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Aki'o Nakano: Ethnographical Texts in Moroccan Berber. Dialeet of Anti-Atlas. Tokyo:

Institute for the study of languages and cultures of Asia and Africa 1998. XX, 94 S.

(Studia Berberi. 3. Studia culturae Islamicae. 63.) ISBN: 4-87297-718-1.

A. Nakano n'est pas tout ä fait un inconnu des berberisants puisqu'il a publie des textes en 1974 dans un parier de I'Anti-Atlas et dans le parier des Ait-Warain - ce dernier toujours mal connu d'ailleurs - (signaies par L. Galand : Langue et litterature berberes, vingt cinq ans d'etudes. 1979, p. 143) qui ont ete suivis de dialogues dans ces deux parlers en 1976.' On sait que les etudes berberes restent encore le quasi-monopole de l'universite frangaise, certaines ouvertures ayant pu se faire cependant dans d'autres pays europeens, en particu¬

lier en Allemagne, au Pays-Bas et en Espagne. 11 est done tres interessant qu'un chercheur japonais continue ä travailler dans ce domaine, meme si cela demeure marginal.

L'ouvrage est le troisieme d'une serie de textes ethnographiques qui embrasse les diffe¬

rents aspects de la vie quotidienne des berberes de I'Anti-Atlas, en langue tachelhit. Il re¬

produit le sommaire des deux precedents : le premier traitait entre autres de I'alimentation, de I'habillement et de I'habitation, le second des outils, du marche, de I'heritage, etc.

Ce troisieme volume comporte les titres suivants : « Notre pays (description du

pays chleuh) » ; « Le travail dans les champs » ; « Le travail dans le jardin et la foret » ;

« Les animaux domestiques » ; « Les abeilles, la chasse » ; « Les animaux nuisibles pour l'homme » ; « Les gens et leurs occupations » ; « Les personnes ä Statut (ou fonction) par¬

ticulier » ; « La vie dans le Sous autrefois » ; « La tradition orale de notre pays » ; « Chants de mariage » ; « Poesies » ; « Appendice » (complements ä certains des themes abordes).

Sur la presentation generale des textes, on peut faire deux importantes remarques :

— Je n'ai pas pu consulter les deux premiers volumes, mais leur sommaire n'indique aucune introduction aux textes. L'auteur ne fournit pas leur localisation precise, ce qui est toujours regrettable, pas seulement pour le linguiste qui veut faire de la comparai¬

son, mais egalement pour l'ethnologue et I'anthropologue.

— Les textes sont livres bruts sans aucune note mais surtout sans traduction, ce qui peut constituer un obstacle ä leur exploitation, ä moins qu'elle ne soit prevue ulterieurement.

Pour ce qui concerne la transcription, il n'y a egalement rien sur le systeme utilise. Celui-ci est de tendance phonologique, tres proche des usages en vigueur dans les milieux univer¬

sitaires europeens. On notera que le schwa n'est pas note et que la labio-velarisation est in¬

diquee par un accent circonflexe sur la consonne {ifyal « anes », gma « mon frere », asggas

« annee », etc.). La lisibilite des textes est tres bonne, les unites lexicales et grammaticales etant bien distinguees.

' Dialogues in Moroccan Shilha (Dialects of Anti-Atlas and Ait-Warain). Tokyo 1976

(Afr. Languages and Ethnography. 6).

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Un certain nombre de textes plus anciens provenant de l'aire chleuhe a ete edite ces dernieres annees.' Ii sera interessant de les comparer du point de vue ethnographique et linguistique pour etudier les variations ä l'interieur de ce domaine. II faut souhaiter que A.

Nakano poursuive ses travaux dans ce domaine, en esperant qu'il accompagne ses textes d'au moins une presentation, meme succincte.

Kamal Nait-Zerrad, Offenbach

Carsten Peust: Egyptian Phonology. An Introduction to the Phonology of a Dead Lan¬

guage. Göttingen: Peust & Gutschmidt 1999. 365 S. (Monographien zur ägyptischen Sprache. 2.) ISBN 3-933043-02-6. € 35,69.

Die Erforschung der ägyptischen Laute ist gegenwärtig das Spezialgebiet nur weniger Forscher, die auch noch in mehrere recht kontroverse Lager zerspalten sind. Dabei sind zwar immer wieder wichtige Einzelstudien veröfTentlicht worden, die letzten Monogra¬

phien, welche diesen Bereich insgesamt abdecken, aber entweder schon recht alt-^ oder von problematischer Benutzbarkeit.^ Um so willkommener ist die vorliegende Studie, deren Abfassung auf Englisch auch ihrer weiteren Verbreitung nützen dürfte und die bislang von

der deutschen Forschung dominierte Fragestellung mehr ins allgemeine Bewußtsein der Ägyptologen rücken kann. Daß auch und gerade Nachbarwissenschaftler wie Semitisten

und Afrikanisten von dem hier aufbereiteten Material für ihre Fragestellungen profitieren können, braucht kaum erwähnt zu werden.

Das Buch ist insgesamt sehr sorgfältig gearbeitet und zeichnet sich auch durch eine pro¬

funde Literaturkenntnis aus. Zu vielen Transkriptionen und Lehnwortübernahmen sowie obskuren Details des Spätkoptischen erhält man hier eine ungeahnt reiche Belehrung.

Lediglich in wenigen Randbereichen (insbesondere beim Demotischen) sind gelegentlich Fehlinformationen eingegangen. Zum Beispiel ist (gegen S. 286 § 6.4.2) der Gebrauch von

Rubra im Demotischen durchaus belegt (z.B. Mythos vom Sonnenauge, Magische Papyri

und manche unpublizierte Handschriften), Trennung im Wort zwar selten, aber (gegen S. 287 § 6.4.4) durchaus möglich (z.B. pKrall, Narmouthis-Ostraka, gelegentlich auch pRylands IX).

Nach einer Einführung und einigen Basisinformationen über ägyptische Sprache

und Schrift werden die Hauptblöcke abgehandelt, nämlich die Themen Konsonanten, Silbenstruktur, Vokale und Prosodie. Ein beachtlicher Vorstoß in Neuland ist der erste Versuch einer Aufarbeitung der unterschiedlichen ägyptologisehen Aussprachetradi¬

tionen (S. 52-56 § 2.6.5). Bei den Konsonanten mußte der Autor eine wichtige Grund¬

satzentscheidung treffen und hat sich der RössLERSchen Theorie angeschlossen, daß

ägyptisches ein Reflex ursprünglich stimmhafter Dentale und Sibilanten ist. Weiterhin interpretiert er mit Rössler bestimmte meist für stimmhaft erklärte Laute als empha-

' Par exemple, pour rester dans la meme region : J. Podeur : Textes herberes des A 'it-Souab (Anti-Atlas, Maroc). fidites et annotes par Nico van den Boogert, Michelle Scheltus et Harry Stroomer. Aix-en-Provence 1995 [les textes ont ete rediges avant 1950].

^ Soj. Vergote: Phonetique historique de l'Egyptien. Les consonnes. Louvain 1945.

' W. Vycichl: La vocalisation de la langue egyptienne. Tome 1". La phonetique. Kairo 1990 (Bibliotheque d'etude / Institut frangais d'archeologie Orientale du Caire. 16); unge¬

achtet mancher wertvoller Materialien ein oft nur unvollkommen aktualisiertes Manuskript der 50er Jahre, das auf abweichende Positionen der neueren Forschung zu wenig eingeht.

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tisch. In diesem Punkt geht die Debatte der Wissenschaft sicher noch weiter (s. etwa J.

Osing: „Zum Lautwert von ""1 und In: LingAeg 9 (2001), S. 165-178). Der Rezensent würde sich hier auf Peusts Seite sehen und verweist dabei auf zusätzliches Material in J. F.

Quack: „Zur Lesung von Gardiner Sign-List Aa 8." In: LingAeg 7 (2000), S. 219-224.

Skeptischer ist er hingegen beim Versuch, als Lautwert für ägyptisches i ein /;'/ anzuset¬

zen (S. 49f. § 2.6.3). Hiergegen spricht, daß es klare Etymologien wie ink „ich" (akkadisch 'anäku, koptisch Ä.NOK) gibt, bei denen von beiden Seiten der Sprachgeschichte her kein

Gleitlaut nahegelegt wird. Ebenso sind die Befunde zu Erhaltung oder Verlust von i in wortinitialer Position (S. 142-151) sehr viel leichter zu handhaben, wenn man akzeptiert,

daß i meist Stimmabsatz war, gerade am Wortanlaut aber auch für y stand, da die initiale Schreibung mit Doppelschilfblatt in Erbwörtern nicht üblich war. Man sollte auch be¬

denken, daß semitischer Stimmabsatz im Ägyptischen konsequent mit i wiedergegeben

wird. Hinzu kommt, was Peust bei der Abfassung seines Buches noch nicht wissen

konnte, daß die spätägyptische Alphabetreihenfolge, die dem „südsemitischen" Alphabet entlehnt sein dürfte, wenigstens in einigen Zeugen i an der Position des semitischen ' und y an der Position des semitischen y unterscheidet.'

Sehr wichtig und wertvoll sind die ausführlichen Untersuchungen zur Inkompatibilität bestimmter Laute im Ägyptischen (S. 194-198 u. 297-299). Einerseits stützen diese Phä¬

nomene ganz entschieden den Ansatz von ägyptischem ^ als ursprünglichem Dental oder Sibilant, andererseits zeigen sie auch eine Reihe weiterer bemerkenswerter Perspektiven auf, wo bestimmte „fakultative" Lautwandel vom Hamitosemitischen zum Ägyptischen hin potentiell von der Natur der umgebenden Konsonanten her konditioniert sein könn¬

ten. Erwähnt sei hier nur die Einsicht, daß Labiale (insbesondere w) neben k und k eine Lautverschiebung zu c respektive c zumindest begünstigen. Eine ähnliche Einflußnahme könnte auch dahinter liegen, daß b,f und w nicht gerne mit h kombiniert werden, wohl aber mit /, das die palatalisierte Variante dazu darstellen dürfte. Eine genaue Analyse die¬

ser Daten wird voraussichtlich viel Erklärungspotential hinsichtlich „irregulärer" Laut¬

wandel geben und mutmaßlich auch den Sprachvergleich mit anderen hamitosemitischen Sprachen auf eine ganz andere Grundlage stellen.

