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Neue orale Antikoagulanzien bei Vorhofflimmern

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Academic year: 2022

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Vorhofflimmern ist eine der häu- figsten Rhythmusstörungen der Vorhöfe, nimmt mit steigendem Alter zu und erhöht das Risiko für einen Schlaganfall auf das bis zu 5-Fache. Den Nutzen einer Anti - koagulation mit den neuen oralen Antikoagulanzien (NOAC) bestätigt nun eine aktuelle Metaanalyse, die auf Daten von mehr als 70 000 Pa- tienten zurückgreifen konnte. An- hand von Fallbeispielen konnten praktische Aspekte der Antikoa - gulation mit Apixaban aufgezeigt werden, zum Beispiel die Proble- matik der eingeschränkten Nieren- funktion sowie das perioperative Management.

CHRISTINE MÜCKE

Ausser Frage steht, dass Vorhofflim- mern (VHF) eine relevante kardiologi- sche Erkrankung ist, sie zählt zu den häufigsten Rhythmusstörungen des Vorhofs. Die Inzidenz ist relativ hoch:

Sind unter den 65- bis 75-Jährigen rund 7 Prozent betroffen, so sind es unter den > 80-Jährigen bereits 15 bis 20 Pro- zent. Die klinischen Folgen sind eben- falls bekannt: ein 5-fach erhöhter An- stieg von Schlaganfällen, ein 3-fach erhöhter Anstieg kongestiver Herz - insuffizienz sowie ein 2-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko, so Prof. Dr. med. Ste- phan Windecker, Chefarzt der Univer- sitätsklinik für Kardiologie am Insel-

spital Bern. Eine Antikoagulation mit Warfarin kann das relative Schlag - anfallrisiko gegenüber Plazebo um 64 Prozent verringern und das absolute Risiko pro Jahr um 2,7 Prozent senken

− das entspricht einer relativ niedrigen Number needed to treat (NNT) von 37 pro Jahr, um einen Schlaganfall zu verhindern, so der Experte (1). Die Antikoagulation schneidet dabei besser ab als eine plättchenhemmende Thera- pie. Aber auch die Limitationen einer Antikoagulation mit Vitamin-K-Anta- gonisten (VkA) sind hinreichend be- kannt: Sie muss lebenslang monitori- siert werden, trotzdem wird der erfor- derliche INR-Bereich in weniger als 60 Prozent der Zeit tatsächlich einge- halten, ein Drittel der VHF-Patienten erhält erst gar keine solche Therapie oder beendet eine solche wieder. Nicht zu vernachlässigen sind mögliche Blu- tungskomplikationen, Schwierigkeiten mit der Compliance und Interaktionen mit anderen Medikamenten und Nah- rungsmitteln, so Windecker.

NOAC bewährte Alternative

Vor diesem Hintergrund wurden die neuen Substanzen entwickelt, mit denen heute zwei Gruppen oraler Antikoagu- lanzien zur Verfügung stehen: die direk- ten Faktor-Xa-Hemmer Rivaroxaban, Apixaban sowie Edoxaban und der di- rekte Faktor-IIa-Hemmer Dabigatran.

Eine aktuelle grosse Metaanalyse von Ruff et al. zeigte in einer prospektiven, gepoolten Analyse mit den Daten der grossen Zulassungsstudien der genann- ten Substanzen jetzt bei insgesamt 71 683 Patienten mit Vorhofflimmern einen Vorteil zugunsten der neuen ora- len Antikoagulanzien (NOAC) versus Warfarin hinsichtlich Schlaganfalls und systemischer Embolien (2). Besonders ausgeprägt waren diese Vorteile, was die Verhütung hämorrhagischer Schlag - anfälle sowie intrakranielle Blutungen (beide p < 0,0001) anging. Diese Vor- teile schlugen sich in einer signifikant

