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7 B e r i c h t e Möglichkeiten und Grenzen einer Marktbewertung von Krediten von Professor Dr. Thomas Hartmann-Wendels

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Academic year: 2022

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(1)

B e r i c h t e

Möglichkeiten und Grenzen einer Marktbewertung von Krediten

von Professor Dr. Thomas Hartmann-Wendels*

Gliederung

1 Problemstellung

2 Bewertung von Krediten bei vollkommenem Kapitalmarkt 2.1 Der Fall sicherer Erwartungen

2.2 Berücksichtigung von Marktpreisrisiken

3 Bewertung von Kreditausfallrisiken mit Hilfe der Optionspreistheorie 3.1 Das Grundmodell

3.2 Erweiterungen des Optionspreisansatzes 4 Warum sind Kreditausfallrisiken nicht handelbar?

5 Bewertung von Kreditausfallrisiken auf unvollkommenen Märkten 6 Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Abstract

Eine Bewertung von Zahlungsströmen mit Marktpreisen besitzt eine Reihe von wünschenswerten Eigenschaften: Die Bewertung kann ohne Rückgriff auf Prä- ferenzen und zum Teil auch ohne eine Prognose von Wahrscheinlichkeiten künftiger Ereignisse vorgenommen werden, die Bewertung ist unabhängig von anderen Risikopositionen, die gehalten werden, und damit auch unabhängig von Hedging-Entscheidungen. Schließlich ist die Bewertung von (Finanz-) Inve- stitionen unabhängig von ihrer Finanzierung. Diese Vorteile müssen allerdings durch strenge Voraussetzungen erkauft werden. Präferenzfrei bewertbar sind nur solche Zahlungsströme, die durch handelbare Finanztitel rekonstruiert wer- den können. Im Hinblick auf Marktpreisrisiken, die mit Krediten verbunden sind, können diese Voraussetzungen als weitgehend erfüllt angesehen werden, bei Kreditausfallrisiken dagegen ist es nicht ohne weiteres möglich, ein Rekon-

* Veröffentlicht in: Unternehmensführung und Kapitalmarkt. Festschrift für Herbert Hax, hrsg. Von G. Franke und H. Laux, Berlin u.a., 1998, S. 97–131.

(2)

struktionsportefeuille anzugeben. Dies liegt zum einen daran, daß ein Hedge- Portefeuille nur gebildet werden kann, wenn Ausfallrisiken vollständig miteinan- der korreliert sind, und zum anderen existieren Märkte, auf denen Ausfallrisiken gehandelt werden, nur in geringem Umfang. Ausfallrisiken sind nur begrenzt handelbar, weil diese Risiken nicht exogen gegeben sind, sondern vom Ver- tragspartner beeinflußt werden können. Daher ist die Überlassung von ausfal l- bedrohtem Fremdkapital in der Regel begleitet von Maßnahmen der Kredi t- überwachung. Es wird aufgezeigt, wie Kredite auch bei Marktunvollkommen- heiten zumindest teilweise mit Marktwerten bewertet werden können.

1 Problemstellung

Die Entwicklung der Bankkostenrechnung in den letzten Jahren ist gekenn- zeichnet durch das Bestreben, die von den Banken angebotenen Produkte zu Marktpreisen zu bewerten. Dies gilt in besonderem Maße auch für die Bewer- tung von Krediten. Dabei scheint es bisweilen so, als wird eine Kalkulation zu Marktwerten schon an sich als wünschenswert und richtig angesehen, so daß die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Krediten überhaupt Marktwerte zugerechnet werden können bzw. sollen, vernachlässigt wird. Gegen eine Marktbewertung ist folgender Einwand vorgebracht worden (vgl. GOR- TON/KAHN 1993): Kredite sind nicht handelbar und jede Methode, die den Wert eines Kredits durch den Vergleich mit handelbaren Finanztiteln herleitet, übersieht, daß es für die Nichthandelbarkeit von Krediten ökonomische Gründe gibt, die auf Marktunvollkommenheiten beruhen. Die Anwendung von Bewer- tungsmethoden, die für eine Welt vollkommener Märkte entwickelt wurden, kann daher zu keiner korrekten Kreditbewertung führen. So richtig dieses Ar- gument ist, so unbeantwortet bleibt allerdings die Frage, welche Alternativen es zu einer Bewertung mit Marktpreisen gibt.

Im folgenden soll untersucht werden, inwieweit eine Marktbewertung von Kre- diten akzeptabel ist und brauchbare Ergebnisse liefert, auch wenn die Bedin- gungen, unter denen die Marktwertmaximierung eine sinnvolle und operationale Zielsetzung ist, im strengen Sinne nicht erfüllt sind. Hierzu gehen wir in Ab- schnitt 2.1 zunächst von einer Welt sicherer Erwartungen aus und zeigen dort, daß der (Netto-)Marktwert eines Kredits als sicherer Arbitragegewinn interpre- tiert werden kann. Eine Marktbewertung bei unsicheren Erwartungen ist nur dann korrekt, wenn diese Interpretation beibehalten werden kann, d.h. wenn

(3)

alle Risiken durch Handel mit Finanztiteln abgesichert werden können, so daß der (Netto-)Marktwert stets ein risikoloser Arbitragegewinn darstellt. Für den Fall von Preisunsicherheit wird in Abschnitt 2.2 gezeigt, daß eine Bewertung zu Marktpreisen ohne weiteres möglich ist und sinnvolle Ergebnisse liefert. In Ab- schnitt 2.3 wird untersucht, inwieweit die Methodik, die bei der Bewertung von Zinsänderungs- und Wechselkursrisiken angewendet werden kann, auch auf Kreditausfallrisiken übertragbar ist. Der Optionspreisansatz zur Bewertung von Kreditausfallrisiken wird in Abschnitt 3 vorgestellt und auf seine Anwendbarkeit hin überprüft. Dabei zeigt sich, daß eine Marktbewertung von Ausfallrisiken nur dann möglich und korrekt ist, wenn Finanztitel handelbar sind, die den Zah- lungsstrom eines ausfallbedrohten Kredits rekonstruieren. Die Frage, warum Kredite bzw. Kreditausfallrisiken nicht ohne weiteres handelbar sind, wird in Ab- schnitt 4 diskutiert, bevor dann in Abschnitt 5 skizziert wird, wie Kredite zu be- werten sind, wenn aufgrund von Marktunvollkommenheiten keine vollständige Bewertung mit Marktpreisen möglich ist.

2 Bewertung von Krediten bei vollkommenem Kapitalmarkt 2.1 Der Fall sicherer Erwartungen

Wir wollen zunächst den Fall betrachten, daß alle für die Bewertung eines Kre- dits relevanten Größen im Zeitpunkt der Kreditvergabe mit Sicherheit bekannt sind. Dies schließt sowohl die künftigen Zahlungen aus dem Kredit als auch die Entwicklung des Zinsniveaus sowie bei Fremdwährungskrediten die Wechsel- kursentwicklung mit ein. Annahmegemäß existiert somit weder ein Kreditausfall- risiko, noch ein Zinsänderungs- bzw. Wechselkursrisiko.

Eine kapitalmarktorientierte Kreditbewertung – wie sie z.B. in der Marktzinsme- thode propagiert wird – ermittelt den heutigen (Nettomarkt-)Wert eines Kredits

( )

C0N entsprechend dem Kapitalwertkriterium als Barwert aller künftigen Zins- und Tilgungszahlungen (Rt) abzüglich des effektiven Kreditauszahlungsbetra- ges (K) (vgl. HAX 1993). Im Rahmen der Marktzinsmethode wird dieser Kapi- talwert als Konditionsbeitragsbarwert bezeichnet:

K r

R C

t T

t t

N =

+ −

=

= 1

1 1

0 (1 )

τ τ (1)

(4)

Mit rt wird der periodenspezifische Marktzinssatz bezeichnet, der für einperiodi- ge Geldanlagen und Kreditaufnahmen in der Periode t gilt.

