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Katrin Hein. 2015.Phrasenkomposita im Deutschen.Empirische Untersuchung und konstruktionsgrammatische Modellierung(Studien zur deutschen Sprache 67). Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag. 510 S.

Besprochen vonBarbara Schlücker:Universität Bonn, Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft, Am Hof 1d, D-53113 Bonn,

E˗Mail: barbara.schluecker@uni-bonn.de

DOI 10.1515/zrs-2016-0029

Mit ihrer Dissertation hat Katrin Hein die erste umfassende Monographie zur nominalen Komposition mit phrasaler Erstkonstituente im Deutschen vorgelegt.

Ob die Behauptung, dass die Komposition mit Phrasen in der Wortbildungslitera- tur als marginaler Wortbildungstyp stigmatisiert oder sogar ignoriert wird, im Jahr 2015 noch aufrechtzuerhalten ist, mag angesichts ihrer Berücksichtigung in aktu- ellen Wortbildungsüberblicken (u.a. Ortner & Müller-Bollhagen 1991; Motsch 2004; Donalies 2005; Fleischer & Barz 2012) dahingestellt sein – deutlich ist jedoch, dass dieser Typ in der Forschungsliteratur insgesamt im Vergleich zu anderen Kompositionstypen, insbesondere der N+N-Komposition, wenig Auf- merksamkeit erhalten hat. Zwei Gründe liegen hierfür auf der Hand: Zum einen sind Phrasenkomposita vergleichsweise selten. So haben beispielsweise substan- tivische Phrasenkomposita in dem der Studie von Ortner & Müller-Bollhagen (1991) zugrunde liegenden Korpus nur einen Anteil von 3,1%, im Vergleich zu 77,9% N+N-Komposita. Andererseits unterscheiden sie sich damit in ihrer Vorkommens- häufigkeit nicht erheblich von V+N-Komposita mit 6,5% oder A+N-Komposita mit 4,6%, die dennoch in der Literatur weitaus stärker berücksichtigt worden sind. Es ist deshalb naheliegend anzunehmen, dass als zweiter Grund der grammatische Status dieser Bildungen eine wichtige Rolle spielt. Anders als bei allen ande- ren Kompositionstypen dienen bei Phrasenkomposita nicht morphologische, sondern–in Bezug auf die Erstkonstituente–syntaktische Strukturen als Input.

Phrasenkomposita werden daher mitunter auch als Schnittstellen- oder Über- gangsphänomene bezeichnet. Entsprechend steht dieser Aspekt in vielen Arbeiten zu Phrasenkomposita, nicht nur zum Deutschen, im Mittelpunkt des Interesses.

Vor diesem Hintergrund ist nun Ziel der Arbeit von Katrin Hein erstens eine fundierte theoretische Beschreibung der Phrasenkomposition, für die als theoreti- scher Rahmen die Konstruktionsgrammatik gewählt wird, und zweitens eine umfassende empirische Untersuchung, bei der die theoretischen Annahmen auf der Basis von Korpusdaten überprüft, expliziert und weiter ausgebaut werden.

© 2016 Barbara Schlücker, published by De Gruyter

This work is licensed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 3.0 License.

