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Archiv "SÜDAFRIKA: Unzulässige Vereinfachung" (23.11.1989)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

LESERBRIEFE

SÜDAFRIKA

Zu dem Beitrag „Kinder unter Apartheid" von Dr. med. Ernst Girth in Heft 36/1989:

Unzulässige Vereinfachung

Der Artikel paßt gut in un- ser bekanntes Schema vom bösen Weißen. Für den Ken- ner der südafrikanischen Si- tuation ist die Darstellung des Autors eine lächerliche Ver- einfachung komplizierter Zu- sammenhänge.

Eine Studienreise und Sta- tistiken sind kein solides Fun- dament für eine akzeptable Analyse. Dem Autor ist zu empfehlen, selbst einmal ge- nügend lange in Südafrika ärztlich tätig zu sein.

Bevölkerungsexplosion, rassische Vielfalt, festverwur- zelte Sitten und Tabus, fal- sche, nur schwer auszurotten- de Ernährungsgewohnheiten, Promiskuität und eine für den

Klischeevorstellungen

Da ich von 1981 bis 1984 als Entwicklungshelfer und

„medical officer" in einem großen staatlichen Landkran- kenhaus (Glen Grey Hospi- tal) in dem südafrikanischen

„Homeland" Transkei gear- beitet und dort die pädiatri- sche Station betreut habe, kann ich zu dem Artikel Fol- gendes anmerken:

1. Die medizinische Ver- sorgung einschließlich der präventiven in den „home- lands" ist nicht „local authori- ties" und „Selbstverantwor- tung" überlassen, sondern es besteht ein übersichtlich or- ganisiertes, flächendeckendes und funktionierendes zentra- les staatliches Gesundheitssy- stem, dessen Inanspruchnah- me bis auf geringe, nicht obli- gatorische Schutzgebühren kostenlos ist. Die Versorgung mit Medikamenten, so auch Impfstoffen, Ausstattung mit ausgebildetem, in der Regel einheimischem Personal, Fahrzeugen etc. entspricht durchweg dem Bedarf. Die zi- tierten „rudimentären Ge- sundheitseinrichtungen" um- fassen neben recht bescheide-

Europäer oft nicht faßbare Indolenz der schwarzen Be- völkerung gegenüber Krank- heit, Leiden und Tod machen eine medizinische Versor- gung nach westlichem Stan- dard schwierig.

Ich habe meine Arbeit in südafrikanischen Bantu- Krankenhäusern mit den üb- lichen Vorurteilen begonnen und war deshalb sehr erstaunt über deren exzellente mate- rielle Ausstattung sowie den hohen medizinischen Stan- dard.

Auch ohne eine finanzielle Selbstbeteiligung des Patien- ten sind mir in der medizini- schen Versorgung meiner Kranken niemals wesentliche finanzielle Grenzen gesetzt worden, im Gegensatz zu meiner jetzigen Arbeit in Deutschland.

Dr. med. Eberhard Teske, Osnabrücker Straße 11, 4990 Lübbecke 1

nen auch solche vom Format akademischer Lehrkranken- häuser oder medizinischer Fakultäten. Der Autor er- klärt, die Steigerung der Aus- gaben für Krankenhäuser in den letzten Jahren sei für die schwarzen Kinder katastro- phal. Das ist unverständlich, denn die zahlreichen „clinics"

in den Dörfern werden perso- nell und materiell — so auch mit Impfstoffen — versorgt von den Hospitälern, die so das Rückgrat des Systems bil- den. Von hier aus erfolgt auch die regelmäßige ärzt- liche Supervision der mit Krankenschwestern und Heb- ammen besetzten Außensta- tionen.

2. Es stimmt, daß die mei- sten Schwarzen keiner Kran- kenkasse angehören. Das liegt daran, daß sich unsere gewohnte „Reichsversiche- rungsordnung" wohl kaum einfach auf diese völlig frem- den kulturellen und soziologi- schen Verhältnisse übertra- gen läßt, wo in weiten Gebie- ten noch eine fast geldlose traditionelle Subsistenzwirt- schaft mit nur relativer Seß- haftigkeit besteht (— mit all ihren heutigen Problemen

durch Bevölkerungsexplo- sion, Überweidung, Klima- verschlechterung etc.). Statt eines westlichen Versiche- rungssystems mit seiner kom- plizierten Bürokratie er- scheint hier das derzeit prak- tizierte staatliche Versor- gungssystem, das keine Kran- kenkassen erfordert, die vor- erst einzig realistische Lö- sung. Dagegen kann der wei- ßen Bevölkerung eine Eigen- leistung auch in Form von Versicherungsbeiträgen ab- verlangt werden.