Der Ansatz der Marktzinsmethode beruht auf der Annahme eines vollkomme- nen Kapitalmarkts. Dies impliziert insbesondere die Existenz eines einheitlichen Zinssatzes für Geldanlagen und Kreditaufnahmen, d.h. Soll- und Habenzinssatz sind gleich. Der Konditionsbeitragsbarwert kann als ein Arbitrageüberschuß interpretiert werden, der den zu Beginn der Kreditvergabe potentiell entnehmba- ren Überschuß aus dem Kreditengagement angibt. Um diesen Überschuß be- reits im Zeitpunkt der Kreditvergabe zu realisieren, müßte in t0 ein einperiodiger

Kredit in Höhe von 1

1

1 = (1 )

=

Tt Rt τt +rτ aufgenommen werden. In t1 resultiert hieraus eine Auszahlung für Zinsen und Tilgung in Höhe von

1 +

R 1

2

2 = (1 )

=

Tt Rt τt +rτ , die aus den Zins- und Tilgungszahlungen des ver- gebenen Kredits in t1 (R1) sowie aus einer erneuten einperiodigen Kreditauf- nahme in Höhe von

Tt=2Rt

τt=2(1+rτ)1 aufgebracht wird. Für die Rückza h- lung dieser erneuten Kreditaufnahme fällt einschließlich der Zinsen in t2 ein Be-

trag in Höhe von R2 + 1

3

3 = (1 )

=

Tt Rt τt +rτ an, der wiederum aus den Rück- flüssen des vergebenen Kredits sowie aus einer erneuten einperiodigen Kredit- aufnahme finanziert wird. Wird in dieser Weise bis zum Ende der Laufzeit des Kredits verfahren, so sind in allen Zeitpunkten t>0 die Zahlungssalden aus Kre- ditvergabe und Refinanzierung gleich Null und in t0 verbleibt genau der Konditi- onsbeitragsbarwert als entnehmbarer Zahlungsüberschuß. Durch geeignete Refinanzierungsmaßnahmen kann der Überschuß aus der Kreditvergabe auch in jedem beliebigen anderen Zeitpunkt in Höhe von Ct⋅ (1 )

τt=1 +rτ realisiert werden, der heutige Wert des künftigen Überschusses beträgt stets C0. Dies hat zur Konsequenz, daß die Bewertung des Kredits allein aufgrund von Domi- nanzüberlegungen erfolgen kann und somit unabhängig von (Zeit-)Präferenzen ist.

Für die Bewertung des Kredits ist es auch unerheblich, ob zu seiner Refinanzie- rung ein Kredit am Kapitalmarkt aufgenommen wird, oder ob Kundeneinlagen verwendet werden. Im letzteren Fall ist rt als derjenige Zinssatz zu interpretie- ren, der bei Verzicht auf die Kreditvergabe und alternativer Anlage der Kunden- gelder am Kapitalmarkt erzielt werden kann. 1

1

1 = (1 )

=

Tt Rt τt +rτ gibt denjeni-

(5)

gen Betrag an, der in t0 am Kapitalmarkt angelegt werden müßte, um in allen künftigen Zeitpunkten genau den Zahlungsüberschuß zu erhalten, der aus der Kreditvergabe erzielt wird. C0 ist dann derjenige Betrag, der bei der Kreditver- gabe weniger eingesetzt werden muß gegenüber der Alternativanlage.

Eine präferenzfreie Bewertung bringt erhebliche Vorteile mit sich: So wäre bei einer präferenzabhängigen Bewertung zunächst zu klären, wessen Präferenzen heranzuziehen sind. Im Sinne einer an den Interessen der Anteilseigner ausge- richteten Unternehmenspolitik müßten deren Präferenzen herangezogen wer- den. Es leuchtet unmittelbar ein, daß dies insbesondere bei Unternehmen mit großem Anteilseignerkreis keine operationale Vorgehensweise darstellt. Eine Separation von Kreditvergabe- und Refinanzierungsentscheidung ermöglicht, daß über die Kreditvergabe isoliert, d.h. unabhängig von anderen Kreditverga- bemöglichkeiten und von zur Verfügung stehenden Refinanzierungsquellen entschieden werden kann (vgl. HAX 1993). Dies ist die Voraussetzung für eine Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen, hier speziell von Entsche i- dungen über Aktiv- und Passivgeschäfte. Im Hinblick auf eine erfolgsorientierte Steuerung einzelner Geschäftseinheiten in einem Kreditinstitut ist auch von Be- deutung, daß jedem Aktiv- und jedem Passivgeschäft eindeutig und verursa- chungsgerecht ein Erfolgsbeitrag zugerechnet werden kann.

Auf die Problematik der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarkts soll spä- ter (vgl. Abschnitt 4) näher eingegangen werden. Zunächst soll gezeigt werden, daß alle wesentlichen Ergebnisse, die im Fall der Sicherheit gelten, auch er- halten bleiben, wenn unsichere Erwartungen über (künftige) Zinssätze (gege- benenfalls Wechselkurse) vorliegen und/oder wenn der vergebene Kredit aus- fallbedroht ist, sofern weiterhin von der Annahme eines vollkommenen Kapital- markts ausgegangen wird.

2.2 Berücksichtigung von Marktpreisrisiken

Der Fall der Unsicherheit bringt zwei zusätzliche Komplikationen mit sich: Zum einen wird für jede mit Unsicherheit behaftete Größe eine Wahrscheinlichkeits- verteilung der möglichen Ausprägungen benötigt, bei stochastischen Abhängig- keiten zusätzlich auch Korrelationen, daneben stellt sich die Frage, wie das Ri- siko zu bewerten ist. Es müssen somit künftige mögliche Zins- bzw. Wechsel-

(6)

kursentwicklungen und/oder Kreditausfallraten prognostiziert und mit einer Ein- trittswahrscheinlichkeit versehen werden. Zur Bewertung von risikobehafteten Größen werden Risikopräferenzen benötigt. Im folgenden soll gezeigt werden, daß unter der Annahme vollkommener und insbesondere vollständiger Märkte sowohl das Prognose- als auch das Bewertungsproblem sehr elegant gelöst werden können.

Wir wollen zunächst weiterhin unterstellen, daß die Rückzahlung des Kredits mit Sicherheit gewährleistet ist, d.h. Rt ist eine sichere Größe. Im Gegensatz zum vorigen Abschnitt nehmen wir nun aber an, daß die Höhe der künftigen Zinsniveaus zum Zeitpunkt der Kreditvergabe nicht definitiv bekannt sind. Zur Vereinfachung betrachten wir einen Zwei-Perioden-Fall, mit den drei Handels- zeitpunkten t = 0, 1, 2. Das Zinsniveau für einperiodige Geldanl a- gen/Kreditaufnahmen beträgt in der ersten Periode r01 und ist in t0 mit Sicherheit bekannt, für die zweite Periode wird angenommen, daß das Zinsniveau für ein- periodige Geldanlagen/Kreditaufnahmen entweder r12u oder r12d mit r12u > r12d be- trägt (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Stochastische Entwicklung des Zinsniveaus

Mit

01 11 01

+r

=

ϕ ist der t0-Wert einer Anwartschaft auf eine sichere Geldeinheit im Zeitpunkt t1 bezeichnet. Den t0-Wert einer sicheren Zahlungsanwartschaft im Zeitpunkt t2 ϕ02 erhalten wir folgendermaßen: Im Zeitpunkt t1 beträgt der Wert

