein derartiges Mi߬
verhältnis in der Effizienz der einzelnen Phoneme, daß diese Verhältnis¬
zahl nicht sonderlich geeignet erscheint, sie als ein Kriterium zm Sprach¬
klassifikation zu verwenden, wie dies A. Isaöenko in seinem bekannten
Aufsatz* tat, in dem er die slavischen Sprachen auf Grund des Verhält¬
nisses von Vokal- und Konsonantenphonemen innerhalb ihrer phonolo¬
gischen Systeme einer vokalischen und einer konsonantischen Klasse
1^ . ' Der vorliegende Aufsatz, der mehr eine Auswahl denn einen vollständigen
^l, Überblick darstellen soll, wurde durch das Erscheinen dos Buches Kautilya
and the Arthasästra. A statistical investigation of the autorship and evolution of the text. Leiden : BriU 1971. XVII und 225 S., 8° von Thomas R. Tbautmann,
dessen wesentlicher Inhalt weiter unten kurz besprochen werden soll, an¬
geregt.
2 On the Comperative Frequency of Occurrence of the Alphabetic Elements in Sanskrit. In: JAOS 10 (1880), S. 150—152.
3 E. FÖBSTBMANN : Numcrischc lautverhaltnisse im Oriechischen, Lateinischen
und Deutschen. In: KZ 1 (1852), S. 163—179; Numerische lautbeziehungen des
griech., latein. und deutschen zum sanskrit. In: KZ 2 (1853), S. 35—44;
Numerische lautverhaltnisse in griechischen dialekten. In: KZ 2 (1853, S. 401—
414.
* Einige Jahre vorher hatte Whitney sohon eine ähnliche Untersuchung
des Englischen veröffentlicht, vgl. seine Bemerkung a. Anm. 2 a.O. S. 150.
* A. V. IsAÖBNKO : Versuch einer Typologie der slavischen Sprachen. In :
Linguistica Slovaoa 1/2 (1939/40), S.64 —76. Russische Übersetzung in:
Novoe V lingvistike 3 (Moskau 1963), S. 106—121.
Statistische Methoden in der Indologie 317
bzw. einer dritten zwischen ihnen zuzuordnen versuchte. Jmf KbAmsky»
erweiterte daher diese Methode, indem er auch die Häufigkeit von Vo¬
kalen und Konsonanten berücksichtigte und Sprachen nach ihrer Ver¬
wendungsweise von Konsonanten, gegliedert nach Artikulationsart und
-stelle, einteilte.)
Es bleibt jedoch bemerkenswert, daß schon Whitney die Möglichkeit
erkannte, die relative Häufigkeit der Laute zur Sprachklassifizierung zu
verwenden, wenn er auch diesen Gedanken nicht weiter verfolgte. Außer¬
dem hob er auch die Tatsache besonders hervor, daß im Sanskrit die
Häufigkeit des Vokals a 28% der gesamten Laute bzw. 65% der Vokale
beträgt, worin sich die bekannte lautgeschichtliche Entwicklung von
idg. &, S und Ö zxn ä widerspiegelt'. (Interessanterweise wurde dieses er¬
drückende Übergewicht später, wenigstens zum Teil, wieder beseitigt:
So beträgt die Häufigkeit des Vokals a in der Hindi ,,mu" noch 51,40%, s. J. Krämsky 1966, S. 31.)
Dmch die Arbeit KbImsk^s aus dem Jahre 1959 angeregt, unter¬
suchten Kleinvogel-Lehfeldt' 32 verhältnismäßig willkürlich ausge¬
wählte Sprachen, darunter Sanskrit, Päli, Maharasti, Mahadhi und
Sauraseni auf deren mögliche biphonematischen Interaktionen und klas¬
sifizierten diese Sprachen unter dem Gesichtspunkt dieses Merkmals,
also nach der Distribution der Phoneme. Je nachdem, ob die beobachte¬
ten Werte mit einem vorher durch theoretische Überlegungen bestimmten
Erwartungswert (ungefähr) übereinstimmten, ihn über- oder unter¬
schritten, wurde die betreffende Sprache als ,, semiassoziativ", ,, asso¬
ziativ" bzw. ,, nichtassoziativ" eingestuft'. Er ergibt sich dabei, daß
alle fünf untersuchten indischen Sprachen, was ihre Bereitschaft zu
biphonematischen Verbindungen anlangt, als nichtassoziativ betrachtet
werden müssen, in ihrem Verhalten in Bezug auf die Distribution ihrer
" J. KbAmsk^ : A Quantitative Typology oj Languages. In : Language and
Speech 2 (1959), S. 72—85. (Unter den 23 Sprachen, die er untersuchte,
befindet sich leider keine indische, aber immerhin zwei iranische Sprachen, nämlioh ein tadsohikischor und ein Pamir-Dialekt).
' Allerdings scheint die besondere Häufigkeit dos Vokals o geradezu uni¬
versal zu sein, wie J. KbAmsky: The Frequence of Occurrence oj Vowel
Phonemes in Languages Possessing Vowel Systems of Identical Structure. In :
Prague Studies in Mathematical Linguistics 1 (Prag 1966), S. 17—31, durch
eine Untersuchung an Hand von 29 (meist unverwandten) Sprachen gezeigt
hat.
