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Reformatorische Prägungen

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Academic year: 2022

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Studien zur Theologie Martin Luthers und zur Reformationszeit von

Karl-Heinz zur Mühlen, Athina Lexutt, Volkmar Ortmann

1. Auflage

Reformatorische Prägungen – zur Mühlen / Lexutt / Ortmann

schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

Thematische Gliederung:

Geschichte der Theologie, Einzelne Theologen

Vandenhoeck & Ruprecht 2011

Verlag C.H. Beck im Internet:

www.beck.de ISBN 978 3 525 55010 6

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Karl-Heinz zur Mühlen, Reformatorische Prägungen

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Karl-Heinz zur Mühlen

Reformatorische Prägungen

Studien zur Theologie Martin Luthers und zur Reformationszeit

Herausgegeben von

Athina Lexutt und Volkmar Ortmann

Vandenhoeck & Ruprecht

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-525-55010-6 ISBN 978-3-647-55010-7 (E-Book)

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Oakville, CT, U.S.A.

www.v-r.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG:

Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer

entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke.

Printed in Germany.

Druck und Bindung: b Hubert & Co, Göttingen.

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Inhalt

Inhalt

Einleitung ... 7 Luther und Irenäus ... 11 Die Rezeption von Augustins „Tractatus in Joannem 80,3“

im Werk Martin Luthers ... 22 Die auctoritas patrum in Martin Luthers Schrift

„Von den Konziliis und Kirchen“... 34 Zur kritischen Rezeption des Denkens von Thomas von Aquin

in der Theologie von Martin Luther... 45 Reform an Haupt und Gliedern. Das reformatorische Anliegen

Martin Luthers im Unterschied zu Erasmus und Thomas Morus... 65 Melanchthons Auffassung vom Affekt in

den „Loci communes“ von 1521... 84 Der Begriff „sensus“ in der Exegese der Reformationszeit... 96 Das Kreuz Jesu Christi und die Kreuzesnachfolge des Christen bei

Martin Luther ... 111 Befreiung durch Christus bei Luther. Mit spezieller Beachtung seines

Konfliktes mit Erasmus... 128 Simul iustus et peccator in der Theologie Martin Luthers... 145

Der Begriff „signum“ in der Sakramentslehre des 16. Jahrhunderts ... 164 Luther und die Bilder. Theologische, pädagogische und

kulturtheoretische Aspekte... 184 Glaube, Bildung und Gemeinschaft bei Luther ... 199

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Inhalt 6

Die Anthropologie Martin Luthers im Lichte seiner Eschatologie... 210

Hoffnung und Erfahrung nach Luthers Operationes in Psalmos 5,12 .... 229

Das Lutherverständnis Hans Joachim Iwands ... 244

Die Reformation und die Reform des Reiches und der Kirche im 16. Jahrhundert... 261

Der Dialog als Mittel zur Lösung religiöser und politischer Konflikte bei Melanchthon... 277

Martin Bucer und die Religionsgespräche von Hagenau und Worms 1540/41... 293

Die Kirchenväter in der Diskussion zwischen Johannes Eck und Philipp Melanchthon über die Erbsünde auf dem Religionsgespräch in Worms 1540/41... 304

Die Reichsreligionsgespräche von Hagenau, Worms und Regensburg (1540/41). Chancen und Grenzen des kontroverstheologischen Dialogs in der Mitte des 16. Jahrhunderts ... 323

Ausblick: Überlegungen zur bleibenden Bedeutung von Martin Luthers Theologie für die Gegenwart. Ein Beitrag zur Luther-Dekade bis 2017 ... 341

Nachweis der Erstveröffentlichungen... 356

Bibliographie von Prof. Dr. Karl-Heinz zur Mühlen 1971ff ... 359

Personenregister ... 378

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Einleitung

Einleitung Einleitung

Jubiläen werfen in den meisten Fällen ihre Schatten weit voraus. Der be- sondere Tag, das herausragende Ereignis will gut vorbereitet sein. Alles muss geplant, alles muss aufeinander abgestimmt sein. Und je bedeutender das Jubiläum, desto länger die Schatten.

2017 wartet mit einem solchen bedeutenden Ereignis auf, und es ist kein Wunder, dass eine ganze Dekade dafür in Anspruch genommen wird, die Welt darauf vorzubereiten: die 500. Wiederkehr der Veröffentlichung der 95 Thesen Martin Luthers ist zu bejubeln. Ob nun tatsächlich der Augusti- nermönch Martin Luther seine Thesenreihe zum Ablass am 31. Oktober 1517 an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg genagelt hat oder nicht – an die Öffentlichkeit drangen seine in vielerlei Hinsicht revolutionären Gedanken in diesem Jahr auf jeden Fall, und damit war die Geburtsstunde der Reformation als politisches und gesamtgesellschaftliches Ereignis ein- geläutet. Wenn nun 2017 dieses erste öffentliche Auftreten der Reformation seinen 500. Geburtstag feiert, dann wird die Welt um zahlreiche Bücher reicher sein. Für die nachfolgenden Generationen wird die Bücherflut eher Last als Lust bedeuten, denn dann gilt es, die wenigen Rosinen herauszupi- cken, die in diesem riesigen Geburtstagskuchen verborgen sind.

Natürlich ist zu hoffen, dass der vorliegende Band eine solche „Rosine“

sein wird, und es gibt gute Gründe, dass diese Hoffnung keine vergebliche ist. Denn er vereint Texte eines der renommiertesten Reformationshistoriker und Lutherforscher, der sich wie nur wenige andere durch intime Kenntnis der Theologie Martin Luthers und deren Bedeutung in Vergangenheit und Gegenwart auszeichnet. Karl-Heinz zur Mühlen gehört zu den national und international führenden Kirchengeschichtlern, die sich immer intensiv dar- um bemüht haben, Luther und seine Erkenntnisse nicht nur in ihren histori- schen Bedingungen zu verstehen, sondern auch ihre Relevanz für eine ver- antwortete protestantische Theologie in den drängenden Fragen der kulturellen und gesellschaftlichen Gegenwart kenntlich zu machen. Inmit- ten so mancher „Trends“, im Zuge derer der Kirchengeschichte ihre funda- mentale Aufgabe im theologischen Disziplinenkanon abhanden zu kommen droht, stehen daher die Arbeiten Karl-Heinz zur Mühlens für das unerlässli- che Ringen darum, die Theologie vergangener Tage fruchtbar zu machen für Kirche und Theologie heute.

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Einleitung 8

Der Titel „Reformatorische Prägungen“ ist in diesem Sinne Programm, und zwar in mehrerlei Hinsicht. Die gesammelten Aufsätze schlagen einen weiten Bogen und fragen einerseits danach, welche Strömungen und Ent- wicklungen die Reformation geprägt haben, und andererseits danach, in welche Richtungen sie selbst prägend geworden ist. Das Eigene und Beson- dere des Reformatorischen, insbesondere des Lutherischen, hervortreten zu lassen, ist vordringliches Ziel aller Texte, und mit ihren vielfältigen Beo- bachtungen stellen sie nicht nur wichtige Forschungsbeiträge im Blick auf historische Details dar, sondern erheben immer auch zugleich den An- spruch, über den je eigenen historischen Rahmen hinaus danach zu fragen, welche gestalterische Kraft diesen Untersuchungsergebnissen für Gesell- schaft, Kirche und Theologie heute eignet.