niedrigeren Gesamtmortalität nieder (p = 0,0003). Lediglich hinsichtlich gastrointestinaler Blutungen lag der Vorteil bei Warfarin (p = 0,043). Diese neuen Medikamente waren aber nicht nur effizienter, sondern haben auch ein sicheres Profil. Bei der Betrachtung der schwereren Blutungen war gesamthaft ein Vorteil zugunsten der NOAC aus- zumachen (p = 0,06). Auch die älteren Patienten (> 75 Jahre) sowie diejenigen, die bereits einmal einen Schlag anfall oder eine transitorische isch ämische Attacke (TIA) erlitten hatten, profitier- ten im Vergleich zu den traditio nellen Antikoagulanzien stärker von den neuen Substanzen. Im Vergleich zu den Vitamin-K-Antagonisten treten Wir- kung (innerhalb von 2 bis 4 Stunden) und -nachlass (innerhalb von 24 Stun- den) der NOAC schneller ein, ihre pharmakologischen Effekte sind vor- hersagbar, das Risiko hämorrhagischer Schlaganfälle, schwerwiegender Blu- tungen sowie die Mortalität sind ge - ringer, so der Experte zusammen fas - send. So hat beispielsweise die ARIS- TOTLE-Studie zeigen können, dass die Wirksamkeit von Apixaban im Ver- gleich zu Warfarin über 30 Monate hin- weg signifikant besser ist (p = 0,01), was die Vermeidung von Schlag anfäl - len oder systemischen Embolien (-21%) angeht (3). Schwere Blutungen waren in dieser Studie unter Apixaban signifi- kant seltener (-31%; p < 0,001), und die Gesamtmortalität konnte um 11 Prozent verringert werden. Apixaban konnte in der AVERROES-Studie auch gegen- über ASS eine bessere Wirksamkeit (Hazard Ratio [HR]: 0,45; p < 0,001) belegen. Die Inzidenz schwerer Blutun- gen unterschied sich nicht signifikant (HR: 1,13; p = 0,57). Den guten Resul- taten ihrer Studien zufolge empfehlen die ESC-Guidelines zur Vorbeugung von Thromboembolien bei nicht val - vulärem Vorhofflimmern, heute den NOAC gegenüber den VKA den Vor- zug zu geben, so Windecker.

BERICHT

ARS MEDICI 23 2014

1157

Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie (SGK) Interlaken, 11. bis 13. Juni 2014

Neue orale Antikoagulanzien bei Vorhofflimmern

Grosse Metaanalyse umfasste mehr als 70 000 Patienten

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Fallbeispiele aus der Praxis

Den klinischen Einsatz von Apixaban verdeutlichte PD Dr. Jan Steffel, Co- Leiter Rhythmologie, Oberarzt Kar- diologie Universitätssspital Zürich, an- hand von konkreten Fallbeispielen:

zum Beispiel die 71-jährige Patientin, die sich mit paroxysmalem Vorhof- flimmmern seit 5 Jahren (etwa 1 sym - ptomatische Episode/Monat) vorstellt.

Sie ist subjektiv bis auf seltene Palpita- tionen beschwerdefrei und erhält ASS, Metoprolol 50 mg und Atorvastatin 20 mg. Ausserdem hat sie einen medi- kamentös eingestellten Diabetes melli- tus Typ II sowie eine mittelschwere Niereninsuffizienz (GFR 37 ml/min).

Sollte sie ein NOAC wie zum Beispiel Apixaban erhalten? Zur Ermittlung des individuellen Schlaganfallrisikos wird heute der CHA2DS2-VASc-Score empfohlen, so der Experte. «Der Ein-

satz dieses Scores ist nicht allein zur Be- urteilung der Notwendigkeit zur Anti- koagulation hilfreich, sondern auch um mit dem Patienten zu diskutieren, wie hoch sein jährliches Risiko für ein unerwünschtes Ereignis ist. Solche Zahlen können die Compliance verbes- sern, die bekanntermassen in der Pri- märprävention ohne Symptome eine Herausforderung darstellt.» Demnach erhält die Patientin für Alter, Ge- schlecht und Diabetes 3 Punkte und hat damit nicht nur eine Indikation zur Antikoagulation, sondern auch ein jährliches Schlaganfallrisiko von 6 Pro- zent. Für das weibliche Geschlecht wird dabei nur im Zusammenhang mit weiteren Risikofaktoren ein Punkt ge- geben, ohne diese muss es nicht weiter berücksichtigt werden. Ist eine Anti - koagulation indiziert, sollen heute be- vorzugt NOAC zum Einsatz kommen, wenn keine Kontraindikationen vorlie- gen, so auch Steffel zu den ESC-Emp- fehlungen, und er warnt gleichzeitig vor dem undifferenzierten Einsatz die- ser neuen Medikamente.

Nierenfunktion wichtiger Parameter Zu berücksichtigen ist beispielsweise eine allfällige Einschränkung der Nie- renfunktion, je nach Medikament ge- staltet sich das etwas unterschiedlich.

Eine absolute Kontraindikation ist le- diglich eine schwere Niereninsuffizienz.

Aber der Experte ist eher vorsichtig:

«Unter 30 ml sind zwar sowohl Riva - roxaban als auch Apixaban zugelassen, aber ich bin persönlich der Meinung, dass man es hier nicht einsetzen sollte.

