• Keine Ergebnisse gefunden

Therapie der tiefen Venenthrombosen

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Therapie der tiefen Venenthrombosen"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

832

ARS MEDICI 17 2006 F O R T B I L D U N G

Venenthrombosen sind vermutlich viel häufi- ger als angenommen. Jeder klinische Verdacht sollte innerhalb von 24 Stunden abgeklärt werden. Wird eine tiefe Becken- oder Bein- venenthrombose (TVT) diagnostiziert, können Sie als Hausarzt die Patienten in der Regel ambulant weiterbehandeln. Als Grundprinzip der Therapie ist neben Antikoagulation und Kompression längst auch die Mobilisation etabliert.

K L A U S S C H R A D E R

Nach dem Ergebnis einer Autopsiestudie in England aus dem Jahr 1985 werden TVT sehr oft übersehen: Nur 3 Prozent der bei den Untersuchten gefundenen Thrombosen waren zu Leb- zeiten bekannt, berichtete Dr. med. Klaus Schrader aus Hof/Saale während der «practica 2005» in Bad Orb. Zum Schutz der Patienten vor gefährlichen Komplikationen ist das rechtzei- tige Erkennen von Venenthrombosen ebenso wichtig wie die Vorbeugung.

Antikoagulation nicht nur vor der Operation

Eine Heparin-Prophylaxe ist bei chirurgischen und orthopädi- schen Patienten wegen des deutlich erhöhten Thrombose- risikos Routine. Aber auch bei nicht chirurgischen Risiko- patienten, die durch eine akute Erkrankung immobil werden, sollte eine Primärprophylaxe individuell erwogen werden, sagte Schrader.

«Wenn ein Patient mindestens einen Risikofaktor für eine Thrombose hat», etwa hohes Alter, Tumor in der Anamnese

oder bekannte Thrombophilie, «und zum Beispiel wegen einer exazerbierten COPD immobil wird, steigt das Thromboserisiko drastisch.» Dann sollte an eine vorübergehende Antikoagula- tion gedacht werden.

Wie verlässlich ist der Befund?

Anamnese und körperliche Untersuchung reichen zur Abklä- rung eines Verdachts auf Venenthrombose nicht aus. Denn Symptome wie Ödeme, Schmerzen, Spannungsgefühl oder verstärkte Venenzeichnung und so genannte klinische Früh- erkennungszeichen (Payr, Bisgaard, etc.) sind ausgesprochen unspezifisch. Klinische Scores zur Beurteilung der TVT-Wahr- scheinlichkeit wie der Wells-Score (Tabelle), in den Ana- mnesebefunde und Symptomatik einfliessen, können aber das diagnostische Prozedere vereinfachen. Ab zwei Score-Punkten

Therapie der tiefen Venenthrombosen

Antikoagulieren, komprimieren, mobilisieren

■ Jeder Thromboseverdacht ist innerhalb von 24 Stunden abzuklären.

■■

■ Wenn ein Patient mindestens einen Risikofaktor für eine Thrombose hat und zum Beispiel wegen einer exazerbierten COPD immobil wird, steigt das Throm- boserisiko drastisch.

■ In etlichen Untersuchungen wurde bereits belegt, dass das Risiko einer fatalen Lungenembolie bei ambulant behandelten TVT-Patienten minimal ist.

■ Ohne Bewegung funktioniert die Kompression nicht.

■ Vor einer geplanten Operation sollten orale Antikoa- gulanzien mindestens sechs Tage abgesetzt werden, und die Therapie sollte vorübergehend mit einem niedermolekularen Heparin überbrückt

werden.

■ Kompressionsstrümpfe sollten nach einer TVT mindestens fünf Jahre getragen werden

M M M

M e e e e rr rr k k k k ss ss ä ä ä ä tt tt zz zz e e e e

(2)

betrage die TVT-Wahrscheinlichkeit 70 Prozent und mehr, sagte Schrader. Zu beachten ist, dass selbst bei 0 Punkten immer noch bis zu 5 Prozent der Patienten eine Venenthrombose haben können.

Ist die klinische Wahrscheinlichkeit nach dem Wells-Score nicht hoch (höchstens 1 Score-Punkt), kann als nächster Schritt die Konzentration von D-dimeren Spaltprodukten von Fibrin im Blut bestimmt werden, zum Beispiel mit einem Bedside-Test.

Bei negativem Ergebnis sei ziemlich sicher, dass der Patient in den letzten zehn Tagen keine Thrombose hatte, so Schrader. Ein positiver Test beweist hingegen noch keine Venenthrombose, da es auch andere Ursachen geben kann.

Im Zweifel Duplex-Sonografie

Bei Patienten mit positivem D-Dimer-Test sollte ebenso wie bei allen Patienten mit hoher klinischer TVT-Wahrscheinlichkeit eine Kompressions- oder Duplex-Sonografie erfolgen. Bei negativem Befund gilt die TVT als ausgeschlossen, bei positi- vem Befund sollte man sofort die Therapie beginnen, und bei nicht eindeutigem Befund wird zur definitiven Abklärung die Phlebografie eingesetzt.

