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EINLEITUNG Montesquieus

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EINLEITUNG

Montesquieus «Geist der Gesetze» hat die poli­

tische Welt verändert. R u m o h r s «Geist d e r Koch­

kunst» feiert die E r f i n d u n g der Bouillon als welt­

historisches Ereignis. Was f ü r Montesquieu die Liberalisierung der Macht, das ist f ü r R u m o h r die Mitte zwischen laissez faire u n d Frugalität an H e r d u n d Tisch u n d schließlich in d e r Gesellschaft. Der Autor ist überzeugt: Die alte kulinarische Gesetz­

gebung, die sich an die „geisttötenden Koch­

b ü c h e r " der Vergangenheit hält, f ü h r t zum häus­

lichen U n f r i e d e n u n d folglich zum N i e d e r g a n g der bürgerlichen Kultur. National soll die Küche sein, reich an einheimischen P r o d u k t e n , zwar frei von der N a c h ä f f u n g f r e m d e r Schlemmerdiktatur u n d d e n n o c h die diätetischen Revolutionen der a n d e r n ­ britischen Rinderbraten u n d gallische Kraftbrühe ­ der deutschen Konstitution einver­

leiben. Die von R u m o h r reformierte nationale Küche schmeckt nach d e m Geist der Mitte u n d ist ein Genrebild des bürgerlichen juste müieu, ver­

ziert mit einem T u p f e r J u n k e r t u m .

Karl Friedrich von R u m o h r (1785 ­ 1843), des­

sen N a m e sich leicht mit d e m des Amerikaners R u m f o r d verwechseln läßt, der im Geburtsjahr des deutschen J u n k e r s die Kartoffel in Bayern ein­

g e f ü h r t hat, stammte aus uraltem schleswig­hol­

steinischem Adel, war alles a n d e r e als ein a r m e r [V]

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Schlucker, und sein „Freßsinn" war ­ schrieb Ca­

roline Schlegel über ihn ­ ebenso vortrefflich aus­

gebildet wie sein „Sinn für Kunst". In Göttingen hatte er Mathematik und Kunstgeschichte stu­

diert, wurde als Zeichenkünstler von manchen Zeitgenossen geschätzt und zählte zu seinen Schü­

lern eine nicht unbedeutende Gruppe deutscher Landschafts­ und Historienmaler: Friedrich Nerly, Franz Horny, Carl Julius Milde ­ um nur diese zu nennen. Zur Kunstheimat hatte er, in schöner Ubereinstimmung mit Goethe und dem Zeitgeist, Italien erwählt, wo er lange Jahre verweilte, ja mit dem Gedanken spielte, in Siena sich niederzu­

lassen, und wo er die einheimischen Malerschulen studierte, deren Geschichte er in den «Italieni­

schen Forschungen» beschrieben hat. Sein Le­

bensideal war die Existenz des Künstlers, der sich von seiner Hände Arbeit ernährt. Ein romanti­

scher Traum, dem die Geschäfte des wohlhaben­

den Grundherrn, der ein Familienerbe erhalten und verwalten wollte ­ wie er selber meinte ­ im Wege standen.

Aber er war kein Romantiker. Der Heidelberger Mythologe Creuzer nannte ihn einen „hartnäcki­

gen Empiriker" und dachte damit den bürgerlich­

aufgeklärten Zug zu treffen, der allen Unterneh­

mungen Rumohrs den Stempel einer behaglichen Biederkeit aufgedrückt hat. Rumohr zeichnete nicht nur, er schrieb auch und hinterließ der ver­

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geßlichen Nachwelt eine ansehnliche Bibliothek literarischer, kunsttheoretischer und pädagogi­

scher Schriften aus eigener Feder; nicht zu verges­

sen die Briefe, die er mit Freunden und Friedrich Wilhelm IV. gewechselt hat. Interessanter als der Roman «Deutsche Denkwürdigkeiten» und eine Novellensammlung sind die kunsttheoretischen Untersuchungen aus seiner Hinterlassenschaft, die zu Lebzeiten teils in Zeitschriften, teils in selb­

ständigen Büchern veröffentlicht worden sind.

Für Rumohr war die Kunst der Schlüssel zum Leben. Als Erzieher und Empiriker wollte er aber sicher gehen und sah ihr genau auf die Finger.