Es fehlen die Daten, daher ist es zum jetzigen Zeitpunkt besser, es bei diesen Patienten nicht anzuwenden», so der Experte. Das entspricht auch den ESC- Empfehlungen. Diese empfehlen zudem bei Patienten mit eingeschränkter Nie- renfunktion regelmässige Kontrollen, 2- bis 3-mal pro Jahr oder in Situatio- nen, in denen man eine Verschlechte- rung befürchtet. Und die Alternative?

Auch bei Phenproucomon stellt die Niereninsuffizienz eigentlich eine Kon - traindikation dar, so Steffel, auch wenn diese hier oftmals nicht berücksichtigt wird. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass diese Patienten hin- sichtlich der Schlaganfallprävention bei steigendem Blutungsrisiko nicht mehr viel profitieren, der Einsatz sollte also mit Vorsicht erfolgen.

Apixaban weist hinsichtlich der Nie - ren insuffizienz interessante Daten auf, wie Stef fel weiter ausführte: «In der ARISTOTLE-Studie konnte gezeigt werden, dass Patienten mit einer mittel- schweren Niereninsuffizienz hinsicht- lich der schweren Blutungen interes- santerweise relativ stärker profitierten als solche mit einer leichten Nieren - insuffizienz.» Insofern ist die eingangs vorgestellte Patientin, die eine Indi - kation zur oralen Antikoagulation aufweist, in seinen Augen eine geeig- nete Kandidatin für den Einsatz der Substanz.

Perioperatives Management

In einem weiteren Fall wird der 73-jäh- rige, asymptomatische Patient, der seit 15 Jahren Vorhofflimmern hat, bereits mit Apixaban behandelt. Er hat darü- ber hinaus eine arterielle Hypertonie und soll nun aufgrund einer dilatativen Kardiomyopathie (Ejektionsfraktion 29% unter optimaler medikamentöser Therapie) einen ICD erhalten. Neben dem NOAC erhält er zudem Bisoprolol 5 mg, Ramipril 5 mg sowie Spirono- lacton 25 mg.

Das perioperative Management der Antikoagulation hängt vom Risiko des geplanten Eingriffs ab (Kasten). Sehr gute praktische Empfehlungen gibt hier das Papier der EHRA, so Steffel. In Fäl- len niedrigen Risikos, wie der geplan- ten ICD-Implantation, reicht es aus, Apixaban mindestens 24 Stunden vor- her abzusetzen – der Patient erhielt die letzte Gabe am Morgen vor der Operation, so der Referent. Diese Empfehlung ist unabhängig von der

Nierenfunktion.

Christine Mücke

Literatur:

1. Hart RG et al.: Meta-analysis: antithrombotic therapy to prevent stroke in patients who have nonvalvular atrial fibrillation. Ann Intern Med 2007; 146: 857–867.

2. Ruff CT et al.: Comparison of the efficacy and safety of new oral anticoagulants with warfarin in patients with atrial fibrillation: a meta-analysis of randomised trials. Lancet 2014; 383: 955–962.

3. Granger CB et al.: Apixaban versus warfarin in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2011; 365:

981–992.

4. Heidbuchel H et al.: EHRA practical guide on the use of new oral anticoagulants in patients with non-valvular atrial fibrillation: executive summary. Eur Heart J 2013; 34 (27): 2094–2106.

Quelle: «Überblick über die NOACs», Satellitensymposium von Pfizer/Bristol-Myers Squibb.

BERICHT

1158

ARS MEDICI 23 2014 Kasten:

Klassifikation des Blutungsrisikos chirurgischer Eingriffe

Interventionen, bei denen die Unterbrechung der Antikoagulation nicht zwingend ist:

zahnärztliche Eingriffe:

– Extraktion von 1 bis 3 Zähnen – paradontale Eingriffe – Inzision eines Abzsesses

Ophthalmologie:

– Katarakt- oder Glaukomoperation

Endoskopie ohne Chirurgie

oberflächliche Chirurgie (z.B. Abzessinzi- sion, kleine dermatologische Exzisionen) Interventionen mit niedrigem Blutungsrisiko:

Endoskopie mit Biopsie

Prostata- oder Blasenbiopsie

Radiofrequenzablation bei supraventriku - lärer Tachykardie

Angiografie

Schrittmacher oder ICD (ausser bei kom- plexer anatomischer Situation)

Interventionen mit hohem Blutungsrisiko:

komplexe linksseitige Ablation (VHF, ventri- kuläre Tachykardie)

spinale oder epidurale Anästhesie

diagnostische Lumbalpunktion

thorakale und abdominelle Chirurgie

grössere orthopädische Eingriffe

Leberbiopsie, transurethrale Prostata- resektion (TURP)

Nierenbiopsie Nach Heidbuchel (4)

Referenzen

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