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Die Änderungen der Entsenderichtlinie aus dem Jahr 2018 / eingereicht von Julian Kasper

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Academic year: 2021

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JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at DVR 0093696 Eingereicht von Julian Kasper Angefertigt am Institut für Europarecht Beurteiler

Assoz. Univ.-Prof. Dr. Franz Leidenmühler

März 2020

DIE ÄNDERUNGEN DER

ENTSENDERICHTLINIE

AUS DEM JAHR 2018

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Magister der Rechtswissenschaften

im Diplomstudium

(2)

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Linz, 25.03.2020

Julian Kasper

SPRACHLICHE GLEICHBEHANDLUNG

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Diplomarbeit auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Personenbezeichnungen verzichtet. Die gewählten personenbezogenen Bezeichnungen gelten für beide Geschlechter gleichermaßen.

(3)

Inhaltsverzeichnis

I.

Allgemeiner Teil ... 5

A. Richtlinien der Europäischen Union ... 5

1. Im Allgemeinen ... 5

2. Wirkungen und Umsetzung ins nationale Recht ... 5

3. Haftung der Staaten bei Nichtumsetzung ... 6

B. Arbeitnehmer und deren Entsendung ... 7

1. Der österreichische Arbeitnehmerbegriff und der Arbeitsvertrag ... 7

2. Die Entsendung und ihre Definition nach österreichischem Recht... 9

II.

Entwicklung des Europäischen Binnenmarktes ... 10

A. Der Binnenmarkt ... 10

B. Die fünf Grundfreiheiten ... 11

1. Der freie Warenverkehr ... 11

2. Die Niederlassungsfreiheit ... 12

3. Freizügigkeit der Arbeitnehmer ... 13

4. Freier Kapital- und Zahlungsverkehr ... 14

C. Dienstleistungsfreiheit (als Grundlage für die Arbeitnehmerentsendung) ... 14

1. Sachlicher Anwendungsbereich ... 14

a) Arten von Dienstleistungen ... 15

b) Grenzüberschreitender Bezug ... 15

2. Persönlicher Anwendungsbereich ... 15

3. Räumlicher Anwendungsbereich ... 16

4. Verbotene Beschränkungen ... 16

5. Rechtfertigungsgründe ... 16

6. Gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen ... 17

III.

Die EU-Entsenderichtlinie (RL 96/71/EG) ... 18

A. Allgemein ... 18

1. Entstehung ... 18

(4)

B. Inhalt ... 19

1. Begriff der Entsendung nach der Entsenderichtlinie ... 19

2. Anwendungsbereiche ... 20

a) Sachlicher Anwendungsbereich ... 20

b) Persönlichen Anwendungsbereich ... 20

c) Räumliche Anwendungsbereich ... 21

C. Umsetzung ins österreichische Recht ... 21

1. Durch das Arbeitsvertragsrecht-Anpassungsgesetz ... 21

a) § 7 AVRAG ... 21

b) § 7a AVRAG ... 21

c) § 7b AVRAG ... 22

2. Durch das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz ... 22

3. Durch das Ausländerbeschäftigungsgesetz ... 22

D. Kontrolle und Durchsetzung ... 23

IV.

Die Reform 2018 der Entsenderichtlinie ... 24

A. Die wichtigsten Änderungen der „neuen“ Entsenderichtlinie ... 24

1. Aufhebung der Differenzierung nach Branchen... 24

2. Entlohnung ... 25

3. Entsendedauer / Langzeitentsendungen ... 25

4. Transparenz ... 26

5. Aufwandersatz/Unterkunft ... 27

(5)

I. Allgemeiner Teil

A. Richtlinien der Europäischen Union

1. Im Allgemeinen

Damit die Gründungsverträge der EU spezifischer geregelt werden, wird hauptsächlich das sekundäre Unionsrecht herangezogen. Hierfür haben die Mitgliedsstaaten in den Gründungsverträgen die Organe ermächtig selbst Regelungen bezüglich abstrakter Fragestellungen zu bestimmen. Der Geltungsbereich dieser Rechtssetzungsakte kann sich über die ganze EU erstrecken.1 Um die zuvor genannten Rechtsakte zu setzen,

normiert Art 288 AEUV die Handlungsformen, welche den Unionsorganen zu Verfügung stehen. Angeführt werden Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen.

Das Sekundärrecht muss sich nicht direkt auf die Verträge selbst stützen. Vielmehr kann es sich auch aus dem Gewohnheitsrecht ergeben, zB indem ein bestimmtes Vorgehen eines Verwaltungsverfahrens als Grundlage herangezogen wird.2

Bei der Entscheidung der Wahl des Rechtsaktes sind die Organe grundsätzlich frei. Eine Ausnahme wird nur gemacht, wenn die Verträge explizit eine zu erlassene Form vorsehen. Verpflichtend ist jedoch eine Begründung des ausgewählten Rechtsaktes.3

Für die Erlassung von Richtlinien ist hauptsächlich der Rat gemeinsam mit dem Europäischen Parlament zuständig. In seltenen Fällen kommt auch der Kommission diese Befugnis zu. Adressaten sind nicht etwa die Bürger, wie es bei Verordnungen der Fall ist, sondern die Mitgliedsstaaten direkt.4

2. Wirkungen und Umsetzung ins nationale Recht

Wie zuvor erwähnt, richtet sich die Rechtssatzform Richtlinie an die Mitgliedsstaaten, daher ist sie in den jeweiligen Rechtsordnungen der Länder nicht unmittelbar anwendbar. Folglich ist ein Anwendungsvorrang vor innerstaatlichem Recht nicht gegeben.5 1 Vgl Hakenberg, Europarecht7 (2015), 58. 2 Vgl Hobe, Europarecht9 (2017), 103. 3 Vgl Art 296 AEUV. 4 Vgl Hakenberg, Europarecht7 (2015), 59. 5 Vgl Leidenmühler, Europarecht3 (2017), 54.

(6)

Weil Richtlinien grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar sind, bedarf es einer Eingliederung in das nationale Recht der jeweiligen Staaten. Diese Umsetzungspflicht muss innerhalb der angegebenen Frist erfolgen. Wie genau die Rechtssetzungsorgane die Richtlinie umsetzen steht in deren ermessen. Folglich muss die Umsetzung nicht notwendigerweise in Form eines Gesetzes erfolgen. Wichtig ist jedoch die Qualität des Aktes, dieser muss geeignet sein um den Rechtszustand herzustellen, der gefordert wird.6

Eine Abweichung vom zuvor Genannten machte der EuGH im Jahr 1982 in seinem Urteil, betreffend der Rechtssache Ursula Becker gegen das Finanzamt Münster-Innenstadt. In diesem legte er fest, dass ein Mitgliedsstaat den Einzelnen nicht die erwachsenen Verpflichtungen, die sich aus der Richtlinie ergeben, entgegenhalten kann, wenn er selbst mit den vorgeschriebenen Durchführungsmaßnahmen in Verzug ist.7

Damit einer Richtlinie solch eine (ausnahmsweise) direkte Wirkung zukommt, darf sie zusätzlich an keine Bedingungen geknüpft sein und bezogen auf den Einzelfall, muss sie hinreichend bestimmt sein.8 Gerichte und Behörden müssen als Konsequenz der

direkten Wirkung die Richtlinienbestimmungen unmittelbar anwenden und in Bezug auf entgegenstehendem nationalem Recht diesen Bestimmungen Anwendungsvorrang geben.