Problematisch erscheint dem Rezensenten dagegen der Versuch des Autors, eine Reihe zusätzlicher Laute zu etablieren, welche durch die hieroglyphische Orthographie nicht direkt wiedergegeben werden, sondern auf indirekten Schlüssen beruhen. Insbesondere will er eine Reihe labialisierter Velarlaute (^" etc.) ansetzen. Seine Annahmen beruhen auf

folgenden Argumenten: Ein diesem Laut vorangehendes n könne im Koptischen als M er¬

scheinen; außerdem würde dieser Laut im Koptischen niemals palatalisiert, während nor¬

males k und g dies würden. Diese Argumentation scheint unzureichend. Zunächst einmal ist sie dadurch inkonsequent, daß Peust lediglich zwei labialisierte Vertreter ansetzt, nämlich Varianten zu k und g, nicht jedoch zwei Spielarten von k, obgleich es auch bei

Wörtern mit diesem Laut koptische Repräsentanten mit und ohne Palatalisierung gibt.

Andererseits kann auch ^ im Koptischen entweder als ^2, oder als ü) erscheinen, ohne daß Peust in diesem Fall zwei unterschiedliche Laute mit gleicher hieroglyphischer Schreibung ansetzt. Zudem erscheint das Belegmaterial für koptisches M vor diesem Velar recht schwach, da es sich meist allenfalls um Varianten handelt, während gerade bei CUMK., wo die Schreibung einheitlich ist, die Etymologie zweifelhaft ist. Empfehlenswert wäre

hier auch, den Befund des Demotischen verstärkt heranzuziehen, wo es für die meisten der in Rede stehenden Lexeme phonetische Schreibungen gibt, die aber keinen Hinweis

' Genaueres dazu bei J.F. Quack: „Die spätägyptische Alphabetreihenfolge und das .südsemitische' Alphabet." In: LingAeg 11 [im Druck].

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auf den betreffenden Lautwandel geben, der somit als ganz spätes Phänomen innerkop¬

tischer Entwicklung klassifiziert werden muß, für irgendwelche ursprünglichen ägypti¬

schen Laute aber nichts hergibt.

Zur Frage der Aussprache des ägyptischen r und seiner Korrespondenz mit dem Semiti¬

schen d insbesondere im Mittlereich Reich wäre noch Th. Schneider: „Sur l'etymologic de ner ,dicu'. Ä propos d'une interpretation recentc." In: SEAP 12 (1993), S. 77-86 nach¬

zutragen. Hinsichtlich des weitgehenden Lambdazismus im Fayum möchte der Rezensent noch darauf hinweisen, daß ein determinierender Faktor dafür, P zu bewahren und nicht zu \ zu verschieben, ein nachfolgendes gewesen sein dürfte, so in epp^ „König" (< pr-'^S) und pe „Sonne" (< r'^.w). Genauere Sichtung des Materials, das allerdings von Handschrift zu Handschrift und Subdialekt zu Subdialekt variiert, könnte vielleicht noch wehere kon- ditionierendc Umgebungen nachweisen.

Neben der Frage nach der ursprünglichen Aussprache werden auch die weiteren

Entwicklungen bis in die Endphase des Koptischen sorgfältig diskutiert. Eines der in¬

teressantesten Phänomene ist dabei die späte Palatalisierung (S. 120-122 § 3.9.4). Hier

kann der Rezensent hinzufügen, daß diese Entwicklung nicht erst im Koptischen ein¬

setzt, sondern im Demotischen mindestens ab der Ptolemäerzeit durchgeführt und bei

einkonsonantig ausgeschriebenen Wörtern auch im Schriftbild ablesbar ist. Dort wird nämlich einerseits das Zeichen für k, andererseits die aus der ursprünglichen ^j-Gruppe entwickelte „syllabische" Zeichenform' ausschließlich verwendet, wenn im Koptischen K vorliegt, dagegen alphabetisches k (ausgenommen das Suffixpronomen, das aber nicht als Einkonsonantenzeichen, sondern als historische Gruppe zu werten ist) und g, wenn im Koptischen 6 auftritt. Eine Durchsicht durch das Frühdemotische könnte eventuell Aus¬

künfte über den genauen Zeitpunkt des Lautwandels geben; ebenso wäre es reizvoll, späte

hieroglyphische und hieratische Orthographien daraufhin durchzusehen, auch wenn in

diesen stärker traditionsverhafteten Schriftsystemen voraussichtlich weniger konsequent auf neue Orthographien umgestellt worden ist.

Hervorheben möchte der Rezensent auch die Behandlung der vokalischen Epenthese im Bohairischen (S. 171f. § 3.17.3), welche die erste umfassende Darstellung dieses vorher nur in kurzen Anmerkungen bei Polotsky bemerkten Phänomens darstellt. Die klare Ausfor- mulierung führt zu einigen Modifikationen beim Ansatz der ägyptischen Nominalbildung.

Wirkliches Neuland betritt der Autor mit seinen Ansätzen zur Silbenstruktur. Bisher dominierende Lehrmeinung war, daß im Ägyptischen der frühesten rekonstruierbaren Phase jedes Wort auf einen Konsonanten endet und alle offenen Silben lang, alle geschlos¬

senen kurz sind. Hier will Peust (S. 176-188) gerade ein umgekehrtes Modell ansetzen, daß alle Wörter auf einen Vokal auslauten, alle geschlossenen Silben lang und alle offenen Silben kurz sind. Als Argument führt er auf der theoretischen Ebene an, es sei typolo¬

gisch höchst ungewöhnlich, daß eine Sprache keine auslautenden Vokale zulasse. Dane¬

ben will er einige Einzelfälle nachweisen, die besser zu seiner neuen Theorie passen. Diese Ansetzung wird sicher intensiv diskutiert werden müssen, schon jetzt möchte der Rezen¬

sent aber einige Zweifel vortragen. Was die typologisehen Vergleiche betrifft, sollte man vorrangig mit den semitischen Sprachen operieren, da diese mit dem Ägyptischen sprach¬

verwandt und in ihrer diachronen Entwicklung auch durch frühe Dokumentation recht

gut verstanden sind. Dort ist es aber so, daß die gängigen Rekonstruktionen zumindest auf der Ebene der Tiefenstruktur Muster postulieren, die der üblichen Rekonstruktion

' Zu ihr s. G. Vittmann: „Zum Gebrauch des ^j-Zeichens im Demotischen." In:

SEAP 15 (1996), S. 1-12. Ausgenommen von der oben formulierten Regel sind nur Schrei¬

bungen, in denen ky als historische Gruppe auftritt, etwa k>m „Garten".

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des Frühägyptischen nicht unähnhch sind, nämhch bei Substantiven eine lionsonantische Endung' und dahinter die Kasusvokale ansetzen. Da letztere im Ägyptischen fehlen, kann man hier eine wenigstens indirekte Evidenz zugunsten der traditionellen Auffassung sehen. Andererseits wäre es typologisch sehr eigenwillig, wenn offene Silben generell kurz, geschlossene dagegen lang sein sollen - gerade im semitischen Bereich tolerieren viele Sprachen in geschlossenen Silben Langvokale gar nicht oder nur unter speziellen

Ausnahmebedingungen. Bleibt die Frage, ob die speziellen Argumente tragfähig sind.

Der Rezensent hat aber Zweifel: Bei den (wenigen) „einkonsonantigen" Substantiven des

Ägyptischen kann methodisch nie ausgeschlossen werden, noch einen schwachen Kon¬

sonanten im Auslaut anzusetzen. Beim Gottesnamen Seth ist der von Peust angesetzte Lautübergang ts > c > t zumindest für den ersten Sehritt im vorkoptischen Ägyptisch ohne Parallele, auch fehlen Graphien völlig, die den zweiten Schritt belegen würden. Viel plausibler ist, daß bei diesem Namen, der immerhin für einen negativ besetzten und ge¬

fährlichen Gott stand, bewußte Verstümmelung des Auslautes betrieben wurde - man

beachte, wie in der Spätzeit hieroglyphische und hieratische Belege üblicherweise nicht I I (s), sondern c^i (Stein-Determinativ) schreiben. Beim Ycrh ptr könnte man durch¬

aus im Sinne der traditionellen Auffassung fragen, ob der Verlust des t nicht von einer status-constructus-Form wie p'tr" = f ausgegangen ist. Umgekehrt ist zu fragen, wie plau¬

sibel der durchgängige Verlust von auslautendem t und r noch ist, wenn im Rahmen von Peusts Theorie stets noch ein Vokal darauf folgte.

Die Vokalisation ist angesichts der meist sehr indirekten Natur der Belege ein noto¬

risch schwieriges Kapitel. Der Autor präsentiert das spröde Material sehr sorgfältig. Zu beachten ist, daß er hinsichtlich des H im Spätkoptischen frühere optimistische Ansätze weitgehend zurücknimmt (S. 228-230).

Zur Diskussion um die problematische Natur des „Doppelvokals" einiger koptischer Dialekte sei hinsichtlich Punkt 5.2.3.4 bemerkt, daß die Diskussion um das Sonder¬

zeichen I des pBodmer 6 gänzlich neu geführt werden muß, da dessen Zeichenform

entgegen herrschender Meinung unmöglich auf demotisches j, sondern nur auf demoti¬

sches n zurückgeführt werden kann. Eventuell steht das Zeichen für eine fakultative Na¬

salisierung, wo es nicht ohnehin etymologisch einem n entspricht. Davon abgesehen, hält der Rezensent es für einen durchaus interessanten Ansatz, wenn Peust in Schreibungen des Typs COO) nicht Vokal plus Stimmabsatz sieht, sondern eine Quantitätenangabe (und entsprechend auch die Opposition etwa von O und ü) nicht als Quantitäten-, sondern als Qualitätenopposition interpretiert). Zugunsten dieser Ansicht spricht jedenfalls, daß in demotischer Orthographie kein Zeichen für Stimmabsatz im Wortinneren verwendet wird, obgleich das Zeicheninventar die Möglichkeit dafür bieten würde.