ϕ01

ϕ02

r0

1

u

ϕ12 1

r12u

1

d

ϕ12 1

r12d

(7)

einer sicheren Zahlungsanwartschaft in t2 entweder ϕ12u oder ϕ12d , je nachdem, ob in der zweiten Periode das Zinsniveau r12u oder r12d gilt.

d d

u u

r r12 12 12

12 ; 11

1

1 + = +

= ϕ

ϕ

Der heutige Wert der sicheren Zahlungsanwartschaft auf eine Geldeinheit in t2 ist dann nichts anderes als der Wert der Anwartschaft auf einen unsicheren Marktwert in t1 in Höhe von ϕ12u bzw. ϕ12d . Wir erhalten daher:

d d u

u

12 01 12

01

02 ϕ ϕ ϕ ϕ

ϕ = ⋅ + ⋅ (2)

u

ϕ01 bzw. ϕ01d sind der heutige Marktwert für eine zustandsbedingte Anwart- schaft auf einen Marktwert von einer Geldeinheit in t1 unter der Voraussetzung, daß in der zweiten Periode das Zinsniveau r12u oder r12d gilt. Die Summe der bei- den zustandsbedingten Anwartschaften entspricht natürlich dem Wert einer un- bedingten Zahlungsanwartschaft in t1, so daß gilt:

d u

01 01

01 ϕ ϕ

ϕ = + (3)

Unter Berücksichtigung von (3) können wir (2) umformen zu:

( )

[

u d

]

r01 12 12

02 1

1

1 π ϕ π ϕ

ϕ ⋅ ⋅ + − ⋅

= + (4)

mit:

( )

01 01 01 01 01

01 ; 1 1

ϕ ϕ ϕ π ϕ

ϕ

π=ϕu − = − u = d

Abwesenheit von gewinnbringenden Arbitragemöglichkeiten ist gleichbedeutend mit der Existenz der Pseudowahrscheinlichkeiten π und (1-π). Weiterhin gibt es zu dem stochastischen Prozeß der Zinsentwicklung einen stochastischen Preisprozeß mit der Eigenschaft, daß der diskontierte Preisprozeß ein Martingal bezüglich der Pseudowahrscheinlichkeiten π und (1-π) wird (vgl. HARRI- SON/PLISKA 1981). Wir können somit für (4) auch schreiben:

[ ]

12 01

02

~ 1

1 ϕ

ϕ Eπ

+r

= mit Eπ

[ ]

ϕ~12 =

[

πϕ12u +

(

1π

)

ϕ12d

]

(5)

Die Eindeutigkeit der Pseudowahrscheinlichkeiten π und (1-π) ist dann gege- ben, wenn der Markt vollständig ist, d.h. im vorliegenden Fall, wenn es minde- stens zwei Geldanlage-/Kreditaufnahmemöglichkeiten mit linear unabhängiger Zahlungsstruktur gibt, deren Marktpreise bekannt sind. Aus den Marktpreisen

(8)

dieser Finanzinstrumente können bei Kenntnis der möglichen künftigen Zins- sätze die Pseudowahrscheinlichkeiten π und (1-π) sowie der Zinssatz der ersten Periode r01 ermittelt werden.

Man kann nun leicht zeigen, daß 1

[ ]

~12 π ϕ

E der um 1 erhöhten Forward-Rate r12f entspricht. Die Forward-Rate r12f gibt den Zinssatz an, zu dem in t0 ein Termin- geschäft über eine Geldanlage/Kreditaufnahme für die zweite Periode abge- schlossen wird. Die Zahlungsstruktur und die Wertentwicklung eines Zinster- mingeschäfts ist in Abb. 2 wiedergegeben:

Abb. 2: Zahlungsstruktur und Wertentwicklung eines Zinstermingeschäfts

Da mit dem Termingeschäft in t0 keine Zahlung verbunden ist, erhalten wir als Bewertungsformel:

[ ] (

rf

)

E 12 12

01

01 1 ~ 1

0=−ϕ ⋅ +ϕπ ϕ ⋅ + (6)

Daraus folgt unmittelbar:

( ) [ ]

12 1 ~12

1+rf = Eπ ϕ (7)

Sind keine Zinstermingeschäfte mit entsprechenden Laufzeiten am Markt ver- fügbar, so können bei einem vollständigen Markt aus anderen Zinsinstrumenten

t0

t1 t2

0 - 1 1 + r12f

0

(

f

)

u r12

12⋅1+

ϕ 1 + r12f

(

f

)

u r12

12⋅1+

ϕ 1 + r12f

(9)

„synthetische“ Zinstermingeschäfte konstruiert werden. Die Verzinsung dieser synthetischen Zinstermingeschäfte entspricht dann der gesuchten Forward- Rate.

Ist die Entwicklung des künftigen Zinsniveaus mit Unsicherheit behaftet, so ist zur Kalkulation eines Kredits weder eine Prognose künftiger Zinsentwicklungen erforderlich, noch hängt die Kreditbewertung von (Risiko-)Präferenzen ab.

Durch eine Abdiskontierung künftiger sicherer Zahlungen mit den jeweiligen periodenspezifischen Forward-Rates wird der Kredit so kalkuliert, als ob er voll- ständig laufzeitkongruent refinanziert werden würde. Anders ausgedrückt: Die Forward-Rates spiegeln die Refinanzierungskosten wieder, die anfallen, wenn Zinsänderungsrisiken vollständig gehedgt werden. In diesem Fall verbleibt kein Risiko, so daß weder eine Prognose künftiger Zinsentwicklungen noch die Kenntnis von Risikopräferenzen für die Bewertung benötigt werden.

Dabei ist für die Bewertung unerheblich, ob der Kredit tatsächlich laufzeitkon- gruent refinanziert wird, d.h. es gilt weiterhin die Separation von Investition und Finanzierung. Sofern das subjektiv erwartete künftige Zinsniveau von der For- ward-Rate abweicht, ist es – sofern keine unendliche Risikoscheu vorliegt – sogar optimal, Zinsänderungsrisiken in begrenztem Umfang einzugehen. Dies ist jedoch unabhängig von der Kreditvergabe, und kann allein durch Kreditauf- nahme und Geldanlage am Kapitalmarkt mit unterschiedlichen Laufzeiten be- wirkt werden.

Dieser Ansatz zur Bewertung künftiger sicherer Zahlungen bei Unsicherheit über das Zinsniveau kann grundsätzlich auf den zeitstetigen Fall erweitert wer- den. Die Entwicklung des Zinsniveaus ist dann durch einen geeigneten stocha- stischen Prozeß zu modellieren, so daß ein eindeutiges Wahrscheinlichkeits- maß gegeben ist, bei dessen Verwendung der diskontierte Preisprozeß ein Martingal wird (HO/LEE 1986; HULL/WHITE 1990; MUSIE- LA/TURNBULL/WAKEMAN 1993).

Ganz analog ist zu verfahren, wenn mit der Kreditvergabe Wechselkursrisiken verbunden sind. Künftige Zahlungen in fremder Währung sind mit dem entspre- chenden Terminkurs in heimische Währung umzurechnen, unabhängig davon, ob das Wechselkursrisiko tatsächlich vollständig gehedgt wird. Auch hier gilt,

(10)

daß die Bewertung der mit einem Kredit verbundenen Wechselkursrisiken un- abhängig ist von der Entscheidung, ob und in welchem Umfang eine offene Fremdwährungsposition eingegangen werden soll.