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Dementsprechend gliedert sich die Arbeit in einen theoretischen und einen empi- rischen Teil. Im theoretischen Teil werden neben den einschlägigen Arbeiten zum Deutschen (hier sind u.a. Wiese 1996; Neef 1996; Meibauer 2003; Lawrenz 2006 zu nennen) auch Arbeiten zum Englischen aufgeführt. Im nächsten Abschnitt wird die grundsätzliche Einordnung von Phrasenkomposita als genuine Komposi- ta durch den Vergleich mit ‚prototypischen‘ Komposita, d.h. substantivischen und adjektivischen Determinativkomposita, überprüft und bestätigt. Daran an- schließend werden drei theoretische Richtungen vorgestellt (lineare, syntakti- sche, gemischte Modelle), in die sich die bestehenden Studien zu Phrasenkom- posita einordnen lassen. Im Zentrum stehen dabei diejenigen Aspekte der verschiedenen Theorien, die sich auf die Interaktion von Syntax und Morphologie beziehen. So stellt die Analyse von Phrasenkomposita insbesondere für modula- re, strikt lineare Grammatikmodelle ein Problem dar. Im Anschluss wird die Kon- struktionsgrammatik mit ihren verschiedenen Strömungen und grundlegenden Annahmen eingeführt. Im letzten Abschnitt des Theorieteils wird eine allgemeine konstruktionsgrammatische Analyse von Phrasenkomposita vorgeschlagen. Da- bei legt die Verfasserin einen gebrauchsbasierten Konstruktionsbegriff zugrunde, der sich maßgeblich auf die Frequenz als zentrales Kriterium stützt, nachdem sie diesen mit dem‚klassischen‘Konstruktionsbegriff (mit der Nicht-Kompositionali- tät als zentralem Kriterium) verglichen hat.

Der zweite Teil präsentiert die Ergebnisse einer Korpusstudie im DeReKo- Korpus. Nach der Beschreibung der Extraktionsmethode und der erhobenen Daten werden die zu untersuchenden Kategorien der Analyse eingeführt. Es werden vier große Kategorien von Phrasenkomposita zugrunde gelegt, die durch die Art der jeweiligen Zweitkonstituente bestimmt sind: Phrasenkomposita mit simplizischem Zweitglied, mit deadjektivischem Zweitglied, mit desubstantivi- schem Zweitglied und mit deverbalem Zweitglied. Auf der Basis von vorab für jede Gruppe ausgewählten Zweitgliedern werden insgesamt 1.576 Types aus dem Korpus extrahiert und hinsichtlich ihrer semantischen, pragmatischen und for- malen Eigenschaften (d.h. Phrasentyp) analysiert. Auf dieser Basis werden spezi- fische Konstruktionsschemata erstellt, die an die allgemeinen Schemata des theo- retischen Teils anschließen. Den letzten Teil bildet eine Zusammenfassung und Generalisierung über die Modellierungen der vier Gruppen, in der die dominie- renden Form- und Bedeutungstypen und ihre Verknüpfung diskutiert werden, und in einer umfassenden hierarchischen Konstruktionstaxonomie, einem‚Kon- struktikon‘, zusammengeführt werden. Schließlich werden auch die Fragen der Produktivität des Wortbildungsmusters und seine spezifischen Verwendungskon- texte (Medium, Register, Domäne) diskutiert.

Mit der Analyse von 1.576 Types (aus einer Gesamtmenge von 1.182.720 Tokens) hat die Verfasserin ihre Untersuchung auf eine breite empirische Basis

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gestellt. Die Modellierung der von ihr vorgeschlagenen Konstruktionssubschema- ta ergibt sich datengeleitet durch einen Bottom-Up-Prozess und unterscheidet sich damit von anderen Studien. Innerhalb jeder der vier genannten, durch die Art des Zweitglieds bestimmten Gruppen werden semantische Untergruppen herausgearbeitet, die durch die Relation zwischen Erst- und Zweitglied bestimmt sind und sich an gängige Vorschläge zur Semantik von Determinativkomposita anlehnen (z.B. L O K A LL O K A L, T E M P O R A LT E M P O R A L, TTHE MAHE MA). Diese semantisch bestimmten Sub- schemata werden wiederum formal in Hinblick auf die vorkommenden Phrasen- typen weiter spezifiziert, wobei hier nicht nur zwischen NP, VP (bei Hein:„Ver- balkomplex“ bzw. „Verbalgruppe“, S.198), AP, Satz etc. unterschieden wird, sondern für jede dieser Gruppen weitere Untergruppen zugrunde gelegt werden (zehn allein bei der NP, z.B.„NP erweitert durch NP im Genitiv“,„NP erweitert durch Adjektiv“etc., S.192). Insgesamt liefert die Analyse einen hervorragenden, detaillierten Überblick über die Muster der Phrasenkomposition im Deutschen.