So widmet sich der erste Block intensiv der Frage, welche theologischen Entscheidungen der Alten Kirche und der Theologie des Mittelalters Luther und der Reformation positiv oder negativ als Folie gedient haben. Neben Thomas von Aquin und den spätmittelalterlichen Traditionen, die mehr oder weniger unmittelbar Einfluss ausgeübt haben, sind dabei in jüngerer Zeit zunehmend die Kirchenväter in den Fokus der kirchen- und theologiege- schichtlichen Forschung geraten. Mit der Rezeption der Kirchenvätertradition wurde vor allem in der kontroverstheologischen Debatte der Nachweis ge- führt, ob und in welcher Weise man sich auf dem Boden des altkirchlichen Dogmas und damit der „ursprünglichen“ Theologie befand. Insofern stellt die Untersuchung der Fragen „Welche Kirchenväter sind rezipiert worden?“, mehr noch aber: „Wie sind sie rezipiert worden?“ einen entscheidenden Schritt dar bei der Lösung des Problems des Eigentlichen und Wesentlichen des Reformatorischen. Von nicht minderer Bedeutung ist die Erforschung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu zeitgleichen Strömungen, insbeson- dere zum Humanismus. Sollen die Reformation und in ihr das Reformatori- sche nicht aufgehen in den großen Umbruchbewegungen des 16. Jahrhun- derts, dann gilt es genau danach zu fragen, worin die umgestaltende Kraft der Reformation wesenhaft und fundamental zu suchen ist.

Diese Frage leitet über zum zweiten Block in diesem Aufsatzband, der in- tensiv bedeutenden Detailfragen der Theologie Martin Luthers nachgeht.

Dass es sich dabei nicht um Randthemen handelt, sondern die Beiträge viel- mehr in die christologischen, anthropologischen und ekklesiologischen Zent- ren vorstoßen, wird dabei sehr schnell deutlich. Die Tragweite für den inner- protestantischen wie den interkonfessionellen Dialog tritt ebenso an den Tag wie die für den kirchlichen Alltag in Verkündigung und Seelsorge. Die blei- bende Relevanz der lutherischen Theologie in der Gegenwart des Protestan- tismus und unter den Herausforderungen einer sich global und säkular ver- stehen wollenden Welt wird in allen Beiträgen mindestens implizit

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Einleitung 9 erkennbar. Die Aufsätze lassen ersichtlich werden, dass protestantische Ge- genwart und Zukunft aus gutem Grund reformatorisch geprägt sein sollte.

Bevor diese Frage nach der bleibenden Bedeutung von Luthers Theolo- gie dann zum Schluss noch einmal explizit in einem eigens für diesen Sammelband konzipierten Beitrag gestellt wird, widmet sich ein dritter Block den Reichsreligionsgesprächen des 16. Jahrhunderts, in dem Ergeb- nisse von Karl-Heinz zur Mühlens unermüdlicher Forschungsarbeit ihren Niederschlag gefunden haben. Seine in Zusammenarbeit mit der Mainzer Akademie der Wissenschaften betriebene Edition der Akten und Berichte der Reichsreligionsgespräche 1540/41 eröffnet viele Perspektiven, die his- torischen Bedingungen und die Inhalte der theologischen Debatten zwi- schen Altgläubigen und Protestanten neu wahrzunehmen und Antworten auf viele Fragen der reformationsgeschichtlichen Forschung zu finden.

Wesentliche Früchte dieser Arbeit sind hier zusammengetragen und lassen Rückschlüsse darauf zu, von welchen methodischen und vor allem: welchen theologischen Grundentscheidungen diese Gespräche getragen waren.

Es ist kein Zufall, dass sich gerade an diesen Block dann die Summe des Ganzen anschließt. Die Reichsreligionsgespräche haben auf ihre ganz eige- ne Weise die Marksteine dafür gesetzt, was im interkonfessionellen Ge- spräch des 16. Jahrhunderts möglich war und was nicht. Von dort aus stellt sich das Problem für die Gegenwart und die aktuellen Dialoge, in denen sich reformatorisch geprägte Theologie zu bewähren hat. Wie kann man Martin Luthers Theologie für diese Dialoge fruchtbar machen, ohne sich dem Vorwurf des Anachronismus aussetzen zu müssen? Karl-Heinz zur Mühlen erblickt das bleibende Gewicht des Reformatorischen in der dop- pelten und einander bedingenden Externität des Menschen im Blick auf Gott und Christus einerseits und im Blick auf die Welt und den Nächsten andererseits, um die Luther zeitlebens gerungen habe. Wenn diese Erkennt- nis innerhalb der Reformationsdekade auf den vielen Ebenen theologischen Lehrens und Handelns neu zum Klingen gebracht werden und seine ganze Kraft entfalten könnte, wäre das Jubiläum 2017 ein wahres Erinnern, näm- lich ein Vergegenwärtigen der reformatorischen Prägungen, die nicht nur Spuren des längst Vergangenen darstellen, sondern Fußstapfen, in die es sich mit modernem Schuhwerk zu treten lohnt.

Die beiden Herausgeber dieses Bandes wissen sich in eben dieser Weise reformatorisch geprägt. Und sie sind im besten Sinne geprägt durch Karl- Heinz zur Mühlen, der sie als akademischer Lehrer, aber durchaus auch als väterlicher Freund auf dem manchmal mühsamen Weg des historischen Suchens und theologischen Ringens stets begleitet hat. Dass diese Prägung sich – wiederum im besten Sinne – in ihren eigenen Arbeiten, ihren Publi-

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Einleitung 10

kationen, ihrem kirchlichen Engagement und in ihrer universitären Lehre niedergeschlagen hat, ist Anlass zur Dankbarkeit. Ausdruck dieser Dank- barkeit ist die Herausgabe dieser Aufsatzsammlung, die zugleich ein Gruß zum 75. Geburtstag Karl-Heinz zur Mühlens sein soll, den dieser am 16. März 2010 begangen hat. Wir hoffen, dass es uns in ähnlicher Weise gelingen wird, „prägend“ zu sein – nicht um Schülerkreise und Jüngerschaf- ten zu begründen, sondern um unseren Teil dazu beizutragen, die oben genannte Erkenntnis, wie beschrieben, zum Klingen zu bringen.

Zum Schluss gilt es vielfältig zu danken. Zuerst und vor allem unseren Mitarbeitern Cordelia Birringer, Anna Dawood, Johannes Schneider und Heidrun Tostlebe, die alle Mühen der redaktionellen Arbeit auf sich ge- nommen haben. Diese redaktionelle Arbeit beinhaltete insbesondere die weitgehende formale Vereinheitlichung der Texte. Dann denjenigen Institu- tionen, die durch ihre finanzielle Unterstützung dazu beigetragen haben, dass dieser Band erscheinen konnte: den Evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau, von Kurhessen-Waldeck, im Rheinland, von Westfalen, in Württemberg sowie der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands.

Und nicht zuletzt ist dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht zu danken.

Er hat nicht nur die redaktionellen Arbeiten geduldig begleitet und unter- stützt, sondern er hat auch schon zuvor keine Sekunde gezögert, diesen Band in sein Verlagsprogramm aufzunehmen. Und das 15 Jahre nach der Veröffentlichung einer ersten, ähnlich orientierten Sammlung von Aufsät- zen Karl-Heinz zur Mühlens unter dem Titel „Reformatorisches Profil“.

Wie sehr und wie schnell sich die Welt in diesen Jahren verändert hat, muss kaum eigens benannt werden. In einer zwischen Profilierungssucht und Profillosigkeit schwankenden Zeit lohnt sich die Suche nach den Konturen, die ein wirklich tragfähiges und verlässliches Profil ausmachen. Die refor- matorischen Erkenntnisse weisen die nötige Kontur und Kontinuität auf. Ihr Profil hat bis heute prägend gewirkt, und diese Prägungen helfen, um sich theologisch und politisch-gesellschaftlich immer wieder neu zu orientieren.