' Alexander Kleinvogel und Werner Lehfeldt : Zwr Problematik einer
syntagmatisch-phonologischen Sprachklassifikation. In: Linguistik und Sta¬
tistik. Braunschweig 1972, S.51 —64. Ähnlioh auoh: G. Altmann und W.
Lehfeldt: Typologie der phonologischen Distributionsprofde. In: Beiträge
zur Linguistik und Informationsverarbeitung 22 (1972), 8—32.
» S. Tabelle auf S. 59.
318 Johann Tischler
Phoneme also übereinstimmen, was vom typologischen Standpunkt
aus gesehen insofern beachtenswert ist, als sich die Phonemsysteme
stark verändert haben, wie schon die Tatsache der quantitativen Re¬
duktion" deuthch macht.
Die bisher genannten Arbeiten beschäftigen sich mit den Phonemen
bzw. EinzeUauten (Whitney) und deren Beziehungen untereinander.
Adeei Aveam" weist auf diesen Umstand besonders hin und beschäftigt
sich konsequenterweise mit den Beziehungen zwischen den distinktiven
Merkmalen, die das Wesentliche dieser Phoneme darstellen.
Ähnlich wie Kleinlogel und Lehfeldt die möglichen phonologischen
Kombinationen einer Sprache ermittelten, berechnet Aveam die Distri¬
bution der distinktiven Merkmale, das ist die Gesamtheit der distinktiven
Merkmale eines phonologischen Systems mit welcher sich ein bestimmtes
Merkmal kombinieren läßt.
Für das Sanskrit, das eine der vier Sprachen ist, an denen Aveam
seine Methode der Sprachklassifizierung exemplifiziert, ergeben sich
dabei folgende Werte: Die Distribution der 18 angenommenen d(instink-
tiven) Jlf(erkmale),d.h. das Total der d.M., mit denen sich ein bestimmtes
d.M. ,, verbindet", schwankt zwischen 4 und 16, die Änzahl von Pho¬
nemen, die durch ein bestimmtes d.M. gekennzeichnet sind, beträgt
zwischen 2 und 28, wodurch sich eine mittlere Phonem-Komplexität von
7,03 ergibt, d.h. die Anzahl der d.M., die den phonologischen Gehalt der
Phoneme ausmachen, liegt zwischen 2 und 9.
Von besonderer Bedeutung ist jedoch das'Ausmaß der Effizienz des
phonologischen Systems, das ein geeignetes Mittel der Sprachklassifi¬
kation darstellen kann, nämlich das Verhältnis von Phonemen zu den
sie konstituierenden distinktiven Merkmalen. Für das Sanskrit beträgt
dieser Faktor 2,27'*, beträchtlich mehr als z.B. für das Englische (1,55),
das weniger Phoneme bei gleicher Änzahl von distinktiven Merkmalen
besitzt.
" Während das Sanskrit 41 Phoneme, davon 10 Vokale besitzt, verfügt
das Päli nur nooh über 33 Phoneme, davon 5 Vokale und die drei anderen
mittelindisehen Spraohen (Maharas^i, Sauraseni und Mahadhi) über jeweils
32, davon 5 vokahsche Phoneme.
" Sur la typologie phonologique quantitative. In: Revue Roumaine de
Linguistique 9,2 (Bukarest 1964), S. 131—134.
'2 Die Effizienz E errechnet sich aus P/T, der Anzahl der Phoneme dividiert durch die Zahl der distinktiven Merkmale, im Falle des Sanskrit ergibt sich
daher nioht 1,83 = 33/18, wie Avram S. 133 schreibt, da das Sanskrit ja
41 Phoneme besitzt. Die Tabelle Nr. 3 bei V. V. Ivanov & N. V. Toporov:
Sanskrit. Moskau 1960, S. 55/56, auf die sich Avram beruft, enthält nioht
alle vokahschen Phoneme (während in der Tabelle 5 — naoh S. 58 —, die
50 Eintragungen enthält, alle Zeichen des Devanägari-systems aufgeführt
sind).
Statistische Methoden in der Indologie 319
Ganz anders als die bisher behandelten Arbeiten und wegen ihrer
globalen Thematik von größerer Bedeutung für eine sinnvolle Sprach¬
klassifizierung auf nicht-genealogischer Basis ist die von Gbeenbebg"
entwickelte Methode, die morphologischen Gegebenheiten einer Sprache
quantitativ zu erfassen. Dabei bedient er sich verschiedener Indizes,
mit denen die Tendenzen zur Synthese, Agglutination, Komposition,
Ableitung, Flexion, Prä-, In- bzw. Sufifigierung sowie die Neigung,
verschiedene Typen von Satzkonstruktionen zu verwenden, numerisch
festgehalten werden können'*.
Für das Sanskrit und die Bengali seien hier die interessantesten Daten
wiedergegeben": Der Trend zur Vereinfachung, der sich schon in der
Phonologie (s. Anm. 10) gezeigt hat, tritt in der Morphologie noch deut¬
hcher zutage. Während der Index der Synthese (Zahl der Morpheme pro
Wort) für das Sanskrit 2,59 beträgt, verringert er sich in der Bengali
auf 1,90, wohingegen der Agglutinationsindex von 0,09 (Sanskrit) auf
0,46 (Bengali) ansteigt. In ähnlicher Weise verringern sich die Indizes
für Komposition von 1,13 auf 1,09, für Derivation von 0,62 auf 0,28,
für Flexion von 0,84 auf 0,53, für Präfigierung von 0,16 auf 0,01 und für
Sufifigierung von 1,18 auf 0,80.
