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Rhita Sam. Leben auf Umwegen

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Academic year: 2022

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Rhita Sam

Leben auf Umwegen

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© 2017 Rhita Sam Autor: Rhita Sam

Umschlaggestaltung, Illustration: Rhita Sam Verlag: myMorawa von Morawa Lesezirkel GmbH ISBN:978-3-99070-020-4 (Paperback)

ISBN:978-3-99070-021-1 (Hardcover) ISBN: 978-3-99070-022-8 (e-Book) Printed in Austria

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheber- rechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zu- stimmung des Verlages und des Autors unzuläs- sig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Ver- breitung und öffentliche Zugänglichmachung.

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„Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern.“

Aristoteles

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Prolog

Wie in jeder anderen Nacht auch, plagte sie wieder dieser altbekannte Traum.

Der Albtraum fing damit an, dass sie mit ihren El- tern im Auto saß. Ihre Mutter lachte über einen Witz, den ihr Vater soeben zum Besten gegeben hatte. Chloé selbst saß im hinteren Teil des Wagens. Sie trug ihre Kopfhörer und hörte Musik, während sie aus dem Fenster blickte und die Landschaft bestaunte. Für einen Augenblick schien das Familienglück vollkommen zu sein, als plötzlich ein Lkw in ihren Wagen preschte.

Chloé saß nun nicht mehr im Auto, wie noch einige Minuten zuvor, sondern befand sich außerhalb des Wa- gens, während ihre Eltern noch im inzwischen bren- nenden Auto festsaßen. Das Schlimmste an diesem Traum war die Erkenntnis, dass ihre Eltern nicht mehr lebend geborgen werden konnten.

Als sie ihre Augen öffnete, lag sie schweißgebadet im Bett. Obwohl sie wusste, dass es sich nur um einen Traum handelte, hatte sie jedes Mal aufs Neue das Ge- fühl, vor lauter Aufregung keine Luft mehr zu bekom- men. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie ihre Eltern nicht auf die Reise begleitet hatte, da sie sich einbilde- te, sie hätte es verhindern können.

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England

Kindheit

Das Wetter zeigte sich schon eine ganze Weile von seiner verregneten und stürmischen Seite. Obwohl es Sommer war, wollte die graue Wolkendecke nicht auf- brechen, um ein paar Sonnenstrahlen freizugeben.

Dies schien die Bewohner des großen Herrschafts- hauses jedoch nicht zu stören. Das geräumige Haus war voller Leben, obwohl den Sommer über nur drei Perso- nen darin wohnten: ein kleines Mädchen, genannt Chloé, ein gleichaltriger Bub namens Christopher und dessen Großvater James.

Chloé war ein aufgewecktes kluges Mädchen. Sie hatte dunkelbraune Haare, welche sie stets zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden trug. Ihre honigbraunen Augen bildeten den passenden Kontrast zu ihrem dunklen Haar.

Bei Christopher, von seiner Familie Chris genannt, handelte es sich um einen nicht minder aufgeweckten Buben. Sein kindlicher Kopf war von schwarzem, zer- zaustem Haar überwuchert. Seine freudestrahlenden blauen Augen, die er von seiner Mutter geerbt hatte, glichen ebenso denen seines Großvaters, der ebenfalls

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mit von der Partie war, ein hochgewachsener Mann mit einem warmen Lächeln, das die Sonne vom Himmel herunterzuholen vermochte.

James hatte sich dazu bereit erklärt, die Tochter von guten Freunden über den Sommer bei sich zu behalten.

Das kleine Mädchen fühlte sich außerordentlich wohl bei ihnen, was höchstwahrscheinlich mit der Anwesen- heit seines Enkels zu tun hatte. Da beide Kinder keine Geschwister hatten, genossen sie es, miteinander Zeit zu verbringen und all dies zu spielen, was sie alleine nicht im Stande waren.

Die vergangenen Wochen waren für die beiden ein großes Abenteuer gewesen. Sie hatten miteinander ge- lacht, gespielt und mit weitaufgerissenen Augen und großem Erstaunen den Geschichten von Chris‘ Großva- ter gelauscht.

„Wow, du warst auf dem großen Schiff und hast mit dem Wasser gekämpft?“, fragte ihn sein Enkel, dem die Faszination in seinem kindlichen Gesicht geschrieben stand.