Gießen, im Oktober 2010 Athina Lexutt

Volkmar Ortmann

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Luther und Irenäus

Luther und Irenäus

Betrachtet man die im Personenregister der WA1 indizierten Stellen zur Rezeption von Irenäus durch Martin Luther, so fällt auf, dass Luther sich einerseits auf die Person des Bischofs Irenäus und anderseits im Abend- mahlsstreit sowohl wie die Papisten als auch wie Zwingli und Oekolampad auf bestimmte Äußerungen des Irenäus über das Abendmahl bezieht. Na- mentlich die 1526 erschienene Schrift Oekolampads mit dem Titel „De genuina Verborum Domini, Hoc est corpus meum, iuxta vetustissimos authores expositione liber“ und deren Übersetzung durch Ludwig Hätzer hatte die Wittenberger herausgefordert, sich auch ihrerseits mit den Kir- chenvätern in der Abendmahlsfrage zu beschäftigen. So schreibt Luther am 2. Februar 1536 an Nikolaus Hausmann, dass sie sich mit einigen gelehrten Männern Wittenbergs der Mühe unterzogen hätten, nicht nur das, was Ter- tullian, sondern was alle Alten über das Sakrament dachten, zu sammeln, um den Mund der Ungerechtes Redenden zu stopfen.2 Im Oktober 1526 schreibt Melanchthon an Johann Agricola in Eisleben: „Ich schicke Euch Irenäus wie versprochen und eine Auslegung Luthers zu gewissen Stellen von ihm, welche Euch gefallen wird, wie ich hoffe.“3 Damit bezieht sich Melanchthon mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Irenäus-Auslegung Luthers von 1526 mit dem Titel „Drey spruche stehen ym Irenaeo, welche vom Sacrament lauten“.4 Die hier behandelten Texte schlagen sich dann in Luthers Abendmahlsschrift von 1527 „Das diese worte Christi ‚Das ist mein Leib etc.‘ noch fest stehen wider die Schwarmgeister“5 nieder. Luther hat zu dieser Auslegung und zu seiner Verwendung des Irenäus die im Herbst 1526 bei Froben in Basel von Erasmus herausgegebene lateinische Erstausgabe von „Adversus haereses“ benutzt, aus der er exzerpiert und die entsprechenden Texte ins Deutsche übersetzt.6 Seine Kenntnis über die Person des Irenäus hatte Luther schon früher aus der „Historia ecclesi- astica“ in der Übersetzung Rufins gewonnen.7 Bevor wir uns im Folgenden vor allem der Irenäus-Exegese Luthers und ihrem Niederschlag in der Abend-

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1 Vgl. WA 63, 247–248.

2 Vgl. WA.B 3, 431,9–12.

3 O. Clemen, Melanchthons Briefwechsel Bd. 1, Leipzig 1926, 404; MBW Nr. 615.

4 WA 59, 87–92.

5 WA 23, 64/65–282/283.

6 Vgl. dazu WA 59, 85.

7 Vgl. WA 50, 85,30.

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Luther und Irenäus 12

mahlsschrift von 1527 zuwenden, beginnen wir zunächst mit einigen Äuße- rungen Luthers zur Person des Lyoneser Bischofs des 2. Jahrhunderts.

1. Zur Person des Irenäus Zur Person des Irenäus

Die meisten Aussagen zur Person des Irenäus beziehen sich auf den Oster- terminstreit unter dem römischen Bischof Victor (189–199), als dieser den kleinasiatischen Gemeinden den westlichen Ostertermin aufoktroyieren wollte und ihnen mit dem Bann drohte. In dieser Situation trat Irenäus als Vermittler zwischen den streitenden Parteien auf und verfasste einen Brief an den römischen Bischof, in dem er ihn zurechtwies. Wieder ging es, wie schon in der Frage der Beurteilung des Montanismus, um ein Plädoyer für einen Kompromiss. Luther greift diesen Sachverhalt an verschiedenen Stellen auf und nennt ihn ein legitimes Beispiel einer Kritik am römischen Bischof bzw. einer Kritik am späteren Papsttum. So schreibt Luther z.B.

1537: „Denn wir lesen jnn der Ecclesiastica Historia (Eusebius-Rufin, V, 23.24), da der Bapst Victor die gantzen Christenheit gegen morgen mit allen Bisschoven jnn Griechenlanden wolt jnn den Bann thun, darumb das sie nicht auff gleichen tag das Osterfest mit jm und der Roemischen kirchen hielten, so gar zeitlich haben die Bisschove zu Rom nach der Oberkeit uber die Kirchen gegriffen (Denn dis ist geschehen bey zwey hundert jaren nach Christi geburt, da zu Rom noch die Heidnissche Keiser regirten), Da macht sich auff ein Priester zu Lion jnn Franckreich, genant Ireneus, auch der Eltesten lerer einer, kam gen Rom und straffet den selben Victor, das er solchen jamer und irrung wolte anrichten jnn der Christenheit umb des Ostertages willen, und weret auch, das der Bapst muste abstehen von sei- nem schedlichen furnemen. Da sihe zu, Dieser Ireneus ist kein Bischoff, auch nicht ein Priester zu Rom, sondern einer andern Kirchen jnn einem andern lande, Dennoch strafft er den Bisschoff zu Rom und steuret seinem törichten Bann und frevel ... Aber sint der zeit, das solche Irenei und Hiero- nymi nicht mehr gewest, hat der Teufel seinen Rattenkönig und Hanffput- zen so hoch erhöhet, das er keinen Vater oder Lerer, weder Alte noch Ne- we, hoeren wil, auch kein Concilium noch Kirche, Sondern wil uber Concilium und uber alles sein, Und man solle jn allein hoeren.“8 Auch an anderen Stellen9 und namentlich in seiner „Resolutio ... super prop. XIII de potestate papae 1519“ beruft sich Luther auf die „Historia ecclesiastica c 5“

und die Kritik des Irenäus an dem römischen Bischof.10 In „Von den Konzi-

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8 WA 50, 85,30–86,14.

9 Vgl. WA 40/I, 624,10; WA 50, 554,19.

10 WA 2, 235,35.

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Irenäus als Zeuge für Luthers Abendmahlsverständnis 1526 13 liis und Kirchen 1539“ weiß Luther auch zu berichten, dass Irenäus ein Schüler des Polycarp von Smyrna war, der seinerseits wiederum ein Jünger des Evangelisten Johannes gewesen sei, ein Sukzessionszusammenhang, der die Autorität des Irenäus im Osterterminstreit unterstreicht.11 Ferner ist Luther Irenäus bekannt als antignostischer Ketzerbekämpfer. So kämpfte er vor allem gegen die Valentinianer12 und gegen Kerinth13. Auch ist ihm die Geschichte bekannt, dass Johannes Kerinth in einem Badhaus begegnete, das er jedoch auf der Stelle wieder verließ, da er nicht zusammen mit Ke- rinth verderben wollte. Tatsächlich sei kurz danach durch ein Gottesgericht das Badhaus eingestürzt und habe den Feind der Wahrheit vertilgt.14 An anderer Stelle fügt er hinzu, „Nescio tamen, an verum.“15 Im Übrigen kennt er Irenäus als Gewährsmann Augustins und nennt ihn immer wieder in Listen von Autoritäten, die auch Augustin verwendet.16 Quadratus, Irenäus und andere sind bildlich gesprochen Fürsten und Grafen unter Augustinus als Kurfürsten.17 All diese Äußerungen zur Person des Irenäus halten sich im Bereich des auch sonst in der Kirchengeschichte Bekannten und zeigen noch kein besonderes Verhältnis Luthers zu Irenäus. Diese Wertung ver- schiebt sich jedoch, wenn man sieht, wie Luther im Streit mit den Papisten und mit Oekolampad und Zwingli um die Interpretation verschiedener Stellen aus „Adversus haereses“ Irenäus als Kronzeugen für sein Abend- mahlsverständnis 1526/27 in Anspruch nimmt.