Zusammengenommen hält der Rezensent das vorliegende Werk für eine sehr gute und

nützliche Arbeit, die an vielen Punkten auch den Leser zu weiterer Arbeit anregt und so die Forschung voranbringen wird.

Einige Detailanmcrkungen:

Da b't, „rasen, verzückt sein" erst im späten Neuägyptisch als syllabische Schreibung auftaucht, hält der Rezensent es gegen S. 132 kaum für einen geeigneten Kandidaten für eine Bewahrung von ursprünglichem > als r und möchte die etymologische Verbindung zu koptisch CpCDpr anzweifeln.

Ägyptisch nw.t „Garn" kann angesichts der demotischen Schreibung In-nw.t oder In-n^ kaum mit kopt. AÄYO „Segel" zusammenhängen (gegen S. 132).

' Bei Halbvokalen auf der Ebene der aktuellen Aussprache meist vokalisch aufgelöst.

2 Dazu Quack: Enchoria 21 (1994), S. 188.

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Gegen die S. 241 vorgetragene Theorie liann äg. sr.t „Dorn" kein Lehnwort aus dem Semitischen sein, da semitisches s in Lehnwörtern als c wiedergegeben wird und die Fe¬

mininendung t bei Übernahme im Neuen Reich erhalten bleiben müßte.

Gegen die von Meeks übernommene Etymologie des koptischen CT^XOYA „Spinne"

als '■^sci-c'^r.w spricht, daß dieses Wort in einem unpublizierten demotischen Text als stkr erscheint.

Die S. 124 u. 247 angenommene etymologische Ableitung von OYGlTe „weggehen" von ägyptisch wdi hält der Rezensent nicht für zutreffend.

Elanskayas Deutung der Stative koptischer Kausativverben, die S. 257 Anm. 322

akzeptiert wird, ist vor dem Hintergrund der diachronen Entwicklung insbesondere des Demotischen nicht zu halten, da entsprechende Formen erst im Spätdemotischen auftreten, lange nachdem die Passivbildung mit tw aus der gesprochenen Sprache verschwunden ist.

Koptisches CTNIg „Asche" dürfte gegen die bisherige Lehrmeinung (und S. 282) überhaupt kein Kompositum mit Vornbetonung sein, sondern im zweiten Teil ''^.r „Ruß, Asche" enthalten, das in einem unpublizierten demotischen Text belegt ist.

Zum Gott Osiris gibt es bereits ab der Dritten Zwischenzeit Schreibungen, die zwei¬

felsfrei w als ersten Konsonanten angeben, so daß die S. 262 vorgetragene Theorie be¬

denklich ist; s. im übrigen zuletzt J. Zeidler: „Zur Etymologie des Gottesnamens Osiris."

In: SAK 28 (2000), S. 309-316.

Joachim Friedrich Quack, Berlin

Rosalie David: The Experience of Ancient Egypt. London/New York: Routledge 2000.

XXII, 192 S. ISBN 0-415-03263-6. £ 45,-; $ 57,-.

Archäologie wird oft als die unumstößlich exakte Beschreibung von ebenso unumstö߬

lich exakten Fakten mißverstanden. Diesem Mißverständnis entgegenzutreten, ist das

Ziel der Publikation von Rosalie David. In ihrem Buch werden die Kenntnisse, die

die Ägyptologie heute im akademischen Rahmen vermittelt, in ihren historischen und auch personalen Kontext gestellt. Das Wissen um das alte Ägypten wird als Resultat eines Prozesses aus Erfahrungen und Erlebnissen (das im Deutschen schwer wiederzu¬

gebende „experience") beschrieben, der sich z.T. über Jahrhunderte erstreckt und der von bestimmten Persönlichkeiten gestaltet wird. Dabei liegt das Augenmerk der Autorin darauf, sowohl ein Uberblick über den bisher erzielten Kenntnisstand zu liefern, als auch die Wege zu beschreiben, über die man zu jenen Kenntnissen gelangte. Das „was?" und das „wie?" werden miteinander verknüpft und die Ägyptologie als Wissenschaft wird so zum Gegenstand ihrer selbst. Denn das Buch versteht sich nicht nur als eine Wissen¬

schaftsgeschichte, sondern auch als eine Einführung in die Ägyptologie, ihre Themen, ihre Quellen und ihre Methoden.

Das Werk setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Teil I - „ A Portrait of Ancient Egypt" - gibt eine knapp gehaltene Übersicht über wesentliche Schwerpunkte ägyptologischer Forschung. Der Zielsetzung der Arbeit folgend steht dabei nicht nur die Präsentation von

Fakten im Mittelpunkt, sondern auch eine Beschreibung der Entwicklung des Wissen¬

standes über das jeweilige Thema. Kapitel I („The Historical Outline of Ancient Egypt") behandelt die Chronologie und Ereignisgeschichte der pharaonischen Zeit. Beginnend mit Manetho und den altägyptischen Quellen werden die Probleme der relativen und ab¬

soluten Chronologie gestreift und schließlich die wesentlichen wissenschaftlichen Werke zur altägyptischen Geschichte genannt. Gegenstand der Kapitel 11 („Funerary Beliefs and

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Customs") und III („The Religion of the Living") sind die im weitesten Sinne religiösen

Phänomene altägyptischer Kultur. In beiden Abschnitten stehen bestimmte Themen im

Mittelpunkt - Pyramiden, Totentexte, die Götterwelt und schließlich die Aton-Religion - zu denen Forschungsgesehichte und wesentliche Interpretationsansätze referiert werden.

Kapitel IV behandelt das „Everyday Life". Hier werden anhand von Siedlungsgrabungen gewonnene Erkenntnisse zu sozialen Fragen, der Siedlungsgeschichte und Lebensweise aufgeführt. Das den Teil I abschließende Kapitel V behandelt die „Literary Sourees",

deren besondere Bedeutung bereits in der Einleitung hervorgehoben wurde. Im Ge¬

gensatz zu manchen anderen archäologischen Fächern verfügt die Ägyptologie über ein reiches schriftliches Quellenmaterial, das einen äußerst differenzierten Zugang zu sonst kaum erforschbaren kulturellen Bereichen gestattet. Auch hier werden die Genre, ihre Hauptquellen und die wesentlichen wissenschaftlichen Werke genannt.

Teil II - „The Development of Egyptology" - ist wesentlich ausführlicher und umfaßt etwa zwei Drittel des Buches. Chronologisch aufgebaut werden die wichtigsten Etappen der Erforschung der altägyptischen Kultur vorgestellt. Kapitel VI („Classical and Medi¬

eval Interest in Egypt") behandelt die Werke der antiken Schriftsteller von Herodot bis Strabo und beschreibt das allmähliche Verlöschen der pharaonischen Kultur in der Spätantike und im frühen Mittelalter. Kapitel VII („The Renaissance Period") bespricht

das erwachende Interesse europäischer Gelehrter an Ägypten, das sich in diversen

Reiseberichten und den ersten Versuchen einer systematischen Zusammenfassung des

Kenntnisstandes über das sagenhafte Reich am Nil niederschlägt. Mit der Entzifferung

der Hieroglyphen - Thema von Kapitel VIII („The Decipherment of Egyptian Hiero¬

glyphs") - gelang schließhch der Durchbruch, der es erlaubte, die altägyptischen Quellen

im ganzen Umfang wissenschaftlich auszuwerten. Das Kapitel behandelt nicht nur die

wesentlichen Etappen der Entzifferung der ägyptischen Schriftzeichen, sondern gibt

auch einen kurzgefaßten Überblick über die ägyptische Schrift und über die weiteren Fortschritte der philologischen Forschung. Wie bereits in Teil I werden die wichtigsten wissenschaftlichen Exponenten und ihre Werke genannt und kurz charakterisiert. In die¬

ser Art und Weise wird auch in den folgenden Kapiteln vorgegangen, die, der chronologi¬

schen Entwicklung in etwa folgend, die Dokumentation erhaltener Monumente (Kap. IX

„Recording the Monuments") und die Ausgrabung zerstörter und verschütteter Hinter¬

lassenschaften (Kap. X „Excavating the Sites") behandeln. Ein abschließendes Kapitel XI („The Contribution of Biomedical Studies") behandelt neuere naturwissenschaftliche Ansätze, die bei der Untersuchung menschlicher Überreste angewandt werden.

Das Buch ist von einer ausgewiesenen Expertin für altägyptische Religion und funeräre Kultur geschrieben, die zudem über eine reiche Erfahrung als akademische Lehrerin an der Universität Manchester und als Kuratorin der ägyptischen Sammlung des Manchester Museums verfügt. Adressiert ist es an einen weiten Interessentenkreis, der neben den Fachgelehrten auch jene umfaßt, die sieh für die altägyptische Kultur bzw. Archäologie und Geschichte allgemein interessieren. Der Stil des Werkes ist knapp gefaßt und flüssig,

unterhält neben dem trockenen Stoff wissenschaftlicher Faktologle immer wieder mit

Anekdoten, biographischen Details und Nebenbemerkungen, wodurch dem Leser kaum

bewußt wird, welch eine Fülle von Material vor ihm ausgebreitet wird. Das Werk gehört in die gute anglophone Tradition des text-book, der von Fachleuten geschriebenen Einfüh¬

rung in ein oft kompliziertes Feld wissenschaftlicher Forschung, dem im Deutschen mit dem unsäglichen journalistischen „Sachbuch" nur der illegitime Bastard zur Seite steht.