Nicht nur das Handwerkliche lag ihm am Herzen, auch ihr Marktwert fand sein Interesse. Kunst hat

­ so schrieb er in der «Schule der Höflichkeit» ­ als „bürgerliches Gewerbe" zu gelten, was den Künstler zwar vom Markt abhängig macht, ihn aber vor untertäniger Stellung bewahren kann. In Hamburg gehörte Rumohr einem Kunstverein an, dessen Aufgabe es war, neben den Verkaufschan­

cen der Künstler auch den Geschmack des Publi­

kums zu heben. Nicht zuletzt ging es ihm darum, die Nazarener und Romantiker unter den deut­

schen Malern von ihrer Italophilie zu heilen, sie zu

„vaterländischen" Sujets, quasi zur heimischen Kü­

che, zu bekehren. Alles Ästhetische hatte für ihn sowohl eine ökonomische als auch eine morali­

sche Seite. War erst einmal der Geschmack einer

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Nation ausgebildet, so brauchte sich niemand mehr Sorgen um ihre Sittlichkeit zu machen. Bil­

dung setzte nicht nur Eigentum ­ selbstverständ­

lich auch an der Kunst ­ voraus, er sah in ihr auch das Siegel bürgerlicher Conduite. Das nährende Zentrum der Gesellschaft, die Küche, hat er davon nicht ausgenommen. Ist der Haushalt erst einmal knickerig, warnt er im «Geist der Kochkunst», so laufen die Mägde davon, und mit der daraus ent­

stehenden Unordnung am Herd ist allgemeine Geschmack­ und Sittenlosigkeit angesagt. Den Witz dieser Beobachtung hat er wohl kaum mitbe­

kommen. Für ihn, dessen Lebensstil auf der Arbeit von Domestiken beruhte, war es selbstverständ­

lich, daß sich der Wohlstand des Bürgertums an der „Ordnung, Reinlichkeit und Pünktlichkeit"

des Gesindes ablesen ließ.

Alles drehte sich für Rumohr um Kunst: Bil­

dung, Umgang, Ökonomie, Küche und Malerei.

Kunst ­ und d.h. nicht zuletzt: erworbenes Kön­

nen und fleißiges Üben ­ ist der archimedische Punkt, von dem aus das bürgerliche Universum vor Exzessen bewahrt werden kann. Deshalb ist die Einübung der „Kunst, stets das Gleichgewicht zu halten" auch das Erste, was die «Schule der Höf­

lichkeit» ihrem gelehrigen Schüler abverlangt.

Und wie um das zu illustrieren, hat der Adlige im Bürgerrock ­ sozusagen mit der Balancierstange jonglierend ­ seiner Höflichkeitsschule einen Leit­

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faden über die „Methoden der Grobheit" hinzu­

gefügt, nicht ohne zu bedauern, daß diese ihm durchaus als berechtigt erscheinende Umgangs­

form inzwischen einer „charakterlosen Ungeschlif­

fenheit" Platz zu machen beginnt.

Kunst bedeutete für den gebildeten Dilettanten:

Maß, Proportion, Balance, Harmonie. Kein Wun­

der daher, daß er in ästhetischen Fragen den Klas­

sizismus eines Thorwaldsen allen romantischen Kunstformen vorzog. Nur echte Natur darf nie­

mals fehlen, deren „Nachbildung" er nicht nur sei­

nen Malerschülern nahegelegt, sondern auch vom Kochkünstler verlangt hat. „Wie in dem grob­

gemengten Granit", so beschreibt er in den

«Denkwürdigkeiten» genüßlich das auf den Tisch gezauberte Kunstwerk einer Pastete, „bald bei­

nahe weißliche, bald entschiedener rötliche Feld­

spatmassen von milchigem Quarze, von schwärz­

lichen Glimmerschichten durchschnitten, so zeigt sich hier das verschiedenfarbige, saftige Fleisch, neben lockenden Adern weißlichen Fettes und reich gewürzten schwärzlichen Gehäckes. Die jungen, erst zur Hälfte ausgediehenen, wohlge­

schälten Trüffeln waren in ihrer anziehenden Be­

stimmtheit irgendeiner sporadisch einschießen­

den Kristallisationsform zu vergleichen; nur der goldglänzende, helle und durchsichtige Gallert schien nicht so ganz in die Vergleichung einzufal­

len; obwohl es frei stand, ihn etwa als eine Idea­

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lisierung, Stilisierung, oder andere Irrung jener nat

ürlichen Bildungsformen aufzufassen." Ideali­

sierungen ­ sagt der letzte Satz ­ in den Künsten der Küche (wie auch in denen des Ateliers) sind Irrwege, weil sie­stracks dem Rumohrschen Gesetz zuwiderlaufen: „Entwickele aus jedem eßbaren Dinge, was dessen natürlicher Beschaffenheit am meisten angemessen ist."

