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Archiv "Krank in der Fremde" (25.02.2000)

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Deutschen Psyche.“ Damit war ge- meint, dass man hierzulande das Ver- halten von Türken, aber auch anderen Ausländern oftmals als kulturell be- dingt erklärt, das eigene aber nicht.

Kürsat-Ahlers schilderte die

„Gefühlstriade“ der Migration: Trau- er, Schuld, Angst. Vor diesem Hinter- grund analysierte sie das Verhalten von Migranten, das manchmal so be- fremdlich erscheint: die Schwierig- keit, im neuen Land anzukommen, weil man dies als Illoyalität mit der er- sten Sozialisation empfindet; die Pro- jektion der Wünsche in die Zukunft oder Vergangenheit, beispielsweise den Traum, mit besserem Status in die alte Heimat zurückzukehren; die star- re Identifikation mit der Herkunftsge- sellschaft, um die Angst vor dem Neu- en zu bewältigen. Die Lösung sah sie für den Einzelnen in einer Synthese:

die Vergangenheit integrieren, keinen blinden Gehorsam gegenüber einer der beiden Gesellschaften entwickeln, in denen man lebe oder gelebt habe.

Ob solche Synthesen für eine Gesell- schaft bereichernd seien, hänge davon ab, ob diese sich „bereichern“ wolle – oder abgrenzen.

Über seine Erfahrungen in Eng- land berichtete Prof. Dr. Stefan Prie- be, St. Bartholomew’s and the Royal London School of Medicine der Uni- versity of London. Priebe arbeitet als Psychiater im Stadtteil Newham, tra- ditionell einem Einwanderer-Bezirk.

Er vertrat ebenfalls die Auffassung, dass gesundheitliche Belastungen und Gefährdungen von Migranten oft mit ihren sozialen und persönlichen Pro- blemen zu tun hätten.

Als Problem schilderte er es, dass in anderen Sprachen seine Worte fehl- ten (Beispiel: Neurose) oder dass man Erkrankte in der Familie behalte, eine professionelle Behandlung aber eher unbekannt sei. Der National Health Service habe in Deutschland keinen guten Ruf, sagte Priebe, aber Dolmetscher zahle er durchaus. Eine Möglichkeit der Ärzte besteht darin, Übersetzer per Telefon einzuschalten.

Das sei vielen Patienten der Psychia- trie durchaus angenehm. Priebe plä- dierte dafür, Mitarbeiter unterschied- licher Herkunft einzustellen. Ein mul- tinationales Team sei eine klare Bot- schaft: Ausländer arbeiten hier nicht nur als Putzfrau oder Küchenhilfe.

Die Versorgungssituation von gynäkologisch erkrankten türkischen und deutschen Patientinnen war Ge- genstand eines Public-Health-Pro- jektes der Klinik für Frauenheil- kunde und Geburtshilfe des Campus Virchow-Klinikums. Dessen Ergeb- nisse stellte Prof. Dr. med. Heribert Kentenich von den DRK-Kliniken Berlin-Westend vor. Für das Projekt wurden einerseits Patientinnen am Aufnahmetag und am Tag vor der Entlassung befragt, andererseits Mitarbeiter der Klinik. Inhaltliche Schwerpunkte waren unter anderem

das Verständnis der aktuellen Erkran- kung und der medizinischen Maßnah- men in der Klinik, Gesundheitswis- sen, Arzt-Patientinnen-Interaktion, Versorgungserwartung und Patientin- nenzufriedenheit.

Kentenich berichtete, dass zehn Prozent der befragten türkischen Frauen nicht zur Schule gegangen sei- en und 40 Prozent keinen Abschluss hatten. Die Verteilung der Aufklä- rungsbögen, selbst wenn sie in Tür- kisch verfasst seien, sei deshalb

„höchst ineffizient“. Um autonom entscheiden zu können, sei Wissen ge- fragt. Daran mangele es; das sei nicht arrogant gemeint. Ein Beispiel: Auf die Frage zum Zusammenhang zwi- schen Hormonen und Monatsblutung identifizierten nur 13 Prozent der tür- kischen und 40 Prozent der deutschen Frauen die richtige Antwort. Circa 45 Prozent der türkischen Frauen, aber auch rund 14 Prozent der deutschen antworteten „weiß nicht“.

Kentenich kritisierte, dass es heu- te im Krankenhaus viel um Qualitäts- sicherung gehe und diese oft mit ei- nem hohen bürokratischen Aufwand

verbunden sei. Die Frage sei jedoch, inwieweit man die Zeit in der Klinik nutze, um Wissen und damit Auto- nomie der Frauen zu stärken. Er empfahl, Gruppen einzurichten, zum Beispiel, um Kenntnisse über das Stil- len weiterzugeben. Hebammen und Schwestern seien hierfür entscheiden- de Bezugspersonen. Außerdem solle man nicht nur Broschüren verfassen, sondern auch Videos.

Theda Borde berichtete über die interkulturelle Kommunikation im Krankenhaus, ebenfalls Teil der Stu- die. Ihren Erkenntnissen zufolge gibt

es universelle Erwartungen an eine Krankenhausversorgung (zum Bei- spiel: gute Ausbildung und Kompe- tenz der Ärzte, sorgfältige Untersu- chung und Behandlung, Ehrlichkeit bei der Aufklärung, Hygiene und an- deres). Von den befragten türkischen Patientinnen wurden aber entgegen mancher Erwartung folgende Aspek- te als besonders wichtig bewertet:

weite Mitbestimmung, professionelle psychologische Betreuung, Zuspruch und Trost bei Schwierigkeiten. Die Erwartungen der Patientinnen schätz- ten die Mitarbeiter in manchen Berei- chen sehr zutreffend ein. Insgesamt ist ihre Zufriedenheit höher, als es die Klinikmitarbeiter erwartet hätten.

Theda Borde leitete aus der Un- tersuchung die Forderung ab, in einer Klinik erst einmal die „Versorgungs- realität“ zu erheben: Wie viele auslän- dische Patienten gibt es? Welcher Na- tion? Welche Bedürfnisse haben sie?

Nur so ließen sich bedarfsgerechte Angebote und Aufklärungsmateriali- en entwickeln. Zudem sollten qualifi- zierte Dolmetscher verfügbar sein – und eingesetzt werden. Sabine Rieser A-431

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 8, 25. Februar 2000

Krank in der Fremde

Unter diesem Titel hat die gebürtige Iranerin Zahra Ghaeni ein Buch heraus- gegeben, das Perspektiven zur interkulturellen Entwicklung von deutschen Klini- ken entwerfen will. Ihre Firma Cinco (centre of intercultural communication) berät Unternehmen sowie soziale Einrichtungen zum Thema interkulturelle Kommunikation.

Der erste Teil des Buches umfasst eine Ist-Analyse und Lösungsansätze für den Klinikalltag. Er krankt jedoch daran, dass nur zehn Mitarbeiter sowie eine Hand voll „Experten“ befragt wurden. Im zweiten Teil werden Projekte inner- halb Deutschlands und Europas vorgestellt. Die Übersicht ist nicht vollständig, ermöglicht aber einen ersten Einstieg ins Thema. Das Buch kostet 48 DM, Bezug

über: Cinco, Tel 0 69/97 08 01 98. Rie

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