«Jeder Thromboseverdacht ist innerhalb von 24 Stunden abzu- klären», betonte Schrader. Die Reihenfolge der Diagnostik sollte nach Verfügbarkeit entschieden werden. «Wenn ausnahms- weise weder Ultraschalldiagnostik noch Phlebografie zur Ver- fügung stehen, ist eine antikoagulatorische Behandlung, die sich an den klinischen Befunden und der Wahrscheinlichkeit einer TVT orientiert, bis zur Komplettierung der Diagnostik zu verantworten», heisst es in der neuesten Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie aus dem Jahr 2005 (Phlebologie 2005; 34: 41–58). Zur Sicherheit sollten ausserdem Kompres- sionsverbände oder, wenn das Bein noch nicht so geschwollen ist, Kompressionsstrümpfe angelegt werden.

Immobilisation ist out

Bei der Therapie von Patienten mit nachgewiesener TVT hat ein Umdenken stattgefunden. Die früher propagierte rasche Klinik- einweisung und Immobilisation der Patienten ist überholt. Bis zu 90 Prozent der Patienten könnten, unabhängig von der Lokalisation der TVT, ambulant behandelt werden, und zwar mit mindestens so gutem Ergebnis wie in der Klinik, sagte Schrader. Als Voraussetzungen für die ambulante Therapie nannte der Phlebologe:

Die TVT-Diagnose ist morphologisch gesichert

Der Patient hat keine schweren Symptome einer Lungen- embolie oder Rechtsherzinsuffizienz

Eine restitutive Behandlung (Lyse oder Operation) ist unmöglich oder wird abgelehnt

Der Patient ist nicht bewegungseingeschränkt und für eine Kompressionstherapie geeignet

Die Behandlung zu Hause ist gewährleistet (Patient steht nicht alleine oder ist nicht sehr ängstlich)

Der Patient ist informiert und kooperativ.

«Man muss sich von dem Gedanken freimachen, dass eine am- bulante Therapie riskant ist», betonte Schrader. In etlichen Untersuchungen wurde bereits belegt, dass das Risiko einer fatalen Lungenembolie bei ambulant behandelten TVT-Patien- ten minimal ist. Zudem werden bei einer ambulanten Behand- lung etwa zwei Drittel der Kosten einer stationären Behandlung gespart.

Mit der antikoagulatorischen Behandlung und der Kompres- sionstherapie sollte nach dem Nachweis einer TVT sofort begonnen werden. Standardmässig wird zunächst für mindes- tens sechs Tage ein niedermolekulares Heparin (NMH) verab- reicht, bis der INR-Wert bei über 2 liegt. Parallel dazu werden in der Regel ab dem ersten Tag orale Antikoagulanzien (Phen- procoumon, Warfarin) eingenommen, und zwar immer abends. «Zwischen der NMH-Spritze und der Einnahme der Antikoagulanzien sollten mindestens sechs Stunden liegen», sagte Schrader. Der Ziel-INR beträgt 2 bis 3. Bei einem INR zwi- schen 1,5 und 2 sei das Blutungsrisiko genauso hoch wie bei einem höheren INR, aber der Schutz vor einem Thrombose- rezidiv deutlich geringer, so der Phlebologe.

F O R T B I L D U N G F O R T B I L D U N G

834

ARS MEDICI 17 2006

Tabelle:

Bestimmung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer tiefen

Venenthrombose

Klinische Charakteristiken Score Bewertung

■Aktives Malignom 1

■Lähmung oder kürzliche 1 Immobilisation der Beine

(z.B. Gips)

■Bettruhe (> 3 Tage); grosse Chirurgie 1 (< 12 Wochen)

■Schmerz/Verhärtung entlang 1 der tiefen Venen

■Schwellung des ganzen Beines 1

■US-Schwellung > 3 cm gegenüber 1 Gegenseite

■Eindrückbares Ödem am 1

symptomatischen Bein

■Oberflächliche Kollateralvenen 1 (nicht varikös)

■Frühere dokumentierte TVT 1

■Alternative Diagnose mindestens –2 genauso wahrscheinlich wie eine tiefe Venenthrombose

Score > 2: TVT wahrscheinlich Summe Score < 2: TVT unwahrscheinlich

Wells P.S. et al.: NEJM 2003, 349: 1227–1235.