2. Irenäus als Zeuge für Luthers Abendmahlsverständnis 1526 Irenäus als Zeuge für Luthers Abendmahlsverständnis 1526

In seiner Schrift „Drey spruche stehen ym Irenaeo, welche vom Sacrament lauten“ von 1526 kritisiert Luther einerseits die Inanspruchnahme des Ire- näus durch die Papisten für das traditionelle Messopferverständnis und anderseits Oekolampads Inanspruchnahme des Bischofs von Lyon für ein symbolisches Verständnis des Abendmahls. Als ersten Text bringt Luther in eigener Übersetzung eine Stelle aus:

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11 Vgl. WA 50, 554,19.

12 Vgl. WA 23, 229,21.

13 Vgl. WA 46, 551,3; 542,7; 551,29.

14 Vgl. WA 10/II, 198,6f.

15 WA 20, 680,24ff.

16 Vgl. WA 1, 603,12; WA 56, 281,3; WA 23, 417,19.

17 Vgl. WA 40/II, 607,22.

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Luther und Irenäus 14

a. Adversus haereses IV,3218

Dieser Text lautet in der Übersetzung Luthers: „‚Unser herr <gab> da er seinen iungern radgab, das sie von seinen creaturn solten erstlinge Gott opffern (nicht als durfft ers, sondernn auff das sie nicht unfruchtbar noch undanckbar weren) Nam er das brod welchs eine creatur ist, und danckt und sprach, das ist mein leib, desselbigen gleichen den kelch, welcher auch ist eine creatur <fur uns> unsers dinges, bekandte er, das sein blut sey, Und

<hat> lerete damit eine new opffer ym newen testament (<damit gelert>), Welchs die Christenheit von den Aposteln angenomen hat, und opfert ynn der gantzen welt, Gott, der uns neeret, die erstlinge yhrer gaben.‘“ Diesen Irenäus-Text verteidigt Luther zunächst gegen die Papisten, die damit den Opfercharakter der Messe begründen. Nach Luther spricht Irenäus hier aber nicht vom Messopfer, sondern vom Dankopfer der kommunizierenden Gemeinde: Denn „das opffern bey yhm (sc. Irenäus) nicht anders sein kan denn <bro> Gott dancken durch das sacrament brods und weins welchs doch Christus leib und blut ist, Denn er spricht, man opffere odder dancke damit dem ‚Gott der uns neeret‘, das ist, brod und wein ist unser speise von gott geben drumb opffert man es ym sacrament zu<m> dancken unserm

‚Got der uns neeret‘, Wenn die Papisten auff die weise das opffer liessen bleiben, das es nur zu dancken, <und als ein> geschehe, So hette es nicht hadder ...“19 So wendet sich Luther gegen die unblutige Wiederholung des Christusopfers durch den Priester, weil es gewiss ist, dass wie er an anderer Stelle zu dem Irenäus-Zitat ausführt, „das Christus nicht geopffert werden kann uber und mehr denn das einige mal da er sich selbst geopfert hat“.20 Wie J.-L. Quantin21 gezeigt hat, richtet sich Luthers Kritik an der Verwen- dung der Irenäus-Texte zur Stützung des Messopferverständnisses gegen die Papisten und hier vor allem gegen Johannes Fabri und seine seit 1522 gegen ihn gerichteten polemischen Schriften.22 Johannes Fabri hatte zu

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18 WA 59, 87,5–13. Die von Luther hier übersetzten Worte des Irenäus (Adversus haereses IV,32 = Sancti Irenai quinque adversus Hereses Bd. 2, hg.v. W.W. Harvey, Cambridge 1857, 197–

199: IV,29,5) lauten in der Irenäus-Ausgabe des Erasmus von 1526 (236f.): “dominus noster ...

suis discipulis dans consilium primitias deo offerre ex suis creaturis, non quasi indigenti, sed ut ipsi nec infructuosi (Tit. 3,14) nec ingrati sint, cum qui ex creatura panis est, accepit et gratias egit dicens: ‚Hoc est meum corpus‘. Et calicem similiter, qui est ex ea creatura, quae est secundum nos, suum sanguinem confessus est.“ (Zit. nach WA 59, 87, Anm. 1.)

19 WA 59, 88,13–20.

20 WA 23, 273,15f. Vgl. auch WA 38, 306,13–18.

21 Vgl. J.-L. Quantin, Irénée de Lyon entre humanisme et Réforme. Les citations de l’Adversus haereses dans les controverses religieuses, de Johann Fabri à Martin Luther (1522–1527), in:

RechAug 28 (1994), 131–184.

22 So erschien von Johannes Fabri (Johannes Heigerlin, 1478 geb. in Leutkirch als Sohn eines Schmiedes, gest. 1541 als Bischof von Wien) 1522 (gedruckt in Rom): Opus adversus nova quaedam et a Christiana religione prorsus aliena dogmata Martini Lutheri. 1524 erschien dieser

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Irenäus als Zeuge für Luthers Abendmahlsverständnis 1526 15 Beginn des 16. Jahrhunderts in seinen humanistischen Studien den Kir- chenvater Irenäus und dessen Äußerungen zum Abendmahl für sich ent- deckt. Während z.B. G. Biel weder in seinem „Collectorium“ noch in seiner

„Expositio canonis missae“ Irenäus zur Begründung des Opfercharakter der Messe benutzt, geschieht dies bei Johannes Fabri u.a. gegen Luther, der sich in „De captivitate Babylonica ecclesiae“ gegen den Opfercharakter der Messe ausgesprochen hatte.23 Nun aber bestreitet Luther gegenüber Fabri die Möglichkeit, Irenäus für die Begründung des Opfercharakters der Messe in Anspruch nehmen zu können.24 Aber nicht nur mit den Papisten streitet Luther um eine sachgemäße Interpretation des Irenäus, sondern auch mit Oekolampad25, der die Meinung vertrete, „als sey das sacrament eitel brod und wein weil er spricht, Christus habe die Jungern gelert von den creaturn opffern und das brod und der kelch seyen Creaturn.“26 Doch da Christus, wie auch Irenäus sage, über Brot und Wein die Einsetzungsworte gespro- chen habe, werde im Abendmahl nicht nur Brot und Wein, sondern zugleich Leib und Blut Christi dargereicht, „denn wir leucken nicht, das brod und wein ym sacrament Creatur sind, aber gleichwol der leib und blut Christi, wie Irenaeus hier auch sagt. Diesen spruch wird niemand anders mugen deuten und ist der schwermergeister glosen nichts, Denn er ist zu klar.“27 So nimmt Luther für sein durch Wort und Element bestimmtes, realistisches Abendmahlsverständnis Irenäus in Anspruch gegen die von Zwingli geteilte symbolische Abendmahlsdeutung Oekolampads. Diese Überlegungen führt Luther auch in den beiden nächsten, von ihm übersetzten und kommentier- ten Irenäus-Texten fort.

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Text gedruckt in Köln in 3. Aufl. und überarbeitet unter dem Titel: „Malleus in haeresim Luthera- nam“. 1526 veröffentlichte Johannes Fabri den Underricht auß was Christlichen ursachen Doctor Johan Fabri bißher der Lutherischen lere nit anhängig. Zum Reichstag in Augsburg 1530 stellte Johannes Fabri gegen Luther einen Häresiekatalaog mit dem Titel: „Antilogiam sediotisissimi apostatae Martini Lutheri ... excerpta“ zusammen. Vgl. dazu H. Immenkötter, Art. Fabri, Johann (1478–1541), in: TRE 10, 784–788 (Lit.).

23 Vgl. WA 6, 512,6ff.

24 Wie wichtig die Irenäuszitate im Rahmen der Abendmahlsdebatte waren, zeigt sich auch darin, dass sie von der Wittenberger Konkordie (1536) bis zum Konkordienbuch (1580) immer wieder gebraucht wurden. Auch Martin Bucer führten u.a. die Irenäustexte zum Einlenken auf die lutherische Linie.