Nicht zu übersehen ist indes, daß das Werk nur bedingt dem eigenen Anspruch ge¬

recht wird. Offenbar unter gewissem Zeitdruck entstanden, häufen sich Dopplungen und kleinere Unregelmäßigkeiten, die bei einem sorgfältigeren Lektorat sicher zu vermeiden

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gewesen wären.' Schwerer wiegt aber, daß zwischen den beiden Teilen nur ein loser Zu¬

sammenhang besteht, was sich u.a. wieder in gewissen inhalthchen Überschneidungen niederschlägt. Im Kern ist Teil I ein reader bzw. eine kurz annotierte Bibliographie zur pharaonischen Kulturgeschichte; Teil II dasselbe zur Geschichte der Ägyptologie. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier Vorlesungsstoff zweier akademischer Einführungskurse literarisch aufbereitet und in Druck gegeben wurde. Was an sich nicht zu tadeln ist, denn das Buch bietet sowohl dem Interessenten wie auch dem Fachgelehrten eine äußerst nützliche Zusammenstellung von Fakten zu den verschiedenen Themen. Spä¬

testens aber, wenn es um aktuelle archäologische Aktivitäten oder gar wissenschaftliche Ansätze geht, bleibt zu vieles unerwähnt. Daß bei der Besprechung der archäologischen Arbeit seit dem zweiten Weltkrieg eigentlich nur noch britische Aktivitäten Erwähnung finden, mag der adressierten Leserschaft geschuldet sein. Auch kann man bei einem 190 Seiten starken Bändchen nicht erwarten, daß alle Aspekte der Entwicklung ägyptolo¬

gischer Forschung in extenso Beachtung finden. Und daß zum Abschluß des Kapitels

zu den Ausgrabungen festgestellt wird, daß allen Fortschritten zum Trotz die Frage der biblischen Josephslegende und des Exodus noch keine schlüssige archäologische Klärung erfahren hat, mag als Reminiszenz an die Entstehung der britischen Ärchäologie in Ägyp¬

ten gelten und muß nicht als Programm für zukünftige Schwerpunktsetzungen verstan¬

den werden. Äber zwei gewichtige Einwände sind zu erheben.

Was erstens gerade im theorienfreundlichen anglophonen Kontext verwundert, ist die

völlige Abstinenz der Beschäftigung mit neueren Methoden oder Fragestellungen. Das

abschließende und gewissermaßen für die moderne Ägyptologie stehende Kapitel XI be¬

handelt ausschließlich die Untersuchung menschlicher Überreste mit naturwissenschaft¬

lichen Methoden - ein Projekt, in das die Autorin als Initiatorin des Manchester Mummy Research Project selbst involviert ist.^ Andere Felder der Zusammenarbeit von Ägypto¬

logie und Naturwissenschaft - etwa auf dem Gebiet der Keramikologie, der experimen-

' Dieselbe Information wird mitunter in mehreren Kapiteln (z.B. daß Zoega die

Leserichtung der Hieroglyphen erkannte S. 70 und 74) oder sogar im selben Äbsatz (z.B.

daß Seyffarth nach Amerika auswanderte S. 80 und 81) wiederholt. Amr eroberte 640

Ägypten nicht für die Umayyaden, die, wie eine Seite später auch festgehalten, erst ab 658 regierten (59f.). G.M. Crowfoot schrieb überdie ,Tunic of Tutankhamun" nicht 1914 (da war das Grab noch nicht entdeckt), sondern 1941, und es war keine Monographie, sondern ein gemeinsam mit N. de Garis Davies verfaßter Artikel in JEA 27 (S. 31). Die Idee, daß

die in der dritten Zwischenzeit vorgenommene Umbettung und damit verbundene Berau¬

bung der königlichen Bestattungen des Neuen Reiches auch ein ökonomisch motiviertes

Unternehmen war, wurde zwar von N. Reeves geäußert, wird in dem von ihm 1992 her¬

ausgegebenen Konferenzband After Tut'ankhamun aber nur in einem Artikel von J. Tay¬

lor zitiert (op.cit.: 188), während Reeves selbst diesen Gedanken in seinem Buch Valley of the Kmgs. The Decline of a Royal Necropolis (London 1990, S. 276-278) entwickeh (S. 163).

Das Thema wird im übrigen ausführlich von K. Jansen-Winkeln („Die Plünderung der

Königsgräber des Neuen Reiches." In: ZÄS 122 [1995], S. 62-78) behandelt, der darauf verweist, daß eine dahingehende Bemerkung sich bereits bei E. Hornung (Tal der Könige.

Ruhestätte der Pharaonen. Zürich/München 1982, S. 78) findet. Der Sonnentempel des

Niuserre wurde von L. Borchardt und H. Schäfer nicht für die Deutsche Orient-

Gesellschaft ausgegraben, sondern Grabung und Publikation finanzierte F.W. Freiherr VON Bissing, der die Konzession im Namen des Berliner Museums hielt (S. 24).

^ Äuch hier werden viele derartige Projekte in Großbritannien aufgeführt, nicht hingegen die Ärbeiten deutscher Wissenschaftler z.B. beim interdisziphnären Mumien- Projekt in Hildesheim, in dem auch soziologische und historische Fragen mit der bio-

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teilen Archäologie, der Prospektion und Dokumentation archäologischer Fundplätze etc. - bleiben unerwähnt. Gänzlich abwesend ist schließlich die Auseinandersetzung mit solchen Forschungsansätzen, die soziale, weltanschauliche oder archäologietheoretische Fragen behandeln. Archäologie ist für die Autorin offenbar eine technische Wissenschaft, die sich auf das Beschreiben von Fakten beschränkt. Daß sie auch eine Geistes- bzw. Ge¬

sellschaftswissenschaft ist, wird kaum reflektiert. Darin liegt auch das große Manko der

wissenschaftshistorischen Abschnitte, in denen kurzweilig aus dem Leben großer Ge¬

lehrter geplaudert wird, es aber keinerlei Bemühen gibt, wissenschaftliche Erkenntnis, die politische Entwicklung und den kulturhistorischen Zeitgeist miteinander in Beziehung zu setzen. So konterkariert sich der in der Einleitung formulierte Ansatz selbst, daß man Wissenschaft im Kontext der eigenen Historie sehen muß.

Ein zweiter Einwand betrifft die wissenschaftshistorische Sichtweise. Die Autorin be¬

schreibt die Ägyptologie als ein rein europäisches Projekt, die seit dem Mittelalter seinen ge¬

wissermaßen gesetzmäßigen Weg zu den Lehrstühlen der Universitäten ging, und diese Uni¬

versitäten stehen ofTenbar vor allem in Großbritannien. Nordamerikanische, französische und deutsche Forscher nach 1900 finden noch Erwähnung, italienische Unternehmungen aber schon nicht mehr, ebensowenig die sich seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ent¬

wickelnde Ägyptologie in Osteuropa, Spanien, Lateinamerika und Japan. Die nationalägyp¬

tische Ägyptologie wird - wie leider allgemein übhch - höchstens als Seitentrieb der euro¬

päischen angesehen und die afrikanische Sicht auf das pharaonische Ägypten nicht erwähnt.

Man mag den jeweiligen Schulen gegenüberstehen, wie man will, aber eine derart begrenzte anglo-zentristische, in Teilen gar manchester-zentristische' Sichtweise ist dem Anspruch einer modernen Wissenschaftsgeschichte der Ägyptologie sicher nicht mehr angemessen.

medizinischen Untersuchung einer Mumie verbunden wurden (siehe B. Schmitz: Un¬

tersuchungen zu Idu II, Giza. Hildesheim 1996 [HÄB. 38]). Diese einseitige Sichtweise schlägt sich auch in der Besprechung moderner Siedlungsgrabungen nieder, von denen die der EES in Amarna erwähnt wird, die österreichische Unternehmung in Teil ed-Daba

immerhin einen Halbsatz abbekommt, die deutschen Grabungen in Elephantine aber gar

nicht erscheinen. Auch ist eine Bemerkung wie die zu Junker „although he never achieved the Standards reached by Petrie or Reisner" (144) zumindest diskutabel. Denn immerhin lagen Junkers Grabungen in Giza noch zu seinen Lebzeiten ausführlich publiziert vor, während an der Publikation der REiSNERschen Grabungen in Giza nach wie vor gearbeitet wird. Und St. J. Seidlmayer („Funerärer Aufwand und soziale Ungleichheit." In: Göttin¬

ger Miszellen 104 [1988], S. 32f.) konnte anhand der Daten des von Junker ausgegrabenen Friedhofes von Turah statistisch errechnen, welchen Prozentsatz von Bestattungen ohne Beigaben Petrie in seinen Publikationen vergleichbarer Friedhöfe - hier am Beispiel von Tarchan gezeigt - einfach unberücksichtigt ließ.

' Die Auswahl der Abbildungen ist auf solche konzentriert, die aus Bibliotheken und Archiven in Manchester (und Liverpool) stammen. Mit Manchester verbundene Projekte

wie die Arbeiten von Petrie und Garstang und das Manchester Mummy Project werden

ausführlich referiert. Nimmt man den besonders in Teil I offenbaren Charakter des Werkes als studienbegleitendes text- oder source-book hinzu, so kann man die Publikation auch als eine Art Hausbuch des Certificate in Egyptology course der Universität Manchester verstehen. Dann ist aber zu bedauern, daß dieser Aspekt - Manchester als Wissenschafts¬

standort - zu wenig ausgeführt wird. Die Universität Manchester hat sich als innovatives

Forschungszentrum im 19. und 20. Jahrhundert etabliert, u.a. mit der berühmten Man¬

chester School of Ethnology (Max Gluckmann und Schüler); ein Umstand, der sicher

beförderte, daß gerade hier die wegweisenden biomedizinischen Mumienuntersuchungen von Margaret Murray 1908 und der Autorin seit den Achtziger Jahren stattfanden.