(3)

T H E R A P I E D E R T I E F E N V E N E N T H R O M B O S E N ( T V T ) T H E R A P I E D E R T I E F E N V E N E N T H R O M B O S E N ( T V T )

ARS MEDICI 17 2006

835 Kompression erfordert Bewegung

Genauso wichtig wie eine effiziente Antikoagulation sind Kom- pression und Mobilisation. Bereits am ersten Tag sollten die Pa- tienten drei Spaziergänge machen und ab dem zweiten Tag mindestens 90 Minuten täglich gehen. «Ohne Bewegung funk- tioniert die Kompression nicht», sagte Schrader. Die Kompres- sionsbehandlung verringert Schmerzen und Schwellung und führt eventuell zu einem rascheren Abbau der Thrombose. Ge- mäss Studien wird durch eine Kompression nach einer ersten proximalen TVT die Inzidenz des postthrombotischen Syn- droms um etwa 50 Prozent verringert. Bei den meisten Patien- ten reicht eine Wadenkompression aus, sagte Schrader. Kom- pressionsstrümpfe sollten über Nacht ausgezogen werden. Ver- bände sind Alternativen, wenn Strümpfe nicht angewandt werden können.

Wie lange antikoagulieren?

Nicht eindeutig geklärt ist, wie lange Patienten mit einer TVT antithrombotisch behandelt werden sollten. Nach evidenz- basierten klinischen Studien reicht bei sehr kleinen kruralen TVT eine kurzzeitige Behandlung mit NMH aus, bis die Throm- bose in der Sonografie nicht mehr zu sehen ist. Bei Patienten mit isolierter distaler TVT wird eine Antikoagulation über mindestens sechs Wochen, bei sekundärer proximaler TVT über drei bis sechs Monate und bei Lungenembolie und idio- pathischer proximaler TVT über sechs bis zwölf Monate emp- fohlen. Bei Rezidivthrombosen sollte über mindestens zwölf Monate und bei persistierendem Risiko (aktives Malignom, Thrombophilie) dauerhaft behandelt werden. Kompressions- strümpfe sollten nach einer TVT mindestens fünf Jahre getragen werden, sagte Schrader.

Nicht vergessen: Orale Antikoagulanzien sollten mindestens sieben bis neun Tage vor einer geplanten Operation abgesetzt werden, und die Therapie sollte vorübergehend mit NMH über-

brückt werden.

Dr. med. Klaus Schrader Facharzt für Allgemeinmedizin, Phlebologie D-95028 Hof

Interessenkonflikte: keine deklariert

Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 5/2006. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.

Vorsicht bei Thrombophlebitis!

Patienten mit Venenentzündungen sollten genauso wie Thrombosepatienten behandelt werden, sagte Klaus Schra- der. Denn bei bis zu 65 Prozent der Patienten ist die Venen- entzündung mit einer TVT verbunden.

Ist die Thrombophlebitis an einem Seitenast am Unterschen- kel lokalisiert, empfiehlt der Phlebologe eine prophylaktische Behandlung mit Heparin über einige Tage. Haben die Patien- ten zusätzliche Risikofaktoren für eine Thrombose, sollte Heparin in therapeutischer Dosis für vier bis sechs Wochen eingesetzt werden. Eine Umstellung auf eine orale Anti- koagulation ist in diesem Zeitraum nicht unbedingt notwen- dig.

Ist die Saphena magna betroffen, sollte über drei Monate eine orale Antikoagulation erfolgen.

Ein Beitrag im Pharma Forum in ARS MEDICI 15/06, S. 742, erschien mit einem Fehler im Titel. Die korrekte Schreib- weise des Titels lautet:

«Non-Hodgkin-Lymphom:

Maintenance Therapie mit Rituximab»

Wir bitten um Nachsicht. Die Redaktion

K K K

K o o o o rr rr rr rr ii ii g g g g e e e e n n n n d d d d u u u u m m m m

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

In einer Kohortenstudie mit 85 Frauen, die nach Nierenspende schwanger geworden waren (131 Schwangerschaften), sind die Risi- ken für Gestationshypertonus oder

Die Gefahr einer Metastasenför- derung durch die komplexe physika- lische Entstauungstherapie bei der Behandlung von mit Malignomen in Zusammenhang stehenden sekun- dären

Auch Patienten, die systemi- sche Antimykotika benötigen, können nicht mit den DOAK behandelt wer- den, denn es besteht keine aussagekrä- fige Möglichkeit, den

Solche Zahlen können die Compliance verbes- sern, die bekanntermassen in der Pri- märprävention ohne Symptome eine Herausforderung darstellt.» Demnach erhält die Patientin

In beiden Studien wurden Patienten nach einer initialen The- rapie mit Heparin entweder mit Dabigatran (150 mg b.i.d.) oder VKA (INR-Zielwert 2–3) für 6 Monate behandelt..

In der AVERROES (Apixaban versus Acetylsalicylic Acid to Prevent Stroke in Atrial Fibrillation Patients Who Have Failed or Are Unsuitable for Vitamin K Antagonist

Für mehr als 40 % der Frauen macht es einen Unterschied, welche Hormone in der Pille enthalten sind, und sie würden lieber mit einem natürlich vorkommenden Östrogen als mit einem

Für mehr als 40 % der Frauen macht es einen Unterschied, welche Hormone in der Pille enthalten sind, und sie würden lieber mit einem natürlich vorkommenden Östrogen als mit einem