Diese Maxime verdient nach wie vor Respekt und ist in der welthistorischen Ära der Fast­food­

Orgien sicher doppelt zu würdigen. Rumohrs Kochkunst­Brevier ebnet den goldenen Mittelweg der naturgemäßen Küche nicht mit geistreichen Tanzschrittchen ä la Brillat­Savarin, sondern mit der wissenschaftlich gewichtigen Solidität einer Begriffs­ und Elementarlehre. Die Ernsthaftigkeit, mit der das geschieht, hat sich der Autor durch eine Herausgeberfiktion gesichert, die er übrigens auch in seinem Roman «Deutsche Denkwürdigkei­

ten» verwendet. Nicht er, der Edelmann Rumohr, vielmehr sein Mundkoch Joseph König sei der Autor des Küchen­Breviers. Der .Herausgeber' hat es angeblich nur überarbeitet und übergibt es 1822 zum erstenmal der Öffentlichkeit mit dem Ziel, dem Mundkoch aus dem Verkaufserlös eine Revenue für die Ausbildung seiner Kinder zu verschaffen. Aber das ist nicht der einzige und gewissermaßen auch nur ein privater, wenn auch philanthropischer Zweck des Unternehmens.

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Denn in der Vorrede zur verbesserten Auflage von 1834 diskutiert der ,Herausgeber' mit nationalem Pathos die Bedeutung der Nahrungsmittelproduk­

tion und ihrer Verwertung für die „vaterländische"

Volkswirtschaft. Hier spricht der Empiriker mit Augenmaß für die Beziehungen zwischen Bedürf­

nis und Uberschußproduktion, zwischen staat­

licher Subvention, Vorratshaltung, Preisgestaltung und quasi­genossenschaftlicher Selbsthilfe (Pro­

jekt einer „Consumtionsgesellschaft"). Die Paral­

lelen zum ökonomischen Reformprogramm des Kunstmarkts sind nicht zu übersehen.

Welche Rolle die Manufaktur für die Weiterver­

wertung der Uberschußproduktion spielen kann, zeigt Rumohr nicht nur an der Qualitätsverbesse­

rung der Grundnahrungsmittel. Auch die Koch­

kunst erhebt ­ als eine Art manufaktureller Ver­

edelung ­ Anspruch auf einen prominenten Platz in der Volkswirtschaft, zumal von ihr Gesundheit und Leistungsfähigkeit der einzelnen Staatsbürger abhängig sind. Den „großen Übeln der Zeit", unter denen Rumohr wohl die politischen Eman­

zipations­ und die industriellen Revolutionsbe­

wegungen des frühen 19. Jahrhunderts verstand, ist diätetisch zu begegnen. Stimmt die Verdauung, so kommentiert er die falsche Ernährung auf Schulen und Universitäten, dann entfällt auch der

„erste Beweggrund aller litterärischen Fehden, Unzufriedenheiten und Parteisachen". Rieht­

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s c h nü r ist allemal d e r natürliche Nähr­ u n d Geschmackswert eines Produkts. Die Ö k o n o m i e verlangt m a x i m a l e E r h a l t u n g d e r Nährstoffe, die G e s c h m a c k s k u l t u r des juste müieu m o d e r a t e Wür­

ze. D e m Gleichgewicht in d e r N a t u r d e r Rohstoffe k o r r e s p o n d i e r t das Gleichgewicht in d e r menschli­

c h e n Natur. Die Kunst h a t zwischen b e i d e n Seiten zu vermitteln. Zwischen T ö p f e n u n d Tiegeln wird ü b e r H u m a n i t ä t e n t s c h i e d e n , da ­ so lautet das C r e d o im Kapitel Von den Suppen ­ „der Mensch n i c h t a n d e r s ist, als er ißt."

Die G r e n z e n zwischen nationaler Ö k o n o m i e u n d Zivilisation sind in d e r Küche j e d o c h n i c h t starr festgelegt, das eine g e h t in das a n d e r e über.

D e n n ­ so R u m o h r ­ die „Natur ist n i c h t allent­

h a l b e n u n d n i r g e n d w o in allen G e g e n s t ä n d e n d e r K o c h k u n s t gleich günstig." Weshalb d e r wahre, d u r c h die Lektüre naturwissenschaftlicher, histo­

rischer u n d m a t h e m a t i s c h e r B ü c h e r gebildete Kochkünstler auch in f r e m d e n Gärten wildern darf, j a sogar m u ß . Angesichts solcher notwendi­

g e n U b e r g ä n g e ist d e r H e r a u s g e b e r a u t o r jovial g e n u g , d e n d e u t s c h e n Essern a u c h a n d e r e als die e i n h e i m i s c h e n Genüsse zu e m p f e h l e n : b a y o n n e r Schinken, holländische H e r i n g e , die italienischen, aus d e m in D e u t s c h l a n d n o c h k a u m a n g e b a u t e n

„Liebesapfel" (seil. Tomate) g e w o n n e n e n T u n k e n u n d gar Sülzen aus I n d i e n . Mit d e m W ö r t c h e n

„national" k a n n sich d e r A u t o r zwar ­ das ist d e r [XII]

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erste E i n d r u c k b e i m Lesen - gar n i c h t g e n u g tun.