Dieser morphologischen Vereinfachung entspricht auf syntaktischer
Ebene konsequenterweise eine Verringerung der im Sanskrit vorherr¬
schenden flexifischen (46%) und korrespondierenden (38%) Verbindun¬
gen auf 29% bzw. 14%, während die im Sanskrit mit 16% noch recht
seltenen isoherenden Verbindungen in der Bengali mit 57% dominieren.
Eine weitere Methode zm Sprachklassifizierung ist die sogenannte
Lexikostatistik, die mit einem zahlenmäßig beschränkten lexikalischen
Vergleichsmaterial operiert und die in Prozentsätze umgesetzen Uberein¬
stimmungen zwischen den Testlisten zweier Sprachen als Maß der gene¬
tischen Verwandtschaft betrachtet. Noch weiter geht, darauf aufbauend,
die sog. Glottoehronologie, die diese Prozentsätze in Zeiträume umzu-
" J. Gbeenbebg : A Qiuintitative Approach to the Morphological Typology of Language. In: International Journal of American Linguistics 26, 3 (1960),
S. 178—194. Nachgedruckt aus: Method and Perspective in Anthropology:
Papers in Honor of Wilson D. Wallis., Minnesota 1954. Gbeenbebgs tsrpo-
logische Indizes wurden u.a. von Wabben Cowgill : A Search for Universals
in Indo-European Diachronie Morphology. In: Universals of Language.
Cambridge, Mass. 1963, S. 91—113, 2. Auflage 1968, S. 114—141, bei kon¬
kreten sprachlichen Untersuchungen verwendet.
'* Es wäre nun wünschenswert, diese elf Indizes derart miteinander in
Beziehung zu setzen, daß sich ein gemeinsames Maß als Ausdruck der morpho¬
logischen Beschaffenheit einer Sprache ergibt. Zu den Schwierigkeiten, die
sich dabei ergeben, s. Viktob Krupa : On Quantification of Typology. In :
Linguistics 12 (Den Haag 1965), S. 31—36, bes. 33—35.
" Aus Kbupa 1965, S. 33 (nach Gbeenbebg 1960 bzw. 1954, s.o.).
320 Johann Tischler
setzen und so die genealogischen Stammbäume ganzer Sprachfamilien
zu rekonstruieren versucht".
Für indische Sprachen wurden bisher keine lexikostatistischen bzw.
glottochronologischen Untersuchungen angestellt, wenn man von der
Arbeit von A. F. und G. Sjobekg'' absieht, die sich mit den Sanskrit-
Lehnwörtern in den dravidischen Sprachen Telugu, Kannada, Tamil
und Malayälam beschäftigt. Dabei ergibt sich, daß in der kürzeren,
100 Begriffe enthaltenden Testliste bis zu 20% Lehnwörter aus dem
Sanskrit enthalten sind, während in der Liste der sog. „supplementary list" überraschenderweise weniger solche Entlehnungen zu finden sind**.
Ein kurzer, vielleicht in manchem zu oberflächlicher Vergleich des
Grundwortschatzes des Vedischen, des Sanskrit und der Hindi, der aber
für eine erste Information genügen dürfte, ergibt folgende Prozentsätze
an Übereinstimmungen in der kürzeren Testliste mit 100 Begriffen :
Vedisch: 73% : Sanskrit: 43% : Hindi
bei einem Beibehaltimgsfaktor von 0,86 errechnen sich unter Zugrunde¬
legung der Formel
^_ InC
In r
(wobei t = Zeit in Jahrtausenden, C = Prozentsatz der Cognata und
r = 0,86)" die unglaublichen Zeiträume von
" Die wichtigsten Arbeiten zur Lexikostatistik und Glottoehronologie sind
v.a.: R. B. Lees: The basis of glottochronology. In: Language 29 (1953),
S. 113—127; M. Swadesh: Toward greater accuracy in lexicostatistic dating.
International Journal of American Linguisties 21 (1955), S. 121—137;
S. Gudschinsky: The ABC's of Lexicostatistics (Glottochronology). In:
Word 12 (1956), 175—210; D. Hymes: Lexicostatistics so far. In: Current
Anthropology 1 (1960), S. 3—44.
" Andrae F. Sjöberg und Gideon Sjöberg : Problems in Glottochronology.
Culture as a Significant Variable in Lexical Change. In: American Anthro¬
pologist 58 (Menasha, Wise. 1956), S. 296—300.
'8 Dies ist insofern überraschend, als nach Swadesh' Theorie es gerade
umgekehrt sein müßte : So hat die längere Liste mit 200 Wörtem einen
Beibehaltungsfaktor von nur 0,81 gegenüber 0,86 für die kürzere Wortliste.
Außerdem ist es interessant festzustellen, daß diese aus dem Sanskrit ent¬
lehnten Wörter, die in den untersuchton dravidischen Sprachen die gebräuch¬
lichsten und normalen Ausdrücke für einen Begriff des Grundwortschatzes
darstellen, meist gar nicht den normalen Ausdrücken im Sanskrit selbst
entsprechen. Der Grund dafür ist wohl in der Tatsache zu suchen, daß diese
Entlehnungen nicht direkt aus dem Sanskrit, sondern über eine der Volks¬
sprachen getätigt wurden.