2.3 Bewertung von Kreditausfallrisiken

Die Methodik, die für die Bewertung von Zinsänderungsrisiken vorgestellt wur- de, kann grundsätzlich auch auf die Bewertung von Kreditausfallrisiken ange- wendet werden. Die Bewertung umfaßt nun zwei Komponenten: Zum einen gilt es, den unterschiedlichen zeitlichen Anfall von Zahlungen zu bewerten, zum anderen ist die Unsicherheit über die Höhe künftiger Zins- und Tilgungszahlun- gen zu bewerten. Es wird zunächst angenommen, daß das künftige Zinsniveau mit Sicherheit bekannt ist.

Wir betrachten einen Kredit mit einer Nominalforderung in Höhe von 1 GE, die am Ende der zweiten Periode fällig ist (vgl. Abb. 3):

Abb. 3: Stochastische Entwicklung der Rückzahlungsquote

δ

t0 t1 t2

δ δ

1

1 1

(11)

In jedem der beiden Zeitpunkte t1 und t2 gibt es nur zwei mögliche Umweltzu- stände: Entweder liegt Insolvenz vor und die Rückzahlungsquote, d.h. die Kre- ditrückzahlung pro GE Nominalforderung beträgt δ, oder aber die Nominalforde- rung kann in voller Höhe bedient werden. Im folgenden wird der Insolvenzfall kurz als Umweltzustand δ und der Nicht-Insolvenzfall als Umweltzustand 1 be- zeichnet. Wir nehmen an, daß alle Zahlungen aus dem Kredit – auch im Insol- venzfall – ausschließlich in t2 anfallen.

Abb. 4: Wertentwicklung eines ausfallbedrohten Kredits

Der heutige (Brutto-)Wert eines Kredits mit einer Nominalforderung von 1 und einer Rückzahlungsquote δ im Umweltzustand δ wird mit ϕδ02 bezeichnet. Be- trägt die Nominalforderung R und der Kreditauszahlungsbetrag K, so erhalten wir den heutigen (Nettomarkt-) Wert dieses Kredits aus der Beziehung

K R C0N =ϕ02δ ⋅ − .

δ

δ δ

ϕ12b

ϕ02δ

1

n

ϕ12

t0 t1 t2

ϕ12

πδ

ϕ121

(

πδ

)

ϕ12⋅1− 1 πδ

ϕ010

(

πδ

)

ϕ01⋅1− 0

(12)

Tritt im Zeitpunkt 1 Insolvenz ein, so ist annahmegemäß mit Sicherheit bekannt, welche Zahlung in t2 anfallen wird. Die Anwartschaft auf eine GE in t2 hat somit in t1 einen Wert in Höhe von

12 11 12

r

b = +

ϕ . Der Wert eines Kredits, der im Insol- venzfall eine Rückzahlung in Höhe von δ pro Einheit Nominalforderung erbringt, beträgt in t1 ϕ12bδ.

Der Wert von ϕ12n bestimmt sich aus den zustandsabhängigen Zahlungen in t2, bewertet mit υ12b bzw. υ12n , dem Preis für eine Anwartschaft auf eine GE im Zu- stand δ bzw. im Zustand 1. Wir erhalten für ϕ12n :

12 1

12

12n =υbδ+υn

ϕ (8)

Da

12 12

12 11

r

n

b +υ = +

υ gilt, können wir für (8) auch schreiben:

( )

[ ]

( ),1

12 1

1 12

12 1

1 1 1

1

δ δ π

δ δ π

π

ϕ E

r r

n

= +

− +

⋅ + ⋅

= (9)

mit:

12 12

1 ϕ

πδ =υb ;

( )

12 12 12 12

1 1

1 ϕ

υ ϕ πδ = −υb = n

Auch die Bewertung des Kreditausfallrisikos kann in der Weise vorgenommen werden, daß unter Verwendung von risikoneutralisierten Pseudowahrschein- lichkeiten ein Erwartungswert über die künftigen Kreditrückflüsse gebildet wird, der dann mit dem Zinssatz für sichere Anlagen auf t1 abdiskontiert wird.

In der gleichen Weise ist der Wert des Kredits in t0 zu ermitteln. Im Zeitpunkt t0

beinhaltet der Kredit einen Anspruch auf einen Wert in t1 von entweder δ

ϕ12b ⋅ oder von ϕ12n . Unter Verwendung der t0-Pseudowahrscheinlichkeiten π0δ und

(

1−π0δ

)

erhalten wir dementsprechend:

( )

[ ]

( ),0

01 12

0 12

0 01

02 1

1 1 1

1

δ δ π

δ

δ π ϕ δ π ϕ

ϕ E

r r

n

b

= +

− +

⋅ + ⋅

= (10)

Einsetzen von (9) in (10) ergibt:

( ) ( ) [

δ

(

δ

) (

δ

(

δ

) ) ]

δ π δ π π δ π

ϕ 0 0 1 1

12 01

02 1 1

1 1

1 ⋅ ⋅ + − ⋅ ⋅ + −

+

= +

r

r (11)

(

π π δ

)

ϕ

ϕ02δ = 02E0 0δ, 1δ ; (11a)

mit E0

(

π0δ,π1δ ;δ

)

=

[

π0δδ+

(

1πδ0

)

(

π1δ δ+

(

1π1δ

) ) ]

(13)

Der Wert eines ausfallbedrohten Kredits kann somit dargestellt werden als Pro- dukt aus dem Wert eines laufzeitäquivalenten sicheren Kredits und der erwar- teten Bedienungsquote, wobei der Erwartungswert der Bedienungsquote über die Pseudowahrscheinlichkeiten gebildet wird. Aus 0<δ<1 folgt

(

, ;

)

1

0< E0 π0δ π1δ δ < , so daß der Wert eines ausfallbedrohten Kredits stets klei- ner ist als der eines sicheren Kredits. Weiterhin gilt δlim1E0

(

π0δ ,π1δ ;δ

)

=1, so daß der sichere Kredit als Grenzfall eines ausfallbedrohten Kredits aufgefaßt werden kann.

Die Bewertungsformel (11) hilft nur dann weiter, wenn neben den Zinssätzen für sichere Anlagen auch die Pseudowahrscheinlichkeiten π0δ und π1δ eindeutig be- stimmt werden können. Dies setzt wiederum Vollständigkeit des Marktes vor- aus, d.h. es müssen zwei Kredite mit linear unabhängiger Zahlungsstruktur ge- handelt werden, die zur selben Kreditrisikoklasse gehören. Eine Kreditrisiko- klasse ist hier dadurch gekennzeichnet, daß alle Kredite, die zu einer Risiko- klasse gehören, in den selben Umweltzuständen zu Ausfällen führen. Dagegen kommt es nicht unbedingt darauf an, daß die Ausfallquoten (bzw. Bedienungs- quoten) identisch sind. Dies steht im Gegensatz zu der Bildung von Kreditrisi- koklassen auf der Basis von Ratings, wo jeder Ratingklasse eine Ausfallwahr- scheinlichkeit und eine Ausfallquote zugeordnet werden (vgl. z.B. WILSON 1997). Für die Bewertung gemäß (11) ist dagegen lediglich eine Prognose der Ausfallraten erforderlich, nicht jedoch eine Schätzung der Ausfallwahrschein- lichkeiten, obwohl diese natürlich für alle Kredite einer Kreditrisikoklasse iden- tisch sind. Dennoch dürfte es mit großen Problemen verbunden sein, Kreditrisi- koklassen, wie sie hier definiert sind, empirisch zu bestimmen, da dies eine Zu- ordnung von Kreditausfällen zu Umweltzuständen voraussetzt. Erfolgt die Be- wertung anhand von (11a), so muß zusätzlich auch Identität der Ausfallraten gegeben sein.