„Und hattest du da gar keine Angst?“, fragte ihn das Mädchen, dem man die Verblüffung anhörte.

„Ja, ich habe dagegen angekämpft, dass das Wasser aufs Schiff kommt – sonst wären wir untergegangen –, aber Angst hatte ich trotzdem für kurze Zeit“, antwor- tete er mit gespieltem Ernst.

James erzählte ihnen gern Geschichten aus seinem Leben. Als er selbst noch jung gewesen war, hatte er auf hoher See gearbeitet. So war es dazu gekommen, dass er einiges erlebt hatte, bevor er Chris‘ Großmutter

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kennenlernte. Seine Erlebnisse schilderte er den Kin- dern so, dass sie es in ihrem zarten Alter auch verstan- den. Chris und Chloé kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus und löcherten James weiter mit Fragen. Es freute ihn, dass ihnen seine Erzählungen so gut gefie- len, also beantwortete er die Fragen der Kinder mit großem Vergnügen. Zeit schien für sie alle keine Be- deutung mehr zu haben. Sie waren gut abgeschirmt von der Kälte außerhalb des Hauses und verbrachten den Sommer zurückgezogen und glücklich miteinander.

Obwohl der Regen immer noch andauerte, baten Chris und Chloé eines Tages darum, ein wenig außer Haus zu dürfen. Sie hielten es nicht länger im Inneren aus, da ihr kindlicher Übermut sie dazu antrieb, die Welt entdecken zu wollen. James war damit einver- standen, mit ihnen im Garten hinter dem Haus zu spie- len – unter der Bedingung, dass sie sich warm anziehen und einen Regenschutz tragen würden.

Er schnappte sich die beiden und führte sie zur Hin- terseite des Hauses. Der Garten bot genügend Platz zum Austoben, denn dort gab es nicht nur einen riesi- gen Platz zum Spielen, sondern auch eine kleine Schaukel. James selbst hatte sie damals seinem kleinen Mädchen zum Geschenk gemacht. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er sich in Erinnerung rief, wie seine Tochter als kleines Kind auf ihr geschaukelt hat- te.

Die Stunde verging wie im Flug und James bat die Kinder wieder ins Haus zu kommen. Anfangs hatten

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sie sich geweigert, als er ihnen jedoch eine heiße Tasse Schokolade versprach willigten sie sofort ein.

Eines Tages, während sie miteinander spielten, hielt Chloé Chris an den Händen fest.

„Wir werden immer füreinander da sein, nicht wahr?“, fragte sie ihn ganz plötzlich mit aufgeregter Stimme. Ganz plötzlich war ihr diese Frage in den Sinn gekommen. Es schien ihr überaus viel daran zu liegen, dass Chris sie zu ihrer Zufriedenheit beantwortete.

Chris ging auf sie zu, hob seinen kleinen Finger an und versicherte ihr damit, dass sie immer auf ihn zählen können werde.

„Versprochen ist versprochen…“

„…und wird auch nicht gebrochen“, ergänzte Chloé den Schwur.

Sie hakte ihren Finger unter seinen und begann zu kichern. James beobachtete seinen Enkel, wie er seiner kleinen Spielgefährtin sein Versprechen gab. Er war stolz auf den jungen Buben.

James genoss die Zeit, die er mit den beiden Kin- dern verbrachte. Doch so schön sie auch war, er wuss- te, dass sie nicht mehr lange andauern würde, denn der Sommer neigte sich langsam dem Ende zu. Er ahnte bereits, dass der bevorstehende Abschied für die zwei Kinder schwer sein würde.

Es klingelte. Die beiden Kinder sprangen wie auf Kommando auf und rannten zur Tür, öffneten sie aber nicht, sondern warteten auf Chris‘ Großvater. Sie wa- ren beide aufgeregt und es tat ihm leid, da er wusste,

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dass es Chloés Eltern waren, die nun kamen, um sie mit sich nach Hause zu nehmen. James öffnete die Tür und Chloé war überglücklich, als sie ihre Mutter und ihren Vater erblickte. Sie sprang in die Arme ihrer Mutter und kuschelte sich an sie. Es war deutlich zu sehen, dass sie ihre Eltern vermisst hatte.