25 Zum Gebrauch von Väterzitaten in der Abendmahlsdebatte zwischen Luther und Zwingili durch Oekolampad vgl. G. Hoffmann, Sententiae patrum. Das patristische Argument in der Abend- mahlskontroverse zwischen Oekolampad, Zwingli, Luther und Melanchthon, Diss. Heidelberg, 1972.

26 WA 59, 88,22–24.

27 WA 59, 88,30–89,2.

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Luther und Irenäus 16

b. Adversus haereses IV,3428

Der Text lautet in Luthers Übersetzung: „‚Wie wollen sie wissen, das, das brod, daruber man danck, yhres herrn leib sey und der kelch sein blut wenn sie nicht bekennen <den son des schepffers> das er sey der son des schepffers der wellt? Diser spruch ist seer starck und fest, Das ym sacra- ment Christus leib und blut sey. Denn er spricht Wenn <sie> die ketzer Christum nicht lassen Gotts son <seyn> und unsern herrn sein, so konnen sie viel weniger gleuben, das <g> das brod und kelch sein leib und blut sey, also sey solchs von Christo geordent und von den ketzern gehalten und sie doch Christum nicht lassen herrn noch Gotts son sein. Item, Gleich wie das brod von der erden, wenn es <empfehet> <b> uberkommet das nennen <...>

von Gott, so ists nicht mehr <ge> schlecht brod, sondern sacrament <und be> welches steht ynn zweyen dingen, einem yrdischen und einem hym- lisschen. Also auch wenn unser leibe das sacrament empfahen sind sie <al>

alsdenn nicht mehr verweselich weil sie die hoffnung der aufferstehung haben.‘“29

Bei der Auslegung dieses Textes geht Luther wieder auf die Position Oe- kolampads ein, der den Text des Irenäus auf einen Unterschied von Brot und Wort deutet, so dass die Elemente des Abendmahls nichts als bloße Zeichen des Leibes Christi sind, während Christus selbst schon vor dem Abendmahl als inneres Wort im Glaubenden präsent ist, der sich in der Abendmahlsfeier nur des einmaligen Opfers Christi auf Golgatha erinnert.

Demgegenüber möchte Luther mit Irenäus Element und Wort so zusam- menhalten, dass im Abendmahl Christus selbst, der Schöpfer der Welt und der Sohn Gottes, präsent ist, der durch die Abendmahlsspeise Seele und Leib der Kommunizierenden an seinem unverweslichen Leben teilhaben lässt und ihnen ewiges Leben jetzt schon in der Hoffnung auf die Auferste- hung gewährt. „Oecolampadius deutet das also Die zwey ding sind brod und wort, Aber man heisst nicht verbum res, Irenaeus spricht aber, duabus rebus constat Eucharistia, Und Eucharistia ... constans illis duabus rebus fit vocatione dei id est verbo, Ut verbum sit efficiens Eucharistiam constantem

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28 Im Gegensatz zu Oekolampad, der aus libro contra haereses 3, c. 33(!) den Abschnitt im vollständigen Wortlaut mitteilt, übersetzt Luther hier aus dem Erasmus-Text (239) (IV,34 = Harvey II [wie Anm. 18], 204–208: IV,31,3f.) nur drei Einzelstücke: „Quomodo autem constabit eis (= haereticis) eum panem, in quo gratiae actae sint, corpus esse domini sui et calicem sanguinis eius, si non ipsum fabricatoris mundi filium dicant ... Quomodo autem rursus dicunt carnem in corruptionem devenire et non percipere vitam, quae a corpore domini et sanguine alitur? ... Que- madmodum enim, qui est a terra, panis percipiens vocationem dei iam non communis panis est, sed Eucharistia ex duabus rebus constans, terrena et coelesti: Sic et corpora nostra percipientia Eucharistiam iam non sunt corruptibilia spem resurrectionis habentia.“ (Zit. nach WA 59, 89, Anm. 9).

29 WA 59, 89,4–90,2.

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Irenäus als Zeuge für Luthers Abendmahlsverständnis 1526 17 duabus rebus caelesti et terrena. Der spruch steht auch gewaltig.“30 Es ist also das Wort Gottes, das zusammen mit dem Element das Sakrament wirk- sam werden lässt zu einer Speise der Unverweslichkeit nicht nur der Seele, sondern auch des Leibes. „Die ketzer hielten, das alleine die seele selig wurde der leib müste vergehen, Daraufft sagt Irenäus, wie solt der leib nicht auch selig werden, geneusst er doch hie auff erden einer ewigen lebendigen speise, das ist des leibs und bluts Christi?“31 Was Irenäus in antignostischer Form zur Geltung bringt, greift Luther auf, um die Wirkung des Sakramen- tes aufgrund der Realpräsenz Christi im Abendmahl zu beschreiben.

c. Adversus haereses V,532

Der Text lautet in der Übersetzung Luthers: „Gleich wie er auch den kelch (welcher ein creatur ist,) <se> bekennet, das sein leib ist, durch welchen er unser leibe <mehret> stercket, Wenn nu der eingeschenckte kelch, und das gemachte brod <das> gotts wort <ub> bekomet so wirds das sacrament des leibs und bluts Christi, Durch welche unsers leibs natur <wechst> zu nympt und erhalten wird Wie thuren sie denn leucken, das der leib nicht solte <der gottlichen gaben gotts> fehig sein der gaben Gotts, welche ist das ewige leben, so er doch vom leibe und blut <des her> Christi geneeret wird und sein gelied ist.“33 Wieder hebt Luther darauf ab, dass Irenäus antignostisch die These vertritt, dass im Abendmahl nicht nur die Seele, sondern auch der Leib zum ewigen Leben gespeist wird. „Und <So> So wird der leib damit gespeyset, nicht allein mit dem brod naturlich, sondern auch mit dem leibe Christi geistlich, also, das <der> unser leib solle unsterblich sein und wer- den, umb des unsterblichen leibs Christi willen, den er zu sich nympt sampt dem brod isset, Das ist Ireneus meynunge, das geben seine wort gewal- tiglich.“34 Ferner betont Luther, dass nach Irenäus Element und Schöpfungs- logos zusammenkommen im Sinne von Gen. 1,1. Ohne das Schöpfungswort ist das Brot schlichtes Brot, mit dem Schöpfungswort ist es der Leib Christi, der die Kommunzierenden zum ewigen Leben ernährt. „On Gotts wort (spricht er) ists schlecht brod, Aber durch gotts wort, wirds Christus leib, Er

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30 WA 90, 6–11.

31 WA 90, 17–20.

32 WA 90, 21–91,6.

33 Luther entnimmt den Text der Erasmusausgabe (S. 296 = Harvey II [wie Anm. 18], 319–

321: V,2,2). Der von Luther übersetzte Text lautet: „eum calicem, qui est creatura suum corpus confirmavit, ex quo nostra auget corpora. Quando ergo et mixtus calix et factus panis percipit verbum dei, fit Eucharistia sanguinis et corporis Christi, ex quibus augetur et consistit carnis nostrae substantia. Quomodo carnem negant capacem esse donationis dei, qui est vita aeterna, quae sanguine et corpore Chriti nutritur et membrum eius.“

34 WA 92, 3–8.

(20)

Luther und Irenäus 18

gibt Gotts wort die allmechtickeit (wie billich) Denn Gen primo <da> alle ding von yhn selbs nichts waren, Als aber gotts wort dazu kam und sprach, Er sey liecht etc. Da war es so bald liecht, wie das wort laut, Also hie auch, ehe denn Gotts wort <dazu> da ist, so ists schlecht brod, Aber wenn das wort <da> Gotts dazu kompt und spricht, ‚Das ist mein leib‘, so ists also bald sein leib, Denn solch wort ist nicht unser wort, das wir sprechen, son- dern Gotts wort, Und Gott sprichts durch uns, Denn wir habens nicht erdacht noch erfunden, sondern ist uns von yhm befolhen.“35 Luther inter- pretiert hier den Schöpfungslogos alttestamentlich von Gen 1,1 her. Er ist nicht nur die göttliche promissio, die das ewige Leben verheißt, sondern Gottes dabar, der wirkt, was er spricht. Damit nimmt er die Vorstellung des Irenäus vom göttlichen Schöpfungslogos auf, deutet sie aber strenger alttes- tamentlich „aktuell wirkend“ als griechisch „seinsmäßig“.