Die Wertdifferenz zwischen einem sicheren Kredit und einem volumen- und laufzeitäquivalenten ausfallbedrohten Kredit

( )

[

π π δ

]

ϕ ϕ

ϕ0202δ = 02⋅1− E0 0δ , 1δ ;

kann als derjenige Betrag interpretiert werden, der in t0 aufgebracht werden müßte, um das Kreditausfallrisiko vollständig zu hedgen, z.B. durch den Erwerb

(14)

einer Verkaufsoption auf den Kredit mit 1 als Ausübungspreis und t2 als Aus- übungszeitpunkt. Der Wert einer solchen Verkaufsoption in t0

( )

ϕ02P ergibt sich aus der Zahlungsstruktur der Option, bewertet mit den Pseudowahrscheinlich- keiten

(

πδ0,π1δ

)

und abdiskontiert mit r01 bzw. r12 (vgl. Abb. 5):

b P,

ϕ12

(

1δ

)

P

ϕ02

(

1δ

)

n P,

ϕ12

0

Abb. 5: Zahlungsstruktur und Wertentwicklung einer Verkaufsoption auf einen ausfallbedrohten Kredit

( ) ( ) [

π

(

δ

) (

π

)

π

(

δ

) ]

ϕδ ⋅ − + − δδ ⋅ − +

= + 1 1 1

1 1

1

1 0 0

12 01

02 r r

P (12)

( )

[

π π δ

]

ϕ

ϕ02P = 02⋅1−E0 0δ, 1δ;

Ähnlich wie bei Unsicherheit über die Zinsentwicklung erfolgt auch hinsichtlich der Kreditausfallrisiken die Bewertung so, als ob das Ausfallrisiko vollständig gehedgt werden würde, der Barwert des Kredits kann damit weiterhin als ein risikoloser Arbitragegewinn interpretiert werden. Ein vollständiges Hedgen wäre bei vollständigen Märkten auch stets möglich, z.B. durch den Erwerb eines Kre- ditderivats (Verkaufsoption auf den Kredit) oder durch eine gegenläufige Positi- on in Krediten der gleichen Risikoklasse. Für die Bewertung ist wieder unerheb- lich, ob das Kreditausfallrisiko tatsächlich gehedgt wird.

Weiterhin gilt, daß die Bewertung präferenzfrei ist, d.h. nicht nur unabhängig von Zeit-, sondern auch von Risikopräferenzen vorgenommen werden kann, sie ist weiterhin unabhängig von der Refinanzierung und sie ermöglicht es, einen Kredit unabhängig von anderen Krediten zu bewerten. Aufgrund der Wertadditi- vität brauchen stochastische Abhängigkeiten zu anderen Kreditrisiken nicht ge- sondert bewertet zu werden.

(15)

Auch Kreditausfallrisiken können in einer zeitstetigen Betrachtung bewertet werden, indem z.B. die stochastische Entwicklung des Kreditstatus durch einen Poisson-Prozeß modelliert wird. Unter gewissen Voraussetzungen (zu Einzel- heiten vgl. JARROW/TURNBULL 1995) existiert wiederum ein eindeutiges Wahrscheinlichkeitsmaß, so daß der Wert des Kredits als Erwartungswert der künftigen Zahlungen aufgefaßt werden kann.

Mit Hilfe der dargestellten Bewertungsmethode ist es auch ohne weiteres mög- lich, sowohl Unsicherheit über die Entwicklung des Zinsniveaus als auch Kre- ditausfallrisiken zu erfassen. Zur Vereinfachung der Darstellung wird ang e- nommen, daß sowohl die Entwicklung des Zinsniveaus als auch die Zahlungs- struktur des Kredits in einem Zeitpunkt nur zwei mögliche Fälle annehmen kann. Darüber hinaus wird unterstellt, daß die stochastischen Prozesse, die die Entwicklung des Zinsniveaus und der Kreditrückzahlung modellieren, unabhä n- gig sind. Unter diesen Annahmen sind in t1 2×2=4 Umweltzustände zu unter- scheiden (vgl. Abb. 6):

u b

u

r12

,

12δ= 1+δ ϕ

( )

[

πδ δ πδ

]

ϕ 1 1

12 ,

12 1

1

1 ⋅ ⋅ + −

= + u

n u

r ϕ02δ

d b

d

r12

,

12δ= 1+δ ϕ

( )

[

πδ δ πδ

]

ϕ 1 1

12 ,

12 1

1

1 ⋅ ⋅ + −

= + d

n d

r

Abb. 6: Wertentwicklung eines ausfallbedrohten Kredits bei Unsicherheit über das Zinsniveau

Den heutigen Wert des Kredits erhalten wir, indem die möglichen t1-Werte mit den Pseudowahrscheinlichkeiten für die Zinsentwicklung und für den Kreditsta- tus multipliziert und mit dem Zinssatz für sichere Anlagen abdiskontiert werden:

) 1 ( ) 1

( −π ⋅ −π 0δ π δ

π0

) 1 ( π0δ π ⋅ −

π δ

π ) 0

1

( − ⋅

(16)

( ) ( ) ( ) ( )

01

, 12 0 ,

12 0 ,

12 0 ,

12 0

02 1

1 1 1

1

r

n d b

d n

u b

u

+

− +

− +

⋅ +

=ππ ϕ δ π π ϕ π π ϕ δ π π ϕ

ϕδ δ δ δ δ (13)

Einsetzen für ϕ12u,b, ϕ12u,n,ϕ12d,bundϕ12d,naus Abb. 6 und zusammenfassen liefert wieder (11) bzw. (11a).

3 Bewertung von Kreditausfallrisiken mit Hilfe der Optionspreis- theorie

3.1 Das Grundmodell

Die in den vorigen Abschnitten vorgestellte Bewertungsmethodik führt nur dann zu einer eindeutigen und präferenzfreien Bewertung, wenn der Markt vollstän- dig ist, d.h. wenn es hinreichend viele gehandelte Kredite innerhalb einer Kredit- risikoklasse gibt. Nur wenn der Markt vollständig ist, ist es möglich, das Kredit- ausfallrisiko vollständig zu hedgen, der damit verbundene Kapitaleinsatz ist die präferenzfrei ermittelte Risikoprämie. Problematisch an dieser Vorgehensweise ist, daß es kaum möglich sein dürfte, Risikoklassen in der Weise, wie sie hier benötigt werden, zu identifizieren und eine Zuordnung der Kredite zu diesen Risikoklassen vorzunehmen. Darüber hinaus werden Kredite typischerweise nicht gehandelt, so daß es fraglich ist, ob die Bedingung der Vollständigkeit er- füllt werden kann.

Ein anderer Ansatz, der diese Probleme zum Teil umgeht, besteht darin, einen ausfallbedrohten Kredit nicht in Relation zu anderen Krediten der selben Kredit- risikoklasse zu bewerten, sondern in Relation zu der Wertentwicklung der Akti- va des Schuldners. Dies führt zu dem Optionspreisansatz. Dieser Ansatz ba- siert auf der Grundidee, daß ein ausfallbedrohter Kredit aufgefaßt werden kann als eine Kombination aus einem risikofreien Kredit in Höhe der Nominalforde- rung und einer Stillhalterposition in einer Verkaufsoption auf die Aktiva des Schuldners mit dem Nominalbetrag der Kreditforderung als Ausübungspreis.

