Sulfonamide hemmen Carboanhydrase
Die Carboanhydrase ist ein Enzym, das die Reaktion von Kohlendioxid CO2 mit Wasser beschleunigt:
CO2 + H2O HCO3- + H+
Dabei entsteht Hydrogencarbonat und ein Proton H+
Carboanhydrase erfüllt drei wichtige Aufgaben im Körper:
1.
Carboanhydrase beschleunigt die Entsorgung von Kohlendioxid.
Jede Zelle atmet. Sie verbraucht Nährstoffe und Sauerstoff und produziert Wasser und Kohlendioxid. Das Kohlendioxid wandert ins Blut, wird dort von Carboanhydrase in HCO3- und H+ umgewandelt und in dieser Form in die Lungen gespült. Dort setzen sich HCO3- und H+ wieder zusammen, es entsteht Kohlendioxid, das als Abgas den Körper verlässt. Schematisch sieht das so aus:
im Gewebe:
in der Lunge:
2.
Carboanhydrase wird für die Bildung der Magensäure benötigt:
Die Drüsenzellen der Magenschleimhaut lassen Kohlendioxid und Wasser mit Hilfe von Carboanhydrase zu HCO3- und H+ reagieren und scheiden H+ zusammen mit Cl-
in den Magen aus. Das H+ macht den Magensaft sauer und tötet Krankheitskeime, die mit der Nahrung ankommen:
im Magen:
3.
Ohne Carboanhydrase müssten Sie jeden Tag sehr viel Wasser lassen:
In der Niere entstehen jeden Tag 170 Liter Primärharn, der viel HCO3- enthält. Da Sie unmöglich so viel Wasser ausscheiden können, wird fast alles wieder ins Blut
zurückgenommen. Die Zellen in der Niere transportieren das HCO3- aus dem Primärharn ins Blut: Beschleunigt durch die Carboanhydrase wird HCO3- des
Primärharns in Kohlendioxid umgewandelt. Das Kohlendioxid tritt durch die Membran in die Nierenzelle und wird – wieder katalysiert von Carboanhydrase - zu HCO3-. Aus osmotischen Gründen folgt das Wasser den Ionen.
in der Niere:
1940 beobachteten die beiden Wissenschafter Mann und Keilin eine Hemmung der Carboanhydrase durch die bis dahin gegen Infektionen eingesetzten Sulfonamide. Sie stellten fest, dass mit diesen Medikamenten weniger HCO3- und Wasser ins Blut zurückgenommen wurden und die Patienten mehr Urin ausschieden. In der Folge wurden die Sulfonamide deshalb gegen hohen Blutdruck oder krankhafte
verschrieben.
Das erste im Handel erschienene Sulfonamid, das zur vermehrten Ausscheidung von Urin entwickelt wurde, war Acetazolamid (Diamox). Die Hemmung der
Carboanhydrase durch Acetazolamid läßt sich auf einfache Weise an einer Enzympräparation aus roten Blutkörperchen von Schweineblut beobachten. Die Enzym-Lösung wird mit kohlendioxidhaltigem Wasser vermischt. Das Kohlendioxid wird mit Wasser zu HCO3- und H+ und der Indikator Phenolrot verändert seine Farbe, weil er mit den entstandenen H+ reagiert.
Versuche:
Carboanhydrase aus Schweineblut isolieren
6 ml frisches Schweineblut 5 Min bei 3000 U/Min zentrifugieren
Plasma absaugen und rote Blutkörperchen in 4 ml 0,9 % Kochsalz-Lösung
gleichmässig verteilen (= suspendieren). Mit Vorteil die Schüttelmaschine verwenden.
0,9 % Kochsalz-Lösung hat denselben osmotischen Druck wie Blut. Man spricht von einer isotonischen Lösung.
5 Min bei 3000 U/Min zentrifugieren
Überstand absaugen und Rückstand in 2,5 ml 40 % Ethanol suspendieren
2 Min bei 3000 U/Min zentrifugieren
unter intensivem Rühren mit der Maschine 1 ml Chloroform zugeben
mit einem Holzstäbchen so gut wie möglich durchmischen
5 Min bei 3000 U/Min zentrifugieren
Überstand absaugen: er enthält die Carboanhydrase
Diese Carboanhydrase-Lösung kann im Kühlschrank mindestens eine Woche lang aufbewahrt werden.
