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38 phIakzente 4/2011
Zu ihrem 40. Geburtstag schenkt die Fotostiftung Schweiz der interessierten Öffentlichkeit etwas, was es in dieser Form noch nicht gegeben hat: eine Ausstellung über Schweizer Fotobücher und eine umfassende Publikation dazu.
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Thomas HermannI
nstitutionen feiern Jubiläen nicht bloss mit einem einzigen Anlass, sondern reflektieren im Verlauf eines Jahres über Geleistetes und Anfallendes. Statt zurückzublicken spähte die Fotostiftung Schweiz im 40. Jahr ihres Bestehens in einer Ausstellung im Frühling dieses Jahres zunächst von der Ge- genwart in die Zukunft: Zu sehen waren WebCam-Bilder, die der Fotokünstler Kurt Caviezel aus der Bilderflut des Internets gefischt und zur konzeptionell starken Schau «Global Affairs»kuratiert hatte (www.kurtcaviezel.ch).
Diese Ausstellung warf grundsätzliche und zukunftswei- sende Fragen auf, wie: Haben diese Bilder einen Autor? Kön-
1971-2011 − 40 Jahre Fotostiftung Schweiz
Fotografie im Ausblick, Rückblick und Überblick
Der Berner Fotograf Albert Steiner (1877-1965) hat sich im Engadin niedergelassen und dort ein Foto- studio betrieben. Mit seinen Fotografien hat er das Bild der Engadiner Berglandschaft entscheidend geprägt.
Albert Steiner: Schnee, Winter, Sonne. Rotapfel-Verlag, Zürich-Erlenbach/Leipzig 1930.
phIakzente 4/2011 39 nen sie Kunststatus erlangen? Und nicht zuletzt: Sollen flüch-
tige Bilder aus dem Internet als Kulturgüter für die Zukunft archiviert werden?
In Zusammenarbeit mit dem Musée de l’Elysée Lausanne folgte im Sommer eine Werkschau von Hans Steiner (1907–
1962). Damit kam die Fotostiftung ihrer Aufgabe nach, Werke von Schweizer Fotografen «dem Vergessen zu entreissen und
der Öffentlichkeit … zugänglich zu machen», wie es in der Stiftungsurkunde heisst.
Gegründet wurde die «Stiftung für die Photographie» im Mai 1971 in Zürich. Sie war damit die erste Institution in der Schweiz, die sich ausschliesslich dem Medium Fotografie in all seinen Erscheinungsformen widmete. 2003 zog die Foto- stiftung Schweiz, wie sie nun heisst, nach Winterthur um, wo sie zusammen mit dem Fotomuseum Winterthur ein Fo- tozentrum mit internationaler Ausstrahlung bildet.
Steigender Marktwert von Fotobüchern
Die im Oktober eröffnete Ausstellung «Schweizer Fotobücher 1927 bis heute» ist der Hauptbeitrag der Fotostiftung zum 40.
Geburtstag. Geboten wird ein Überblick über das Medium Fo- tobuch, das in der Geschichte der Fotografie eine zentrale Rolle spielt, in der Forschung aber erst in jüngerer Zeit ent- deckt worden ist.
Gleichzeitig mit diesem neuen Interesse ist der Marktwert historischer Fotobücher gestiegen. Wer etwa Jakob Tuggeners Buch Fabrik aus dem Jahr 1943 samt Schutzumschlag erste- Jakob Tuggeners (1904-1988) fotografische Dokumentation über die Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) gilt als herausragendes künstlerisches Statement mit aktuellem Zeitbezug.
Jakob Tuggener: Fabrik. Rotapfel Verlag, Erlenbach-Zürich 1943.
Ausstellung und Buch
Ausstellung «Schweizer Fotobücher 1927 bis heute»
Bis 19. Februar 2012 in der Fotostiftung Schweiz in Winterthur.
Mehr Infos: www.fotostiftung.ch
Publikation Schweizer Fotobücher 1927 bis heu- te. Eine andere Geschichte der Fotografie. Hrsg.
von Peter Pfrunder, Fotostiftung Schweiz. Ba- den: Verlag Lars Müller. 640 Seiten, 740 Abbil- dungen, CHF 98.00.
phIakzente 4/2011 41 hen will, muss im Antiquariat weit über 1200 Franken aus-
geben.
Anhand von sieben Themen – Heimat, Menschenbilder, Bergbilder, Arbeit, Luftbilder, Zeitgeschichte, Reisen – ent- wirft die Ausstellung eine Auslegeordnung, eine Art Typologie des Schweizer Fotobuchs. Diese schärft den Blick für die mög- lichen Wechselwirkungen zwischen Buch und Fotografie. Sie lässt auch erkennen, wie sehr sich die Ausdrucksweisen im Lauf der Zeit verändert haben. Die Grundprinzipien jedes Fo- tobuchs werden anhand prägnanter Auszüge an den Wänden beleuchtet. In Vitrinen werden Konzept, Design und Rezepti- on von Fotobüchern genauer untersucht. Eine grosse Wandin- stallation würdigt die Covers. Und in filmischer Form wird das Fotobuch als Objekt vorgestellt: Das «Lesen» von fotogra- fischen Bildbänden ist nicht nur ein intellektueller, sondern auch ein sinnlicher Akt.
Überragende Rolle der Fotografie
In der Ausstellung und der Begleitpublikation begegnen wir zahlreichen Bildern, die wir kennen oder die uns bekannt
vorkommen. Es wird erfahrbar, welche überragende Rolle der Fotografie für die Sichtbarmachung von Welt und somit für die Konstruktion von Wirklichkeit zukommt. Diese Tatsache ist aus medienpädagogischer Sicht für die Schule von Bedeu- tung, werden doch Fotos zur Vermittlung von Wissen in vie- len Fächern eingesetzt. Dass Fotos gleichzeitig weniger und mehr sind als das, was sie abbilden, macht einen grossen Teil ihrer Faszination aus.
Thomas Hermann, Redaktion ph|akzente
Andreas Seibert (*1970) verfolgt seit Ende der 90er Jahre den Wirtschaftsboom in China. Dabei kon- zentriert er sich auf die zahllosen Wanderarbeiter, die aus ländlichen Gegenden kommen und auf städtischen Grossbaustellen ein karges Auskommen erzielen.
Andreas Seibert: From Somewhere to Nowhere. Lars Müller Publishers, Baden 2008.
Weiterbildungsangebot
Die PH Zürich bietet in Kooperation mit der Fotostiftung Schweiz ein Weiterbildungsmodul zum Wesen und Lesen von Fotografie an: «Bildkompetenz und Bildung: Fotografie in der Schule»
Kursdaten: 21. März; 24. April; 16. Mai 2012 Weitere Informationen und Anmeldung:
www.phzh.ch/weiterbildungsmodule