Dies sei anhand eines einfachen Beispiels gezeigt. Wir betrachten hierzu einen Kredit, der die Zahlungsstruktur eines Zero-Bonds aufweist und im Fälligkeits- zeitpunkt T einschließlich der aufgelaufenen Zinsen zu einer Nominalforderung in Höhe von RT führt. Wir nehmen darüber hinaus an, daß für den Schuldner bis zum Fälligkeitszeitpunkt keine Auszahlungsverpflichtungen anfallen, so daß Insolvenz ausschließlich am Ende der Laufzeit anfallen kann. Für den Fällig-

(17)

keitszeitpunkt T sind damit zwei Fälle zu unterscheiden: Entweder übersteigt der Wert der Aktiva des Schuldners den Kreditrückzahlungsbetrag (VTRT)und der Schuldner ist solvent, oder aber es liegt Insolvenz aufgrund von Überschul- dung vor (VT <RT). Der Rückfluß des Gläubigers im Fälligkeitszeitpunkt beträgt

{

VT RT

}

Min ; und entspricht dem Rückfluß aus einem sicheren Kredit mit der Nominalforderung RT , vermindert um den Verlust aus der Stillhalterposition in einer Verkaufsoption auf den Wert der Aktiva Min

{

0;VTRT

}

(vgl. Abb. 7).

Kapitalein- satz/Wert in t0

Ertrag in T

T

T R

VVT<RT Ausfallbedrohter

Kredit

C0 RT VT

Sicherer Kredit RT

( )

1+r T RT RT

Stillhalterposition in Verkaufsoption

P0 0 −

(

RTVT

)

Abb. 7: Rekonstruktion eines ausfallbedrohten Kredits durch einen sicheren Kredit und eine Verkaufsoption

Zwei Positionen, die in jedem Umweltzustand den gleichen Ertrag erbringen, haben bei Abwesenheit von gewinnbringenden Arbitragemöglichkeiten den gleichen Wert, so daß für den Marktwert der Kreditrückahlung gilt:

( )

0

0 R 1 r P

C = T ⋅ + T − (14)

Zur Ermittlung des (negativen) Wertes der Stillhalterposition kann auf die be- kannten Verfahren der Optionspreistheorie zurückgegriffen werden. Hier sei die Vorgehensweise anhand eines einfachen Binomialmodells, das sich über eine Periode erstreckt, erläutert (vgl. Abb. 8). Wir nehmen dazu an, daß der Wert der Aktiva am Ende der ersten Periode (V1) entweder um den Faktor u

(

u >1+r

)

steigt oder um den Faktor d

(

d <1+r

)

fällt. Der Ertrag aus einer (fiktiven) Long- Position in einer Verkaufsoption auf V beträgt damit entweder

{

R u V

}

Pu =max 0, − ⋅ oder Pd =max

{

0,RdV

}

:

(18)

V P0

Abb. 8: Wertentwicklung der Aktiva und einer Verkaufsoption auf diese Aktiva

Die Ertragsstruktur der Verkaufsoption kann rekonstruiert werden durch den Leerverkauf von m Anteilen an V0 und durch eine Anlage von B Geldeinheiten zum sicheren Zinssatz r. m und B müssen dabei so gewählt werden, daß gilt:

(

r

)

Pu

B V u

m⋅ ⋅ + ⋅1+ = und

(

r

)

Pd

B V d

m⋅ ⋅ + ⋅ 1+ = (15)

Daraus folgt für m und B:

(

u d

)

B u

(

uP dd

)

rP

V P

m Pu d d u

= ⋅

= − (16)

Im Marktgleichgewicht bei Arbitragefreiheit entspricht der Wert der Verkaufsop- tion dem Wert des Rekonstruktionsportefeuilles. Damit gilt:

B V m

P0 = ⋅ + (17)

Einsetzen von (16) für m und B in (17) ergibt nach einigen Umformungen:

( )

[ ]

E

[ ]

P

P r r P

P u d ~

1 1 1

1 1

0 π ππ

≡ +

− +

⋅ + ⋅

= (18)

mit u d d r

= −

π und

( )

d u

r u

= −

π

1 als Pseudowahrscheinlichkeiten, die aufgrund der (dynamischen) Vollständigkeit des Marktes eindeutig bestimmt werden können. Der Wert der Verkaufsoption ist wiederum nichts anderes als der (mit dem sicheren Zinssatz) diskontierte Erwartungswert der künftigen Er- träge, wobei der Erwartungswert über die Pseudowahrscheinlichkeiten π bzw.

(1-π) gebildet wird.

u⋅ V

d⋅ V

{

R u V

}

Pu = max 0, − ⋅

{

R d V

}

Pd =max 0, − ⋅

(19)

Aus der Herleitung des Wertes für die Verkaufsoption wird auch deutlich, daß P0 derjenige Betrag ist, der aufgewendet werden müßte, wenn das Ausfallrisiko vollständig gehedgt werden würde. Um das Ausfallrisiko zu hedgen, müßte entweder ein der Stillhalterposition gegenläufiges Verkaufsoptionsrecht erwor- ben werden oder aber in das Portefeuille, das die Verkaufsoption rekonstruiert, investiert werden. In jedem der beiden Fälle wäre der Betrag P0 aufzuwenden.

Auch im Rahmen des Optionspreisansatzes wird ein ausfallbedrohter Kredit in der Weise bewertet, als ob das Ausfallrisiko vollständig gehedgt werden würde, der (Netto-)Wert des Kredits C0N =C0K ist wiederum als risikoloser Arbitra- geüberschuß interpretierbar. Unerheblich für die Bewertung ist dabei, ob ein solches Hedgen tatsächlich stattfindet.

Unter Verwendung von (14) erhalten wir den (Brutto-)Wert eines ausfallbe- drohten Kredits als Barwert der Rückzahlung eines äquivalenten sicheren Kre- dits abzüglich des Wertes der Verkaufsoption:

[ ]

P

r E r R

C ~

1 1 1

1

0π

− + + ⋅

=

( )

[

R Pu Pd

]

r ⋅ − ⋅ − − ⋅

= + π 1 π

1 1

[ ] [ ]

[

E RV R E RV R

]

r ⋅ ≥ + <

= + 1 1

1 1

π

π (19)

Der heutige Wert eines ausfallbedrohten Kredits kann somit als abdiskontierter Erwartungswert der Kreditrückzahlung interpretiert werden, wobei der Erwar- tungswert über die Pseudowahrscheinlichkeiten π gebildet wird und sich aus zwei bedingten Erwartungswerten zusammensetzt: aus dem Erwartungswert der Kreditrückzahlung für den Fall, daß die Rückzahlung in voller Höhe erfolgt und aus dem Erwartungswert der Kreditrückzahlung im Insolvenzfall.

Es ist ohne weiteres möglich, den Optionspreisansatz auf eine mehrperiodige Betrachtung und auf den Fall einer zeitstetigen Bewertung zu erweitern (vgl.

MERTON 1974). Hierfür nehmen wir an, daß die Wertentwicklung der Aktiva durch einen stochastischen Prozeß der Form

Vdz Vdt

dV =µ⋅ +σ⋅ (20)

mit µ: erwartete Momentanrendite der Aktiva

σ: Momentanstandardabweichung der Wertveränderung

(20)

dz: Standard-Gauss-Wiener-Prozeß

modelliert werden kann. Als Lösung für den Wert eines ausfallbedrohten Kredits erhalten wir analog zu (19):

( ) ( )

[

2 1

]

0 e R N b e V N b

C = rT⋅ ⋅ + rT ⋅ ⋅ (21)

mit

( )

2 1

ln 22

2 T

T R r

V

b

= +

σ σ

(21a)

(

2 12

)

1 b T

b =− +σ⋅ (21b)

: (⋅)

N kumulative Dichtefunktion einer standardnormalverteilten Zufalls- variablen

Analog zu (19) können wir den ersten Summanden in eckigen Klammern als bedingten Erwartungswert der Kreditrückzahlung im Falle der Solvenz und den zweiten Summanden als bedingten Erwartungswert der Kreditrückzahlung im Insolvenzfall interpretieren.