3. Es wird eine „Trennung des Gesundheitssystems nach rassistischen Gesichtspunk- ten" behauptet. In Wirklich- keit waren schon zur Zeit meines Einsatzes vor circa sieben Jahren Überweisungs- möglichkeiten auch aus unse- rem abgelegenen Homeland- gebiet in renommierteste Hospitäler der „weißen" Me- tropolen längst etabliert und gut eingespielt. So haben wir zum Beispiel regelmäßig Viti- um-Patienten bei entspre- chender Indikation zur Im- plantation von Herzklappen- prothesen in das Groote Schuur-Hospital in Kapstadt geschickt (— was übrigens auch aus dem schwarzafrika- nischen Ausland praktiziert wurde). In den großen städti- schen Krankenhäusern und Uni-Kliniken der Weißen stellt die schwarze Bevölke- rung einen Großteil der sta- tionären und ambulanten Pa- tienten, wobei die Qualität der Pflege und Behandlung für alle gleich ist und zum Beispiel in Kapstadt für die schwarzen Patienten zusätz- lich ein umfangreicher Sozial- dienst betrieben wird. Weil es also eine Spaltung des Ge- sundheitssystems nach Ras- sen überhaupt nicht gibt, ist es auch kaum möglich, aus- schließlich für Weiße ver- wandte Mittel herauszurech- nen. Die hier angeführten Zahlen sind irreführend.

4. Zwar waren zur Zeit meiner eigenen Erfahrungen frische Polioinfektionen infol- ge der sehr wohl durchge- führten Impfungen selten ge- worden, aber es gab tatsäch- lich zahlreiche Fälle von Un-

terernährung, besonders Kwashiorkor, Tuberkulose, schwerer akuter Enteritis und Masern. Letztere verliefen trotz intensiver Therapie zum Beispiel auch mit Masernhy- perimmunglobulin nicht sel- ten letal. Wenn hier auch ge- netische Faktoren der Immu- nitätslage bei Afrikanern eine Rolle zu spielen scheinen — denn auch gutgenährte Kin- der erkrankten kritisch —, so trifft es doch zu, daß Ausmaß und Schweregrad dieser und der anderen Infektionskrank- heiten mit Unterernährung und unzuträglichen hygieni- schen Bedingungen korrelier- te. Niemand jedoch kann die Bevölkerung zwingen, über- kommene Produktions- und Lebensweisen zu ändern. Ei- ne wesentliche Teilursache der auf dem Land noch ho- hen Kindersterblichkeit sind auch die oft hochtoxischen einheimischen „Hausmittel („Xhosa-Medizin"). Sie führ- ten häufig zu kaum therapier- baren Knochenmarksdepres- sionen und waren konstant bei einem Großteil der fatal endenden Fälle mit im Spiel.

Was die Beherrschung der Tuberkulose betrifft, so wur- de die an sich gut organisierte Nachsorge durch Complian- ce-Probleme beeinträchtigt, indem ein Teil der Patienten zeitweise zum örtlichen Me- dizinmann abwanderte und bei wieder exazerbierter TB andere infizierte. Praktisch ist es auch kaum möglich, eine so anders denkende Popula- tion lückenlos durch Impfpro- gramme zu erfassen. Aus sol- cherlei kulturellen Gründen sind die — sehr ehrenwerten — Postulate des Verfassers vor Ort auch beim besten Willen nicht voll realisierbar.

5. Der Autor erkennt richtig, daß hier politische Probleme im Spiel, nicht je- doch, wie diese gelagert sind.

Im Gegensatz zu seinen Aus- führungen stellt das „weiße"

Südafrika die benötigten Mit- tel für die medizinische Ver- sorgung der schwarzen Bevöl- kerung auch in den Home- lands zur Verfügung. Für ein Funktionieren mit der gefor- derten Perfektion kann es je- A-3546 (6) Dt. Ärztebl. 86, Heft 47, 23. November 1989

(2)