Sieht m a n a b e r n o c h einmal hin, so fällt auf, daß er eigentlich ein r e c h t inter­nationales Büffet auf­

schlägt u n d d e m Patriotismus in d e r K ü c h e n u r geringe Rechte e i n r ä u m t . Wen die langsame Zube­

r e i t u n g des „Otaheitischen Bratens" in g l ü h e n d e r Asche überzeugt, d e m wird es wohl a u c h wie Ol r u n t e r g e h e n , was i h m das Brevier im Kapitel von den Fettstoffen ü b e r die P r o d u k t i o n , die Provenien­

zen, F a r b t ö n e , Qualitäten u n d Vorzüge des Oliven­

öls zu erzählen hat.

J e d e s b e d e u t e n d e K o c h b u c h basiert auf einer hier u n d da im Text n o c h d u n k e l a u f b l i t z e n d e n Kulturgeschichte u n d greift in diese Geschichte seinerseits tatkräftig ein. Vorausgesetzt, seine Vor­

schriften sind in d e r Küche auch exekutierbar. D e r gebildete R u m o h r weiß das. D o c h scheut er d e n bloßen Katalogstil d e r meisten K o c h b ü c h e r u n d die bis z u m Ü b e r d r u ß w i e d e r h o l t e n F o r m e l n

„man n e h m e eine Prise so u n d so viel G r a m m diesen o d e r j e n e n T o p f . . . " etc. Stattdessen ap­

pelliert er an die E r f i n d u n g s g a b e d e r Leser u n d schaltet i m m e r wieder Exkurse u n d A n m e r k u n g e n ein, die d e r H e r k u n f t d e r G r u n d b e g r i f f e gewid­

m e t sind o d e r a m ü s a n t e H i s t ö r c h e n ü b e r die erste E r f i n d u n g u n d Provenienz d e r Kochwerkzeuge u n d Zutaten z u m Besten g e b e n u n d das Vergnü­

g e n d e r Lektüre d u r c h m a n c h e n symbolischen Hinweis v e r m e h r e n . Die E r f i n d u n g des Topfes z.B.

[XIII]

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verbindet er mit dem Prometheus-Mythos und be­

trachtet ihn, wenn er leer dasteht, als „das Sinnbild moralischer Wertlosigkeit". Ein Verfahren, das den Titel des Buches in vollem Umfang rechtfertigt und den Appetit anregt, es wie einen Roman im ganzen zu lesen. Auch sind literar­ und kultur­

historische Bröckchen wie feine Würze überall in den Text gestreut. Sie stammen aus den literari­

schen Gärten der Antike (Cato, Plinius, Apicius), aus der neueren Reiseliteratur (Bougainville, Cook), aus naturhistorischen und botanischen Fä­

chern (Blumenbach, Linne) und nicht zuletzt aus den Erfahrungen des Italienreisenden Rumohr.

Uberhaupt fällt auf, daß das Grundrezept, nach dem das Brevier zubereitet ist, der Dichtungslehre nahesteht. Weshalb wohl auch gleich zu Beginn der wahre Autor die „Belesenheit" des fiktiven Au­

tors Joseph König entschuldigt, dem er zweifellos viele mundige Hinweise verdankt. Wie der Fran­

zose Charles Batteux die Poesie, so führt nämlich Rumohr ­ freilich, versichert er, „auf gut Deutsch"

­ die Kochkunst auf ein einziges Grundprinzip zu­

rück: Bei Batteux war es die Naturnachahmung, hier ist es das Prinzip der Akkomodation an die Ei­

gentümlichkeit ­ Geschmack und Nährwert ­ der tierischen und pflanzlichen Naturalien. Mehr noch: Was Horaz der „höchst nutzlosen" Dicht­

kunst befiehlt, heißt es zu Beginn des ersten Bu­

ches, das soll vor allem andern die Kochkunst aus­

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zeichnen: „Vermische Nützlichkeit mit A n m u t ! "

Das ist nicht n u r das Rezept, d e m sich R u m o h r s Schreibweise in all seinen Schriften u n t e r w i r f t . Es ist auch die G r ü n d u n g s f o r m e l j e n e r von H o r a z be­

s u n g e n e n aurea mediocritas, die von d e n A u f k l ä r e r n des 18. J a h r h u n d e r t s ­ u n t e r i h n e n Lessing u n d Diderot ­ w i e d e r e n t d e c k t u n d in d e n Wertekata­

log d e r mittelständischen Lebenswelt e i n g e f ü g t w o r d e n ist.

