Change Prozesse gesund gestalten
Uwe Dechmann, DoFAPP Dr. Olaf Katenkamp, DoFAPP
09. November 2015 Dortmund-Dorstfeld
Workshop 9
Workshop 9
10.15 bis 12.15 h: Change Prozesse gesund gestalten.
12.15 bis 13.00 h: Mittag 13.00 bis 14.00 h: Vortrag
14.00 bis 16.00 h: Workshop II 16.00 bis 17.30 h: Ausklang
Block 1: Einführung ins Projekt Block 2: Was ist Change?
Block 3: Wo bleibt die Gesundheit beim Change?
Block 4: Neue Herausforderungen zum ‚healthy change‘!
Block 5: Instrumente und Verfahren Block 6: Weiter so?
2
Projektansatz:
Psychosoziale Belastungen in Change Management-Prozessen
Laufzeit: April 2013 bis Nov. 2015
4
Tief greifende Umstrukturierungen mit Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten
Change Management als Herausforderung für betriebliche Akteure, v.a. für das Bewältigungshandeln der arbeitenden Menschen
Zentrales zukünftiges Handlungsfeld interdisziplinärer Arbeitsforschung, Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik.
Derzeit noch unübersichtliche Ursachenbeschreibungen psychosozialer Belastungen
Unser Schluss: Der bisherige Problemlösungsrahmen wird der gegenwärtigen Umbruchssituation in der gesamten Breite nicht voll gerecht.
Ausgangslage
1
Überprüfung bisheriger Vorgehensweisen in Arbeitsforschung und Arbeitspolitik
Ziel: Subjektrelative Aspekte müssen gestärkt werden
Ausgangspunkt Problemszenario: schrittweise begriffliche Klarheit in den Hauptproblemfeldern von Reorganisation und psychosozialen Belastungen
Interviews und Workshops mit Praktikern (Betriebsräten und Führungskräften)
Auswertung von aktuellen Studien und Gesundheitsberichten
Methodisches Vorgehen
1
Vier federführend beteiligte Institute unterschiedlicher Fachdisziplinen vertiefen die Fragestellungen über eigene (disziplinäre) Arbeitsgruppen
o Kein einheitlicher theoretischer Bezugsrahmen
o Respektiert je eigenes Gegenstands- und Methodenverständnis o Integration der Themenfelder, Gestaltungsebenen, und -ansätze
artec Bremen
iAi Bochum
ISF München
Institut für Arbeitswissenschaften Universität Kassel
Weitere Kooperationspartner:
BGHM, Heimvolkshochschule Springe (HVHS) und AOK Nord- West
6
Interdisziplinäre Kooperation
1
Transfer
www.das-change-projekt.de
1
Transfer auf 4 Ebenen
Wissenschaftlicher Diskurs Praxisworkshops
Online Portal und Broschüre
www.das-change-projekte.de Seminare
8
1
Wissenschaftlicher Diskurs
Sonderheft 2014/2
VSA Buch i.E.
2014/4: Die Zukunft von Arbeit und Arbeitsforschung
liegen in ihrer interdisziplinären
Kooperation
1
www.das-change-projekt.de
10
1
Broschüre für betriebliche Praxis
Für Führungskräfte und betriebliche Interessen- vertretungen
1
Change
Restrukturierung
Permanente
Veränderungsprozesse
Und wo bleibt die Gesundheit?
Ausgangslage Change
2
Was ist Change?
• Umstrukturierung, Reorganisation und Change häufig synonym in vielen Befragungen
• Change: geplanter Wandel durch Veränderung der Organisationsstruktur, Unternehmenskultur und individuellem Verhalten
• Restrukturierung: Veränderung der
Unternehmensstrukturen (z.B. Fusion, Out-Sourcing, Kosteneinsparung & Personalabbau)
• Reorganisation: Veränderung „kleiner Einheiten“, z.B. KVP, Gruppenarbeit
2
14
Was ist „gesunder“ Change?
3
„Eine klare Richtung, wohin sich Change Management methodisch entwickeln wird,
ist nicht vorhanden .“
CapGemini (2012, S. 55)
„Das Einfrieren findet zukünftig nicht mehr satt!“
Prof. E. Minx
3
Kriegesmann 2013:15
Kultureller Wandel (Elektronik)
Enttäuschung Neuer Geist
Ziele:
Mehr Produkte im Vertrieb
Teamarbeit
„Herzblutkampagne“ mit
Einbeziehung der Betroffenen
Wertschätzung in der Fertigung Spürbare
Gestaltungsfreiheit Umgang mit Fehlern Überlastung
Fehlverhalten mittlere/obere Führung
Laufen lernen
Neue Prozesse Erhöhter Druck Tagung
Qualitätsprobleme
->Druck
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Change bewegt
Leitbild + Vision
Episode oder ständiger Wandel
Neues Change Modell?