'° Zu den mathematischen Grundlagen s. v.a. Lees 1953 und neuerdings
NiKOLAAS J. VAN DER Merwe : Ncw Mathematics for Glottochronology. In:
Current Anthropology 7 (1966), S. 485—500. Im übrigen soi darauf hinge-
Statistische Methoden in der Indologie 321
Vedisch: 2Jt. : Sanskrit: 5,5 Jt. : Hindi,
die nie und nimmer mit den tatsäclilichen chronologischen Gegeben¬
heiten in Einklang zu bringen sind. Man muß daher, was auch reahstischer ist, annehmen, daß die drei Sprachen nicht in gerader Linie miteinander
verwandt sind, sondem daß vielmehr das Sanskrit von einem ,, Schwester' '-
dialekt des Vedischen und die Hindi von einer ,,Schwester"-sprache
des Sanskrit (tatsächlich begannen die Volkssprachen ja schon in sehr
früher Zeit vom reinen Sanskrit abzuweichen) abstammen. Unter
diesem Gesichtspunkt ist es nicht imberechtigt, die Formel
t-
~ 2-lnr
zu verwenden, die für den Vergleich zweier verschiedener, aber genetisch
miteinander verwandter Sprachen oder Dialekte geeignet ist (zum Unter¬
schied von der obigen Formel, die für den Vergleich zweier Sprachstufen
ein und derselben Sprache bestimmt ist). Dabei ergeben sich die Zeit¬
räume
Vedisch: 1 Jt. : Sanskrit: 2,75 Jt. : Hindi:
die, wenn auch etwas überhöht, einigermaßen akzeptabel erscheinen.
Zu den am heftigsten umstrittenen Problemen in der Indologie gehört
die Frage nach dem Alter des Rg-veda^". Dabei erscheint es angemessen,
einen Kompromiß zwischen der Annahme Wüsts, welche auf einen Zeit¬
punkt vor 1400 hinzielt und jener Brandensteins, die das Vedische
,, nicht vor 1000" sehen will, zu schließen. Die Lexikostatistik bzw. deren
Umsetzung in absolute Zeiteinheiten, die Glottoehronologie, ist, wie
oben dargelegt, leider nicht sonderlich geeignet, zur Lösung dieser Frage
entscheidend beizutragen.
wiesen, daß neueste Untersuchungen (v.a. David Sankopf: On the rate of
replacement of word-meaning relationship. In: Language 46 (1970), S. 564—•
569) zu erweisen scheinen, daß nioht die konstante Erneuerungs- bzw.
Veränderungsrate im Grundwortschatz einer Sprache, sondern vielmehr die
Normalverteilung der Änderungsanfälligkeit der Begriffe das eigentliche
Universale innerhalb der Lexikostatistik darstellt.
2° Die wichtigsten Aufsätze zu dieser Frage stammen von W. Wüst:
Üher das Alter des Rgveda wnd die Hauptfragen der indo-arischen Frühge¬
schichte. In: WZKM 34 (1927), S. 165—215 und Wilhelm Brandenstein:
Die Indoarier in Vorderasien und die Chronologie des Rg-veda. In: Frühge¬
schichte und Sprachwissenschaft. Wien 1948, S. 134—45, die auch einen
Überblick über die ältere Literatur bieten. Neuerdings zu diesem Problem
Manfred Mayrhofer: Die Indo-Arier im alten Vorderasien, mit einer
analytischen Bibliographie. Wiesbaden 1966. 160 S. und A. Kammenhubeb:
Die Arier im Vorderen Orient. Heidelberg 1968. 295 S.
322 Johann Tischleb
Die Frage nach dem Alter des Veda ist in dieser Form allerdings
wahrscheinlich gar nicht zn beantworten, da die verschiedenen Mandalas,
wie schon früh erkannt wurde, verschieden alt sind. Dabei sind die
Kriterien für die chronologische Reihung der einzelnen Bücher vorwie¬
gend sachlicher Natur, obwohl es auch metrische und sprachgeschicht¬
liche Unterschiede gibt.
Diese sachlichen Fakten wertete Wüst 1927 statistisch aus, indem er
die Fälle der Verwendung von Ausdrücken für die verschiedenen Him¬
melsrichtungen in den 10 Mandalas auszählte, wobei sich ergab, daß diese
am häufigsten im 8. und 10. und am seltensten im 2., 3., 5. imd 9. Buch
sind*'. Danebem wertete er das Vorkommen der Wortsippe gräma-
,,Dorf, Dorfmannschaft" aus, welche numerisch in reziprokem Zusam¬
menhang mit der Sippe füh ,,Burg, Stadt" steht. Insgesamt ergibt sich
daraus für die relative Chronologie des Rg-veda folgende Reihenfolge
der 10 Bücher: IX, VII. III, IV, II, V, VI, VIII, I, X.
Im Jahre 1928 baute Wüst seine Methode der statistischen Auswertung
weiter aus**, indem er auch sprachliche Fakten, wie die Häufigkeit
gewisser Suffixe, die in der älteren Sprache selten sind, aber später immer
häufiger werden, miteinbezog. Insgesamt verwendete er 17 Merkmale
rmd berechnete deren durchschnittliche Häufigkeit in den verschiedenen
Büchem, wobei sich für Buch IX ein Faktor 2 • 94 und für Buch X ein
solcher von 8 • 82 ergibt, was die extreme Stellung dieser Bücher, wie sie
sich schon bei der älteren Untersuchung ergeben hatte, bestätigt. Die
Reihenfolge der dazwischen liegenden Bücher verschob sich aUerdings,
wenn auch nur geringfügig**.