In den folgenden Jahren hat der EuGH dieses Themengebiet durch seine Judikatur weiter präzisiert. In der Rs Kolpinghuis Nijmegen normierte er, dass im Verhältnis einzelner Bürger gegen den Staat (vertikales Verhältnis) die direkte Wirkung nur zu Gunsten des Bürgers zur Anwendung kommen kann, jedoch nicht umgekehrt. Somit würde der säumige Staat von seiner Nichtumsetzung profitieren. Auch bezüglich der Verhältnisse privater Personen untereinander (horizontales Verhältnis) hat der EuGH Stellung genommen. In der Rs Faccini Dori/Recreb schloss er diese Wirkung bei Privaten ebenfalls aus.9

3. Haftung der Staaten bei Nichtumsetzung

Die sogenannte Staatshaftung entwickelte der EuGH in der Rs Francovich. Darin formulierte er einen Anspruch gegen die Mitgliedsstaaten, der entsteht, wenn eine rechtswidrige Nichtumsetzung einer Richtlinie vorliegt und dadurch bezifferbare

6 Vgl Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7 (2016), 124.

7 Vgl EuGH 19.01.1982, Rs 8/81, Becker/ Finanzamt Münster-Innenstadt, ECLI:EU:C:1982:7, Rz 24. 8 Vgl Doerfert, Europarecht5 (2012), 71.

(7)

Schäden entstanden sind. Somit wurde eine Strategie entwickelt um die Staaten anzuhalten, die an sie gerichteten Richtlinien pünktlich und korrekt in das jeweilige nationale Recht einzugliedern. Ob die Richtlinie an einen Staat gerichtet war, ist für einen Schadenersatzanspruch gegen einen Staat irrelevant. Folglich kommt in diesem Kontext, den oben genannten Unterschieden zwischen der horizontalen und der vertikalen Wirkung, keine Bedeutung zu. Ob ein Entschädigungsanspruch besteht, hängt von drei Voraussetzungen ab. Zum einen muss der Einzelne in seinem Recht verletzt worden sein, zum anderen muss gegen das Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert verstoßen worden sein. Abschließend muss auch noch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen den zuvor genannten Voraussetzungen bestehen.10

B. Arbeitnehmer und deren Entsendung

1. Der österreichische Arbeitnehmerbegriff und der Arbeitsvertrag

Der Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer begründet ein Rechtsverhältnis, welches eine abhängige Leistungspflicht und fremdbestimmte Arbeit innehat. Es bezieht sich immer auf eine gewisse Dauer, daher ist es als ein Dauerschuldverhältnis zu klassifizieren. Dabei steht nicht die zeitliche Dauer im Vordergrund, sondern vielmehr die Tatsache, dass dieses Verhältnis nicht durch einzelne Erfüllungshandlungen beendet wird. Die Beendigung kann nur aufgrund eines speziellen Beendigungsgrundes, wie zB durch eine Kündigung, erfolgen. Aus diesem Grund sind selbst für kurze Zeit, wie zB einen Tag oder wenige Stunden, geschlossene Vertragsverhältnisse als Arbeitsverträge anzusehen.

Arbeitsverhältnisse sind grundsätzlich auch Schuldverhältnisse, da der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zur Verfügung stellt und im Gegenzug dafür regelmäßig Entgelt vom Arbeitgeber bezieht. Daraus resultiert, im Vergleich zu anderen Schuldverhältnissen, ein stärkerer personaler Einschlag. Dieser hat wiederum zu Folge, dass beiden Vertragsparteien besondere Pflichten auferlegt werden. Bezogen auf den Arbeitgeber ist hier die Fürsorgepflicht zu nennen. Den Arbeitnehmer trifft die Treuepflicht.11

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wird in § 1157 ABGB generalklauselartig formuliert. Nähere Definition erfährt sie sowohl im AngG, als auch in zahlreichen Sondergesetzen.12

10 Vgl Doerfert, Europarecht5 (2012), 77. 11 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017), 169-170.

(8)

Die wichtigste Pflicht ist der Schutz des Lebens und der Gesundheit des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber hat für entsprechende Schutzmaßnahmen zu sorgen und hierfür entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Werden jene jedoch nicht getroffen, ist der Dienstnehmer berechtigt seine Arbeit zu verweigern.13 Der Persönlichkeitsschutz ist eine

weitere Pflicht, die durch Wahrung der Geschlechterehre, der sexuellen Integrität und der Intimsphäre der Dienstnehmer zum Ausdruck kommt. Vor allem weibliche und jugendliche Arbeitnehmer erscheinen in diesem Zusammenhang als besonders schutzbedürftig.14 § 1157 ABGB nimmt zwar keinen Bezug auf den Vermögensschutz,

dennoch hat die österreichische Lehre und Rsp diesen Gedanken der vermögensschutzorientierten Fürsorgepflicht entwickelt. Als Beispiel kann hier § 14 Abs 4 ASchG genannt werden. Diese Norm legt fest, dass jedem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben werden muss, seine Arbeits- bzw Straßenkleidung sicher verwahren zu können. Unter anderem müssen auch versperrbare Einrichtungen geschaffen werden.15

Bezüglich der Treuepflicht schweigt das ABGB. Vielmehr wurde sie von der Lehre und Rsp entwickelt. Dienstnehmer bekommen aufgrund ihres Vertragsverhältnisses und ihrer Tätigkeit im Betrieb einen besonders weiten Einblick in die Vermögenssphäre des Unternehmens, mitunter auch in den Privatbereich des Arbeitgebers. Aus diesem Grund wurden diverse Normen zum Schutz des Dienstgebers geschaffen. Als Beispiel dafür können das Konkurrenzverbot des § 7 AngG und die Verschwiegenheitspflichten des § 5 Abs 1 VBG genannt werden.16

Im Arbeitsrecht herrscht kein einheitlich geprägter Begriff der den Arbeitnehmer beschreibt. Je nach Zweck bestimmter Regelungen wird, sowohl im österreichischen Recht, als auch im Gemeinschaftsrecht, sein Geltungsbereich teils enger, teils weiter gefasst. Nach Löschnigg17 sind

„Arbeitnehmer iSd Arbeitsvertragsrecht, wer auf Grund eines Arbeitsvertrages einen anderen zur Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist“.

Bei der Bewertung, ob eine Arbeitnehmereigenschaft vorliegt oder nicht, ist die persönliche Abhängigkeit das entscheidende Kriterium.18

13 Vgl Krejci in Rummel (Hrsg), ABGB3 (2010), § 1157, Rz 9. 14 Vgl Krejci in Rummel (Hrsg), ABGB3 (2010), § 1157, Rz 23. 15 Vgl Krejci in Rummel (Hrsg), ABGB3 (2010), § 1157, Rz 39. 16 Vgl Krejci in Rummel (Hrsg), ABGB3 (2010), § 1153, Rz 28. 17 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017), 186.

(9)

2. Die Entsendung und ihre Definition nach österreichischem Recht

Setzt man sich mit der Thematik von grenzüberschreitender Beschäftigung von Arbeitnehmern auseinander, so kommen immer wieder die Begriffe „Entsendung“ bzw „entsendeter Arbeitnehmer“ vor. Diese Begriffe sind jedoch, abhängig davon in welchem Kontext sie stehen, unter unterschiedlichen Aspekten zu verstehen. Die Entsende-RL selbst schafft eine eigene Definition für die oben genannten Begriffe. Darauf wird später näher unter Punkt B 1 eingegangen.

Im Folgenden wird die „Entsendung“ aus Sicht des österreichischen Rechts näher behandelt. Der Begriff an sich wird weder von europarechtlichen, noch von österreichischen Kollisionsnormen näher definiert. Kühteubl/Kozak19 folgen dieser

Definition:

Eine Entsendung liegt dann vor, wenn ein Arbeitnehmer, der üblicherweise in einem Staat beschäftigt ist, vorübergehend in einem anderen Staat tätig werden soll, wobei

beabsichtig ist, dass der Arbeitnehmer nach einer gewissen Zeit wieder in den Ausgangstaat zurückkehrt.