Medikamente:
0,025%ige Acetazolamid-Lösung
Herstellung: 1 Tablette Diamox enthält 250 mg Acetazolamid.
Ein Viertel einer Tablette in einem Mörser zerreiben, in 250 ml destilliertem Wasser so vollständig wie möglich lösen
0,025%ige Sulfamethoxazol-Lösung
Herstellung: 1 Tablette Cotrim forte enthält 800 mg Sulfamethoxazol.
Einen kleinen Teil der Tablette in einem Mörser zerreiben und 0,1 g in 200 ml destilliertem Wasser so vollständig wie möglich lösen
Enzym-Aktivität nachweisen:
Das Experiment wird bei 4 °C ausgeführt: die Mineralwasserflasche steht im Eisbad und auch die Reagenzgläser stehen im Eis, wenn Sie nicht gerade mit ihnen arbeiten.
Experiment 1:
1 ml Phenolrotlösung in ein Reagenzglas pipettieren
5 ml Mineralwasser in ein anderes Reagenzglas pipettieren
mischen und die Zeit bis zum Farbumschlag stoppen. Sollte sich die Farbe nicht deutlich ändern, in allen Versuchen 6 oder 7 ml Mineralwasser verwenden.
Experiment 2:
1ml Phenolrotlösung und 0,1 ml Enzymlösung in einem Reagenzglas mischen
5 ml Mineralwasser in ein anderes Reagenzglas pipettieren
mischen und die Zeit bis zum Farbumschlag stoppen Experiment 3:
1 ml Phenolrotlösung, 0,1 ml Enzym- und 0,1 ml Acetazolamid-Lösung in einem Reagenzglas mischen
5 ml Mineralwasser in ein anderes Reagenzglas pipettieren
mischen und die Zeit bis zum Farbumschlag stoppen Experiment 4:
1 ml Phenolrotlösung, 0,1 ml Enzym- und 0,1 ml Sulfamethoxazol-Lösung in einem Reagenzglas mischen
5 ml Mineralwasser in ein anderes Reagenzglas pipettieren
mischen und die Zeit bis zum Farbumschlag stoppen
Auswertung:
Protokollieren Sie die Zeitmessungen und beantworten Sie folgende Fragen
stichwortartig, nachdem Sie den angesprochenen Arbeitsschritt ausgeführt und das Ergebnis gesehen haben:
1. Weshalb wird das Blut zentrifugiert?
2. Weshalb wird eine isotonische Lösung zugegeben und suspendiert?
3. Weshalb könnten Sie auf das Zentrifugieren nach der Zugabe von Ethanol verzichten?
4. Was geschieht bei der Zugabe von Chloroform?
5. Warum wird das Experiment bei 4 °C ausgeführt?
6. Warum ändert sich die Farbe in den Reagenzgläsern?
7. Wie können Sie die Wirkung der Carboanhydrase erkennen?
8. Wie ändert sich die Farbe, wenn das Medikament die Carboanhydrase blockiert?
Markieren Sie alle Pfeile in den Schemata mit Farbe, in denen die Carboanhydrase die Reaktionen beschleunigt.
Bemerkungen:
Zeitmessungen: der Indikator wird gelb nach I ca. 6 Sekunden
II sofort
III ca. 6 Sekunden
Die Kohlendioxidkonzentration im Mineralwasser muss hoch sein, damit der pH-Wert der gepufferten Indikatorlösung ausreichend gesenkt wird. Mit Aproz blau (die Version mit viel Kohlensäure also) ist der Farbumschlag sehr deutlich.
Allenfalls muss das Volumen der Indikatorlösung angepasst werden.
Anworten:
1. Weshalb wird das Blut zentrifugiert?
Damit die roten Blutkörperchen, die die Carboanhydrase enthalten, nach unten gehen.
2. Weshalb wird eine isotonische Lösung zugegeben und suspendiert?
Weil die roten Blutkörperchen aussen gespült werden müssen, damit das Blutplasma vollständig entfernt wird.
3. Weshalb könnten Sie auf das Zentrifugieren nach der Zugabe von Ethanol verzichten?
Ethanol zerstört die Zellmembran der roten Blutkörperchen: Carboanhydrase und Hämoglobin treten aus.
4. Was geschieht bei der Zugabe von Chloroform?
Chloroform fällt das Hämoglobin aus.