Leider verfolgte Wüst seine Methode der Auszählung sprachhcher
Fakten zur Bestimmung des gegenseitigen Verhältnisses literarischer
2' Das stimmt mit der relativen Chronologie der Bücher des Rg-veda unge¬
fähr überein, wenn man davon absieht, daß im ältesten Mandala, dem 9.,
wegen des besonderen Inhalts (Somalieder) keinerlei Raum für die Vorwen¬
dung solcher geographischer Bezeichnungen, die ansonsten bezeichnend sind
für die Partien des Rg-veda, die in die ältere Zeit der Wanderungen zurück¬
gehen, bleibt.
22 Waltheb Wüst : Stilgeschichte und Chronologie des Rgveda. Leipzig 1928.
XVI, 172 S. (AKM. 27,4.)
23 In der „Discussion" zu Alan S. C. Ross' bekanntem Aufsatz Philolo¬
gical Probability Problems. In: Journal of the Royal Statistical Society 114,
Series A (London 1950), S. 19—59 beschäftigen sich P. A. P. Moean (S. 53),
B. Babington-Smith (S. 53—56) und J. Gillis (S. 56—57) mit den von
Wüst ermittelten Fakten und schlagen verschiedene Methoden der klassifi-
katorischen Auswertung vor. Zusammenfassend läßt sich zu den vonein¬
ander abweichenden Ergebnissen sagen, daß Buch IX das älteste. Buch X
das jüngste und I das zweitjüngsto ist, während die Bücher I bis IX, die
sich nicht eindeutig voneinander scheiden lassen, dazwischen liegen.
statistische Methoden in der Indologie 323
Teilmengen nicht weiter, sonst wäre vielleicht er zum Begründer einer
neuen wissenschaftlichen Methode, der Textstatistik, geworden. Diese
wurde als Forschungsgegenstand mit dem Ziel, statistische Maße zur
Unterscheidung der Werke verschiedener Autoren auf stilistischer Ebene
zu finden, geboren. Dabei suchte man quantitative Kriterien zm Lösung
solcher Probleme wie: zweifelhafte Autorenschaft, relative Chronologie
der Werke eines einzelnen Autors oder die Beschreibung literarischen
Stils im allgemeinen zu finden, in der Hoffnung, daß solche Kriterien zu
objektiveren und unverlässigeren Beiuteilungen als bisher führen würden.
So versuchte G. Udney Yule** 1939 mit statistischen Mitteln die
Streitfrage um die Autorenschaft von De Imitatione Christi zu lösen,
wobei er zunächst die durchschnittliche Satzlänge in diesem Werk mit
der bei den in Frage kommenden Autoren verglich und später** einen
Paktor K des verwendeten Wortschatzes ermittelte, der unabhängig
vom Umfang der Text-Stichprobe ist, vorausgesetzt, daß diese in sich
homogen ist.
Seit YuLES erstem Artikel ist eine stattliche Anzahl ähnlicher Arbeiten
von verschiedenen Autoren erschienen**, nur auf indologischem Gebiet
bheben derartige Versuche bisher rar. Eine rühmhche Ausnahme stellt
R. Morton Smith dar, der sich mit der Frage der Autorenschaft der
Geschichten von Ambä, Neda sowie Sakuntaiä im Mahäbhärata beschäf¬
tigte*'.
Bei allen drei Arbeiten geht es M. Smith dabei im wesentlichen darum,
die Herauslösung einzelner Partien dieser Erzählungen auf Grund sach¬
licher Indizien** und deren anschheßende Zusammenstellung in Gruppen
2* On Sentence-length as a Statistical Characteristic of Style in Prose: With
Application to Two Causes of Disputed Autorship. In: Biometrika 20 (1939),
S. 363£f.
25 G. Udney Yitle : The Statistical Study of Literary Vocabulary. Cam¬
bridge 1944. Obwohl Yule dafür kritisiert wurde, daß er sich nur auf den
Wortschatz (und da auch nm auf Nomina) beschränkt hatte, betrachtete er
seine Methode als geeignet zur Klärung zumindest dieses einen wichtigen
Aspektes der Stilstatistik.
2« Eine kleine Auswahl gibt Trautmann 1971 (s. Anm. 1), S. 78—82.
2' The Story of Ambä in the Mahäbhärata. In: Adyar Library Bulletin 19
(1955); The Story of Nala in the Mahäbhärata. In: Journal of the Oriental Institute, Baroda 9 (I960), S. 357—386; The Story of Sakuntalä in the Mahäb¬
härata. In: Journal of the Bihar Research Society 46 (1960), S. 163—176.
(Nur am Rande sei die Meinung des Autors über das Alter dieser Erzählungen, die er, der Purana-Tradition folgend "in the simple soeiety of Aryan late-mid 2nd millenium" (1960, S. 164 und 169) verlegt, erwähnt.)