Vorausgesetzt wird daher ein gewöhnlicher Arbeitsort im Inland. Folgt man der hL, so ist das jener Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit tatsächlich ausübt bzw dort wo die Tätigkeit, bezogen auf Zeit und Inhalt, ihr Schwergewicht hat. Ein weiteres wesentliches Element der Entsendung ist, dass die Arbeitnehmer nicht dauerhaft ins Ausland entsendet werden dürfen. Ist das der Fall, so verlagert sich der gewöhnliche Arbeitsort ins Ausland und folglich liegt kein Fall der Entsendung vor.20

19 Kühteubl/Kozak, Arbeitnehmerentsendung (2010), 6. 20 Vgl Kühteubl/Kozak, Arbeitnehmerentsendung (2010), 6-7.

(10)

II. Entwicklung des Europäischen Binnenmarktes

A. Der Binnenmarkt

Im Vertrag von Lissabon hat sich die EU im Art 3 EUV zu diversen übergeordneten Zielen verpflichtet. Die Errichtung eines Binnenmarktes wird durch den Art 3 Abs 3 EUV festgeschrieben.21 Konkretisiert und definiert wird dieses Ziel in Art 26 Abs 2 AEUV, der

wie folgt lautet:

„Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der

Verträge gewährleistet ist.“22

Dieser zitierte Artikel umfasst vier Grundfreiheiten. Genau genommen handelt es sich um fünf Grundfreiheiten, denn der freie Personenverkehr unterteilt sich in die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit.

Damit die Grundfreiheiten in jedem Mitgliedsstaat verwirklicht werden können, bedarf es einer Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften aller Staaten.23 Um dies zu

verwirklichen, wird in erster Linie das Rechtsangleichungsinstrument des Art 114 AEUV herangezogen. Damit wird ermöglicht bestehende Handelshindernisse zu beseitigen und potentiell neu aufkommende Hindernisse schon im Voraus zu vermeiden. Damit die Kompetenz des Art 144 AEUV herangezogen werden kann, reicht das bloße Bestehen unterschiedlicher nationaler Rechtsnormen nicht aus. Vielmehr müssen diese Unterschiede geeignet sein, um die Grundfreiheiten zu beschränken, in weiterer Folge dürfen sie sich nicht negativ auf den bestehenden Binnenmarkt auswirken. Art 144 AEUV wird ebenfalls als Rechtsgrundlage für den Gesundheitsschutz herangezogen. Hier kann der Unionsgesetzgeber Regelungen treffen, die sich auf die Vermarktung, Genehmigung oder ein Verbot eines Produktes beziehen.24

Wurden solche Harmonisierungsmaßnahmen durchgeführt, obwohl in einem Mitgliedsstaat höhere Standards herrschen und will dieser Staat jene Standards beibehalten (Art 114 Abs 4 AEUV), so kann er das nur, wenn wichtige Erfordernisse iSd Art 36 AEUV vorliegen oder wenn es der Umweltschutz bzw der Schutz der Arbeitsumwelt rechtfertigt.

21 Vgl Lengauer in Mayer/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV (2012), Art 3 EUV, Rz 1. 22 Art 26 Abs 2 AEUV.

23 Vgl Leidenmühler, Europarecht3 (2017), 144. 24 Vgl Hobe, Europarecht9 (2017), 174.

(11)

Will hingegen ein Mitgliedsstaat höhere nationale Standards einführen, obwohl bereits eine Rechtsangleichungsmaßnahme erlassen wurde (Art 114 Abs 5), so kann das nur unter erschwerten Bedingungen erfolgen. Es können lediglich nur Argumente heranzogen werden, die sich auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder der Umwelt im Allgemeinen beziehen. Zusätzlich müssen neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, sowie ein spezifisches Problem angesprochen werden, welches sich in dem jeweiligen Mitgliedsstaat durch die Erlassung der neuen Harmonisierungsmaßnahme ergeben hat.25

Die zuvor angesprochenen Maßnahmen zur Verteidigung bzw zur Erweiterung nationaler Standards müssen der Kommission mitgeteilt werden. Diese prüft zum einen ob die Schutzmaßnahme erforderlich, geeignet und verhältnismäßig ist und zum anderen, ob mit ihr eine potentielle Marktstörung einhergeht. Der Mitgliedsstaat trägt hier die Beweislast. Binnen sechs Monaten hat sich die Kommission über Genehmigung oder Ablehnung der beantragten Sonderbestimmung zu äußern. In besonderen Fällen kann diese Frist auf zwölf Monate erstreckt werden, sofern eine schwierige Sachlage vorliegt und eine Gefahr für die Gesundheit der Menschen ausgeschlossen werden kann. Eine solche Fristverlängerung ist dem Mitgliedsstaat mitzuteilen. Äußert sich die Kommission nicht innerhalb der von ihr gesetzten Frist, so gilt die beantragte Sondernorm als zugestanden.26

B. Die fünf Grundfreiheiten

1. Der freie Warenverkehr

Schon die Mitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 1957 erkannten die Probleme von gegenseitigen Zöllen, die schwierigen und komplexen Grenzformalitäten und die Abschottung der einzelnen Länder durch deren unterschiedlich geltenden Normen. Um diese Barrieren zu entflechten wurden die Vorschriften der Art 28-37 AEUV konzipiert und die Zollunion erschaffen.

Art 28 AEUV normiert zum einen ein Verbot für Ein- und Ausfuhrzöllen und Abgaben gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedsstaaten, zum anderen legt er die Erhebung eines gemeinsamen Zolltarifs gegenüber Drittländern fest. Somit können Waren auf dem

25 Vgl Leidenmühler, Europarecht3 (2017), 147-148.

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Territorium der EU gänzlich frei zirkulieren, ohne dass hierfür öffentliche Gebühren oder Abgaben fällig werden. Damit diese Zirkulation gewährleistet werden konnte, mussten die nationalen Finanzminister auf diese, für die Staaten sehr wichtigen, Zolleinnahmen verzichten. Das einheitliche Zollgebiet der EU wird durch eine Verordnung festgelegt. Im Wesentlichen umfasst diese die Hoheitsgebiete der Mitgliedsstaaten, jedoch mit einzelnen Ausnahmen, wie zB Helgoland. Bezüglich der Zölle gegenüber Waren aus dritten Ländern mussten die Finanzminister ihr Recht zur Erhebung von Zöllen an die EU abtreten und somit auf ihre Souveränität verzichten. Aus diesem Grund wurde von der EG im Jahr 1968 der Gemeinsame Zolltarif („GZT“) aufgestellt. Dessen Geltungsbereich erstreckt sich einheitlich über die gesamten Außengrenzen. Zurzeit wird der GZT durch die Verordnung Nr 2658/8727 festgelegt.28

2. Die Niederlassungsfreiheit

Die Niederlassungsfreiheit ermöglicht Unternehmern die freie Wahl des Standortes ihres Unternehmens. Dadurch wird eine wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Mitgliedsstaaten vorangetrieben und ebenfalls die wirtschaftliche und soziale Mobilität gefördert. Unabhängig davon, ob Unionsbürger ihren Wohnsitz in der EU haben oder nicht, werden sie in den Schutzbereich miteinbezogen. Gleiches gilt auch wenn sie neben der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates auch jene eines dritten Staates besitzen. Nach Art 54 AEUV fallen ebenfalls zulässig gegründete Gesellschaften, die laut ihrer Satzung den Sitz ihrer Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung innerhalb der EU haben, in den Schutzbereich.

In sachlicher Hinsicht wird die selbstständige Erwerbstätigkeit geschützt. Die Ausübung und auch die Aufnahme solcher Tätigkeit wird in einem anderen Mitgliedsstaat für eine unbestimmte Zeit ermöglicht. Als selbständige Erwerbstätigkeiten werden tatsächlich ausgeübte Tätigkeiten angesehen, die auf eigene Disposition und auf eigenes wirtschaftliches Risiko gerichtet sind. Auch ein Einkommen muss dadurch lukriert werden. Ziel ist eine dauerhafte und rechtliche Eingliederung, in wirtschaftlicher Hinsicht, in den Aufnahmestaat.