Partizipation Autonomie
Flexibilität
Klassisch: 3 Phasen (Lewin), 8 Schritte (Kotter)
Aktuell: Permanenter Wandel
Neue Konzepte, alte Werkzeuge
?
Neues Risiko?
3
Old School:
„einmaliger“ Change
Lewin 3 Phasen-Modell
Kotter 8 Stufen-Modell Doppler-Lauterberg Change Agents
New School:
permanenter Change
Permanenter Wandel
Agiler Change (z.B. Scrum) Design Thinking
Systemischer Wandel
3
20
Change-Faktoren nach Kriegesmann et al. 2014
Wie wird Gesundheit im Change integriert?
Ausgangsfragen
Trends in der Arbeitswelt
• Change nimmt zu
• Umstrukturierungen als Belastung
• Was sind Treiber und Hindernisse?
Empirische Basis:
• „Stressreport“ (BAuA 2013)
• WSI-Betriebspanel, Index Guter Arbeit
• GDA Dachevaluation, LIA-Monitoring, GapGemini u.a.
• Diverse Projekte (HIRES, ESENER, PSYRES, OIRA u.a.)
• DG für Supervison (Burnout in der IT), DIMDI etc.
22
4
46 64 66 93 99 94 101 103 108 107 111 120 134 153 178 231 2% 2,50% 3% 3,70%
4,90%
5,80%
6,8% 7,5%
8,3% 8,5% 8,9% 9,3%
10% 10,7%
12%
14,1%
50 100 150 200 250
2%
4%
6%
8%
10%
12%
14%
16%
Zunahme „Psychische und Verhaltensstörungen“
4
Change, Change, Change …
Strukturelle Veränderungen
(z.B. Vertragsverhältnisse, Arbeitszeit, Arbeitsorte)
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Change verändert…
Personelle Ebene
Soziale Dimensionen (Änderungen der
Unternehmenskultur ) Ökonomische
Dimensionen
4
I
I I
S I
ö ö ö
S
S
S
v
S
Vergleich psychischer Anforderungen in Organisationen (
BIBB-BAuA Erwerbstätigenbefragung 2011/2012)0% 20% 40% 60% 80%
verschiedene Arbeiten gleichzeitig betreuen
starker Termin- und Leistungsdruck Unterbrechungen/
Störungen bei der Arbeit Konfrontation mit neuen
Aufgaben
sehr schnell arbeiten müssen
restrukturiert
nicht restrukturiert
4
Entwicklung von Belastungen
zit. n. Jahrbuch GUTE ARBEiT 2015
264
Psychosoziale Auswirkungen
(Kieselbach et al., 2009; Rigotti & Otto, 2012, Westgard et al. 2012)
Motivation
• Geringe Identifikation mit Tätigkeit und
Organisation
• Arbeitsplatzunsicherheit
• Einfluss auf
Vertrauenskultur
• Geringes Engagement
• Fluktuation steigt rasant
Gesundheit
• Schlafqualität
• Stressempfinden
• Konsum von Drogen, Alkohol, Rauchen
• Herz-Kreislauf- Erkrankungen
• Muskel-Skelett-
Erkrankungen
Gesundheit und Change
Change- Bedarf
Wandel-
Bereitschaft
& Wandel- Fähigkeit
Excellence in Change
Healthy Change
28
Betriebliches Gesundheits- management
z.B. DIN SPEC 91020
„Werkzeuge des Wandels“
selten auf Gesundheit aus oft ohne Bezug
zum Change
5
ArbSch § 5 (3): Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch
1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
3.
die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen,
Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
4.