28 Wenn z.B. in der Geschichte von Sakuntalä der Anfangsteil, der Du?-
mantas Jagd im Wald (die für die Erzählung nioht essentiell wichtig ist)
beschreibt, 170 Zeilen lang ist, während dor Rest der Erzählung 445 Zeilen 22 ZDMO 123/2
324 JOHAlWr TlSCHTEB
A, B, C usw., die jeweils verschiedene Autoren bzw. Erzähler repräsen¬
tieren, mit statistischen Methoden zu rechtfertigen und zu untermauern.
Gemessen wird dabei die metrische Beschaffenheit der Textabschnitte;
das Verhältnis von Vokativformen, die sich auf Figuren in der Erzählung
beziehen zu denen, die sich direkt an den Hörer wenden ; das Verhältnis
von Perfekt zu Imperfektformen; die Häufigkeit von Absolutiva und
Partizipien und die Häufigkeit von Partikeln wie ca, atha, api, sma, iva,
hi, eva, tu, tatas usw.
Es ergibt sich dabei eine annehmbare Übereinstimmung zwischen dem
sachhchen und dem stilistischen Befund, so daß Smith (1960, S. 175f.)
schon daran denken konnte, den Autor einer Partie aus der Sakuntala-
Erzählung auf Grund der ähnlichen Verteilung der erwähnten Indizes
mit dem einer Partie der iVaZa-Erzählung zu identifizieren.
Die Methode, Partikel zu zählen bzw. statistisch zu erfassen und daraus
weiterreichende Schlüsse zu ziehen, wurde von van Nooten*' weiter
ausgebaut, allerdings nicht mit dem Ziel, damit Fragen der Autorenschaft
oder ähnliches klären zu können, sondern in der Hauptsache, um einmal
Grundlegendes über die Häufigkeit von Partikeln im allgemeinen und
über die der einzelnen Partikel, speziell aber der zusammengesetzten
Doppel- und Dreifachpartikel im besonderen zu erfahren'». Wegen der
Universalität aber der Partikel und deswegen, weil ihr Beitrag zum Ge¬
halt eines Textes darin besteht, die Redeteile miteinander zu verbinden
tmd sie zu verstärken oder irgendwie zu prononcieren, sind sie besonders
kennzeichnend für einen bestimmten Stil, eine bestimmte Epoche oder
einen bestimmten Autor". Im Sanskrit kommt nach diesen Berechnungen
auf 72 Wörter eine Partikel, und zwar unterschiedslos in Prosa und im
umfaßt, so ist dieses Mißverhältnis nur dadurch zu erklären, daß hier zu¬
mindest zwei verschiedene Autoren am Werke waren.
In Zusammenhang mit derlei Erörterungen wundert sich Smith über die
Verwendung von jnä- im Sinne von ,, (jemanden) kennen", da Monibk-
Williams nur oin Beispiel (aus dem Atharva Veda) gibt. Tatsächlich ist diese
Verwendungsweise so seltsam nioht, wie ein Blick in Band III des PW, s. v.
jnä-, zeigt, wo einige entsprechenden Stollen aus dem Mahähhärata angeführt
sind. (In späterer Zeit kann jüä- ganz regelmäßig so vorwendet werden.)
2° Babend A. van Nooten : Redundancy in Mahähhärata Verse Compo¬
sition. In: JAOS 89 (1969), S. 50—58.
Voraussetzung für diose Studio war die vorangegangene Erstellung einer
Konkordanz des Sabhä-parvan (B. A. van Nooten : A mechanical concordance
for a Sanskrit work. In: JAOS 84 (1964), S. 56—58). Eine Konkordanz des
Udänavarga wurde in dem Artikel Erstellung von Konkordanzen zu Sanskrit¬
texten durch elektronische Rechenanlagen. In: Linguistics 22 (1966), S. 5—23
von Fbanz Bebnhabd, H. Beul, F. Schulte-Tigges und H. Sunkel ange¬
kündigt.
" VAN Nooten 1969, S. 52.
Statistische Methoden in der Indologie 325
Vers, wobei sich aber Unterschiede in der Häufigkeit der einzelnen Par¬
tikel ergeben. So sind in der Prosa die 3 häufigsten die Partikel iti, ca und
na mit insgesamt64% der Gesamtanzahl (der insgesamt40 untersuchten),
während im Vers die häufigsten Partikel ca, na, eva, tathä, tu, tatas und hi sind, die sich ebenfalls auf 64% verteilen.
Interessant ist nun, daß die zusammengesetzten Doppel- und Drei¬
fachpartikel'*, die im Vers recht häufig sind (dmchschnitthch einmal je
110 Wörter), in der Prosa so gut wie nie vorkommen, also als ein Zeichen
der metrisch gebundenen Sprachform gelten können.
Die vorläufig letzte und auch umfangsreichste Publikation, die sta¬
tistische Methoden in der Indologie verwendet, stellt das eingangs
erwähnte (s. Anm. 1) Buch Thomas R. Tkautmanns dar, das, als ,,Ph. D.
thesis" (S. IX) geschrieben, einen anerkennenswerten Beitrag zur Indo¬
logie, weniger aber eine Bereichenmg der Stilstatistik darstellt. Der
besondere Wert des Buches, um dies gleich vorwegzunehmen, besteht
nämlich nicht darin, daß neue statistische Methoden vorgeführt werden,
sondern daß die philologischen und textkritischen Aspekte des Arthaiä-
s<ro-Problems in befriedigender Weise beleuchtet werden.