(10)

Diese Einwände sohen aber nicht über den Wert des Buches gestelh werden. Der Autorin ist es ohne Frage gelungen, eine fast unüberschaubare Menge an Material und Verweisen in gut lesbarer, mitunter amüsanter Weise zusammenzufassen. Das Buch kann nicht nur Ein- steigern in die Ägyptologie empfohlen werden, sondern wird auch dem, der sich intensiv mit dem Thema Wissenschaftsgeschichte befaßt, eine nützliche Quelle und Anregung sein. Daß die Kritik am Werk z.T. grundsätzlich ausfallen muß, zeigt seine Stärke auf: daß es nämlich mehr als nur ein „Sachbuch" ist, daß es einen wissenschaftlich ernst zu nehmenden Ansatz verfolgt und gerade aus diesem Grund einigen Stoff zur kritischen Reflektion bietet.

Martin Fitzenreiter, Berlin

Jaakko Hämeen-Anttila: A Sketch of Neo-Assyrian Grammar. With the assistanee of

Mikko Luukko and Greta Van Buylaere. Helsinki: Institute for Asian and African

Studies, University of Helsinki 2000. xiv, 174 S. (State Archives of Assyria Studies. 13.) ISBN 951-45-9046-5. $ 32,50.

Eine neuassyrische Grammatik? Laute Erwartung und leise Enttäuschung. Man soll

allerdings das Wort „sketch" im Titel ernst nehmen. ,The book is not an overall descrip¬

tion of the language but it selectively highlights those features where NA differs from the other dialects of Akkadian" (Introduction S. xiii). Es ist aber auch in dieser Einschrän¬

kung kein neuer Wurf. Es ist im Wesentlichen die englische Fassung einer Magisterarbeit 1986. 2000 wurden „added a few chapters [welche?] and made some stylistic changes". Der Autor hat sich in den 90er Jahren ganz der Arabistik und der Islamkunde zugewandt. Auf

lange Sicht mag es zwar von wenig Belang sein, ob wir eine „Skizze" der neuassyrischen Grammatik von 1986 oder von 2000 benutzen; doch bedauert man, daß der beachtliche Bearbeitungsfortschritt zwischen 1986 und 2000 nur ganz ausnahmsweise seinen Nieder¬

schlag gefunden hat, was auch für die Bibliographie gilt. So ist K. Fabritius' wichtiger Artikel über Vokalharmonie-Ausnahmen (JCS 47 [1995], 51-55) zwar in der Bibliographie

erwähnt, inhaltlich aber nicht berücksichtigt.

Man könnte noch einwenden, daß selbst für eine „overall description" die ausgewählte Textbasis viel zu schmal ist.

Vier größere Kapitel: „Orthography", „Phonology", „Morphology" und „Syntax".

„Verbal Paradigms" der beiden Mitarbeiter. Unter den Indizes (Grammatical, Textual re¬

ferenees. Verbal paradigms) vermißt man einen Wortindex (wo z.B. finde ich aki, emüqä-, kalümu, uzuzzu), was die gezielte Benutzung erschwert.

1. In „Orthography" (S. 3-6) warnt der Autor mit Recht davor, Abweichungen von der Norm auf die Goldwaage lautlicher Interpretation zu legen, z.B. e-mur-ru für emmurü

„sie sehen".

2. „Phonology" (S. 9-39) hätte besser „Phonology, Phonetics, and Morphophonol¬

ogy" überschrieben werden sollen, da nicht allein die - schwer lösbare - Frage nach dem Phoneminventar des Neuassyrischen berührt wird, sondern auch zahlreiche Fälle phono¬

taktischer Lautveränderungen sowie freier - oder manchmal nur orthographischer - Va¬

rianten diskutiert werden.

Die „so-called Assyrian vowel harmony" (S. 30f.), auf die übrigens ein Hinweis im

„Grammatical Index" S. 165f. fehlt, ist leider unzulänglich beschrieben. Der Rückverweis auf das Mittelassyrische müßte unbedingt bis ins Altassyrische ausgedehnt werden. Wie schon oben notiert, fehlt ein Hinweis auf Fabritius 1995.

(11)

3. „Morphology" (S. 43-103) ist erwartungsgemäß am umfangreichsten. Hier kommt

- verglichen mit Pronomina, Adverbien, Enklitika, Konjunktionen, Subjunktionen, In¬

terjektionen und Präpositionen - der Abschnitt „Nouns" (S. 77-84) eher karg weg. Man

hätte sich Ausführlicheres zur Pluralbildung und zum Grammatikstiefkind Status con¬

structus (Beispiele für fem. fehlen) gewünscht.

Beim Verbum sind unter „Weak Verbs" auch Verba primae aleph und tertiae infirmae inbegriffen.' Als „irregulär verbs" werden tadänu „geben", uzuzzu „sich hinstellen", da änu „stark werden", nasü „tragen" und usäbu „sitzen, sich aufhalten" (wegen des he- teronymischen Stativs kammusfuj) gebucht.

Mit besonderem Interesse liest man das 4. Kapitel „Syntax" (S. 107-134). Hier wird tatsächlich eine Lücke gefüllt. Behandelt werden sowohl die Funktionen der „Copula",

„tenses", „moods" (der Infinitiv ist freilich kein Modus, wie S. 1 13f. angenommen) als auch Zusammenspiel von Satzteilen: Kongruenz von Subjekt und Prädikat, Wortfolge im Satz, Topikalisierung, Satzteilverbindung; sodann das Zusammenkommen gleichgeordneter wie auch über- und untergeordneter Sätze.

Beim abschließenden Unterkapitel 4.5.10 „Quotations" (S. 135f.) ist dem Autor dann leider der Atem ausgegangen. Die Beschreibung der Partikel mä in ihrem ganzen Anwen¬

dungsreichtum ist höchst dürftig ausgefallen.

Einzelbemerkungen:

S. 15: 2.1.5. Bei der Erörterung der Frage, wie neuass. [s] ausgesprochen worden ist, sollte unbedingt auch R.C. Steiner berücksichtigt werden: Affricated Sade in the Semitic Languages (1982).

S. 26 und 91: Zur Erklärung von neuass. qurbu „nahe" statt qerbu/qarbu hatte der Rez. in ZA 73 (1983), 135 Analogiebildung nach rüqu „fern" vorgeschlagen. M.P. Streck verweist mich nun darauf, daß „auffällig viele Beispiele für den Wechsel a > u in der Um¬

gebung eines Labials (pu^ru, musul, nupsäte, mu-da-bi-ri, ubsäte) stattfinden. Weitere Untersuchung ist sehr erwünscht.

S. 34: Angesichts von SAA 5, 121 r. 14f. dibbi la-äs-la-mu'-te „unbestätigte Nachrich¬

ten" (statt ''dä salmüte) verweist der Verfasser auf die arabische Dialekterscheinung des

„gahäwa-Syndroms" (vgl. auch schon S. 91 Z. 4; s. Rez. in ZDMG 134 [1984], S. 238 Fn. 3).

Aber solange diese Erscheinung (VCjC^V > (V)C,VC2V) auf keiner der beiden Seiten (Arabisch, Akkadisch) gründlicher erforscht ist, wird man den neuass. Beleg einstweilen nur als unerklärten Einzelfall ansehen dürfen.

S. 45 Z. 19: Statt ,They" übers, „my scouts" (dajjälija).

S. 49: 3.1.3. Zum Pronominalsuffix (Possessiv) der 1. PL, das nur als -ni angeführt wird, fehlt Deller 1966b, der feststellen konnte, daß „unser Herr" belini lautet, also eine dop¬

pelte Kennzeichnung trägt: -i+ni. S. 82 ist eine solche Form übrigens auch erwähnt.

S. 64: Rez. versteht nicht, warum -ma und -meni, die Fragewörtern angehängt sind, als eigenständige „indefinite adverbs derived from interrogatives" aufgeführt werden.

S. 67?f.: Unter adi/u „until" wäre ein Hinweis nützlich auf (q)udini + Neg. „(not) yet"

S. 61, falls die in AHw. 1401 s.v. udini angenommene Verbindung mit babylonisch adini zutrifft.

' Die flexionsbezogenen Begriffe „stark" und „schwach" sind in der Semitistik wie auch in der Indogermanistik veraltet. „Schwach" ist in der W. von Soden und anderen folgenden Akkadistik ein Verbum, das sich nicht der Dreiradikaligkeit - mit oder ohne

Besonderheiten - unterwerfen will; dagegen ist ein germanisches Verbum stark, wenn

es die Kraft zum Ablaut oder sonstiger Besonderheit aufweist. Folgt es voraussagbarer Regel, ist es schwach!

(12)

S. 88 Z. 12 v.u.: Lies linnepis statt „linnepis". Imphzhe korrekt S. 150 im Paradigma amäru N: innamir (nicht innamir^/).

S. 93: Die Feststellung „The precative is formed whh the particle /«, which is contracted with prefixes beginning with a vowel ..." ist allenfalls prähistorisch, aber nicht einmal

diachronisch-akkadisch zutreffend. Wir müssen unterscheiden zwischen freiem [lü]

und präfigiertem [1], was immer der Ursprung des letzteren gewesen sein mag. Vgl. Rez.,

Or. 42, 1973, 131; danach M.R Streck: Zahl und Zeit. Groningen 1995, 210 Anm. 480;

AfO 44/45 (1997/1998), 320; D. Testen, JSS 38 (1993), 1-13.

S. 97 Z. 15: „infix -ia- before the flrst radical" liest sich als Widerspruch in sich.

S. 121 Z. 16,124 Z. 10 oder 126 Z. 15 enthahen jeweils akkadische Sätze mit einem oder zwei mä, dessen Funktion S. 133,4.5.10 „Quotations" nicht erläutert wird. Für mä gibt es in der Tat noch einen großen Nachholbedarf.

S. 157: Warum steht im Paradigma laqü „nehmen" unter „G z" (d.h. Haqqi) und nicht zusammen mhpatä „öffnen" unter „G e" (d.h. ilaqqe). Die Orthographie (KIN = qe, qi) liefert keine Handhabe, und historisch (LQH) wäre "G e" unbedingt vorzuziehen. Oder es müßte die Unterscheidung i/e ganz aufgegeben werden.

Die vorangehende Anmerkungsliste hat nur ausgewählt. Ausführliche Kritik muß

näher erprobten Spezialisten des Neuassyrischen überlassen sein.