Sie vergaß aber ihren Spielkameraden, den sie in- zwischen so liebgewonnen hatte, trotzdem für keine Sekunde: Als sie sich aus der Umarmung gelöst hatte, ging sie zu Chris, nahm seine Hand und zog ihn zu ihren Eltern. Chloé stellte Chris den beiden als ihren neuen besten Freund vor. Dieser war verlegen von ihrer Geste. Für einen kurzen Augenblick schien alles per- fekt zu sein, bis Chloés Vater die für die beiden Kinder schockierenden Worte aussprach:

„Los, komm mein Schatz, beeil dich, wir wollen nach Hause fahren!“

Chloé war zu erstarrt, um etwas zu sagen. Sie hatte sich so gefreut, ihre Eltern wiederzusehen, wollte aller- dings nicht nach Hause. Die zwei Kinder verharrten eine Weile in ihren Positionen. Sie wollten nicht von- einander getrennt werden. Chris‘ Großvater schaffte es schließlich, die Situation zu entschärfen.

Er kniete sich nieder, bis er auf Augenhöhe mit ihnen war, und schaute sie eindringlich an.

„Chris, Chloé, ihr müsst mir jetzt gut zuhören. Ihr beide habt einander doch versprochen, immer fürei- nander da zu sein, nicht wahr? Und das könnt ihr auch, wenn ihr an verschiedenen Orten seid. Ihr seid nämlich

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durch das Band der Freundschaft miteinander verbun- den.“

Dann richtete er sich ausschließlich an Chloé: „Au- ßerdem kannst du uns nächsten Sommer wieder besu- chen kommen, wenn deine Mama und dein Papa damit einverstanden sind.“

„Wirklich Großvater?“, fragte sie mit Tränen in den Augen.

Sie tat es Chris nach und hatte es sich zur Ange- wohnheit gemacht, James ebenfalls „Großvater“ zu nennen.

„Wirklich, mein kleiner Engel!“, versicherte ihr Ja- mes, der das Mädchen inzwischen ebenso lieb gewon- nen hatte.

Er wischte ihr die nicht enden wollenden Tränen aus dem Gesicht und drückte sie fest an sich. Ihr kleiner Körper fühlte sich so verletzlich in seinen Händen an, dass er sie am liebsten nicht mehr losgelassen hätte.

Auch ihre Mutter meldete sich nun zu Wort: „Nicht weinen mein kleiner Engel! Du kannst nächsten Som- mer wieder herkommen!“

„Und vielleicht möchte Chris auch einmal zu uns kommen und uns besuchen, was meinst du mein Schatz?“, fragte ihr Vater sie.

Chloé nickte nur, brachte jedoch kein Wort heraus.

Daraufhin rückte Chris näher an Chloé heran und flüsterte ihr etwas ins Ohr, das nur für sie bestimmt war. Er schirmte sie von den anderen ab, sodass keiner mithören konnte, was er ihr mitteilte. Es schien sie zu

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besänftigen, woraufhin sie ihn mit ihren kleinen Ärm- chen umschlang. So verweilten sie einige Minuten, bis sie sich beide bereiterklärten, nachzugeben und sich dem Willen der Erwachsenen zu beugen.

Chloés Vater wandte sich nun an James und bedank- te sich dafür, dass er sich den ganzen Sommer über, um seine Tochter gekümmert hatte. Die beiden kannten sich von der Arbeit. Sie übten beide selbstständige Be- rufe aus. James half ihm, als er noch am Anfang seines Unternehmens stand und verschaffte ihm die Kontakte, die er benötigte, um sein Business zu starten. Trotz des großen Altersunterschieds, entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden Männern. Da Chloés Mutter sich entschlossen hatte, ihren Beruf auf- zugeben und ihren Mann in seinem Unternehmen zu unterstützen, hatten sie sich dazu entschlossen ihre Tochter den Sommer über bei James zu lassen, der wie der Zufall es so wollte seinen gleichaltrigen Enkel bei sich zu Besuch hatte.

Chloé packte ihre Sachen zusammen und zog sich warm an, um der Kälte zu trotzen. Schließlich ging sie widerwillig an den Händen ihrer Eltern aus dem Haus.

Sie drehte sich noch einmal um, das Bild von Chris und seinem Großvater aufsaugend, das sie niemals verges- sen wollte. Auch Chris sah ihr nach und behielt sie auf diese Weise für immer in seinem Herzen.

Eine Stunde später stand Chris erneut an der Haustür und blickte in den Regen hinaus, der mittlerweile wie- der stärker geworden war. Er hoffte darauf, Chloé wie-

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derzusehen, wenn er nur lange genug in der Tür aus- harrte.