Wenn der Inhalt des Zentrifugenröhrchens zu wenig gemischt wird, sammelt sich das Chloroform unten und die Enzymlösung bleibt rot. Sie kann trotzdem verwendet werden.
5. Warum wird das Experiment bei 4 °C ausgeführt?
Weil die Farbe bei Raumtemperatur noch schneller umschlagen würde.
6. Warum ändert sich die Farbe in den Reagenzgläsern?
Weil H+ entsteht und den pH-Wert senkt.
7. Wie können Sie die Wirkung der Carboanhydrase erkennen?
Die Farbe schlägt im Experiment II viel schneller um als im Experiment I.
8. Wie ändert sich die Farbe, wenn das Medikament die Carboanhydrase blockiert?
Es geht nicht um die Farbänderung, sondern um die Reaktionszeit. Das Medikament blockiert im Experiment III die Carboanhydrase: es dauert länger bis die Farbe ändert.
Wir haben Blut verwendet, das nicht mehr als 4 Tage alt war. Mit der Zeit entsteht ein unangenehmer Geruch. Blut ist billig, muss aber beim Metzger vorbestellt werden und es ist zu bedenken, dass nur an gewissen Tagen geschlachtet wird.
Von Kohlensäure ist nie die Rede, weil es die Argumentation erschwert und die Anleitung unlesbar macht.
1 Tablette Cotrim forte wiegt 1,1 g
Mit andern Sulfonamiden, wie Toluol-2-sulfonamid, Toluol-4-sulfonamid und
Sulfamethoxazol, lässt sich zeigen, wie Struktur und Wirkung zusammenhängen. Das kann bei Helbling nachgelesen werden.
Literatur:
F. Helbling, Praxis der Naturwissenschaften - Biologie, 4/45. Jg (1996)
H. Auterhoff et al., Lehrbuch der Pharmazeutischen Chemie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart (1994)
T. M. Braun, Portrait eines Biokatalysators: Carboanhydrase A, PdN-Ch. 3/39, S. 8-10 (1990)
Carboanhydrase. Material Seite 1
Tag Datum Lektion Klasse Gruppenzahl
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frisches Schweineblut
von Metzgerei Traiteur Kauffmann Bahnhofstrasse 102
8001 Zürich
Tel. 044/211 30 80
Herr Ausser Offen: Ab 8 Uhr
3-4 Tage vorher bestellen. Frisches Blut, das immer flüssig bleibt verlangen.
Pro Gruppe: 1 Vortex 1 Zentrifuge
2 Zentrifugenröhrchen aus Glas 1 Pasteur-Pipette mit Nuggi 6 Reagenzgläser
1 400 ml Becherglas weit für Eisbad
1 150 ml Becherglas für das gekühlte Mineralwasser 1 5 ml Stabpipette mit Pipettierhilfe
1 Eppendorfpipette für 1000 Mikroliter mit passenden Spitzen weiter auf Seite 2:
Carboanhydrase. Material Seite 2
Alle fettgedruckten Lösungen müssen gekühlt sein, weil das Experiment bei 4 °C ausgeführt wird. Bitte vor dem Praktikum mindestens 3 Stunden im Kühlschrank temperieren und zu Beginn des Praktikums ins Eisbad stellen.
In einer Kapelle:
100 ml frisches Schweineblut in undurchsichtiger Plastikflasche mit 10 ml Stabpipette
100 ml isotonische Lösung = 0,9 % Kochsalz-Lösung mit 5 ml Stabpipette mind. 50 ml 40 % Alkohol mit 5 ml Stabpipette
Chloroform mit 1 ml Stabpipette In einer anderen Kapelle:
Phenolrot-Lösung mit 1000 Mikroliter-Pipette:
2,0 g NaHCO3 4,0 g Na2CO3 und 5 mg Phenolrot in 500 ml deionisiertem Wasser lösen und auf 4 °C kühlen.
mind. 1 L Mineralwasser (bspw. Sodaclub 3 "Fürze" mit Wasser von ca. 15 °C oder Aproz mit viel Kohlensäure) und 5 ml Stabpipette
In einer dritten Kapelle: Kanister für chlorierte organische Abfälle Auf dem Lehrerkorpus:
Eis
2 kleine Mörser mit Pistill 1 Tablette Diamox (Apotheke) 1 Tablette Cotrim forte
1 200 ml Messkolben 1 250 ml Messkolben
Stand vom 02.03.2022