Wir werden wohl - und nicht ganz ohne Dank - auf die Arbck von Jaakko Hämeen-

Anttila zurückgreifen müssen, solange das hoffentlich nicht utopische Ziel einer gut und groß angelegten neuassyrischen Grammatik noch nicht erreicht ist.

Dietz Otto Edzard, München

Joseph M. Brincat: Il-Malti. Elf Sena' ta' Storja. Il-Pjetä: Pubblikazzjonijiet Indipen- denza 2000. XII, 236 S. ISBN 99909-41-68-8.

Der Verfasser legt hier die Geschichte der maltesischen Sprache vor, wie sie sich in 1000 Jahren herausgebildet hat. Für die Entwicklung des Maltesischen ist die vorliegende

Monographie ein wichtiges Werk. Es ist der Kategorie der Forscherprosa zuzurechnen.

Heinz Kloss sagt in Die Entwicklung neuer germanischer Kultursprachen seit 1800

dazu: „Zur Forscherprosa gehören vor allem solche Bücher und Zeitschriftenaufsätze, die Originalforschungen enthalten ..."' Das trifft für Brincats Buch zu. Es ist ein Werk von höchstem wissenschaftlichen Rang, und das Besondere an ihm ist, dass es auf Maltesisch geschrieben ist. Durch das Erscheinen dieser Monographie wird offenkundig, dass das Maltesische seinen höchsten Ausbaugrad erreicht hat. Von den vielen Themen, die in der Monographie behandelt werden, kann ich nur auf einige Aspekte eingehen.

Von Tunesien aus besetzten die Araber ab 827 Sizilien. Sie brachten die maghrebini¬

sche Varietät des Arabischen dorthin, die sich zum sikulo-arabischen Dialekt weiterent¬

wickelte. Danach eroberten sie von Sizilien her die maltesischen Inseln. Aber die Araber besiedelten das eroberte Malta nicht. Sie ließen es im Zustand eines unbewohnten Öd¬

landes. Brincat argumentiert an Hand eines Textes von al-Himyarl, den er kurz zuvor veröffentlicht, übersetzt und kommentiert hatte. Erst im Jahre 1048/1049, nachdem die Araber einen byzantinischen Angriff auf Malta abgewehrt hatten, besiedelten sie es in

größerem Maße als vorher. Die neuen Siedler brachten aus Sizilien den sikulo-arabischen Dialekt nach Malta. Auf Grund dieser Sprache bildete sich das Maltesische heraus.

' Heinz Kloss: Die Entwicklung neuer germanischer Kultursprachen seit 1800. Düs¬

seldorf ^1978 (Sprache der Gegenwart. 37), S. 45.

(13)

1061 eroberten die Normannen Sizihen. Allmähhch wurde dort der sikulo-arabische Dialekt wieder verdrängt und durch den romanisch-sizilianischen ersetzt. Die Norman¬

nen eroberten 1090 von Sizilien her Malta. Brincat zeigt (42), wie in der Folge davon Menschen aus Sizilien nach Malta kamen und ihren sikuloromanischen Dialekt dorthin brachten. Es waren Soldaten, Seeleute, Kaufleute, Handwerker, die Verwaltung, Geistliche und Leute der Kirche und was mit ihr zusammenhing. Berufe wie Notare, Ärzte, Lehrer, Mönche, Nonnen brachten das romanische Element hoch. Sizilianisch wurde die formale Sprache. Das arabisch bestimmte Maltesisch wurde weiterhin gesprochen. S. 46 gibt Brin¬

cat Varietäten an, die damals (wohl um 1400) gesprochen und geschrieben wurden. Es ist hier anzumerken, dass immer die Rede davon ist, dass ein Ausdruck Semitiku ist. Warum schreibt der Autor nicht Gharbi} Es handelt sich doch immer um das Arabische. Andere semitische Sprachen - Phönizisch, Punisch, Hebräisch - stehen hier nicht zur Diskussion.

Zweifellos ist eine Reihe von maltesischen Wörtern sizilianischen Ursprungs. Brincat fragt als erster Erforscher des Maltesischen (48): „Kann man genau den Ort in Sizilien an¬

geben, aus dem der betreffende Ausdruck stammt?" Hier ist die Sprachgeographie gefragt.

Zu dem Problem hat Brincat eine Tabelle angelegt, die den geographischen Ursprung gewisser Ausdrücke anzeigt, und er äußert sich dazu (69): „Minn din it-ta-bella jidher car li 1-korrispondenzi tal-Malti ma jaqblux biss ma' zona wahda ta' Sqallija, imma daqqa ma' wahda u daqqa ma' oftra." („Aus dieser Tabelle geht klar hervor, dass die Übereinstim¬

mungen des Maltesischen nicht nur für eine Zone gelten, sondern ein Mal für diese, ein anderes Mal für jene.")

Das Thema der nach Wortarten, nach Verfahren der Wortbildung, nach grammati¬

kalischen Erscheinungen, nach der Verwendung in der Literatur getrennten Einflüsse des Sizilianischen wurde bisher in großem Maßstab noch nicht behandelt. Nur einiges wenige kann Brincat beispielhaft herausgreifen. Ausdrücke der Landwirtschaft finden sich überwiegend im Arabisch-Maltesischen. In dem Bereich des Bauhandwerkes werden eher romanische (sizilianische oder toskanische) Wörter verwendet (79). Alles was mit dem Meer zusammenhängt, ist vom sizilianischen Wortschatz geprägt, z.B. bdot „Lotse"

< sizii. pidotu mit der Bedeutung „Führer". Bemerkenswert ist, dass im Maltesischen Aus¬

drücke sizilianischer Herkunft erhalten sind, die in Sizilien selbst verloren gingen (89).

Um 1500 änderte sich die Sprachenlandschaft Italiens. Das Toskanische setzte sich an die Stelle der regionalen Varietäten. Auch in Sizilien wurde das Sizilianische als Hoch¬

sprache vom Toskanischen verdrängt. 1530 übernahm der Johanniterorden die Herrschaft in Malta. Das war sehr wichtig, denn die Sprache des Ordens war das Toskanische (Itali¬

enische), das nun in Malta eindrang und den Platz eines Akrolekts einnahm. Das Italie¬

nische wurde gebraucht von den Gebildeten, den Geistlichen, den Ärzten, den Notaren,

den Advokaten, kurzum: den führenden Schichten. Bei den handwerklich Tätigen, die

bei den Führenden angestellt waren als Diener, Kutscher, Gärtner u.dgl. breitete sich als Basilekt die sizilianische Varietät weiter aus. Der Hauptbestandteil der Sprache war aber das Arabisch-Maltesische.

Wie konnte daraus die heutige Mischsprache entstehen, an der ja ganz wesentlich das

Volksarabische beteiligt war? Für die Beantwortung dieser Frage nimmt Brincat die

demographische Entwicklung zu Hilfe, wie wir sie in Blouets Text und in seinen Sta¬

tistiken finden.' Der Orden hatte als Inselstaat viele Probleme zu lösen. Er musste bauen,

Festungen anlegen, einen Hafen unterhalten, eine Flotte ausrüsten usw. (107). Dazu

brauchte man mehr Menschen, als in Malta zur Verfügung standen, und die kamen von

aussen herbei, vor allem von den Ländern romanischer Sprache, besonders von Sizilien.

Brian Blouet: The Story of Maha. London 1967.

(14)

Die Neuen heßen sich da nieder, wo man sie brauchte: im Gebiet um den Hafen. Die Bevölkerung nahm ganz erhebhch zu. Neue Tätigkeiten verlangten neue Techniken, und diese wurden mit italienischen Lexemen ausgedrückt. Der materiehe Fortschritt zeigte sich in den Wörtern italienischer Herkunft. Es entstanden viele sprachhche Innovationen, die von den Puristen als verdorben gescholten wurden. Auch Vassalli äußert sich in die¬

sem Sinne (115). Die neuen Sprachformen, die Innovationen, wurden von den Dörflern im Hafengebiet abgeholt und aufs Land hinausgebracht (120). Wesentlich zur Entstehung

einer Mischsprache trugen auch die Ehen zwischen Ausländern und Malteserinnen bei,

wie Brincat (112) zeigt.

In Kapitel 8 bespricht Brincat die Probleme des 19. Jahrhunderts. Malta war nach den Napoleonischen Kriegen eine englische Kronkolonie geworden.. Die englische Sprachen¬

politik ist an einer Anweisung ablesbar, die 1813 Lord Bathhurst dem ersten Gouverneur von Malta gab und die Geoffrey Hull zitiert: „I commend to your constant attention the diffusion of the English language among the inhabitants and the adoption of every means of substituting English for the Italian language. The lower orders express themselves in a corrupt dialect of Arabic, while the upper classes speak Italian."' Die Absicht der Eng¬

länder, das Italienische durch das Englische zu verdrängen erschütterte ganz Malta. Die Verfassung wurde zwei Mal aufgehoben (1903 und 1933), der Premierminister trat zurück, Wahlen wurden abgesagt. Der Erzbischof wurde zwei Mal beleidigt, einmal (1915) weil er

eine Predigt auf Englisch hieh, ein anderes Mal (1930) weil er italienisch predigte. Wäh¬

rend des 2. Weltkriegs wurden 43 Personen nach Uganda verbannt. Die englischen Könige William IV und Eduard VII, ebenso Churchill und Mussolini und die Päpste Pius XI und Leo XIII. wurden in den Zwist hineingezogen. Die Schlacht ging um die Einführung des Neuen (das Englische) und das Verharren im Alten (das Italicnische). Das maltesische Bür¬

gertum kam noch nicht auf die Idee, sich für das Maltesische als Zeichen der eigenen Iden¬

tität zu entscheiden. Als Identitätssymbol schien es nicht geeignet. Man konnte es gar nicht schreiben, meinten einige (148). Doch hatte die maltesische Sprache auch Freunde. Schon seit Vassalli strebte man nach dem Ausbau des Maltesischen. Unter der Uberschrift //- progress tal-Malti („der Fortschritt des Maltesischen") berichtet der Verf. von maltesischen Autoren, die Bücher auf Maltesisch veröffentlichten (Übersetzungen und Originaltexte).