Chris sah Chloé nicht wieder, da sich die beiden Familien aus den Augen verloren. Der kleine Junge hatte somit an diesem verregneten Abend seine aller- beste Freundin verloren.

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Teil 1

Die kürzesten Wörter, nämlich „Ja“ und „Nein“, erfordern das meiste Nachdenken.

Pythagoras von Samos

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Frankreich

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Chloé war mittlerweile 20 Jahre alt und somit zu ei- ner jungen Frau herangewachsen.

Sie lag in ihrem Bett und träumte davon, auf einer großen Wolke zu liegen, die sie an alle Orte brachte, die sie gern bereisen wollte. Sie träumte oftmals davon, ferne Länder zu bereisen. Auf ihrer Wolke liegend, genoss sie es, über die ganze Welt zu schweben. Von oben konnte sie die Spitze des Eiffelturms berühren, der Freiheitsstatue zuwinken sowie den schiefen Turm von Pisa bestaunen. Auf ihrer Reise durch die Welt war sie gerade dabei, ein neues Ziel zu bestimmen, als sie von einem ohrenbetäubenden Geräusch in die Wirk- lichkeit zurückgeholt wurde. Ihr wundervoller Traum zerplatzte so schnell, wie er begonnen hatte.

Der Schlag mit ihrer Hand auf den Wecker brachte diesen zum Verstummen. Chloé starrte auf die Uhr, und obwohl sie wusste, dass es Zeit war, aufzustehen, blieb sie noch in ihrem Bett liegen und genoss die Wärme ihrer Decke für weitere fünf Minuten. Diese fünf Minuten gönnte sie sich jeden Tag, nachdem ihr Wecker geklingelt hatte. Das war ihr persönliches Morgenritual, um den Tag zu beginnen.

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Beim Gedanken daran, wie stressig ihr Tag heute werden würde, beschloss sie, ausnahmsweise noch et- was länger als üblich liegenzubleiben, nur um noch ein wenig Energie zu sammeln. Das tat sie, indem sie ihr Lieblingsplakat betrachtete, welches sich auf der Wand gegenüber ihres Bettes befand.

Auf diesem Bild war ein Strand mit zwei giganti- schen Palmen abgebildet. Der Hintergrund zeigte einen Sonnenuntergang, wie man ihn sonst nur aus Filmen kannte. Er spiegelte sich im Meer wider. Beim Betrach- ten der Fotografie wurde es Chloé warm ums Herz.

Was hätte sie dafür gegeben, in dieser Hängematte zu liegen, die zwischen den beiden Palmen angebracht war – umgeben von Sand, Meer und dem wunder- schönsten Sonnenuntergang, den sie jemals gesehen hatte.

Der Herbst ließ dieses Jahr nicht lange auf sich war- ten. Die Blätter verfärbten sich bereits in einer Farbpa- lette aus den verschiedensten Gelb-, Grün- und Rottö- nen, was Chloé ein kleines Lächeln entlockte. Sie liebte die Farbenpracht, die sich zeigte, kurz bevor die Bäume kahl in der Gegend herumstanden, sich die Tiere für den Winterschlaf wappneten und die Nächte früher als gewöhnlich anbrachen.

Nachdem sie ihren inneren Schweinehund überwun- den hatte, schaffte sie es schließlich doch, aus ihrem heißgeliebten Bett zu steigen, sich dem Wetter entspre- chend warm anzuziehen und ihren Weg Richtung Uni anzutreten.

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Sie studierte mittlerweile seit einem Jahr und fand sich schon ganz gut zurecht, wobei es immer wieder neue Herausforderungen zu bewältigen gab. Die große Schwierigkeit bestand für Studenten vor allem darin ihr Leben in die Hand zu nehmen, um selbstständig und erwachsen zu werden.

Chloé meisterte ihr Studium ganz passabel, wie sie fand. Aus diesem Grund hatte sie sich vor Kurzem da- zu entschlossen, nebenbei ein wenig arbeiten zu gehen, um ihr eigenes Geld zu verdienen. Sie lebte zwar noch bei ihren Eltern, weshalb sie sich keine Sorgen um an- fallende Kosten wie Wohnungsmiete und Lebensmittel machen musste. Trotzdem hatte sie vor, auf Reisen zu gehen, welche sie sich selbst zu finanzieren gedachte.