Diesen b ü r g e r l i c h e n Geist a t m e t auch das Kapi­

tel Vom Essen, in d e m R u m o h r das Verhalten sowie die Rechte u n d Pflichten bei Tische z u m T h e m a macht. Auch in diesem P u n k t entspricht das ver­

ständige Maß d e r Rücksicht auf das N a t u r g e m ä ß e . Alles ist Kunst u n d Bildung, w e r d e n n u r die Lei­

d e n s c h a f t e n bei Tisch n i c h t entfesselt o d e r die g e s u n d e n Triebe despotisch u n t e r d r ü c k t . H i e r ist d e r Autor b e m e r k e n s w e r t liberal: Das Tischgebet ist d e n K i n d e r n freigestellt u n d r e d e n d ü r f e n sie w ä h r e n d d e r Mahlzeit „was u n d so viel sie wollen", solange es die Eltern nicht stört. Alle Tischgenos­

sen k ö n n e n d u r c h M a ß h a l t e n u n d Interessenaus­

gleich zufriedengestellt w e r d e n . Die Tischgesell­

schaft ist, w e n n das gelingt, ein Gleichnis g e s u n d e r V e r d a u u n g u n d sozialer H a r m o n i e .

Das wirft die Frage n a c h d e n e n auf, die am Tisch des H e r r n keinen Platz f i n d e n . R u m o h r w i d m e t diesen, die er die „müßige Bevölkerung" n e n n t , n u r beiläufig A u f m e r k s a m k e i t . Er schlägt vor,

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diese Klasse f

ür öffentliche Arbeiten ­ z.B. Land­

straßen, Brücken und Kanäle ­ heranzuziehen und sie dafür nicht mit dem ohnehin knappen Geld, vielmehr mit Naturalien aus der Uberschuß­

produktion der Nahrungsmittel zu entlohnen. Aus diesem Plan spricht nun nicht mehr der bürger­

liche Ökonom, sondern die Ideologie des adligen Grundherrn. Dem Erfolg der «Kochkunst» hat das nicht geschadet. Das Buch hat zahlreiche Auf­

lagen erlebt und hat einst über Reclams Universal­

bibliothek den Weg auch in jene Haushalte ge­

funden, in denen der arbeitende Mensch selber den Kochlöffel schwingt.

BIBLIOGRAPHISCHE NOTIZEN

Karl Friedrich von Rumohr: Auswahl aus seinen Schriften

Italienische Forschungen. Zur Theorie und Ge­

schichte neuerer Kunstbestrebungen, Berlin/Stet­

tin 1 8 2 7 ­ 3 1

Drey Reisen nach Italien, Leipzig 1832

Deutsche Denkwürdigkeiten. Aus alten Papieren.

1 . ­ 4 . Theil, Berlin 1832

Schule der Höflichkeit. Für Alt und Jung, Stutt­

gart/Tübingen 1834

Briefe an Johann Georg Rist, hg. v. Gerhard Kegel, Buchholz 1993

[XVI]

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Die wichtigsten der von Rumohr zitierten Koch­

bücher

Apicius: De re coquinaria [3./4.Jh.], Venedig 1498 Marx Rumpolt: Ein new Kochbuch, Frankfurt a.M.

1581

John Simpson: A complete System of cookery, Lon­

don 1813

Antoine Maria Careme: Le patissier royal Parisien, Paris 1815

Anthelme Brillat­Savarin: Physiologie du goüt ou meditations de gastronomie transcendante, Paris 1825

Literatur über Rumohr

Heinrich Wilhelm Schulz: Karl Friedrich von Ru­

mohr. Sein Leben und seine Schriften, mit einem Nachwort von Carl Gustav Carus, Leipzig 1844 Pia Müller­Tamm: Rumohrs „Haushalt der Kunst".

Zu einem kunsttheoretischen Werk der Goethe­

Zeit, Hildesheim/Zürich/New York 1991 Friedrich Nerly und die Künstler um Carl Fried­

rich von Rumohr [Ausstellungskatalog], Schles­

wig­Holsteinisches Landesmuseum 1991

Dietrich Harth

[XVII]

Referenzen

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