Durch solche Schriften erhielt das Maltesische schon ein gewisses Prestige.

S. 153 spricht der Autor ein Problem an, das in der Betrachtung des Maltesischen immer wieder auftaucht: die Reinheit der Sprache. Sind nur die aus dem Arabischen stammenden Ausdrücke rein? Die Poesie vermeidet ja Italianismen. Aber sind pesta, flagelli, ddisprez- zaw u.a. (153) keine maltesischen Ausdrücke? Man ist sich noch nicht einig.

Brincat wirft S. 155 eine alte Frage wieder auf. Es geht um die Herkunft des Maltesi¬

schen aus dem Phönizischen. Gesenius hat dieses Problem schon 1810 ausführlich disku¬

tiert und mit guten Gründen die phönizische Herkunft abgelehnt. Aber die Folgerungen von Gesenius wurden in Malta nicht zur Kenntnis genommen und die Phönizierthese lebte in Malta hartnäckig weiter. Glücklicherweise hat Brincat die guten Gründe von Ge¬

senius für die Herkunft des Maltesischen aus dem Arabischen noch einmal dargestellt, und man kann hoffen, dass nun, da das Problem in maltesischer Sprache ausgedrückt ist, auch die Malteser die These von der arabischen Herkunft ihrer Sprache annehmen können.

In Kap. 9 (S. 171-218) hebt Brincat für die Weiterentwicklung des Maltesischen drei Faktoren hervor: die politische Autonomie, die Einführung der allgemeinen Schulpflicht, die modernen mass medias. Das selbständig gewordene Malta kann jetzt den Gebrauch der maltesischen Sprache regeln. Allmählich dringt das Maltesische in die politischen und

' Geoffrey Hull: The Maltese Language Question. Malta 1983, S. 5.

(15)

geseUschafthchen Institutionen ein. Schon vorher hatten maltesische Institutionen Stan- dardisicrungswerkzeugc erstellt. Die Vereinigung der Schriftsteller erarbeitete 1924 das Taghriffuq il-Kitba Maltija („Bekanntmachung über die maltesische Schreibweise") und

Cremona schrieb 1935/1938 das Taghlim fuq il-Kitba Maltija („Unterweisung zum Mal¬

tesischschreiben"). Nun hatte man eine zuverlässige Orthographie und wusste, wie man schreiben musste. Das passte gerade zu der 1946 eingeführten allgemeinen Schulpflicht.

Die maltesische Sprache war nun ausgebaut und konnte sich im ganzen Land festsetzen,

und sie wurde nun auch mit den modernen Kommunikationsmitteln in jedes Haus ge¬

bracht. Mit Schulpflicht, einer besser ausgebauten Sprache und mit offizieller Förderung konnte das Maltesische vorangebracht werden.

Im Kapitel 9 behandelt Brincat eine Reihe wichtiger Themen, z.B. „Schule und

Sprachen". In der modernen Welt und durch eine Vielzahl neuer Mittel sind die Mög- lichlichkeiten, Sprachen an den Menschen heranzutragen, unendlich viel zahlreicher als in weniger innovativen Zeiten, und sie wirken auf den Menschen ein. Der Malteser ist im normalen Leben ständig dem Maltesischen, dem Italienischen und dem Englischen bzw. Mischungen von all dem ausgesetzt (179). Ständig hört der Malteser solche Sprachen, oder er liest sie, oder er spricht sie, aber immer bestimmen sie sein sprachliches Verhal¬

ten. Maltesisch als Forschungsgegenstand war auch Thema mehrerer Kongresse (185). In mehreren Abschnitten behandelt Brincat verschiedene Sprachbereiche im Maltesischen.

Er geht ein auf Phonologie und Phonetik, Morphologie und Syntax, und er betrachtet den Wortschatz unter verschiedenen Aspekten (189-201). S. 186 führt Brincat Phoneme auf,

die das Maltesische kennt, die aber dem klassischen Arabischen fehlen. Er nennt da das Phonem It/ als dem klassischen Arabischen fremd. Doch ist das It/ dem klassischen Ara¬

bischen sehr wohl bekannt. Es findet sich z.B. in dem Wort taht „unter" < ar. taht. Sicher ist hier Brincat ein lapsus calami unterlaufen.

Immer wieder betont Brincat den Charakter einer Mischsprache des Maltesischen.

So tragen auf S. 193 alle drei am maltesischen Wortschatz beteiligten Hauptsprachen zu dem Wortfeld Brot bei: Arabischen Ursprungs ist hobz; panina ist auf das Italienische zurückzuführen; und in sandwich erkennen wir ein englisches Wort. S. 208 diskutiert

Brincat über die Graphie der englischen Elemente im Maltesischen. Englisch ist ein

wichtiges Element des Maltesischen. Der englische Anteil wird dadurch verstärkt, daß im Zuge der sprachlichen Globalisierung sich neue Anglizismen einstellen. S. 21 Iff. geht Brincat ausführlich auf die Bedeutung des Englischen für das moderne Maltesisch ein.

Englisch ist eine Quelle für die Erweiterung und Modernisierung des Maltesischen. In diesem Zusammenhang wird Manwel Mifsud zitiert: „Practically all the terminology for the innovations of modern life, especially in such fields as technology and electron¬

ics, is being supplied by E which, as the language of instructions and of the textbooks in the more advanced levels of education, exerts an enormous influence on the younger M generation."' Die Ausdrücke des traditionellen Lebens waren bisher von der Elternge¬

neration in maltesischer Form weitergegeben worden. Ihr Wissen aber über die moderne Welt holen die Jungen heute aus Lehrbüchern und Zeitschriften, und dieses Wissen wird ihnen in englischen Formen angeboten. So kommt es zum Abbrechen der Tradition nicht nur im technologischen Bereich, sondern auch im Alltäglichen, und traditionelle Aus¬

drücke gehen verloren. Um seine Aussagen recht anschaulich zu machen greift Brincat wieder zu Lexemen, die mit dem Brot zusammenhängen (212ff.). Er zählt die einfachen

Ausdrücke und solche, die zusammengesetzt vorkommen. Die Auswertung ergibt, dass

' Manwel Mifsud: Loan Verbs in Maltese. Leiden/New York/Köln 1995 (Studies in

Semitic languages and Hnguistics. 21), S. 213.

(16)

zunächst noch die tradkioneUen Formen überwiegen, dass aber bei zusammengesetzten Ausdrücken die Formen, die Enghsches enthalten, immer mehr zunehmen.

Am Schluß gibt Brincat eine interessante Aufzählung von Varietäten des Maltesi¬

schen. Er nennt Malti standard („Standardmaltesisch") - Malti trascurat („nachlässiges Maltesisch") - Malti rahli („dörfliches Mahesisch") - Malti Inglii („englisches Malte¬

sisch") - Malti hurokratiku („bürokratisches Mahesisch") - Malti letterarju („literari¬

sches Maltesisch").

Die Monographie Brincats ist eine ausgezeichnete Darstellung der Entstehung und

der Entwicklung der mahesischen Sprache bis auf den heutigen Tag. Die Themen, die der Autor in seinem Werk heranzieht, sind: Geschichte, Sprachkontakte, Bevölkerungsent¬

wicklung, Sprachgeographie, Literatur, moderne kulturelle Bewegungen (Globalisierung), Sprachsoziologie. Untersucht werden: das Lautsystem, die Morphosyntax und das Lexi¬

kon. Brincat gibt uns in dieser Monographie ein sehr komplexes Bild des Mahesischen in der Vergangenheh und in der Gegenwart, das sich charakterisieren lässt durch folgende Züge: Das Lautsystem ist stark entarabisiert. Es ist durch italienische (sizilianische/

toskanische) Interferenzen bestimmt. Die Morphosyntax ist überwiegend arabisch. Das Lexikon ist gemischt: arabisch / romanisch (sizilianisch/toskanisch) / englisch. Dieses Werk ist ein unentbehrliches Hilfsmittel für jeden Erforscher des Mahesischen.

Reinhold Kontzi (f), Stuttgart

Franqois Deroche: Manuel de codicologie des manuscrits en ecriture arabe. Paris: Bi¬

bliotheque nationale de France 2000. 413 S. ISBN 2-7177-2106-1. € 64,03.

Während sich die Kodikologie abendländischer Handschriften bereits nach dem Zweiten Wehkrieg als eigenständige Disziplin entwickelte, etablierte sich diese Forschungsrich¬

tung im Bereich der islamischen und christlichen Manuskripte in arabischer Schrift erst seh 1972 im Zuge der Neukatalogisierung der arabischen und persischen Handschriften der Bibliotheque nationale de France. Im Gegensatz zur rein inhaltlichen Erforschung von Texten berücksichtigt die Kodikologie vor allem das äußere Erscheinungsbild des Kodex, aber auch seine Entstehungs- und Besitzergeschichte. Beide Schwerpunkte geben wichtige Hinweise auf die Überlieferung von Texten, auf ihre Datierung und Provenienz und bilden insofern ein wichtiges Bindeglied zur Textforschung.

Die systematische Bearbeitung der Kodikologie in arabischer Schrift verfaßter Hand¬

schriften ist maßgeblich Francois Deroche, dem Hauptautor des vorliegenden Bandes, zu verdanken, der bereits 1986 in Istanbul, 1994 in Paris und 2000 in Bologna Fachkon¬

gresse organisiert hat, Herausgeber des Fichier des manuscrits moyen-orientaux dates und Verfasser zahlreicher Fachpublikationen ist. Basierend auf der Auswertung der kaum mehr zu überblickenden Fachliteratur, der originalsprachigen Quellen zur Schreibkultur und der Untersuchung von 719 Kodices präsentiert das Handbuch alle Teildisziplinen der Kodikologie von Handschriften in arabischer Schrift aus historischer, kunst-, kultur¬

geschichtlicher und herstellungstechnischer Hinsicht und faßt nicht nur alle bislang

bekannten Forschungsergebnisse zusammen, sondern setzt auch neue Akzente. Das in

elf Themenkreisen vorgestellte umfangreiche Faktenmaterial kann in diesem Rahmen

bestenfalls in einigen Aspekten skizziert werden.