Dabei wird nicht nur gezeigt, welche semantischen und formalen Konstruktions- typen in Bezug auf die Häufigkeit ihres Vorkommens dominieren, sondern auch, wie diese Dominanzmuster miteinander korrelieren.

Allerdings hätte die Verfasserin zum Erreichen dieses Ziels noch konsequen- ter vorgehen können: Dass die Auswahl der im Detail zu analysierenden Kom- posita anhand der Zweitkonstituente erfolgt, liegt in Anbetracht ihrer Funktion als semantischer und grammatischer Kopf auf der Hand. Unklar ist jedoch, wes- halb der Auswahlprozess nicht auf Basis der Frequenz der Zweitglieder erfolgt (d.h. eine Analyse der häufigsten Zweitglieder im Korpus), insbesondere, da der Arbeit ausdrücklich ein gebrauchsbasierter und damit frequenzkorrelierter Kon- struktionsbegriff zugrunde liegt. Stattdessen erfolgt die Auswahl anhand vorab nach verschiedenen Kriterien semantischer und formaler Art ausgewählter Lexe- me, wobei die Verfasserin selbst anmerkt, dass die Auswahl sicherlich auch sub- jektiv geprägt sei, z.B. durch vorhandene Intuitionen darüber, welche Zweitglie- der interessant und relevant sein könnten (vgl. S.184). Durch diese Vorauswahl geht die Information verloren, welche Zweitglieder tatsächlich bevorzugt für die Bildung von Phrasenkomposita gebraucht werden. Dies zeigt sich auch in dem Problem, dass für einige der ursprünglich ausgewählten Lexeme offensichtlich keine oder nicht ausreichend viele Belege gefunden werden konnten, was wiede- rum dazu geführt hat, dass nicht alle semantischen Typen von Substantiven gleichermaßen berücksichtigt werden konnten (vgl. S.186). Insofern muss auch die Annahme, dass die 1.576 Types Phrasenkomposita des Untersuchungskorpus als eine hinreichend repräsentative Auswahl aus dem potentiellen Spektrum sub- stantivischer PKs gelten können (S.487), kritisch betrachtet werden.

Das große Verdienst der Arbeit ist, wie angemerkt, die sorgfältige und detail- lierte Herausarbeitung der unterschiedlichen Konstruktionstypen. Durch ihren

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Schnittstellencharakter stellen die Phrasenkomposita einen Phänomenbereich dar, der als Prüfstein für die grammatische Theoriebildung angesehen und aus bekannten Gründen als Evidenz für konstruktionsgrammatische Ansätze betrach- tet werden kann. Allerdings ist die Auseinandersetzung mit den verschiedenen theoretischen Richtungen vergleichsweise kurz geraten: Zum einen werden die Probleme der verschiedenen bestehenden Analysen recht knapp dargestellt. Zum anderen hätte man sich im Rahmen einer so umfangreichen Darstellung eine detailliertere Auseinandersetzung mit der grundlegenden konstruktionsgramma- tischen Modellierung gewünscht (d.h. auf der abstraktesten Ebene). Dass in einem nicht-modularen, nicht-linearen System eine wechselseitige Interaktion morphologischer und syntaktischer Strukturen grundsätzlich möglich ist, ist un- bestritten. Hier hätte sich aber durch eine weitergehende Auseinandersetzung mit der Frage nach dem konkreten Zusammenspiel der syntaktischen und morpholo- gischen Einheiten in der Strukturbildung (statt ihrer bloßen Postulierung) ein Mehrwert für die Theoriebildung ergeben können, auch in Bezug auf mögliche Beschränkungen oder Unterschiede, z.B. zwischen Bildungen mit lexikalisierten und mit nicht-lexikalisierten Phrasen. In diesem Zusammenhang verwundert auch, dass Booijs (2010)Construction Morphologyals einzige umfassende, dezi- diert morphologische konstruktionsgrammatische Theorie zwar wiederholt kurz erwähnt wird, im Übersichtskapitel zur Konstruktionsgrammatik jedoch keine Berücksichtigung findet, während dort verschiedene Strömungen der Konstrukti- onsgrammatik vergleichsweise ausführlich besprochen werden, die z.T. jedoch im Weiteren keine Rolle mehr spielen, wie beispielsweise Crofts (2001)Radical Construction Grammar.

