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„Tractatus in Joannem 80,3“ im Werk Martin Luthers

Im Dokument Reformatorische Prägungen (Seite 24-28)

Die Rezeption von Augustins „Tractatus in Joannem 80,3“ im Werk Luthers

Nachdem in den letzten Jahren das Verhältnis Luthers zu Augustin von Adolf Hamel, Walter von Loewenich, Bernhard Lohse, Dorothea Demmer, Matthias Kroeger, Leif Grane und anderen intensiv untersucht worden ist, liegt die Frage nahe, welchen Sinn es hat, nochmals dem Verhältnis von Luther und Augustin1 nachzugehen. Nun zeigt sich bei der genannten Lite-ratur sehr schnell, dass sie sich auf das Verhältnis des jungen Luther zu Augustin bezieht und dass die Frage nach der Beziehung des späten Luther zu Augustin noch weithin undiskutiert ist. Nachdem inzwischen das Stel-lenmaterial zu dieser Frage durch Hans-Ulrich Delius2 und durch das Perso-nenregister der Weimarana Bd. 633 bereitgestellt ist, lässt sich nun auch diese Frage genauer in Angriff nehmen.

Die bisherige Forschung hat gezeigt, dass Luther nach seinen Randglos-sen zu „De trinitate“, „De civitate Dei“ und zu den „Ennarrationes in Psal-mos“ vor allen Dingen den antipelagianischen Augustin seit der Römer-brief-Vorlesung benutzt hat, um seine Paulus-Exegese durch Augustin zu stützen. Wie Luther am Eingang der Heidelberger Disputation ausdrücklich feststellt, ist ihm Paulus Autorität und Augustin einer seiner wesentlichen Interpreten.4 In der „Assertio omnium articulorum“ von 1521 formuliert er

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1 Vgl. u.a. A. Hamel, Der junge Luther und Augustin. Ihre Beziehungen in der Rechtferti-gungslehre nach Luthers ersten Vorlesungen 1509–1518 untersucht. 2 Bd., Gütersloh 1934/35. – W. von Loewenich, Zur Gnadenlehre bei Augustin und Luther, in: Ders., Von Augustin zu Luther.

Beiträge zur Kirchengeschichte, Witten 1959, 75–87. – B. Lohse, Die Bedeutung Augustins für den jungen Luther, in: KuD 11 (1965), 116–135. – D. Demmer, Lutherus interpres. Der theologi-sche Neuansatz in seiner Römerbriefexegese unter besonderer Berücksichtigung Augustins (UzKG 4), Witten 1968. – M. Kroeger, Rechtfertigung und Gesetz. Studien zur Rechtfertigungslehre des jungen Luther (FKDG 20), Göttingen 1968. – L. Grane, Modus loquendi theologicus. Luthers Kampf um die Erneuerung der Theologie (1515–1518) (AthD 4) Leiden 1973. – Mein eigener Aufsatz, Zur Rezeption der Augustinischen Sakramentsformel „Accedit verbum ad elementum, et fit sacramentum“ in der Theologie Luthers, in: ZThK 70 (1973), 50–76 (= Reformatorisches Profil. Studien zum Weg Martin Luthers und der Reformation, hg.v. J. Brosseder/A. Lexutt, Göttingen 1995, 13–39) berührt sich zum Teil mit dem obigen Beitrag. Dieser fragt aber nicht primär systematisch-theologisch, sondern traditionsgeschichtlich nach dem Verhältnis von „Au-gustin und Luther“ im Zusammenhang des Themas „Reformation und die Kirchenväter“.

2 Vgl. H.-U. Delius, Augustin als Quelle Luthers. Eine Materialsammlung, Berlin 1984.

3 WA 63, 52,84, Art. Augustin.

4 Vgl. WA 1, 353,14.

Augustins Sakramentsverständnis in seinem „Tractatus in Joannem 80,3“ 23 explizit seine Anschauung über das Verhältnis von Heiliger Schrift und Vätern und stellt fest, dass die Autorität der Väter nicht über die Schrift entscheidet, sondern umgekehrt die Autorität der Schrift über die Väter und des Papstes. Die Heilige Schrift sei die sich selbst auslegende Autorität theologischer Lehre, die von hier abzuleiten, hierher zurückzuführen und von hierher zu billigen sei.5 Diese hermeneutische These wird nach Luther auch dadurch bestätigt, dass Augustin und die heiligen Väter, sooft sie streiten und lehren, zur Heiligen Schrift zurückkehren, gleichwie zu den ersten Prinzipien der Wahrheit, und sie erleuchten und befestigen durch das Licht und die Stärke der Heiligen Schrift ihr eigenes Urteil, das entweder dunkel oder schwach ist.6 Luther hält so an den kommentierenden Leistun-gen der Väter für die Exegese der HeiliLeistun-gen Schrift fest, kritisiert aber ihre Sachaussagen, wenn sie der Heiligen Schrift widersprechen. Das ist auch die hermeneutische Regel, von der Luther sich bei seinem Augustin-gebrauch leiten lässt.