Die Ansässigkeit des Unternehmens in nur einem einzelnen Mitgliedsstaat wird nicht gefordert, vielmehr steht es den Unternehmern frei auch weitere Niederlassungen gleichzeitig in anderen Mitgliedsstaaten zu betreiben. Hierfür dürfen auch

27 Verordnung (EWG) Nr 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische

Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl L 256 vom 7.9.1987.

(13)

unterschiedliche Standards bei der Gründung der Zweigniederlassungen und bei der Errichtung von Gesellschaften verwendet werden.29

3. Freizügigkeit der Arbeitnehmer

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit findet ihren Ursprung in Art 45 AEUV. Wichtigstes Kriterium ist der Begriff des Arbeitnehmers, mit ihm wird auch die Abgrenzung zu den inhaltlich verwandten Grundfreiheiten der Niederlassung und der Dienstleistung deutlich. Arbeitnehmer müssen gegen Entgelt für jemand anderen tätig werden und zu diesem in einem abhängigen und weisungsgebundenen Verhältnis stehen. Damit von diesem Schutzbereich möglichst viele Personen erfasst werden, legt der EuGH diesen Begriff eher weit aus.

Lediglich Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung wird durch Art 45 Abs 4 AEUV eine Bereichsausnahme geschaffen. Hintergedanke davon ist, dass bei einem Staatsbediensteten eine besondere Loyalität gegenüber dem Staat verlangt wird. Sollte ein ausländischer Arbeitnehmer hierfür eingesetzt werden, könnte diese Loyalität nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden.

Bei der EU-Osterweiterung war die Arbeitnehmerfreizügigkeit ein besonders heikles Thema, denn dadurch traten ebenso soziale und politische Aspekte dieser Grundfreiheit hervor. Gerade in den Grenzregionen befürchteten die Betroffenen eine Gefahr für ihre Arbeitsplätze durch „Billiganbieter“ aus den neuen Mitgliedsstaaten. Somit wurde eine Übergangsfrist von sieben Jahren eingeführt, in der die volle Freizügigkeit noch beschränkt war. Diese wurde zB von Österreich und Deutschland zur Gänze ausgeschöpft. Die vollständige Öffnung der Arbeitsmärkte erfolgte schlussendlich im Mai 2011.30

29 Vgl Hobe, Europarecht8 (2017), 235-236. 30 Vgl Doerfert, Europarecht5 (2012), 111-112.

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4. Freier Kapital- und Zahlungsverkehr

Die Freiheiten des Kapital- und Zahlungsverkehrs sind im Wesentlichen in den Art 63 ff AEUV geregelt. Diese beiden Grundfreiheiten weisen Unterschiede in ihren Anwendungsbereichen auf, im Wesentlichen unterliegen sie jedoch den gleichen Anforderungen.

Der freie Zahlungsverkehr ermöglichte den ungehinderten Fluss von Zahlungsmitteln im grenzüberschreitenden Kontext und steht meist in Verbindung mit den anderen Grundfreiheiten. Somit ist der freie Zahlungsverkehr ein Annex zur jeweiligen Grundfreiheit, die ebenfalls durch die Zahlung berührt wird.31

Der freie Kapitalverkehr regelt vor allem grenzüberschreitende Überträge von Geld- und Sachkapital. Hauptsächlich zu Anlage- bzw Investitionszwecken. Durch die Kapitalverkehrsrichtline 88/361/EWG wurde der letzte Schritt zur endgültigen Verwirklichung des freien Kapitalverkehrs vollzogen und die Mitgliedsstaaten verpflichtet, sämtliche Beschränkungen in diesem Zusammenhang zu beseitigen. Der EuGH erstreckt den Anwendungsbereich auch auf grenzüberschreitende Schenkungen.32

Aus Art 63 AEUV lässt sich nicht ableiten, wen die Kapital- und Zahlungsfreiheit verpflichtet, sich an die damit verbundenen Rechte und Pflichten zu halten. Grundsätzlich sind jedoch die Mitgliedsstaaten selbst die Adressaten dieser Ge- und Verbote. Ob auch Privatpersonen Adressaten sein können ist bis dato nicht geklärt, das sich diese Frage bislang noch nicht gestellt hat.33

C. Dienstleistungsfreiheit

(als

Grundlage

für

die

Arbeitnehmerentsendung)

1. Sachlicher Anwendungsbereich

Der Begriff der Dienstleistung wird durch Art 57 AEUV definiert. Demzufolge ist eine Dienstleistung eine Leistung, die grundsätzlich gegen Entgelt erbracht wird. Insbesondere können das gewerbliche, handwerkliche, kaufmännische oder freiberufliche Tätigkeiten sein.

31 Vgl Schroeder, Grundkurs Europarecht4 (2015), 293. 32 Vgl Herdegen, Europarecht17 (2015), 331.

(15)

a) Arten von Dienstleistungen

Dienstleistungen können auf vier verschiedene Arten erbracht werden:

1. Aktive Erbringung, dh die Dienstleistung wird nicht in dem Mitgliedsstaat erbracht, in dem der Empfänger ansässig ist, sondern in einem anderen Mitgliedsstaat.

2. Passive Erbringung, dh um die Dienstleistung zu empfangen begibt sich der Empfänger in einen anderen Mitgliedsstaat.

3. Der Erbringer und der Empfänger befinden sich beide in einem anderen Mitgliedsstaat.

4. Korrespondenzweg, dh lediglich die Dienstleistung als solche überschreitet die Grenze. Der Erbringer und der Empfänger der Dienstleistung bleiben in ihrem jeweiligen Mitgliedsstaat.34

b) Grenzüberschreitender Bezug

Das grenzüberschreitende Element einer Dienstleistung ergibt sich aus Art 56 Abs 1 AEUV. Auf Sachverhalte, die keine grenzüberschreitenden Merkmale aufweisen, sind die Art 56 ff AEUV nicht anwendbar. Für einen Nachweis des transnationalen Elements genügt ein potentieller grenzüberschreitender Anknüpfungspunkt. Hat eine nationale Regelung Auswirkungen auf einen Bürger eines anderen Mietgliedstaats, so ist das Tatbestandselement der Grenzüberschreitung erfüllt.

2. Persönlicher Anwendungsbereich

In einem anderen Mitgliedsstaat ansässige Unionsbürger sind vom Schutzbereich des Art 56 AEUV erfasst, nur ihnen ist es möglich, die dort angeführten Rechte in Anspruch zu nehmen. EU-Ausländern wird der Zugang zu diesen Rechten grundsätzlich verweigert. Unterhält jedoch ein Angehöriger eines Mitgliedsstaats Geschäftsbeziehungen mit einem EU-Ausländer, so kann der Unionsbürger sehr wohl auf sein Recht berufen, welches sich aus der Dienstleistungsfreiheit ergiebt. Dem Rat ist es jedoch möglich die Art 56 ff AEUV auf Drittstaatsangehörige, die innerhalb der EU ansässig sind und Dienstleistungen erbringen, zu erweitern. Rechtgrundlage hierfür ist Art 56 Abs 2 AEUV.