Die besondere Attraktivität des Optionspreisansatzes liegt darin, daß er zum einen eine präferenzfreie Bewertung ermöglicht, und zum anderen weder eine Prognose von Kreditausfallwahrscheinlichkeiten noch von Ausfallraten erforder- lich ist. Alle Informationen, die die Höhe und Wahrscheinlichkeit künftiger Zah- lungen aus dem Kredit betreffen, sind in V und σ, dem Wert der Aktiva und de- ren Volatilität enthalten. Damit ist der Wert der Aktiva (Unternehmenswert) und deren Volatilität die entscheidende Input-Größe für die Ermittlung des Kredit- werts.

Der Unternehmenswert ist im allgemeinen keine beobachtbare Größe, bei bör- sennotierten Aktiengesellschaften kann jedoch E, der Marktwert des Eigenka- pitals aus den Aktiennotierungen bestimmt werden. In (21) ist dann entspre- chend E=VC0 zu verwenden, die Volatilität des Unternehmenswertes (σv) kann aus der Volatilität des Eigenkapitals (σE) gemäß der Beziehung

( )

E

v N b

V

E σ

σ = ⋅ 1 −1⋅ (22)

ermittelt werden (vgl. KLEIN 1996). Zu beachten ist allerdings, daß durch eine Kreditvergabe im allgemeinen Investitionen finanziert werden, die die Höhe der Erfolge des Kreditnehmers im Leistungsbereich beeinflussen und damit Auswir- kungen auf den Unternehmenswert haben. Eine Kreditbewertung mit Hilfe der

(21)

Optionspreistheorie ist nur dann korrekt, wenn im verwendeten Unternehmens- wert (bzw. Wert des Eigenkapitals) die Auswirkungen der Kreditvergabe auf die Leistungstätigkeit bereits berücksichtigt sind. Es ist jedoch eher unwahrschein- lich, daß eine geplante Kreditvergabe sich bereits in dem Marktwert eines Un- ternehmens bzw. des Eigenkapitals niederschlägt. Die Verwendung eines am Markt beobachtbaren Unternehmenswertes bzw. Eigenkapitalwertes kann somit nur dann brauchbare Ergebnisse liefern, wenn der zu kalkulierende Kredit kei- nen wesentlichen Einfluß auf die Leistungstätigkeit des Kreditnehmers hat.

Noch problematischer ist die Ermittlung von V und σv, wenn das kreditnehme n- de Unternehmen keine börsengehandelten Anteile ausgegeben hat. Die Be- rechnung eines Unternehmenswertes verlangt dann eine Prognose künftiger Unternehmenserträge sowie die Bestimmung eines risikoadäquaten Kalkulati- onszinssatzes, mit dem die künftigen Erträge abdiskontiert werden. Damit wird der Vorteil des Optionspreisansatzes, daß keine explizite Prognose von Ausfall- raten und Ausfallwahrscheinlichkeiten erforderlich ist, kompensiert durch das Problem, künftige Unternehmenserträge prognostizieren zu müssen. Noch grö- ßere Schwierigkeiten sind mit der Abschätzung der Volatilität des Unterne h- menswertes verbunden. Darüber hinaus ist es auch nicht mehr möglich, den Wert der Verkaufsoption als denjenigen Betrag zu interpretieren, der notwendig wäre, um das Kreditausfallrisiko vollständig zu hedgen. Denn der für das Hed- gen des Ausfallrisikos notwendige Leerverkauf von Anteilen am kreditnehme n- den Unternehmen sowie die kontinuierliche Anpassung des Hedge-Portefeuilles an Veränderungen des Unternehmenswerts setzen eine Handelbarkeit der Un- ternehmensanteile voraus. Ist diese nicht gegeben, so ist mit der Kreditvergabe auch zwangsläufig die Übernahme von Kreditausfallrisiko verbunden, so daß keine präferenzfreie Bewertung mehr möglich ist. Bei Nicht-Handelbarkeit ist der gemäß (21) ermittelte Put-Wert nur dann korrekt, wenn Risikoneutralität gegeben ist. Die Wahrscheinlichkeiten in (21) wären dann keine Pseudowahr- scheinlichkeiten, sondern „echte“ Wahrscheinlichkeiten. In Abschnitt 5 wird ge- zeigt, wie der Put-Wert gemäß (21) zu modifizieren ist, wenn das Kreditausfall- risiko nicht handelbar ist und keine Risikoneutralität gegeben ist.

(22)

3.2 Erweiterungen des Optionspreisansatzes

Bislang haben wir unterstellt, daß der Kredit die Zahlungsstruktur eines Zero Bonds aufweist, d.h. einer Anfangsauszahlung folgt lediglich eine Einzahlung im Zeitpunkt der Fälligkeit des Kredits. Typischerweise werden Kredite jedoch in der Form vergeben, daß zumindest laufend Zinszahlungen geleistet werden müssen, daneben erfolgt die Tilgung in der Regel in mehreren Raten. Grund- sätzlich kann ein Kredit mit zwischenzeitlichen Zins- und Tilgungszahlungen als eine Kombination von Zero Bonds aufgefaßt werden, wobei jeder Zahlungszeit- punkt einem Zero Bond entspricht. Zu beachten ist allerdings, daß diese Zero Bonds im Hinblick auf das Kreditausfallrisiko nicht getrennt bewertet werden können, da sie nicht unabhängig voneinander sind. Fällt nämlich eine Zins- bzw. Tilgungszahlung aus, so fallen zugleich auch alle Zero Bonds mit späterer Fälligkeit mit aus. Grundsätzlich ist allerdings auch ein Kredit mit laufenden Zins- und Tilgungszahlungen mit dem Instrumentarium der Optionspreistheorie bewertbar, allerdings existiert nur unter sehr speziellen Bedingungen eine ge- schlossene Lösung (vgl. MERTON 1974). Der Wert eines Kredits mit laufenden Zins- und Tilgungszahlungen

( )

R ist die Lösung der Differentialgleichung:

( )

r C R

V V C t

C V R C V

r − ⋅ +

⋅∂

∂ + + ∂

⋅∂

= 2 2 2 2

2

0 1 σ (23)

mit den Randbedingungen:

(

V =0;t

)

=0

C (23a)

V t V

C( ; )≤ (23b)

( )

V T Min

(

V RT

)

C ; = ; (23c)

Im Grundmodell des vorigen Abschnitts wurde unterstellt, daß ein Konkurs im- mer dann eintritt, wenn der Marktwert des Unternehmens den Nominalbetrag des Fremdkapitals unterschreitet. Aus theoretischer Sicht ist dies auf vollkom- menen Märkten ein geeignetes Konkurskriterium, denn solange VR gilt, kann auf einem vollkommenen Kapitalmarkt eine Insolvenz stets durch Zuführung neuen Kapitals abgewendet werden. Erst wenn V <R gilt, ist es nicht mehr möglich, neue Finanzierungstitel auszugeben, da den neuen Kapitalgebern kei- ne Zahlungsanwartschaft eingeräumt werden kann, deren Barwert mindestens dem Kapitalhergabebetrag entspricht (vgl. HAX/MARSCHDORF 1983). Die

(23)

Verwendung des Marktwertes eines Unternehmens als Konkurskriterium ist al- lerdings nicht praktikabel, da V im allgemeinen nicht beobachtbar ist. Wäre V jederzeit eindeutig beobachtbar, so könnten Kreditausfälle durch ein geeignetes Konkursrecht (nahezu) vollständig vermieden werden. Wenn wir annehmen, daß der Unternehmenswert kontinuierlichen Wertveränderungen ohne Sprünge unterliegt, so würde ein Konkurskriterium, das unmittelbar dann eingreift, wenn der Unternehmenswert den Betrag der Verbindlichkeiten unterschreitet, verhi n- dern, daß Kreditausfälle überhaupt eintreten (vgl. HAX 1985).