Die in den letzten Jahren ferner in der Forschung intensiv diskutierte Frage, ob Luther auf den antipelagianischen Augustin, den er intensiv seit seiner Römerbrief-Vorlesung 1515/16 verwendet, selbstständig oder durch eine kontemporäre Augustinereremiten-Theologie gestoßen ist7, wird man eher im ersteren Sinne beantworten müssen, wenn auch nicht zu bestreiten ist, dass seit Gregor von Rimini der antipelagianische Augustin wieder neu in das Bewusstsein des Ordens gerückt war.8 Doch ist es wahrscheinlich, dass Luther selbstständig auf Augustin gestoßen ist, nachdem Johannes Ammerbach in Basel 1506 eine elfteilige Augustin-Ausgabe veröffentlicht hatte. Dafür spricht, dass Luther in der Römerbrief-Vorlesung direkt auf Augustin zurückgreift und keine Augustin vermittelnden Texte seines Or-dens verwendet.

1. Augustins Sakramentsverständnis in seinem

„Tractatus in Joannem 80,3“

Augustins Sakramentsverständnis in seinem „Tractatus in Joannem 80,3“

Wenn wir im Folgenden die Frage „Luther und Augustin“ erneut aufgrei-fen, möchten wir unser Augenmerk vor allem traditionsgeschichtlich auf die Rezeption Augustins im Gesamtwerk Luthers richten und die Erörte-rung dieser Frage nicht nur auf den jungen Luther beschränken. Dabei

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5 WA 57, 98,4–6.

6 WA 98, 7–10.

7 Vgl. K.-H. zur Mühlen, Zur Erforschung des „jungen Luther“ seit 1876, in: LuJ 50 (1983), 48–125.

8 Vgl. M. Schulze, „Via Gregorii“ in Forschung und Quellen, in: H.A. Oberman (Hg.), Gregor von Rimini. Werk und Wirkung bis zur Reformation, Berlin 1981, 11–26.

24 Die Rezeption von Augustins „Tractatus in Joannem 80,3“ im Werk Luthers möchten wir so vorgehen, dass wir darauf achten, wie Luther mit einem bestimmten Augustintext in verschiedenen Phasen seines Werkes umgeht.

Es handelt sich um Augustins bekannte Aussagen zum Sakramentsbegriff, wie er sie in seinem „Tractatus in Joannem 80,3“ entwickelt, und hier vor allem um den Text: „Accedit verbum ad elementum, et fit sacramentum, etiam ipsum visibile verbum“9 und seine Feststellung, dass das Sakrament wirkt, „non quia dicitur, sed quia creditur“.10 Wir wollen dabei die Frage stellen, ob sich in der Rezeption dieses Augustintextes Luthers Verhältnis zu Augustin in seinem Gesamtwerk ändert bzw. ob hier Unterschiede sicht-bar werden in der Augustin-Rezeption des jungen Luther und des späten Luther. Doch bevor wir diese Frage näher in Angriff nehmen, empfiehlt es sich, zunächst noch einmal an wichtige Aspekte dieser Augustinstelle zu erinnern.