Alle die hier vorgetragenen Aspekte zum Verständnis des Abendmahls und der Realpräsenz im Unterschied zu den Papisten und den Oberdeut- schen sowie zu Oekolampad und Zwingli kehren unter Berufung auf Ire- näus wieder in Luthers Abendmahlsschrift von 1527 „Dass diese wort Christi ‚Das ist mein Leib etc.‘ noch fest stehen wider die Schwarmgeister“.

3. Die Rezeption des Irenäus in Luthers Abendmahlsschrift

„Dass diese wort Christi ‚Das ist mein Leib etc.‘ noch fest stehen wider die Schwarmgeister“ 1527

Die Rezeption des Irenäus in Luthers Abendmahlsschrift 1527

Auch in dieser Schrift beruft sich Luther wieder auf das Argument des Irenäus, dass das Opfer des Abendmahls als Dankopfer der Gemeinde und nicht als zu wiederholendes Messopfer Christi verstanden werden muss, da Christus sich am Kreuz ein für alle Mal geopfert hat.36 Ferner wieder- holt Luther den antignostischen Gedanken des Irenäus, dass im Abend- mahl nicht nur die Seele, sondern auch der Leib gespeist wird zum ewigen Leben. „Hie sehen wir abermal, das der leib gespeiset wird mit dem leib und blut des Herrn, auff das er ewiglich lebe und nicht verwese, wie die ketzer sagen. Es ist ja Ireneus rede vom leiblichen essen und speise des leibs, und sol doch die selbige speise sein der leib und blut des Herrn.“37 Daraus folgt wiederum für den aktuellen Dialog mit Oekolampad und den Schweizern, dass man sich für die These, dass Brot und Wein lediglich ein Zeichen des Leibes Christi seien, nicht auf Irenäus berufen kann. „Es gilt hie nicht uberhupffens, Ist auch nicht gnug, so man wolt sagen, leib und

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35 WA 92, 12–21.

36 WA 23, 273,21f.

37 WA 23, 235,11–15.

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Die Rezeption des Irenäus in Luthers Abendmahlsschrift 1527 19 blut des Herrn heisse hie brod und wein als zeichen seins leibs und bluts, Denn die selbigen geben dem leibe nicht das unverwesenlich leben, davon hie Ireneus redet widder die ketzer ...“38 Das Abendmahl ist also nicht ein Zeichen des abwesenden Leibes Christi, sondern durch das Wort Gottes seine reale Gegenwart.39 Darauf zielt die Aussage des Irenäus, wenn er sagt: „‚Den kilch, welcher eine creatur ist, bekennt er, das sein leib ist, durch welchen er unser leibe mehret.‘“40 Und Luther freut sich darauf von Oekolampad und den Schwärmern zu hören, wie sie sich der Gewalt der Aussage des Irenäus erwehren. „Mich lustet und verlanget zu horen, wie die schwermer diesen und der gleich spruche sich wollen nicht alleine erweren, sondern auch gleich auff den widdersynnischen verstand bringen, und dasselbige also, das es greifflich gewis sey das Ireneus mit yhn hallte, Denn yhrem blossen ungewissen deuten und wortmartern wie Ecolampad thut, gleuben wir nichts, Es sol durre klare beweisunge sein, stercker, denn diese unser ist, Thun sie mir das, so wil ich sie des heilgen geists eigen herz rhumen.“41 Schließlich lässt sich der Text des Irenäus: „Gleich wie das brod, so aus den erden kompt, wenn es uberkommet das nennen von Gott, so ists nicht mehr schlecht brod sondern ein sacrament, welchs steht ynn zweyen dingen, einem yrdischen und einem hymelisschen. Also auch unser leibe, wenns sie das sacrament empfahen, sind sie schon nicht mehr verweselich, weil sie die hoffnung der aufferstehung haben‘“42 nicht im Sinne Oekolampads deuten, der ihn gegen die Lehre der Papisten von der Transsubstantiation verwendet und selbst nur ein symbolisches Abend- mahlsverständnis vertreten möchte. „Ecolampad macht hie aus yrdischem und hymelischen ein ding, nemlich das brod, welchs irdisch ist, nach dem es von der erden kompt, und auch hymelisch, weil man Gott drüber danckt und lobet. So sol man Ireneum rumbrucken und schwermen leren.“43 Wer aber Irenäus so deutet, der überspringt seine eigentliche Meinung. „Wolan das heisst ja uber Ireneum hin gesprungen und gar nichts auff seine wort geantwortet. Noch mus es heissen nicht alleine geantwortet, sondern auch die gewisse warheit. Aber Ireneus wils nicht leiden. Denn wir wissen, das schlecht gemein brod bleibt schlecht gemein brod, wenn gleich Christus und alle Apostel selbs das benedicite drüber sprechen, und wird damit kein hymelisch ding draus; gleich wie Christus Johan. vi. das brod unter das volck teilet und Gott drüber danckt und lobt, dennoch schlecht brod da bleib und nicht hymlisch ward. Aber Ireneus spricht hie, Es sey nach dem

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38 WA 23, 235,15–18.

39 WA 23, 235,33f.

40 WA 23, 235,22f.

41 WA 23, 236,1–7.

42 WA 23, 229,31–35.

43 WA 23, 231,17–19.

(22)

Luther und Irenäus 20

wort Gotts nicht mehr schlecht brod, sondern neben dem yrdisschen brod auch ein hymelisch ding da. Und ist ein unverschampte thurst, wo yemand wolte das NENNEN GOTTES dahin deuten, das es menschlich dancken, segen odder loben heisse. Paulus leret uns ja Rom. iiij. (Röm 4,17), was Gotts nennen odder ruffen heisse, da er spricht: ‚Gott rufft odder nennet, das da nicht ist, das es sey‘. Also redet hie Ireneus auch vom Gotts nennen odder ruffen, wie auch Moses Gene. 1 zeuget, Das Gott durch nennen odder ruffen (das ist durchs wort) alles schaffet ... Das ist sein wort, da er spricht: ‚Das ist mein leib‘, gleich wie er ynn Genesi spricht: ‚Es sey liecht‘, So ists liecht. Lieber, es ist Gott, der da nennet odder rufft und was er nennet, das stehet so balde da, wie Psal. xxxiij (Ps 33,9) sagt ‚Er spricht, so stehets da‘.“44 Damit hat Luther nochmals den Sakramentsrea- lismus des Irenäus gegen Oekolampad gewendet und zugleich Irenäus vom alttestamentlichen Wortverständnis her interpretiert und erschlossen.

Entsprechend sind es nach Luther zwei Dinge, die nach Irenäus ein Sak- rament ausmachen: Erstens das Wort Gottes, das das Element zum Sakra- ment macht45 und zweitens ist nach Irenäus das Sakrament des Altars eine himmlische Speise, die nicht nur die Seele, sondern auch den Leib zum ewigen Leben speist46 und den Kommunizierenden jetzt schon real die Hoffnung auf die Auferstehung des Leibes schenkt. „Solche stucke solten die schwermer fur sich nemen und mit vleis drauff antworten, Nicht u- berhin fladdern und die weil etwas anders geiffern, wie Ecolampad thut.“47 Luther wird nicht müde die realistische Abendmahlsauffassung des Ire- näus den Schweizern immer wieder neu vorzuhalten und unter Berufung auf Irenäus seine eigene Anschauung von der Realpräsenz Christi im A- bendmahl und deren Wirkung auf den Glauben zur Geltung zu bringen.