Auch fehlen an einigen Stellen Begründungen für bestimmte Annahmen, die durchaus grundlegend für die Analyse bzw. die Datenauswahl sind. So wird zur Beschränkung der Datenbasis auf Pressetexte lediglich angemerkt, dass„man davon ausgehen kann, dass es sich bei der Phrasenkomposition vor allem um ein Phänomen der Pressesprache handelt“(S.168); als Begründung wird auf eine Auswertung von Pressetexten in einer früheren Arbeit der Verfasserin verwiesen, was aber freilich nichts über das Vorkommen in anderen Textsorten aussagt.

In stilistischer Hinsicht wäre schließlich eine gewisse Straffung wünschens- wert, da umständliche Einleitungen („nun kann dazu übergegangen werden, zu zeigen, inwiefern [...]“, S.122) und lange Zusammenfassungen von unmittelbar vorangehenden kurzen Abschnitten das Lesevergnügen mitunter schmälern.

Auch ist etwas unklar, welche Leserschaft die Verfasserin vor Augen hat, da mehrfach, z.T. durchaus umfangreich, Basisbegriffe der Sprachwissenschaft wie

‚Korpuslinguistik‘oder‚Valenz‘eingeführt werden. Schließlich ist auch das Feh- len eines Sachregisters, das gerade bei einer so umfangreichen Arbeit sehr hilf- reich wäre, bedauerlich.

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Ungeachtet dieser Kritikpunkte bietet die Studie jedoch einen umfassenden, aktuellen Überblick zur Phrasenkomposition im Gegenwartsdeutschen und eine detaillierte konstruktionsgrammatische Modellierung, die auch durch die um- fangreiche Datenpräsentation von großem Nutzen ist; alle 1.576 untersuchten Kompositumtypes stehen überdies auf der Verlagsseite (www.narr-shop.de/phra- senkomposita-im-deutschen.html) als elektronischer Anhang zur Verfügung und lassen sich dort alphabetisch und nach Frequenz ordnen.

Literatur

Booij, Geert. 2010.Construction morphology. Oxford, New York: Oxford University Press.

Croft, William. 2001.Radical construction grammar. Oxford: Oxford University Press.

Donalies, Elke. 2005.Die Wortbildung des Deutschen. Ein Überblick. 2., überarbeitete Auflage.

Tübingen: Gunter Narr.

Fleischer, Wolfgang & Irmhild Barz. 2012.Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache.

4., völlig neu bearbeitete Auflage. Berlin, Boston: De Gruyter.

Lawrenz, Birgit. 2006.Moderne deutsche Wortbildung: phrasale Wortbildung im Deutschen:

linguistische Untersuchung und sprachdidaktische Behandlung. (Philologia 91). Hamburg:

Kovač.

Meibauer, Jörg. 2003.Phrasenkomposita zwischen Wortsyntax und Lexikon.Zeitschrift für Sprachwissenschaft22, 153188.

Motsch, Wolfgang. 2004.Deutsche Wortbildung in Grundzügen. 2., überarbeitete Aufl. Berlin, New York: De Gruyter.

Neef, Martin. 1996.Wortdesign: eine deklarative Analyse der deutschen Verbflexion. (Studien Zur Deutschen Grammatik 52). Tübingen: Stauffenburg.

Ortner, Lorelies & Elgin Müller-Bollhagen. 1991.Deutsche Wortbildung: Typen und Tendenzen in der Gegenwartssprache. Vierter Hauptteil: Substantivkomposita. Berlin, New York:

De Gruyter.

Wiese, Richard. 1996.Phrasal compounds and the theory of word syntax. Linguistic Inquiry 27, 183193.

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