(16)

3. Räumlicher Anwendungsbereich

Art 52 EUV beschränkt den räumlichen Anwendungsbereich auf das gesamte Gebiet der Mitgliedsstaaten. Unklar ist, ob auch Dienstleistungen erfasst sind, die in einem Drittland ausgeführt werden. Gegen diese Auffassung spricht Art 56 Abs 1 AEUV, der die Wendung „innerhalb der Union“ enthält.35

4. Verbotene Beschränkungen

Auch die Dienstleistungsfreiheit unterliegt, sowie auch die anderen Grundfreiheiten, einem Beschränkungsverbot, das über das allgemeine Diskriminierungsverbot hinausgeht. Wird eine Regelung geschaffen, deren Inhalt geeignet ist, die von der EU garantierten Freiheiten in irgendeiner Form zu behindern, so sieht der EuGH darin eine verbotene Beschränkung. Ob die Beschränkung vom Aufnahme- oder Herkunftsstaat ausgeht ist nicht von Bedeutung.36

5. Rechtfertigungsgründe

In Fällen in denen die Dienstleistungsfreiheit mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt zusammenhängt darf sie eingeschränkt werden, wenn dieser Eingriff verhältnismäßig ist. Davon betroffene Leistungen können unter anderem in einem Zusammenhang mit der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Gesundheitsdienste oder auch mit gewissen Funktionen der Rechtspflege stehen.37

Zusätzlich hat der EuGH durch seine kasuistische Rechtsprechung gewisse „zwingende

Erfordernisse“ entwickelt, die eine unterschiedslose Beschränkung ausnahmsweise

rechtfertigen. Als Beispiel hierfür können Beschränkungen aufgezählt werden, die sich auf Berufs- und Standesregeln, den Schutz des geistigen Eigentums, die Geldwäsche oder den sozialen Schutz der Arbeitnehmer beziehen. Diese Aufzählung ist nicht abschließend, vielmehr werden durch die Rechtsprechung des EuGHs solche Ausnahmen ständig weiterentwickelt. Rein wirtschaftliche Gründe mit denen in die Grundfreiheit eingegriffen werden soll, waren jedoch in der Vergangenheit nicht erlaubt.38

35 Vgl Budischowsky in Jaeger/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV (2018), Art 57 AEUV, Rz 6-15. 36 Vgl Schroeder, Grundkurs Europarecht4 (2015), 288-289.

37 Vgl Hobe, Europarecht9 (2017), 248.

(17)

6. Gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen

Im Jahr 2005 wurden die bereits bestehenden einschlägigen Richtlinien zur „RL über die

Anerkennung von Berufsqualifikationen“ zusammengefasst. Sie beruht grundsätzlich

darauf, dass sie den Mitgliedsstaaten in Sachen Berufsausbildung bzw Berufserfahrung vertrauen und diese auch gegenseitig anerkennen. Dabei muss jedoch ein gewisser Mindeststandard erhalten bleiben. Ergeben sich größere Unterschiede bei Befähigungsnachweisen zweier Mitgliedsstaaten, kann die Zulassung im Aufnahmeland an Eignungsprüfungen oder Anpassungslehrgängen geknüpft werden. Eine weitestgehende Vollharmonisierung liegt in den Bereichen der ärztlichen, zahnärztlichen und pharmazeutischen Berufen vor. Primärrechtliche Vorgaben sind der Grund hierfür.

Die zuvor genannte Richtlinie bezieht sich nur auf abgeschlossene Ausbildungen, die staatliche reglementiert sind. Der EuGH hat jedoch durch seine Rechtsprechung spezielle Prüfungs- und Anerkennungspflichten, bezogen auf nationale Diplome, entwickelt. Diese werden auch auf Diplome angewendet, die nur teilweise den Anforderungen des nationalen Rechts entsprechen.39

(18)

III. Die EU-Entsenderichtlinie (RL 96/71/EG)

A. Allgemein

1. Entstehung

Hauptgrund für die Entstehung der Entsenderichtlinie war der Fall Rush-Portuguesa. Der EuGH war mit diesem Fall zum ersten Mal mit einem Sachverhalt konfrontiert, der beispielhaft für die Problematik der Entsendung von Arbeitnehmern innerhalb der EU ist. Konkret schloss ein portugiesisches Bauunternehmen einen Subunternehmervertrag mit einem französischen Unternehmen ab. Das portugiesische Unternehmen verpflichtete sich zu Arbeiten an einer französischen Fahrstrecke eines Hochgeschwindigkeitszuges. Bei der Ausführung dieser Arbeiten wurden portugiesische Arbeiter von dem verpflichteten Unternehmen eingesetzt. Diesen Umstand beanstandete die französische Gewerbeaussicht, denn sie war der Meinung, dass die portugiesischen Arbeiter keine Arbeitserlaubnis hätten. Aus Sicht des französischen Rechts war dieser Vorwurf auch berechtigt. Das portugiesische Bauunternehmen sah darin jedoch Widersprüche zum europäischen Recht und bestritt daher den Rechtsweg gegen die Entscheidung der französischen Gewerbebehörde.40

Folge dieser Entscheidung des EuGHs war ein Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission. Dieser Vorschlag war jedoch nicht unumstritten, daher wurde die Entsenderichtlinie erst nach zweijähriger schwierigerer Beratung mit dem Wirtschafts- und Sozialausschuss am 16.12.1996 erlassen.41

2. Ziele und Bedeutung

Schon aus der Präambel zur Richtlinie ergibt sich das wichtigste Ziel: Sämtliche Beeinträchtigungen, die Hindernisse für den freien Dienstleistungs- und Personenverkehr hervorrufen, sollen beseitig werden. Gleichzeitig soll dies zur Förderung des länderübergreifenden Dienstleistungsverkehres beitragen. Um dieses Ziel zu erreichen, mussten Regelungen geschaffen werden, die die bestehenden Unterschiede der diversen Länden in Sachen Lohn- und Arbeitsbedingungen ausgleichen. Zusätzlich mussten aber auch die Rechte der Arbeitnehmer gewahrt werden.42

40 Vgl Müller, Die Entsendung von Arbeitnehmern in der Europäischen Union (1997), 21. 41 Vgl Egger in Wachter/Burger (Hrsg), Die Dienstleistungsrichtlinie (2008), 214.

(19)

Die Entsenderichtlinie soll zusätzlich verhindern, dass Wettbewerbsvorteile für Arbeitgeber innerhalb der EU entstehen, die ihren Ursprung in Defiziten eines Landes, bezogen auf den Arbeitnehmerschutz, haben. Die Kommission will mit Hilfe der Richtlinie auch eine zügellose Fortentwicklung von Arbeitnehmerentsendungen stoppen, da dadurch die Arbeitsmarktstruktur innerhalb der EU gefährdet wäre. Denn es muss nicht bedeuten, dass ein offener Markt auch gleichzeitig ein gerechter bzw sozialer Markt sei.43

B. Inhalt

1. Begriff der Entsendung nach der Entsenderichtlinie

Die Begriffe „entsandter Arbeitnehmer“ bzw „Entsendung“ finden sich sowohl im Kollisionsrecht, als auch in der Vertragspraxis. Näher präzisiert werden sie jedoch durch die Entsenderichtlinie selbst. Demnach sind entsandte Arbeitnehmer solche Arbeitnehmer, die ihre Arbeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats leisten, als in demjenigen, in dem sie normalerweise arbeiten. Zusätzlich muss diese Tätigkeit während eines begrenzten Zeitraums erfolgen. Der Begriff „Arbeitnehmer“ selbst muss dabei immer aus der Sicht des Empfangsstaats gesehen werden. Wird also ein Arbeitnehmer nach Österreich entsendet, ist das österreichische Recht anzuwenden.

Die Entsenderichtlinie wiederum unterscheidet selbst zwischen drei Arten einer Entsendung.

 Dienstleistungsvertragsentsendung: Im Rahmen eines Vertrages, welcher mit einem ausländischen Dienstleistungsempfänger geschlossen wird, jedoch unter der Leitung und im Namen des entsendeten Unternehmers.

 Konzernentsendung: Der Arbeitnehmer wird von seinem Arbeitgeber in eine Niederlassung oder in ein zum Unternehmen gehörendes Unternehmen gesendet, welches sich in einem Mitgliedsstaat befindet.

 Grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung: Hier überlässt ein Leiharbeitsunternehmen seinen Arbeiter einem Unternehmen, das seinen Sitz in einem Mitgliedsstaat hat bzw dort seine Tätigkeit ausübt.44

43 Vgl Görres, Grenzüberschreitende Arbeitnehmerentsendung in der EU (2003), 105. 44 Vgl Kühteubl/Kozak, Arbeitnehmerentsendung (2010), 10.

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2. Anwendungsbereiche

a) Sachlicher Anwendungsbereich

Die Entsenderichtlinie knüpft ihren sachlichen Anwendungsbereich gem Art 1 Abs 3 Entsenderichtlinie an drei verschiedene Sachverhaltskonstellationen an. Der klassische Anwendungsfall ist in Art 1 Abs 3 lit a Entsenderichtlinie definiert. Dieser ist gegeben, wenn ein Unternehmer seinen Arbeiter zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten in einem anderen Mitgliedsstaat entsendet, in dem sein Vertragspartner (Dienstleistungsempfänger) tätig ist. Art 1 Abs 3 lit b Entsenderichtlinie beschreibt den zweiten Anwendungsfall. Dieser regelt die Entsendung bei Konzernen, die international tätig sind. Konkret muss dabei ein Arbeitnehmer in ein Unternehmen grenzüberschreitend entsendet werden, das der Unternehmensgruppe angehört. Der letzte Fall wird durch Art 1 Abs 3 lit c Entsenderichtlinie definiert und befasst sich mit der grenzüberschreitenden Leiharbeit.

Die zuvor genannten Anwendungsfälle unterliegen jedoch einer gemeinsamen Voraussetzung. Es darf nämlich in keiner der drei Konstellationen ein Arbeitsverhältnis zu dem Unternehmen begründet werden, zu dem der Arbeitnehmer hin entsendet wird. Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis muss also bestehen bleiben.45

b) Persönlicher Anwendungsbereich

Anknüpfungspunkte für den persönlichen Anwendungsbereich sind Art 1 Abs 1 und Abs 3 Entsenderichtlinie. Diese wiederum knüpfen nicht an den entsendeten Arbeitnehmer an, sondern an das entsendende Unternehmen. Dabei sind alle Unternehmen erfasst, die von der Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch machen. Die Staatsangehörigkeit der jeweiligen Arbeitnehmer bleibt jedoch außer Ansatz. Folgt man der Rechtsprechung des EuGHs, so sind auch Arbeitnehmer aus Drittstaaten vom persönlichen Anwendungsbereich erfasst, wenn sie bei einem Unternehmen rechtmäßig beschäftigt sind und es innerhalb der EU ansässig ist.46

45 Vgl Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht4 (2014), 537-538.

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c) Räumlicher Anwendungsbereich

Art 1 Abs 1 Entsenderichtlinie normiert den räumlichen Anwendungsbereich. Erfasst wird dieser, wenn ein Unternehmen, das seinen Sitz in einem Mitgliedsstaat hat, ihren Arbeitnehmer in einen anderen Mitgliedsstaat entsendet und dies im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen geschieht. Somit sind nur Entsendungen erfasst, die innerhalb der EU bzw EWR vorgenommen werden. Liegt eine Entsendung aus einem Drittstaat vor, so ist die Regelung des47 Art 1 Abs 4

Entsenderichtlinie zu beachten.

C. Umsetzung ins österreichische Recht

1. Durch das Arbeitsvertragsrecht-Anpassungsgesetz

Die Umsetzung der Entsenderichtlinie wurde mit Hilfe der §§ 7 ff AVRAG vollzogen. Diese wiederum definieren drei unterschiedliche Anwendungsfälle.

a) § 7 AVRAG

Diese Norm regelt die Ansprüche, die ein Arbeinehmer hat, dessen gewöhnlicher Arbeitsort in Österreich liegt, gegen seinen ausländischen Arbeitgeber, dessen Sitz nicht in Österreich liegt. Gehört der Arbeitgeber keiner kollektivvertragsfähigen österreichischen Körperschaft an, so hat der Arbeitnehmer sogar einen zwingenden Anspruch auf kollektivvertragliche Mindestentgelte, welche auch vergleichbaren Arbeitnehmern vor Ort bezahlt werden. Dem Arbeitgeber bleibt es jedoch frei seinem Arbeitnehmer ein höheres Entgelt zu bezahlen.48

b) § 7a AVRAG

Sendet ein Arbeitgeber, der keinen Sitz in einem EWR-Mitgliedsstaat hat, seinen Arbeitnehmer nach Österreich, so hat dieser zwingende Mindersansprüche, wenn die Übersendung im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung erfolgt. Wie in § 7 AVRAG angeführt, hat der Arbeitnehmer die zuvor genannten Ansprüche bezüglich des Entgelts. Weiters werden ihm auch Ansprüche auf bezahlten Urlaub nach § 2 UrlG zugestanden, wenn das Ausmaß des Urlaubes hinsichtlich der Rechtslage des Heimatstaates geringer ist. Kein Anwendung nach österreichischem Recht finden jedoch allfällige Ansprüche

47 Vgl Wolfsgruber, Die grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitnehmern (2001), 36. 48 Vgl Drs in Resch (Hrsg), Grenzüberschreitender Personaleinsatz (2007), 48.

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hinstichtlich einer Anrechnung von Vordienstzeiten oder Vorschriften bezüglich Urlaubsverbrauch und Verjährung von Urlaub. In diesen Fällen findet das jeweilige ausländische Arbeitsrecht Anwendung.49

c) § 7b AVRAG

Dieser Paragraf regelt zwingend einzuhaltende Arbeitsbedingungen. Ungeachtet welches Recht auf des Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, regelt § 7b Abs 1 AVRAG die in Z 1 bis 3 normierten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen. Diese finden Anwendung für Arbeitnehmer, die zu fortgesetzter Arbeitsleistung nach Österreich entsendet werden und deren Arbeitgeber ihren Sitz in einem anderen EWR-Mitgliedsstaat haben. Konkret werden Regelungen bezüglich eines fairen Entgelts (Z 1), eines bezahlten Urlaubes (Z 2) und einer Arbeitszeitregelung (Z 3) getroffen.50

2. Durch das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz

Die Umsetzung der Entsenderichtlinie erfolgte hinsichtlich der Arbeitskräfteüberlassung im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG), im Wesentlichen in § 1 Abs 2 Z 5 und Abs 4 AÜG, sowie in den §§ 10 ff AÜG. Aus diesen Bestimmungen ist ersichtlich, dass sämtliche Normen des AÜG, welche für österreichische Leiharbeiter gelten, auch bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung zur Anwendung kommen. Dies kann man nicht direkt aus dem Gesetzeswortlaut ableiten, sondern aus einem Umkehrschluss zu § 1 Abs 2 Z 5 AÜG. Diese Norm nimmt konzerninterne Überlassungen iSd Entsenderichtlinie vom Geltungsbereich des AÜG aus.51

3. Durch das Ausländerbeschäftigungsgesetz

Das Ausländerbeschäftigungsgesetz regelt die Voraussetzungen für eine Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern. § 18 AuslBG ist für die (vorübergehende) Entsendung von Bedeutung. Abs 1 bis 11 dieser Norm nimmt Stellung zur Entsendebewilligung von drittstaatsangehörigen Arbeitnehmer, die von einem Arbeitgeber entsendet werden, der seinen Betriebssitz außerhalb der EU hat. Eine solche Arbeitnehmerentsendung bedarf einer Bewilligung, diese ist bei einer regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices vor Arbeitsantritt zu beantragen. Eine solche Bewilligung kann nur dann erteilt werden, wenn es sich um eine kurzzeitige Entsendung

49 Vgl Kühteubl/Kozak, Arbeitnehmerentsendung (2010), 13-14.

50 Vgl Wolfsgruber, Die grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitnehmern (2001), 46. 51 Vgl Shubshizky, Praxisleitfaden zum internationalen Personaleinsatz (2003), 66-67.