Neu und interessant dürfte der Aspekt sein, dass Luther hier im Anschluss an Irenäus unter dem das Abendmahl konstituierenden Wort nicht allein Gottes Verheißung, sondern Gottes Schöpfungslogos versteht, durch den sich realisiert, was er spricht. Das ist m.E. ein wichtiger Erkenntnisge- winn, den Luther seiner intensiven, wenn auch eigenwilligen Irenäus- exegese entnimmt.

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44 WA 23, 231,27–233,9.

45 WA 23, 233,10f.

46 WA 23, 233,21ff.

47 WA 23, 233,36–38.

(23)

Ergebnis 21 4. Ergebnis

Ergebnis

Fassen wir zum Schluss unsere Beobachtungen zur Irenäus-Rezeption Lu- thers zusammen, so können wir feststellen, dass sich Luthers Kenntnisse zur Person des Irenäus an dem aus der „Historia ecclesiastica“ des Euseb in der Übersetzung Rufins Bekannten orientieren. Neu ist dagegen, dass Lu- ther wie im Fall des Osterterminstreites diese Kenntnisse papstkritisch verwendet. Intensiver dagegen rezipiert Luther bestimmte Aussagen des Irenäus aus dem 4. und 5. Buch von „Adversus haereses“ zur Abendmahls- auffassung und macht sie sowohl den Papisten und insbesondere Johannes Fabri, die sich zur Begründung des Opfercharakters der Messe auf Irenäus berufen, als auch Oekolampad streitig, da sich der Sakramentsrealismus des Irenäus nicht im Sinne der symbolischen Abendmahlsauffassung des Basler Reformators verwenden lässt. Im Gegenteil, Luther sieht seine eigene Auf- fassung von der Realpräsenz des Leibes Christi im Abendmahl und deren Wirkung auf den Glauben bestätigt und gewinnt den Gedanken, dass es der Schöpfungslogos Gottes im alttestamentlichen Sinne ist, der das Abend- mahl konstituiert bzw. Brot und Wein wirkungsmächtig zum Leib Christi macht, dessen Empfang real die Hoffnung auf die Auferstehung des Leibes gewährt. Wir haben hier gleichzeitig ein Beispiel dafür, wie auch Luther mit der auctoritas patrum positiv argumentieren kann, wenn sie seiner eige- nen Anschauung entspricht.

(24)

Die Rezeption von Augustins

„Tractatus in Joannem 80,3“ im Werk Martin Luthers

Die Rezeption von Augustins „Tractatus in Joannem 80,3“ im Werk Luthers

Nachdem in den letzten Jahren das Verhältnis Luthers zu Augustin von Adolf Hamel, Walter von Loewenich, Bernhard Lohse, Dorothea Demmer, Matthias Kroeger, Leif Grane und anderen intensiv untersucht worden ist, liegt die Frage nahe, welchen Sinn es hat, nochmals dem Verhältnis von Luther und Augustin1 nachzugehen. Nun zeigt sich bei der genannten Lite- ratur sehr schnell, dass sie sich auf das Verhältnis des jungen Luther zu Augustin bezieht und dass die Frage nach der Beziehung des späten Luther zu Augustin noch weithin undiskutiert ist. Nachdem inzwischen das Stel- lenmaterial zu dieser Frage durch Hans-Ulrich Delius2 und durch das Perso- nenregister der Weimarana Bd. 633 bereitgestellt ist, lässt sich nun auch diese Frage genauer in Angriff nehmen.

Die bisherige Forschung hat gezeigt, dass Luther nach seinen Randglos- sen zu „De trinitate“, „De civitate Dei“ und zu den „Ennarrationes in Psal- mos“ vor allen Dingen den antipelagianischen Augustin seit der Römer- brief-Vorlesung benutzt hat, um seine Paulus-Exegese durch Augustin zu stützen. Wie Luther am Eingang der Heidelberger Disputation ausdrücklich feststellt, ist ihm Paulus Autorität und Augustin einer seiner wesentlichen Interpreten.4 In der „Assertio omnium articulorum“ von 1521 formuliert er

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1 Vgl. u.a. A. Hamel, Der junge Luther und Augustin. Ihre Beziehungen in der Rechtferti- gungslehre nach Luthers ersten Vorlesungen 1509–1518 untersucht. 2 Bd., Gütersloh 1934/35. – W. von Loewenich, Zur Gnadenlehre bei Augustin und Luther, in: Ders., Von Augustin zu Luther.

Beiträge zur Kirchengeschichte, Witten 1959, 75–87. – B. Lohse, Die Bedeutung Augustins für den jungen Luther, in: KuD 11 (1965), 116–135. – D. Demmer, Lutherus interpres. Der theologi- sche Neuansatz in seiner Römerbriefexegese unter besonderer Berücksichtigung Augustins (UzKG 4), Witten 1968. – M. Kroeger, Rechtfertigung und Gesetz. Studien zur Rechtfertigungslehre des jungen Luther (FKDG 20), Göttingen 1968. – L. Grane, Modus loquendi theologicus. Luthers Kampf um die Erneuerung der Theologie (1515–1518) (AthD 4) Leiden 1973. – Mein eigener Aufsatz, Zur Rezeption der Augustinischen Sakramentsformel „Accedit verbum ad elementum, et fit sacramentum“ in der Theologie Luthers, in: ZThK 70 (1973), 50–76 (= Reformatorisches Profil. Studien zum Weg Martin Luthers und der Reformation, hg.v. J. Brosseder/A. Lexutt, Göttingen 1995, 13–39) berührt sich zum Teil mit dem obigen Beitrag. Dieser fragt aber nicht primär systematisch-theologisch, sondern traditionsgeschichtlich nach dem Verhältnis von „Au- gustin und Luther“ im Zusammenhang des Themas „Reformation und die Kirchenväter“.

2 Vgl. H.-U. Delius, Augustin als Quelle Luthers. Eine Materialsammlung, Berlin 1984.

3 WA 63, 52,84, Art. Augustin.

4 Vgl. WA 1, 353,14.

(25)

Augustins Sakramentsverständnis in seinem „Tractatus in Joannem 80,3“ 23 explizit seine Anschauung über das Verhältnis von Heiliger Schrift und Vätern und stellt fest, dass die Autorität der Väter nicht über die Schrift entscheidet, sondern umgekehrt die Autorität der Schrift über die Väter und des Papstes. Die Heilige Schrift sei die sich selbst auslegende Autorität theologischer Lehre, die von hier abzuleiten, hierher zurückzuführen und von hierher zu billigen sei.5 Diese hermeneutische These wird nach Luther auch dadurch bestätigt, dass Augustin und die heiligen Väter, sooft sie streiten und lehren, zur Heiligen Schrift zurückkehren, gleichwie zu den ersten Prinzipien der Wahrheit, und sie erleuchten und befestigen durch das Licht und die Stärke der Heiligen Schrift ihr eigenes Urteil, das entweder dunkel oder schwach ist.6 Luther hält so an den kommentierenden Leistun- gen der Väter für die Exegese der Heiligen Schrift fest, kritisiert aber ihre Sachaussagen, wenn sie der Heiligen Schrift widersprechen. Das ist auch die hermeneutische Regel, von der Luther sich bei seinem Augustin- gebrauch leiten lässt.

Die in den letzten Jahren ferner in der Forschung intensiv diskutierte Frage, ob Luther auf den antipelagianischen Augustin, den er intensiv seit seiner Römerbrief-Vorlesung 1515/16 verwendet, selbstständig oder durch eine kontemporäre Augustinereremiten-Theologie gestoßen ist7, wird man eher im ersteren Sinne beantworten müssen, wenn auch nicht zu bestreiten ist, dass seit Gregor von Rimini der antipelagianische Augustin wieder neu in das Bewusstsein des Ordens gerückt war.8 Doch ist es wahrscheinlich, dass Luther selbstständig auf Augustin gestoßen ist, nachdem Johannes Ammerbach in Basel 1506 eine elfteilige Augustin-Ausgabe veröffentlicht hatte. Dafür spricht, dass Luther in der Römerbrief-Vorlesung direkt auf Augustin zurückgreift und keine Augustin vermittelnden Texte seines Or- dens verwendet.