Im deutschen Konkursrecht gibt es als Konkursauslösetatbestände die Zah- lungsunfähigkeit und für Kapitalgesellschaften zusätzlich die Überschuldung.

Überschuldung liegt dann vor, wenn die Verbindlichkeiten das zu Buchwerten bewertete Vermögen des Unternehmens übersteigen. Da Buchwerte in keiner direkten Beziehung zu Marktwerten stehen, bildet ein Insolvenzkriterium, das an Marktwerten ausgerichtet ist, die tatsächlichen Gegebenheiten nicht ab. Ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt, hängt wesentlich davon ab, ob es gelingt, Schul d- ner zu Zahlungsaufschub bzw. Zahlungsverzicht zu bewegen bzw. neue Kapi- talgeber zu finden, die bereit sind, zusätzliches Kapital einzuzahlen. Kapitalge- ber werden hierzu bereit sein, wenn sie erwarten können, daß die künftigen Unternehmenserträge ausreichen, um eine angemessene Verzinsung des ein- gezahlten Kapitals zu gewährleisten. Der Kalkül der Kapitalgeber läuft somit letztlich auf einen Vergleich des Wertes der künftigen Unternehmensüber- schüsse mit dem Forderungsbetrag hinaus, dennoch gibt es auch zwischen der Zahlungsunfähigkeit und dem Insolvenzkriterium V <R keine eindeutige Relati- on.

Wir stehen damit vor dem Problem, daß das Konkursereignis in der Realität aufgrund der mangelnden Beobachtbarkeit von V nicht (unmittelbar) vom Marktwert des Unternehmens abhängt, wir aber andererseits für die Anwen- dung des Optionsansatzes ein Insolvenzkriterium benötigen, das in einer funk- tionalen Beziehung zu V steht. Zur Lösung dieses Problems ist in der Literatur (vgl. BLACK/COX 1976; LONGSTAFF/SCHWARTZ 1995; KLEIN 1996) vorge- schlagen worden, eine Konkursschwelle K exogen vorzugeben, so daß Insol- venz dann eintritt, wenn V <Kgilt. Diese Modifikation läßt sich ohne weiteres in die Bewertungsformel (21) integrieren, es ist dann lediglich in (21a) R durch K

(24)

zu ersetzen. Problematisch daran ist, K zu spezifizieren, darüber hinaus ist un- befriedigend, daß die Konkursschwelle nicht (explizit) von der Höhe des aufge- nommenen Fremdkapitals abhängt.

Eng verwandt mit dem Problem der Bestimmung eines Insolvenzauslösekriteri- ums ist die Frage des Insolvenzzeitpunkts. Das Grundmodell bewertet das Kre- ditausfallrisiko nur für den Fall korrekt, daß die Insolvenz ausschließlich im Fäl- ligkeitszeitpunkt des Fremdkapitals eintritt, da in der Bewertungsformel (21) ei- ne Option europäischen Typs unterstellt wurde. Es hilft allerdings auch nicht weiter, eine Option amerikanischen Typs anzunehmen, da es niemals vorteil- haft wäre, diese Verkaufsoption vorzeitig auszuüben. Für lange Kreditlaufzeiten ist es aber unrealistisch, davon auszugehen, daß ausschließlich bei Fälligkeit eines Kredits Insolvenz eintreten kann, dies würde ein weitgehend wirkungslo- ses Insolvenzrecht implizieren. Zur Lösung dieses Problems können zwei Wege beschritten werden: Denkbar ist, das Kreditausfallrisiko als eine sog. Barrier Option zu modellieren mit der Eigenschaft, daß diese wertlos wird, wenn eine bestimmte Bedingung (das Insolvenzauslösekriterium) eintritt. Einen anderen Weg beschreiten LONGSTAFF/SCHWARTZ (1995): Sie modellieren den Kon- kurszeitpunkt endogen als die sog. Erstpassierzeit, d.h. als denjenigen Zeit- punkt, zu dem der Unternehmenswert eine exogen vorgegebene Konkurs- schwelle unterschreitet.

Wir sind im Grundmodell implizit davon ausgegangen, daß im Insolvenzfall das gesamte Unternehmensvermögen zur Befriedigung der Kreditgeber zur Verfü- gung steht. Dies ist im allgemeinen nicht der Fall, vielmehr muß ein Teil des Unternehmensvermögens zunächst zur Abdeckung der Kosten des Insolvenz- verfahrens bzw. zur Erfüllung von Sozialplanforderungen eingesetzt werden.

Darüber hinaus treten Kreditausfälle nicht nur im Insolvenzfall auf, sondern auch im gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich. Typisch für den Ver- gleich ist, daß die Kreditgeber auf einen Teil der Nominalforderung verzichten, obwohl ein Teil des Unternehmenswertes bei den Eigentümern verbleibt (vgl.

LOPUCKI/WHITFORD 1990; FRANKS/TOROUS 1991; BETKER 1995; LONG- HOFER 1997). Insgesamt zeigt sich, daß der Rückfluß an die Kreditgeber im Insolvenzfall nicht nur vom Unternehmenswert abhängt, sondern von einer Viel-

(25)

zahl von Einflußgrößen, deren Auswirkungen im einzelnen kaum zu modellieren sind.

Um zu berücksichtigen, daß nicht der gesamte Unternehmenswert im Insol- venzfall zur Befriedigung der Gläubigeransprüche herangezogen werden kann, ist vorgeschlagen worden (vgl. KLEIN 1996), als Rückfluß im Insolvenzfall

(

1−α

)

V mit 0<α<1 anzusetzen. Entsprechend ist dann in (21) V durch

(

1α

)

V zu ersetzen. Auch hier stellt sich natürlich das Problem, αexogen zu spezifizieren. Darüber hinaus stellt

(

1−α

)

V den Betrag dar, den die Kreditge- ber insgesamt erhalten. Welcher Rückfluß auf einen einzelnen Kredit entfällt, hängt davon ab, wieviel Fremdkapital insgesamt aufgenommen wurde und wel- che Rangstellung der zu bewertende Kredit innehat. Um einen einzelnen Kredit zu bewerten, müßten zugleich alle anderen Verbindlichkeiten, die vorrangig sind, simultan mitbewertet werden. Auch dies führt zu einer Komplexität des Kalküls, die kaum noch handhabbar ist. Zur Vereinfachung wird daher von LONGSTAFF/SCHWARTZ (1995) der Rückzahlungsbetrag im Insolvenzfall als Bruchteil der Nominalforderung

(

1−ω

)

R (und nicht des Unternehmenswertes!) mit 0<ω≤1 angesetzt. Das Problem besteht natürlich auch hier darin, ω exo- gen zu spezifizieren.

Festzuhalten bleibt somit, daß der Optionspreisansatz nur im einfachen Grundmodell ohne eine Prognose der künftigen Ausprägung bewertungsrele- vanter Größen auskommt. Soll dagegen die Insolvenzsituation realistischer er- faßt werden, kann auf eine Prognose der künftigen Ausfallraten nicht verzichtet werden.

Die Bewertung mit der Optionspreistheorie weist aber – wie jede auf Marktwer- ten beruhende Bewertung - folgende „angenehme“ Eigenschaften auf:

• Die Bewertung erfolgt präferenzfrei, d.h. unabhängig von subjektiven Risi- kopräferenzen oder unternehmensspezifisch festgelegten Risikoprämien;

• Die Bewertung ist unabhängig von der Refinanzierung des Kredits, d.h. es gilt das Modigliani/Miller-Theorem;

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