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nach Österreich handelt. Kurzzeitig ist eine Entsendung dann, wenn die Arbeiten nicht länger als sechs Monate andauern werden, wobei einzelnen Ausländern die Bewilligung nur für maximal vier Monate erteilt werden darf.

§ 18 Abs 12 AuslBG hingegen regelt die Entsendebestätigung für jene Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber einen Betriebssitz innerhalb der EU vorweisen kann. Solche Arbeitgeber müssen die beabsichtigte Entsendung lediglich bei einer regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices anzeigen. Diese wiederum hat innerhalb einer zweiwöchigen Frist die Entsendungsbestätigung auszustellen. Unter speziellen Voraussetzungen kann diese Bestätigung aber auch abgelehnt und die Entsendung untersagt werden.52

D. Kontrolle und Durchsetzung

Die Durchführungsverordnung VO (EU) 987/2009 regelt die Abwicklung der Entsenderichtlinie. Gem Art 15 Abs 1 VO (EU) 987/2009 muss der Arbeitgeber, der eine Person in einen anderen Mitgliedsstaat entsendet, den Versicherungsträger des Mitgliedsstaats, dessen Rechtsvorschriften auf die jeweilige Person anzuwenden sind, von der Entsendung unterrichten. Dieser wiederum hat im „portable Dokument A1“ gem Art 19 Abs 2 VO (EU) 987/2009 die Anzeige zu bescheinigen.53

52 Vgl Drs in Resch (Hrsg), Grenzüberschreitender Personaleinsatz (2007), 42-43.

53 Vgl Windisch-Graetz in Schrattbauer/Pfeil/Mosler (Hrsg), Migration, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik (2018),

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IV. Die Reform 2018 der Entsenderichtlinie

Am 08.03.2016 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Entsenderichtlinie vorgelegt. Dadurch sollte der Grundsatz „gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ gefördert werden. Die Europäische Kommission schlug eine Überarbeitung der Richtlinie in den Bereichen der Entlohnung, Leiharbeiter und länger entsendeter Arbeitnehmer vor.54 Am 30.07.2018 ist die Entsenderichtlinie 2018 in

Kraft getreten und bis zum 30.07.2020 muss diese von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.

Anfänglich hatte diese Richtlinie nur eine geringe Bedeutung am Binnenmarkt. Im Jahr 2014 gab es in der EU 1,9 Millionen Entsendungen, das entspricht in etwa 0,7% der Gesamtbevölkerung der EU. Österreich war 2016 der viertgrößte Empfangsstaat mit 120.150 Entsendungen. Hingegen wurden von Österreich aus nur 75.132 Arbeitnehmer in andere EU-Länder entsendet. Spitzenreiter unter den Empfangsstaaten in diesem Jahr war Deutschland mit rund 440.000 aufgenommen Arbeitnehmern. Polen hingegen war mit ca 514.000 Entsendeland Nummer Eins.55

A. Die wichtigsten Änderungen der „neuen“ Entsenderichtlinie

1. Aufhebung der Differenzierung nach Branchen

Bisher galt die Verpflichtung zur Umsetzung der Entsenderichtlinie nicht für alle gleich. Teilweise war sie nur für die Baubranche verpflichtend. Diese Beschränkung wurde nun weitestgehend aufgehoben und eine Differenzierung nach Branchen wird nicht mehr vorgenommen. Art 3 Abs 1 der Entsenderichtlinie 2018 wird auch als der „harte Kern“ an Schutzbestimmungen bezeichnet. Dieser ist verpflichtend umzusetzen, ohne Rücksicht darauf, ob sich Verpflichtungen aus Kollektivverträgen oder aus dem Gesetz ergeben. Lediglich Schiffsbesatzungen von Unternehmen der Handelsmarine sind von diesem Anwendungsbereich ausgenommen.

Eine Besonderheit gibt es dennoch für den internationalen Straßenverkehr. Für diesen gelten die Bestimmungen der Entsenderichtlinie aus 1996 weiterhin. Die Änderungen sollen erst wirksam werden, sobald die Verhandlungen über den sogenannten Mobilitätspakt abgeschlossen sind.56

54 Vgl Windisch-Graetz in Schrattbauer/Pfeil/Mosler (Hrsg), Migration, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik (2018),

228.

55 Vgl Windisch-Graetz/Studer, Änderungen der Entsenderichtlinie 2018, ZAS 2019/27, 147. 56 Vgl Gagawczuk, Die Änderung der Entsenderichtlinie, DRdA 5/2018, 330.

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2. Entlohnung

Ein Ziel der Reform der Entsenderichtlinie war die Schaffung eines neuen Entlohnungsbegriffes, damit sichergestellt werden kann, dass ein entsandter Arbeitnehmer einem lokalen Arbeitnehmer entgeltrechtlich gleichgestellt wird. Dies wurde mit der Änderung des Art 3 Abs 1 lit c der alten Entsenderichtlinie vollzogen. Der Begriff „Mindestlohnsatz“ wurde durch den Begriff „Entlohnung“ ersetzt. Ausgenommen sind nach wie vor zusätzliche betriebliche Altersvorsorgesysteme.

Sowohl in der alten als auch der neuen Entsenderichtlinie findet sich keine Definition des Begriffes „Entlohnung“. Es wird lediglich auf „alle die Entlohnung ausmachenden Bestandteile“ verwiesen, die im Zusammenhang mit den vom Empfangsstaat geregelten Tarifverträgen oder Rechts- bzw Verwaltungsvorschriften stehen. Aufgrund dieser Verweisung müssen nun sämtliche Lohnstrukturen der Kollektivverträge inklusive Zuschläge, Zulagen, Prämien oder Sonderzulagen auch auf die entsendeten Arbeitnehmer erweitert werden. Als Beispiel dafür werden von der Kommission das Weihnachtsgeld, Schlechtwettergeld, Dienstalterszulagen, Mobilitätsbeihilfe, Entschädigungen für Werkzeugverschleiß oder Zulagen für besondere Arbeiten genannt. Neben den Überstundenzuschlägen kommen nun auch Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschläge hinzu.57

3. Entsendedauer / Langzeitentsendungen

Auch die neue Entsenderichtlinie 2018 sieht keine, in Übereinstimmung mit der Rom I Verordnung, maximale bzw zeitlich beschränkte Entsendedauer vor. Maßgebliches Kriterium ist immer noch der Rückkehrwille in den Entsendestaat. Dadurch besteht für Unternehmen weiterhin die Möglichkeit ihre Arbeitnehmer über mehrere Jahre hindurch zu entsenden. Um dieser Thematik entgegenzuwirken sieht die Entsenderichtlinie 2018 nun ein abgestuftes System vor, in dem es schärfere Regelungen hinsichtlich der anzuwendenden Eingriffsnormen des Empfangsstaats vorsieht. Über den „harten Kern“ des zuvor angesprochenen Art 3 Abs 1 Entsenderichtlinie 2018 müssen sämtliche Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen ab dem zwölften Entsendemonat garantiert werden. Nicht von dieser Bestimmung erfasst sind beispielsweise der Kündigungsschutz, Bestimmungen über Betriebspensionen und Beschränkungen im

57 Vgl Niksova, Entsenderichtlinie neu: „Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit am gleichen Ort“, ZAS 2019/28,