Wie bei den meisten Denkmälern der indischen Literatur ist auch beim
Arthasästra, einem der wichtigsten Zeugnisse für das kulturelle Leben
und das tagtägliche Geschehen im alten Indien, die Frage des Alters und
der Autorenschaft umstritten, um nicht zu sagen vöUig offen. Während
man auf der einen Seite annimmt, der Autor sei Kautilya, Minister des
berühmten Königs Candragupta Maurya, im 4. Jahrhundert v. Chr.
gewesen, glauben die anderen, das Werk sei das Produkt mehrerer ge¬
wesen und gehe nur auf das 3. Jhdt. nach Chr. zurück.
Dafür, das Werk Kautilya bzw. Cänakya, wie er meist genannt wird,
zuzuschreiben, spricht vor allem die Tatsache, daß es in mehreren
Schlußversen iti kautilya 'so (sagt) Kautilya' oder neti kautilya 'so nicht
(sagt) Kautilya' heißt. Diese Passagen aUein sind allerdings nicht au rei¬
chend, Kautilyas Autorenschaft zu sichern, da sie allesamt Schlußverse
sind, die in späterer Zeit hinzugefügt worden sein können, vor allem der
allerletzte von ihnen ist in einem sonst im ArthaSästra nicht verwendeten
Versmaß abgefaßt. Außerdem spricht das Vorhandensein mancher
Landes- und Ortsnamen für einen geographischen Horizont, der für die
Maurya-Epoche noch nicht anzunehmen ist". Dagegen sprechen stili-
'2 Z.B. apyuta, api ca, api vä, api hi, ityeva, utä'pi, eva ca, athä 'pi vä, cä 'pyuta usw.
33 Z.B. Cina für China kann erst naoh 221 v.Chr., nachdem dio Ch'in-
Dynastie sich über ganz China ausgebreitet hatte, in Verwendung gekommen
sein.
22»
326 Johann Tischler
stische lind hnguistische Archaismen vielerlei Art** für ein hohes Alter des
Arthasästra und damit in gewisser Weise auch für Kautilyas Urheber¬
schaft.
Tkautmanns übersichtliches und gut gegliedertes Buch (ein Sach- und
Personenindex erleichtert das Auffinden interessierender Stellen und
imterstützt so wirkungsvoll das informative Inhaltsverzeichnis) ist in
7 Kapitel gegliedert, von denen drei (I, III und VII) einführende Be¬
merkungen, allgemeine Probleme, wissenschaftsgeschichtliche Überblicke
und Zusammenfassungen zum Thema haben und jeweils zwei Kapitel
entweder Probleme der Textkritik und Textüberlieferung (Kap. II und
VI) oder solche der Textstatistik (Kap. III und IV) behandeln. Im Fol¬
genden sollen zu den von Tbautmann verwendeten statistischen Me¬
thoden und den daraus sich ergebenden Schlüssen einige Bemerkungen
gemacht werden.
In dem Abschnitt 'A Pilot Study ofthe Arthaäästra' (S. 82—88) berich¬
tet Tbautmann über seine ersten Vorstudien, die er analog zu Smith'
Nala-Artikel (s.o.) imternahm, indem er probeweise vier Abschnitte des
Arthasästra auf das Vorkommen von Partikeln untersuchte, wobei es sich
ergab, daß ca und vä besonders häufig vorkommen. Tbautmann begnügt
sich nun nicht damit, die untersuchten Textpartien einfach nach der
verschiedenen Häufigkeit dieser Partikel zu ordnen, sondem beschäftigt
sich vorerst (S. 84—88) mit der wichtigen Frage, ob die beobachteten
Abweichungen überhaupt groß genug sind, sie einer verschiedenen
Ausgangsmenge — sprich verschiedenen Autoren — zuzuschreiben, oder
ob diese Abweichungen statistisch nicht signifikante Zufallsabweichun¬
gen sind. Zur Entscheidung dieser Frage bedient er sich des sog. x*-Tests
(s. Tabellen 3-5 bis 3-10, S. 85—88) und kommt danach (S. 88) zu dem
Schluß, daß die Abweichungen zwischen dem zweiten Buch einerseits
und Buch 7 und 9 auf der anderen Seite zu groß sind, als daß man das
Arthasästra als ein homogenes Werk ansehen könnte.
Nachdem diese Frage erst einmal geklärt ist, untersucht Tbautmann
das ganze Arthasästra mit Hilfe von Einzelwörtem, speziell Partikeln,
der Satzlänge und mit Hilfe der verschiedenen Länge der Komposita, die
im Sanskrit ja so häufig sind, daß auch sie als stilistisches Charakteris¬
tikum betrachtet werden können.
Nach einigermaßen langatmigem Anlauf (S. 91—114) in Kap. IV —
Erläuterangen zur Erstellung einer representativen 'preliminary list',
Wiedergabe von Wortfrequenzlisten anderer Sanskritwerke, Gegenüber¬
stellung der Charakteristika von Prosa und metrischen Werken sowie die
3* So z. B. um nur einen solchen Arohaismus herauszugreifen, die Bildung
von Absolutiva auf -tvä boi zusammengesetzten Verben. (Vgl. J. Jolly :
Lexikalisches aus dem ArthaSästra. In: IF 31 (1912/13), S. 204—210.