1. Augustins Sakramentsverständnis in seinem

„Tractatus in Joannem 80,3“

Augustins Sakramentsverständnis in seinem „Tractatus in Joannem 80,3“

Wenn wir im Folgenden die Frage „Luther und Augustin“ erneut aufgrei- fen, möchten wir unser Augenmerk vor allem traditionsgeschichtlich auf die Rezeption Augustins im Gesamtwerk Luthers richten und die Erörte- rung dieser Frage nicht nur auf den jungen Luther beschränken. Dabei

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5 WA 57, 98,4–6.

6 WA 98, 7–10.

7 Vgl. K.-H. zur Mühlen, Zur Erforschung des „jungen Luther“ seit 1876, in: LuJ 50 (1983), 48–125.

8 Vgl. M. Schulze, „Via Gregorii“ in Forschung und Quellen, in: H.A. Oberman (Hg.), Gregor von Rimini. Werk und Wirkung bis zur Reformation, Berlin 1981, 11–26.

(26)

24 Die Rezeption von Augustins „Tractatus in Joannem 80,3“ im Werk Luthers möchten wir so vorgehen, dass wir darauf achten, wie Luther mit einem bestimmten Augustintext in verschiedenen Phasen seines Werkes umgeht.

Es handelt sich um Augustins bekannte Aussagen zum Sakramentsbegriff, wie er sie in seinem „Tractatus in Joannem 80,3“ entwickelt, und hier vor allem um den Text: „Accedit verbum ad elementum, et fit sacramentum, etiam ipsum visibile verbum“9 und seine Feststellung, dass das Sakrament wirkt, „non quia dicitur, sed quia creditur“.10 Wir wollen dabei die Frage stellen, ob sich in der Rezeption dieses Augustintextes Luthers Verhältnis zu Augustin in seinem Gesamtwerk ändert bzw. ob hier Unterschiede sicht- bar werden in der Augustin-Rezeption des jungen Luther und des späten Luther. Doch bevor wir diese Frage näher in Angriff nehmen, empfiehlt es sich, zunächst noch einmal an wichtige Aspekte dieser Augustinstelle zu erinnern.

Die augustinische Sakramentsformel: „Accedit verbum ad elementum, et fit sacramentum, etiam ipsum tamquam visibile verbum“ und ihre Fortset- zung, nämlich dass das Sakrament nicht wirkt, „quia dicitur, sed quia cre- ditur“, ist in Augustins Hermeneutik mit ihrer Unterscheidung von res und signum verankert und definiert das Sakrament als ein sichtbares, zeitliches signum, das eine unsichtbare, ewige res bedeutet und darreicht.11 Im Unter- schied zu einem natürlichen Zeichen, einem signum naturale, handelt es sich dabei um ein verabredetes Zeichen, um ein signum datum, das sich lebendige Wesen geben, um sich dadurch ihre Gedanken oder Gefühle mitzuteilen. Ein ausgezeichnetes signum datum ist das Wort. Sofern sich ein verabredetes Wort-Zeichen zugleich an die Augen wendet, ist es gleich- sam ein verbum visibile. In diesem Sinne deutet Augustin das Sakrament als verbum visibile. Dieses wird wirksam, wenn das im Element ad oculos sinnenfällig gewordene Wort selbst zum Element hinzutritt. Denn, so argu- mentiert Augustin im Blick auf die Taufe: „Detrahe verbum, et quid est aqua nisi aqua? Accedit verbum ad elementum, et fit sacramentum, etiam tamquam visibile verbum.“12 In dem das Sakrament konstituierenden Wort unterscheidet Augustin zwischen einem äußeren, vorübergehenden Klang, einem sonus transiens und einer inneren bleibenden Kraft, einer virtus manens, und führt aus: „Nam et in ipso verbo, aliud est sonus transiens, aliud virtus manens.“13 Deshalb wirkt das das Sakrament konstituierende Wort auch nicht quia dicitur, sed quia creditur. Geht man davon aus, dass Augustins Denken von der neuplatonischen Ontologie mitbestimmt ist,

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9 CChr 36, 529,5–7.

10 CChr 36, 529,9–11.

11 Vgl. meine Ausführungen in ZThK 70 (1973), 41ff (= Reformatorisches Profil [wie Anm.1], 14ff).

12 CChr 36, 529,4–7.

13 CChr 36, 529,11f.

(27)

Augustins Sakramentsverständnis in seinem „Tractatus in Joannem 80,3“ 25 nach der äußere Zeichen geistige Dinge nicht vermitteln, sondern nur auf sie verweisen können, dann steht das verbum ad aures und das verbum visibile ad oculos der innerlichen geistigen res sacramenti als ein ontolo- gisch defizientes Zeichen gegenüber, das die res sacramenti bedeutet, sie aber nicht vermittelt. Die Zeichen können auf das, was den Menschen innen in seinem Genuss durchdringt und was ihm Gott selbst innerlich enthüllt und in ihm wirkt, nur verweisen. Deshalb ist auch nicht das verbum ad aures die das Element zum Sakrament machende Größe, sondern das innere Wort, der ewige Logos, zu dem die Seele im Glauben als liebendem Gehor- sam innerlich unmittelbar in Beziehung steht. Das hörbare und das sichtbare Wort setzt zu der unmittelbaren Beziehung des Glaubens auf den Logos Gottes nur in Bewegung, vermittelt diesen aber nicht. „Unde ista tanta virtus aquae, ut corpus tangat et cor abluat, nisi faciente verbo. non quia dicitur, sed quia creditur.“14 Den liebenden Glauben, die innere Wiederge- burt, wirkt allein und direkt Gott parallel zu den Zeichen des Wortes und des Sakramentes, wenn er diese benutzt. Damit liegt für Augustin grund- sätzlich der Hauptakzent auf der inneren Kraft der res sacramenti und we- niger auf deren Vermittlung durch äußeres Wort und sakramentales Zei- chen.15

2. Zur Rezeption von Augustins

„Tractatus in Joannem 80,3“ beim jungen Luther

Zur Rezeption von Augustins „Tractatus in Joan. 80,3“ beim jungen Luther

Im Scholion zu Hebr 5,1 (1517/18) greift Luther auf die Ausführungen Augustins in seinem „Tractatus in Joannem 80,3“ zurück. Luther hebt hier darauf ab, dass es für einen Christen nicht genüge in der Art eines histori- schen Glaubens an das Heil Gottes in Christus zu glauben, wenn er nicht auch davon überzeugt ist, dass er einer von denen sei, für die dieses Heil geschehen ist. Deshalb erlangt auch niemand die Gnade, weil er absolviert, getauft, ihm die Kommunion gereicht oder ihm die letzte Ölung gespendet wird, sondern weil er glaubt, durch diesen Sakramentsempfang die Gnade zu erlangen. Der Glaube des Empfangenden ist hier für Luther die entschei- dende Bedingung für die Wirkung des Sakramentes. Von hier aus ist des- halb auch die Vorstellung eines ex opere operato wirkenden Sakramentes zu kritisieren. Es ist nach Luther ein äußerst gefährlicher Irrtum zu sagen, dass die Sakramente des Neuen Bundes in der Weise wirksame Gnaden- zeichen seien, dass sie keine Disposition im Empfangenden fordern, es sei

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14 CChr 36, 529,9–11.

15 Vgl. ZThK 70 (1973), 51f (= Reformatorisches Profil [wie Anm.1], 14f).

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