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Zusammenhang mit Konkurrenzklauseln. Wäre nach der Definition der Rom I Verordnung davon auszugehen, dass der gewöhnliche Arbeitsort der entsendeten Arbeitnehmer im Empfangsstaat liegt, so wären auch die zuvor genannten Punkte von rechtlicher Relevanz. Der zuvor genannte Zeitraum kann auf 18 Monate verlängert werden, wenn der Dienstleistungserbringer dem Mitgliedsstaat eine begründete Mitteilung vorlegt. Art 3 Abs 1 a UAbs 2 Entsenderichtlinie 2018 lässt aufgrund der unklaren Formulierungen einige Fragen offen. Dem Wortlaut nach besteht eine Pflicht des Empfangsstaats den Zeitraum von 12 auf 18 Monate zu verlängern, wenn nachgewiesen wird, dass die Entsendung länger als 12 Monate dauern wird, jedoch nicht länger als 18 Monate. Bezüglich Formerfordernisse der abzugebenden Begründung schweigt die Entsenderichtlinie 2018. Vor dem Hintergrund der Dienstleistungsfreiheit ist eine einfache Mitteilung des entsendeten Unternehmens als genügend anzusehen.58

4. Transparenz

Die geänderte Entsenderichtlinie legt großen Wert auf Transparenz, daher verschärft sie die Transparenzanforderungen in Bezug auf Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen deutlich. Am markantesten drückt sich diese Änderung bei Entlohnungsvorschriften und Einstufungsregelungen von Kollektivverträgen aus. Alle Empfangsstaaten sind verpflichtet sämtliche Informationen betreffend Arbeits- und Beschäftigungsbedingun-gen, die auf entsandte Arbeitnehmer ebenfalls anzuwenden sind, transparent, unverzüglich und auf einer einzigen offiziellen Website zu veröffentlichen. Zusätzlich sind sie dazu verpflichtet diese Website immer auf dem aktuellsten Stand zu halten. Sollte eine dieser Verpflichtungen nicht eingehalten werden, ist mit Sanktionen zu rechnen.

Für Österreich bedeutet diese Regelung eine enorme Herausforderung. Immerhin gilt hierzulande ein komplexes System aus 900 verschiedenen Kollektivverträgen. Diese Kollektivverträge sind zwar kostenlos und auch teilweise in mehreren Sprachen online verfügbar, jedoch stellt dieses unübersichtliche System eine fast unüberwindbare Hürde für ausländische Arbeitgeber dar den richtigen Kollektivvertrag zu finden, um ihren entsandten Arbeitnehmer richtig einordnen zu können. Dadurch wird die Dienstleistungsfreiheit der ausländischen Arbeitgeber ohne Zweifel eingeschränkt. Fraglich ist, ob diese Einschränkung gerechtfertigt ist.59

58 Vgl Windisch-Graetz/Studer, Änderungen der Entsenderichtlinie 2018, ZAS 2019/27, 149.

59 Vgl Niksova, Entsenderichtlinie neu: „Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit am gleichen Ort“, ZAS 2019/28,

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5. Aufwandersatz/Unterkunft

In den Vorverhandlungen zur Änderung der Entsenderichtlinie war das Thema Aufwandersatz für die entsandten Arbeitnehmer ein Wichtiges. Darunter sind insbesondere Unterbringungs-, Reise- und Verpflegungskosten zu verstehen. Im Ergebnis wird nun in der neuen Richtlinie zwischen zwei Arten von Aufwandersatz differenziert. Zum einen hinsichtlich anfallender Kosten für den Arbeitnehmer, wenn er im Empfangsstaat selbst zu seinem Arbeitsplatz reisen muss oder von seinem Arbeitgeber zu einem anderen Arbeitsplatz gesendet wird. Und zum anderen Kosten, die nur aufgrund der Entsendung selbst entstehen.

Gem Art 3 Abs 1 lit i sowie Erwägungsgrund 8 der Entsenderichtlinie 2018 zählt nun der Aufwandsersatz im Empfangsstaat zum oben genannten „harten Kern“. Wird also ein Arbeitnehmer, der seinen gewöhnlichen Arbeitsplatz in Budapest hat, von seinem Arbeitgeber nach Wien entsendet und muss dieser im Rahmen der Entsendung eine Dienstreise nach Niederösterreich antreten, so entsteht ihm ein Anspruch auf Aufwandsersatz nach österreichischem Recht.

Praktisch viel relevanter ist der Aufwandersatz, der die Entsendung als solche betrifft. Der zweite Unterabsatz des Art 3 Abs 7 der Entsenderichtlinie 2018 formuliert diesen wie folgt:

„Die Entsendungszulagen gelten als Bestandteil der Entlohnung, sofern sie nicht als Erstattung von infolge der Entsendung tatsächlich entstandenen Kosten wie z. B. Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten gezahlt werden. Der Arbeitgeber erstattet dem entsandten Arbeitnehmer unbeschadet des Absatzes 1 Unterabsatz 1

Buchstabe h diese Kosten im Einklang mit den auf das Arbeitsverhältnis des entsandten Arbeitnehmers anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften und/oder

nationalen Gepflogenheiten.“60

Noch nicht geklärt ist, ob es sich dabei lediglich um einen Hinweis bezogen auf die Gepflogenheiten bzw geltenden nationalen Rechtsvorschriften handelt oder doch um die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten solche Rechtvorschriften vorzusehen, wenn diese bzw die entsprechenden Gepflogenheiten nicht vorliegen. Zieht man für diese Beurteilung nur den Wortlaut alleine heran, so müsste man von einem bloßen Hinweis ausgehen. Für eine Verpflichtung jedoch spricht eindeutig die Tatsache, dass der Hinweis direkt im Text der Entsenderichtlinie verankert wurde und nicht bloß in den

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Erwägungsgründen. Ein zusätzliches Argument für eine Verpflichtung bietet der Erwägungsgrund 19, der davon spricht, dass es Sache der Mitgliedsstaaten sei Erstattungsvorschriften für diese Kosten zu schaffen.

Art 3 Abs 1 lit h und Erwägungsgrund 7 der Entsenderichtlinie 2018 regelt neben dem Kostenersatz für die Unterkunft nun auch Bestimmungen hinsichtlich der Bedingungen der Unterbringungen. Unabhängig von dem anzuwendenden Recht, das auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, müssen sich die Mindeststandards der Unterkünfte dem Recht des Empfangsstaats richten.61

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V. Literaturverzeichnis

Jaeger/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV (2018)

Doerfert, Europarecht. Die Grundlagen der Europäischen Union mit ihren politischen und

wirtschaftlichen Bezügen5 (2012)

Resch (Hrsg), Grenzüberschreitender Personaleinsatz (2007)

Wachter/Burger (Hrsg), Die Dienstleistungsrichtlinie (2008)

Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht4 (2014)

Gagawczuk, Die Änderung der Entsenderichtlinie, DRdA (2018)

Görres, Grenzüberschreitende Arbeitnehmerentsendung in der EU (2003)

Hakenberg, Europarecht7 (2015) Herdegen, Europarecht17 (2015) Hobe, Europarecht8 (2014) Klamert, EU-Recht (2015) Rummel (Hrsg), ABGB3 (2010) Kühteubl/Kozak, Arbeitnehmerentsendung (2010)

Leidenmühler, Europarecht: Die Rechtsordnung der Europäischen Union3 (2017)

Mayer/Stöger (Hrsg.), AEUV Kommentar (2012)

Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017)

Müller, Die Entsendung von Arbeitnehmern in der Europäischen Union (1997)

Niksova, Entsenderichtlinie neu: „Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit am gleichen Ort“,

ZAS (2019)

Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7 (2016)

Schroeder, Grundkurs Europarecht4 (2015)

Shubshizky, Praxisleitfaden zum internationalen Personaleinsatz (2003)

Schrattbauer/Pfeil/Mosler (Hrsg), Migration, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik (2018)

Windisch-Graetz/Studer, Änderungen der Entsenderichtlinie 2018, ZAS( 2019)

Referenzen

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