© HEALTH MEDICARE INDIA '90

25.-3 MARZ 1990

PRAGATI MAIDAN

,

NEUN DELHI Indiens erste internationale

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Die jüngste Unterstützung der indischen Gesundheitsprogramme verspricht eine vielseitige Entwicklung der medizinischen Infrastruktur

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doch nicht mehr garantieren, weil längst eine „schwarze"

Selbstverwaltung etabliert wurde, die auch im Gesund- heitswesen von der Ebene der Länderregierungen an ab- wärts mit ihrem (neben aus- ländischen Fachkräften als

„Gastarbeitern") meist ein- heimischen Personal für alles zuständig ist. Wer hier „afri- kanische Verhältnise" nicht akzeptieren will, sollte sich darüber im Klaren sein, daß eine grundlegende Änderung nur durch eine Besetzung der Administration von oben bis unten mit Weißen möglich wäre. Abgesehen von der Un- durchführbarkeit widersprä- che das aber dem Anliegen, die schwarze Bevölkerung auf eigene Füße zu stellen — ob- wohl sie sich durch weiße „of- ficers" subjektiv oft besser be- handelt fühlt —, nicht zu re- den von der Forderung unse- rer Politiker nach „schwar- zer" Verwaltung ganz Süd- afrikas Diese übrigens würde die angeprangerten Probleme höchstwahrscheinlich nach- haltig verschärfen, denn das Land ist de facto auf seine weiße Bevölkerung angewie- sen.

Was hygienische Verhält- nisse und Siedlungssanierung betrifft, so hat es auch hier nicht an Bemühungen der Regierung gefehlt (Ersatz des Slums Crossroad in Kapstadt durch menschenwürdige Wohnungen). Auf Druck des Auslands hin hat sie jedoch schließlich die Politik, Zuzug und Slumbildung in den Großstädten einzudämmen, aufgegeben, so daß letztere wieder in vollem Gang ist.

Europäische Medien und Po- litiker haben hier zu Not und Elend aktiv beigetragen, wäh- rend der Vorwurf, es fehle der gute Wille der Südafrika- ner, mit Sicherheit nicht der Wahrheit entspricht. Ihre Leistungen entsprechen im Wesentlichen dem derzeit dort Möglichen, und wir könnten es auch nicht besser machen.

6. Die „Fehlersammlung"

aus dem Artikel erhebt kei- nen Anspruch auf Vollstän- digkeit, mag aber erkennen A-3548 (8) Dt. Ärztebl. 86,

lassen, daß es bei der Kom- plexität und Vieldeutigkeit des Landes und mangelnden korrekten Informationen in Europa für Touristen allzu- schwer ist, über die gängigen Klischeevorstellungen hin- auszukommen; gerade auch, wenn man zwar viele Zahlen kennt, nicht jedoch die Men- schen, von denen man redet.

Dr. med. Albert Keber, Cherubine-Willimann-Weg 1, 5400 Koblenz 1

Hetzartikel

Wenn mich schon seit Jah- ren Berichte über Geldanla- gen im Deutschen Ärzteblatt stören, so empfinde ich den Bericht des Reisenden Ernst Girth so voller unwissen- schaftlicher Fakten, daß er besser in einer anderen Zei- tung erschienen wäre. Jeder, der in Südafrika gearbeitet hat, wird einen solchen un- sachlichen Bericht als Hetzar- tikel empfinden. Ich bedau- ere, daß die verantwortlichen Herren der Redaktion des Deutschen Ärzteblattes so unkritisch Berichte weiterge- ben . . . und dem Ansehen dieses Organs der Deutschen Ärzteschaft Schaden zufügen.

Dr. med. Hans-Karl Ger- lach, Insterburger Straße 6, 6703 Limburgerhof

Lernfähigkeit zeigen

Um die Auswirkungen ei- nes Faktors (hier: Apartheid) auf die Volksgesundheit do- kumentieren zu können, sind bekanntlich Vergleichsgrup- pen so zu wählen, daß sie auch tatsächlich vergleichbar sind, sich also weitgehend nur im untersuchten Merkmal un- terscheiden. Der Vergleich zwischen Weißen und Schwarzen in Südafrika ist methodisch verfehlt, korrekt gewesen wäre ein Vergleich zwischen schwarzen Völker- schaften unter Apartheid in Südafrika mit soziographisch und kulturell vergleichbaren Völkern, die von einheimi- schen Machthabern be- herrscht werden. Methodisch Heft 47, 23. November 1989

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