Die augustinische Sakramentsformel: „Accedit verbum ad elementum, et fit sacramentum, etiam ipsum tamquam visibile verbum“ und ihre Fortset-zung, nämlich dass das Sakrament nicht wirkt, „quia dicitur, sed quia cre-ditur“, ist in Augustins Hermeneutik mit ihrer Unterscheidung von res und signum verankert und definiert das Sakrament als ein sichtbares, zeitliches signum, das eine unsichtbare, ewige res bedeutet und darreicht.11 Im Unter-schied zu einem natürlichen Zeichen, einem signum naturale, handelt es sich dabei um ein verabredetes Zeichen, um ein signum datum, das sich lebendige Wesen geben, um sich dadurch ihre Gedanken oder Gefühle mitzuteilen. Ein ausgezeichnetes signum datum ist das Wort. Sofern sich ein verabredetes Wort-Zeichen zugleich an die Augen wendet, ist es gleich-sam ein verbum visibile. In diesem Sinne deutet Augustin das Sakrament als verbum visibile. Dieses wird wirksam, wenn das im Element ad oculos sinnenfällig gewordene Wort selbst zum Element hinzutritt. Denn, so argu-mentiert Augustin im Blick auf die Taufe: „Detrahe verbum, et quid est aqua nisi aqua? Accedit verbum ad elementum, et fit sacramentum, etiam tamquam visibile verbum.“12 In dem das Sakrament konstituierenden Wort unterscheidet Augustin zwischen einem äußeren, vorübergehenden Klang, einem sonus transiens und einer inneren bleibenden Kraft, einer virtus manens, und führt aus: „Nam et in ipso verbo, aliud est sonus transiens, aliud virtus manens.“13 Deshalb wirkt das das Sakrament konstituierende Wort auch nicht quia dicitur, sed quia creditur. Geht man davon aus, dass Augustins Denken von der neuplatonischen Ontologie mitbestimmt ist,

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9 CChr 36, 529,5–7.

10 CChr 36, 529,9–11.

11 Vgl. meine Ausführungen in ZThK 70 (1973), 41ff (= Reformatorisches Profil [wie Anm.1], 14ff).

12 CChr 36, 529,4–7.

13 CChr 36, 529,11f.

Augustins Sakramentsverständnis in seinem „Tractatus in Joannem 80,3“ 25 nach der äußere Zeichen geistige Dinge nicht vermitteln, sondern nur auf sie verweisen können, dann steht das verbum ad aures und das verbum visibile ad oculos der innerlichen geistigen res sacramenti als ein ontolo-gisch defizientes Zeichen gegenüber, das die res sacramenti bedeutet, sie aber nicht vermittelt. Die Zeichen können auf das, was den Menschen innen in seinem Genuss durchdringt und was ihm Gott selbst innerlich enthüllt und in ihm wirkt, nur verweisen. Deshalb ist auch nicht das verbum ad aures die das Element zum Sakrament machende Größe, sondern das innere Wort, der ewige Logos, zu dem die Seele im Glauben als liebendem Gehor-sam innerlich unmittelbar in Beziehung steht. Das hörbare und das sichtbare Wort setzt zu der unmittelbaren Beziehung des Glaubens auf den Logos Gottes nur in Bewegung, vermittelt diesen aber nicht. „Unde ista tanta virtus aquae, ut corpus tangat et cor abluat, nisi faciente verbo. non quia dicitur, sed quia creditur.“14 Den liebenden Glauben, die innere Wiederge-burt, wirkt allein und direkt Gott parallel zu den Zeichen des Wortes und des Sakramentes, wenn er diese benutzt. Damit liegt für Augustin grund-sätzlich der Hauptakzent auf der inneren Kraft der res sacramenti und we-niger auf deren Vermittlung durch äußeres Wort und sakramentales Zei-chen.15

2. Zur Rezeption von Augustins

„Tractatus in Joannem 80,3“ beim jungen Luther

Zur Rezeption von Augustins „Tractatus in Joan. 80,3“ beim jungen Luther

Im Scholion zu Hebr 5,1 (1517/18) greift Luther auf die Ausführungen Augustins in seinem „Tractatus in Joannem 80,3“ zurück. Luther hebt hier darauf ab, dass es für einen Christen nicht genüge in der Art eines histori-schen Glaubens an das Heil Gottes in Christus zu glauben, wenn er nicht auch davon überzeugt ist, dass er einer von denen sei, für die dieses Heil geschehen ist. Deshalb erlangt auch niemand die Gnade, weil er absolviert, getauft, ihm die Kommunion gereicht oder ihm die letzte Ölung gespendet wird, sondern weil er glaubt, durch diesen Sakramentsempfang die Gnade zu erlangen. Der Glaube des Empfangenden ist hier für Luther die entschei-dende Bedingung für die Wirkung des Sakramentes. Von hier aus ist des-halb auch die Vorstellung eines ex opere operato wirkenden Sakramentes zu kritisieren. Es ist nach Luther ein äußerst gefährlicher Irrtum zu sagen, dass die Sakramente des Neuen Bundes in der Weise wirksame Gnaden-zeichen seien, dass sie keine Disposition im Empfangenden fordern, es sei

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14 CChr 36, 529,9–11.

15 Vgl. ZThK 70 (1973), 51f (= Reformatorisches Profil [wie Anm.1], 14f).

Im Dokument Reformatorische Prägungen (Seite 24-28)