Statistische Methoden in der Indologie 327
Erörterung von Randproblemen, die, wie die Frage nach der Eignung be¬
stimmter Partikel für derartige statistische Untersuchungen zwar mit dem
eigentlichen Thema zu trm haben, die aber in dieser Ausführlichkeit,
vor allem was die tabellarische Wiedergabe anlangt, wohl des Guten
etwas zuviel ist — kommt (S. 114—118) das eigenthche Kemstück des
ganzen Buches : Unter der Überschrift 'Testing the Arthaäästra' werden
die Ergebnisse der Untersuchungen, wie die Partikel eva, evam, ca, tatra
und vä im Text verteilt sind, mitgeteilt imd S. 118 daraus der Schluß
gezogen, daß 3 Verfasser erkennbar seien : Einer sei für das 2. Buch,
das sich mit der inneren Verwaltung des Reichs beschäftigt, verant¬
wortlich, einer für das 3. Buch, das vom Rechtswesen handelt und der
dritte Autor schließhch sei für Buch VII, das die Machtpolitik zwischen
den Staaten beschreibt, zuständig.
Im Kapitel V, S. 123—131, beschäftigt sich Tbautmann mit der Satz¬
länge und der Länge der Komposita, muß aber leider (S. 130) feststellen,
daß die Ergebnisse dieser Untersuchung nur den Schluß zulassen, daß
Buch II von den übrigen verschieden ist, aber keine weitere Differen¬
zierung gestatten.
So bleibt das Gewicht der Entscheidung über das Problem der Autoren-
schaft auf den Schultern gewissermaßen einiger Partikel rahen, eine doch
etwas schmale Ausgangsbasis" und im Vergleich zu den oben angeführten
Arbeiten von Smith, der die Texte auf das Vorkommen und die Häufig¬
keit von viel mehr sprachhchen Fakten hin untersuchte, ist Teautmanns
Buch zweifellos als Rückschritt anzusehen und die von A. L. Basham im
Vorwort auf S. IX geäußerte Meinung, T.'s Buch stelle ,,one of the most
important contributions to the study of early Indian texts since the end
ofthe second World War" dar, erscheint doch etwas zu euphorisch, paßt
in dieser Hinsicht aber gut zum auch sonst sehr schwülstigen Stil des
Vorworts und der ,, Acknowledgements" (S. XIII — XV) des Verfassers.
'5 Die vollständige Ablehnung allerdings der von TBAUTMAinsr angewende¬
ten statistischen Methoden, wio sio L. Stebnbach in seiner Rezension in:
JAOS 92 (1972), S. 498—500 ausspricht, erscheint unangemessen und duroh
eine, in Philologenkreisen anscheinend weitverbreitete grundsätzliche Aver¬
sion gegen quantitative Methoden motiviert.
Zur Näradasmrti I.
Varianten zu den Büchern XIV — XVIII
und zum Parisista
Von Bebnhabd Kölveb, Stockhausen
Unter den jüngst von der Orientahschen Abteilung der Stiftung Preu¬
ßischer Kulturbesitz, Staatsbibliothek, Berhn, erworbenen Filmen von
Handschriften aus Nepal befindet sich als Hs. or. sim. 1112 der Film
einer Palmblatthandschrift, die den größten Teil der Näradasmrti samt
einem in Newäri abgefaßten Kommentar enthält'. Ihr Original spürte
Herr Thakuelal Manandhae auf, welcher jedem, der sich mit Newäri
beschäftigt, aufs rühmhchste bekannt ist. In seinen Besitz ist die Hand¬
schrift nach ihrer Verfilmung übergegangen.
Aus der Menge der nepalischen Manuskripte hebt sich das erwähnte
insofem heraus, als Palmblatthandschriften mit Text in Newäri äußerst
selten sind. Vor allem aus diesem Grimde wurde es für die Staatsbibhothek
angemietet. Bei näherer Betrachtung aber stellt sich heraus, daß auch
der Sanskrittext für die Beurteilung der bisher bekannten Rezensionen
bzw. der Näradazitate in Kommentatoren wichtig ist.
Daß in Nepal ein Sanskrittext der Näradasmrti kursierte, der von dem
der indischen Manuskripte nicht unwesentlich abweicht, wußte schon
JoLLY, dem während des Dmckes seiner Ausgabe (cf. p. 5) durch
Bend ALLS Freundhchkeit eine aus dem Jahre 1407 stammende nepalische
Handschrift des Textes zugänglich wurde. Aus dieser Handschrift, die
im folgenden dmch das Sigel N bezeichnet wird, druckte Jolly eine
längere Variantenliste (a.a.O., pp. 8—15, zu Kap. V — XVIII) sowie als
Parisista den sich an Kap. XVIII anschließenden Abschnitt über Diebstahl ab. Dabei zeigte sich, daß dieser Text oft dem in Kommentatorenzitaten
usw. angeführten näher stand als das, was die indischen Manuskripte
boten, die Jolly zur Verfügung standen.
Ebenso verhält es sich bei dem Berliner Film. Deshalb gebe ich im
folgenden eine Auswahl aus den Varianten, die aus dieser Handschrift
' Der Orientalischen Abteilung der Staatsbibliothek Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin, und insbesondere ihrem Direktor, Herrn Dr. W. Voigt,
danke ich sehr für die bereitwillig erteilte Erlaubnis, die Handschrift zu
benutzen.