Ihr Aushilfsjob als Kellnerin ließ sich gut mit der Uni vereinbaren.

Die Vorlesung hatte bereits begonnen. Chloé war zu spät, doch das stellte kein Problem dar. Sie hatte ihre Studienkollegin und Freundin Emma darum gebeten, einen Sitzplatz für sie freizuhalten.

Am Fuße des Hörsaals stehend, blickte Chloé sich um und hielt Ausschau nach ihr. Nach kurzem Suchen entdeckte sie diese unter den vielen anderen Studenten, die brav über ihre Blöcke gebeugt saßen und sich Noti- zen machten. Emma hingegen starrte in die Luft, was untypisch für sie war. Sie schien einem Tagtraum nachzuhängen, weshalb es Chloé nicht schwer gefallen war, sie in der Menge auszumachen.

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Emma war äußerlich das komplette Gegenteil von Chloé: Ihr Gesicht war von unzähligen blonden Locken eingerahmt. Die blauen Augen trugen dazu bei, dass sie unschuldiger aussah, als sie es tatsächlich war. Sie glich einem Engel auf Erden, bis man sie kennenlernte und feststellte, dass man es eher mit einem kleinen auf- geweckten Teufelchen zu tun hatte. Emma quasselte unentwegt, war für kindische Streiche zu faszinieren und lachte in beinahe jeder Situation. Es kam selten vor, dass man sie betrübt antraf, denn sie hatte die Ein- stellung, das Leben einfach genießen zu wollen. Das hielt sie jedoch nicht davon ab, für ihre Ziele zu kämp- fen, denn sie war ein überaus ehrgeiziger Typ, der es außerdem verstand, andere zu motivieren und mit sich zu reißen. Ebenso wie Chloé liebte sie Literatur, wes- halb sie wie ihre Freundin Literaturwissenschaften stu- dierte. Die beiden hatten ihre Leidenschaft zu ihrer Ausbildung gemacht.

Es ging sogar so weit, dass sie sich einmal im Monat in einer Gruppe mit anderen Studierenden trafen, um ein Buch zu besprechen. Zuvor wählten sie einen Ro- man aus, den sie zu lesen hatten, um sich anschließend bei dem Treffen darüber auszutauschen. Ziel war es, dass jeder von ihnen seine eigenen Ideen und Interpre- tationen mit den anderen Anwesenden teilen konnte und somit einen Einblick in andere Sichtweisen erhielt.

Chloé setzte sich zu ihrer Freundin, die so freund- lich war, ihr einen Platz freizuhalten. Emma nahm ihre Jacke von dem Sessel neben sich, um Chloé Platz zu verschaffen. Sie hatte sie schließlich nur deshalb dort

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deponiert, damit kein anderer auf die Idee kam, sich neben sie zu setzen.

Beide umarmten einander und Emma begrüßte ihre Freundin mit einem Grinsen, das verriet, dass sie Neu- igkeiten hatte, die keinen Aufschub erduldeten.

Chloé wusste sofort: Sie wollte ihr unbedingt etwas mitteilen:

„Ich merke doch sofort, dass du mir etwas erzählen möchtest!“ schoss es aus Chloé hinaus.

„Wer sagt denn, dass ich Neuigkeiten habe?“, erwi- derte Emma ein wenig verwundert.

Ihr war nicht bewusst, dass sie die ganze Zeit wie ein Honigkuchenpferd strahlte.

„Die Vorlesung hat begonnen und du hast nichts mitgeschrieben, was sehr untypisch für dich ist, du kleine Streberin.“

Emma streckte ihr die Zunge entgegen.

„… und außerdem strahlst du wie verrückt“, ging Chloé weiter auf die Frage ihrer Freundin ein.

Sie war so neugierig, dass sie keine weitere Minute vergeuden wollte.

„Schon gut, ich spann dich nicht weiter auf die Fol- ter. Wir sind endlich zusammen. Ist das nicht toll?!“, platzte es aus ihr heraus.

„Wer jetzt? Wir zwei? Davon wusste ich ja noch gar nichts.“

„Hahaha, sehr witzig, nein Mathéo und ich.“

„Nein, nicht dein Ernst? Ihr habt es endlich ge- schafft? Wie lange hat das noch mal gedauert?“

„Deinen Sarkasmus kannst du dir sparen!“

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