die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren
Zusammenwirken,
5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der
Beschäftigten,
Instrumente und Verfahren
30
5
Take Care! Leitkategorien
Care und Autonomie als dominanten regulativen Zusammenhang
Strukturieren die Beschreibungs- und Handlungsfelder der
psychosozialen Belastungen bei Restrukturierungen
Grundlage für die Erstellung der Präventionsmatrix
5
32
Umsetzung: Präventionsmatrix Change
3
a) Individuum/
Gruppe
b) Gruppe/
Organisation /System
c) System/
Netzwerk
1 Analyse/
Bewertung
1a
Vorausschauende Gefährdungs-
beurteilung
1b
Gesundheitszirkel:
Prävention
1c
Netzwerkprojekte:
Change interdisziplinär 2 Aktuelle
Gestaltung
2a Gestaltungs- modelle guter Arbeit
2b Teilautonome Arbeitsgruppen:
Neuerprobung/
Entwicklung
2c
Beteiligungsinten- sive Reorganisa-
tionsprozessse (action research) 3 Innovations-
diffusion
3a Dialog:
Symbolische Redefinition des
Arbeitslebens
3b Lernstätten:
Beteiligung und Qualifizierung für Innovationen
3c
Change Lab: neue Arbeitskulturen entwickeln
5
1. Vorausschauend
Gefährdungen vermeiden
2. Gesundheitszirkel
3. Change Lab
4. Lernstatt
5
1. Vorausschauend Gefährdungen vermeiden
34
2. Gesundheitszirkel
• Ziel: Lösungsvorschläge aus dem Unternehmen
• 2 Formen: mit oder ohne Führung (Berliner oder Düsseldorfer Modell)
• Vorgehen: VV, Mitarbeiterbefragung als Einstieg, moderierte Workshops (drei bis fünf Sitzungen)
• Externe Moderation
• Feedback-Runde und Belegschaftsversammlung
• Einstieg in das betriebliche Gesundheitsmanagement
• Nachteil: geringe Begleitung der Umsetzung
Quelle: Georg (2003): GZ, in: Katenkamp (Hrsg.):Praxishandbuch: empirische
3. Change Lab
• Ziel: Ideenentwicklung und Implementierung (=Umsetzung und Begleitung) von Ideen
• Modell nach Yrjö Engeström
• Externe und interne Moderation
• Anzahl der Sitzung je nach Komplexität
• i.d.R. ein Wissenschaftler an Board
• Umfangreicher Einsatzbereich: Praxis wird vor Ort beobachtet und verändert, ‚expansives Lernen‘
Quelle: Engeström: CL in Meyn (Hg.): Arbeitssituationsanalyse, Band 2, Praxisbeispiele und Methoden, VS 2011, S. 351-365
36
4. Lernstatt
• Ziel: Betriebliche Probleme unter der Beteiligung der Beschäftigten zu lösen.
• Steuerungsgruppe durch GF und BR: klärt
betroffenen Unternehmensteile und konkretisiert Arbeits- und Zeitplan
• Regelmäßige moderierte Treffen
• Gut schon im Planungsstadium einsetzbar
• „Was genau wird sich ändern und mit welchen
Konsequenzen?“
Fazit
38
6
Betr. Gesundheitsmanagement
Einzelmaß- nahmen (10 %
Zirkel, 31 % Health Check)
GFB klassisch:
51 %
GFB psych.
Belastungen:
24 %
Integration von Gesundheit
in das Leitbild: 21 %
6
GFB ohne Psyche?
40
6
Fazit
• Wissen- und Kenntnisstand zur psychischen
Gefährdungsbeurteilung noch sehr gering (vgl. Beck 2015)
• Rechtliche Regelungen und nationalen Standards sehr unterschiedlich (vgl. Meyn 2012)
• Change oft partizipativ, aber nicht immer beschäftigtenorientiert!
• Permanenter Change erfordert neue Werkzeuge (vgl. Kotter 2014)
• Konzeptionelle Verknüpfung der Perspektiven
„Gesundheit“ und „Change“ noch extrem selten in der Praxis (vgl. Pfau/Drupp 2012)
6
Literatur
• Saksvid, Per Oystein et al (2007): Criteria for healthy organizational change, Work & Stress, July 2007; 3
• Dragano, Nico (2007): Personalabbau, Outsourcing, Restrukturierung: Gesundheitliche Folgen von Rationalisierungsmaßnahmen und mögliche Erklärungen, in: psychosozial 30:109, S. 39-54.
• Bruch (2008): Organisationale Energie , Stuttgart
• HIRES-Projekt (2009) (Kieselbach/Kuhn)
• PSYRES-Projekt (Wiezer 2011)
• Dahl, M. (2011): Organizational change and employee stress. Management Science, 57(2), 240-256
• Köper/Seiler/Beerheide (2012) in Zt.f.Arbwiss Heft 12
• Pfau, H. , Drupp, M. (2012). Veränderung ohne Grenzen – und wo bleibt die Gesundheit? In: B. Badura (Hrsg.): Fehlzeiten-Report 2012, Springer:Berlin S. 243-253
• Neckel/Wagner (2013): Leistung und Erschöpfung - Burnout in der Wettbewerbsgesellschaft
• Becke et al.(2013): Org. Achtsamkeit. Stuttgart
• Angerer,P.; Siegrist, K.; Gründel, H. (2014): Psychosoziale Arbeitsbelastungen und Erkrankungsrisiken, Wissenschaftliches Gutachten, in: Seiler,K.; Jansing, P-J. (Hrsg.): Erkrankungsrisiken durch arbeitsbedingte psychische Belastung, LIA.NRW, transfer 4, S. 30-170
• Elke, G. J. Gurt, H. Möltner, K. Externbrink: (2015): Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung - vergleichende Analyse der Prädiktoren und Moderatoren guter Praxis.Dortmund: BAuA
• Kotter, J. (2014): Accelerate, München
• Katenkamp et al. (2014) in: Change Management und seine psychosozialen Belastungen, in: ARBEIT, Heft 2
• Kommentierte Literaturliste in der Broschüre von DoFAPP: Gesundheit und Beteiligung in Change Prozesse n (s. Folie 11)
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