Die Einleitung definiert die im islamischen Kulturkreis dominierende Buchform des Kodex als ein aus Lagen zusammengesetztes, handgeschriebenes Buch in Abgrenzung zur antiken Rolle (volumen oder rotulus). Einer Einführung in die Aufgaben und Probleme der

(17)

Kodikologie folgt die Darstellung ihrer physikalisch-chemischen Untersuchungsmethoden sowie ihrer technischen Reproduktionsmöglichkeiten, mit deren Hilfe die Lesbarkeit verwischter und abgekratzter Textstellen wiederhergestellt, diverse Farben und Pigmente identifiziert und Handschriften nach der Radiokarbonmethode datiert werden können.

Den Beschreibstoffen Papyrus und Pergament - ihrer Herkunft, Herstellung und Ge¬

schichte - widmet sich das erste Kapitel. Bis etwa zur Mitte des 10. Jahrhunderts wurden sie im islamischen Kulturkreis als bevorzugte Materialien zur Anfertigung von Kodices bis zu ihrer endgültigen Verdrängung durch das Papier eingesetzt. Arabische Quellen berichten, daß Papyrus in der Verwaltung des islamischen Reiches geschätzt wurde, weil man darauf geschriebene Texte modifizieren konnte. Noch erhaltene Palimpseste zeugen

von der Wiederverwendbarkeit von Papyrus und Pergament durch Abschaben und Über¬

schreiben. Im Gegensatz zu dem aus der Papyruspflanze hergestellten Papyrus, dessen Verbreitungsgebiet regional eingeschränkt war, konnte Pergament aus Tierhäuten - meist

aus Schafsleder - an jedem beliebigen Ort hergestellt werden. Während eine Anzahl ara¬

bischer Papyri des 7. und S.Jahrhunderts durch beigefügte Protokolle präzise Zeitangaben enthält, kann die Datierung einer Pergamenthandschrift vor dem 9. Jahrhundert nicht mit Sicherheit festgestellt werden abgesehen von bislang einigen wenigen nach der Radio¬

karbonmethode untersuchten Handschriften im Higäzi-Stil.

Den Abschnitt „Papier" leitet ein Abriß seiner Fabrikationsgeschichte im gesamten Orient ein. Wesentliches Merkmal des orientalischen Papiers ist das Fehlen von Wasser¬

zeichen, die bei in Europa hergestellten, und übrigens auch in die islamischen Länder im¬

portierten, Papieren die Identifizierung von Ort und ungefährem Datum erleichtern. Mit

einer neueren Untersuchungsmethode ist eine genauere Bestimmung der Provenienz und

Datierung islamischer Papierhandschriften durchführbar, indem man die unterschied¬

lichen Abstände und Bündelungen der Linien, die die Stege des Schöpfsiebes auf dem

Papier hinterlassen, analysiert. Eine wichtige Voraussetzung für die virtuosen Leistungen der Kalligraphen war eine glatte Oberfläche, die durch das Polieren des Papiers erzielt wurde. Besondere ästhetische Effekte erzielte man durch die Herstellung von gefärbtem, marmoriertem und gesprenkeltem Papier sowie Silhouettenpapier.

Als wichtigen Schritt der Kodexherstellung behandelt das dritte Kapitel detailliert die Lagenbildung, die normalerweise durch das Falten und die Heftung eines oder meh¬

rerer aufeinanderliegender Blätter gleichen Formats erfolgt. Für die wissenschaftliche

Bearbeitung der Lagen gelten dieselben Regeln und Zählweisen wie für abendländi¬

sche Handschriften. Maghrebinische Pergamenthandschriften und Korane des 7. und

S.Jahrhunderts zeigen dieselbe Anordnung wie europäische Kodices, deren Haar- und

Fleischseiten des Pergaments vor dem Falten entsprechend der gregorianischen Regel so aufeinandergeschichtet wurden, daß sich auf einer Doppelseitc entweder zwei Haar- oder zwei Fleischseiten gegenüberlagen. Ab dem 9. Jahrhundert hat sich im Orient möglicher¬

weise eine eigenständige Tradition herausgebildet, denn auf den Doppelseiten einiger Koranhandschriften aus dieser Zeit liegen eine Fleisch- und Haarseite jeweils gegenüber.

Die Lagen von Papierhandschriften in arabischer Schrift sind in den meisten Fällen Quin- ternien, d.h. aus fünf Doppelblättern gebildet, während im Abendland Quarternien die Regel sind. Die Kustoden, die die korrekte Aufeinanderfolge der Lagen bezeichnen, ste¬

hen in islamischen Handschriften meist in ausgeschriebenen Ordinalzahlen oder abgad- Zahlen - in Nordafrika auch in griechisch-koptischen Ziffern - fast immer auf der ersten Rectoseite einer Lage und zwar oben links, in christlichen Handschriften können sie auch auf der letzten Seite angebracht sein. Weitere Markierungsarten stellen Wortreklamanten

und die Bezeichnung der Lagenmitte dar. Alle Elemente der Lagenmarkierung können in

die Ästhetik einer Seite einbezogen sein.

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Das vierte Kaphel enthält Ausführungen über sämtliche für die Arbeh der Buchkünst¬

ler nötigen Utensilien und Präparate. Der qalam, das Schreibgerät aus Schilfrohr, erlangte bei den Kalligraphen und Schreibern eine herausragende Bedeutung. Voraussetzung für deren Arbeit war ein perfekter Zuschnitt der Spitze, ausgeführt mit einer sehr scharfen Klinge auf einer eigens dafür vorgesehenen Unterlage. Maghrebinische Schreibfedern un¬

terscheiden sich von orientalischen durch eine in die Rücksehe der Spitze eingeschnktene rautenförmige Rille.

Für die Herstellung von Tinten weisen die arabischen Quellen zahlreiche Rezepte auf der Basis von Ruß- oder Gallapfelverbindungen nach. Farbige Tinten dienten sowohl der

Vokalisation als auch der Hervorhebung von Textstellen und -abschnitten; Gold- und

Silbertinten erhöhten den Wert einer Handschrift. Für die in Illuminationen vorkommen¬

den Grundfarben und deren Schattierungen gibt das Handbuch eine Analyse der Zusam¬

mensetzung ihrer Naturstoffe und differenziert ihre Verwendungsarten. Die Mineralien

Zinnober, Grünspan, Auripigment, Mennige und Arsen sind zusammen mit Bleiweiß

und Ruß die gängigsten Ingredienzen der Farben. Das im Abendland häufig verwendete Blattgold ist in der orientalischen Buchkunst kaum zu finden, stattdessen benutzte man das aus Goldstaub und einem Bindemittel hergestellte Muschelgold.

Zur ästhetischen Wirkung einer geschriebenen und illuminierten Seite trägt im we¬

sentlichen die Zeilenlinierung und die Komposition der gesamten Seite bei. Die Linierung als Grundlage für eine ebenmäßige Schrift als auch die Begrenzung der Textoberfläche erfolgten mit Hilfe von Einstichen und mit Bleiminen- oder Tintenmarkierungen. Bereits arabische Handschriften des /.Jahrhunderts zeigen Spuren der Seitenjustierung. Die vor¬

herrschende Methode, den Schriftspiegel in Papierhandschriften festzulegen, erfolgte mit Hilfe einer mistara, bestehend aus einer Holz- oder Kartonplatte, um die in regelmäßigen Abständen Fäden gespannt waren. In das noch feuchte Papier eingedrückt hinterließen

die Fäden reliefartige Rillen, die den Zeilenabstand und die seitliche Begrenzung des Schriftraumes vorgaben. Das Seitenlayout wird vor allem durch das proportionale Verhält¬

nis von Schriftspiegel, Seitenrand und den Verzierungen bestimmt. Neuere Forschungen belegen, daß die Proportionen von Länge und Breite der Rechtecke, die die Schriftober¬

fläche bilden, auf genauen mathematischen Formeln beruhen. Zur Gleichmäßigkeit einer Seite tragen auch die Ränder bei, auf denen des öfteren Glossen, Kommentare, Notizen und Ornamente angebracht sind. Besonderheiten der Seitenanlage sind die bei poetischen Texten vorgenommene Anordnung des Schriftspiegels in Spalten, ferner die gesamte Auf¬

teilung des Textblocks in Schriftfelder und der Aufbau von Kolophonen.

Die mit der Buchherstellung einhergehenden Berufe und ihre Werkstätten beleuchtet das anschließende Kapitel: Papierhersteller, Kalligraphen und Kopisten, Illuminatoren,

Buchbinder und Händler. Angaben darüber in Kolophonen oder aus anderen Quellen

enthalten bisweilen wichtige Hinweise auf die Geschichte eines Textes oder eines Kodex.

Anders als im Abendland, dessen Schriftkultur reichlich durch die Einrichtung der Skrip¬

torien dokumentiert ist, sind die Informationen über die Werkstätten der orientalischen Buchhersteller und ihre Arbeitsweise nur spärlich: die Quellen berichten von Kopisten

und Buchkünstlern, die entweder im Umkreis von Herrscherhöfen oder manufaktur¬

artigen Betrieben arbeiteten. Als traditionelle Orte der Kopiertätigkeit gelten Bibliothek, madrasa, Moschee und andere fromme Einrichtungen.

Den Abschnitt „Schriften" leitet eine Darstellung der Probleme und Methoden der Paläographie ein, die einerseits die Entzifferung von Schriften zum Ziel hat, andererseits

durch komparative Graphemuntersuchungen die Identifizierung der Authentizität, des

Alters und gelegentlich auch der Provenienz einer Handschrift zuläßt. Grundsätzlich ist bei der Bestimmung eines Schriftstils zunächst zwischen Kalligraphien, d.h. von

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