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discussion papersFS IV 95 - 14Notwendige Innovationen in der LohnpolitikHorst AlbachMai 1995ISSN Nr. 0722 - 6748Forschungsschwerpunkt Marktprozeß und Unter­nehmensentwicklung (UMV)Research UnitMarket Processes and Corporate Development (HM)

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Academic year: 2022

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FS IV 95 - 14

Notwendige Innovationen in der Lohnpolitik

Horst Albach

Mai 1995

ISSN Nr. 0722 - 6748

Forschungsschwerpunkt Marktprozeß und Unter­

nehmensentwicklung (UMV) Research Unit

Market Processes and

Corporate Development (HM)

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Zitierweise/Citation:

Horst Albach, Notwendige Innovationen in d er Lohnpolitik, Discussion Paper FS IV 95 - 14, Wissenschaftszentrum Berlin, 1995.

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH, Reichpietschufer 50, 10785 Berlin, Tel. (030) 2 54 91 - 0

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Notwendige Innovationen in der Lohnpolitik

Zunächst wird in diesem Beitrag die Problematik der zu hohen realen Lohnstückkosten in Deutschland skizziert. Dann wird die Aufgabe umrissen, diese Kosten zu senken. Im dritten Teil werden die Lösungen behandelt, die notwendigen Innovationen in der Lohn­

politik. Es wird zunächst gefragt, ob eine betriebsnahe Lohnpolitik ein Lösungsweg ist.

Diese Frage gilt es angesichts der Kritik an der Tarifautonomie im Unternehmerlager, aber auch in der Wissenschaft, zu klären. Sie wird verneint. Anschließend werden aus­

ländische Lösungen daraufhin geprüft, ob sie für die deutsche Lohnpolitik Vorbild sein könnten. Das ist nicht der Fall. Schließlich werden drei Innovationsstrategien näher untersucht: Die Arbeitslohnspreizung, die Arbeitszeitspreizung und die Arbeitereinkom­

mensspreizung. Das Ergebnis wird in sieben Punkten zusammengefaßt.

ABSTRACT

The Need for Innovations in Wage Policy

The purpose o f this paper is to analyze the need for innovations in wage policy to im­

prove the competitiveness o f German industry. Real unit labor costs are too high and have to be brought down. First, firm contracts are analyzed. They are considered a good solution by critics o f the German system o f labor contracts, which cover all the firms o f a branch o f industry in a large territory. Second, the Swedish and the US bargaining systems are reviewed as possible models for a German wage policy. They do not constitute examples to be imitated. Finally, three innovative strategies are examined: the increase o f the wage spread, the flexibility o f working time and the flexibility o f income.

The conclusions are summarized in seven points.

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lichkeit". Diese ließe sich jedoch nicht länger verteidigen. Das war im Jahre 1993. Die Tarifrunde 1995 in der Metallindustrie hat den Eindruck erweckt, als zerfleischten sich die Tarifparteien auf dieser Insel gegenseitig, statt gemeinsam zu neuen Ufern aufzu­

brechen.

Die Enttäuschung über die Tarifrunde 1995 darf den Blick für die neuen Ufer nicht trüben. Sie sind klar erkennbar. Das Schiff, das die Tarifrunde 1994 gezimmert hatte, um zu diesen Ufern zu gelangen, hat offenbar nicht getragen. Jetzt gilt es, über neue Schiffe nachzudenken und darüber, wieviel Ballast abgeworfen werden kann, bevor man zu den neuen Ufern aufbricht. Zu diesem Nachdenken soll mein Vortrag einen Beitrag leisten.

Ich werde dazu wie folgt Vorgehen. Zunächst wird die Lage skizziert. Dann wird die Aufgabe umrissen. Im dritten Teil werden die Lösungen behandelt, die notwendigen Innovationen in der Lohnpolitik. Es wird zunächst gefragt, ob eine betriebsnahe Lohn­

politik ein Lösungsweg ist. Diese Frage gilt es angesichts der Kritik an der Tarifauto­

nomie im Untemehmerlager, aber auch in der Wissenschaft, zu klären. Anschließend werden ausländische Lösungen daraufhin geprüft, ob sie für die deutsche Lohnpolitik Vorbild sein könnten. Schließlich werden drei Innovationsstrategien näher untersucht:

Die Arbeitslohnspreizung, die Arbeitszeitspreizung und die Arbeitereinkommenssprei­

zung. Das Ergebnis des Vortrages wird in sieben Punkten zusammengefaßt.

B. Die Lage

1. Die Kosten der Arbeit

Die realen Lohnstückkosten in Deutschland sind zu hoch. An dieser Erkenntnis führt kein Weg vorbei, wenn man die Arbeitslosigkeit als Maßstab wählt. Ausländische Be­

obachter sehen die Lage weniger dramatisch. Sie verweisen auf die hohen Überschüsse im deutschen Außenhandel. Wie dem im einzelnen auch sei, die Nominallohnsteigerun­

gen der Tarifrunde 1995 und die Aufwertung der DM haben die realen Lohnstückkosten in Deutschland weiter ansteigen lassen. Zu der erforderlichen Senkung ist es nicht gekommen. Die deutschen Stundenlöhne liegen im internationalen Vergleich weiterhin an der Spitze, weit über denen unserer schärfsten W ettbewerber auf den Weltmärkten, und das nach einer Periode der dramatischen "Verschlankung" unserer Unternehmen.

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Die realen Lohnstückkosten werden zu einem großen Teil durch die Lohn-Zusatzkosten bestimmt. Diese sind zu 45% gesetzlich fixiert (vgl. Abbildung 1). Berücksichtigt man, daß rund die Hälfte der Urlaubsaufwendungen von 19 DM gesetzlich bestimmt sind, dann steigt der Anteil sogar auf 57%

In einer etwas anderen Gruppierung der gesamten Kosten der Arbeit tritt noch klarer zu­

tage, daß die Unternehmen praktisch keine Bewegungsfreiheit in der Lohnpolitik haben.

47% der von einem Mitarbeiter verursachten Kosten kommen gar nicht erst bei ihm an und sind vom Unternehmer praktisch nicht zu beeinflussen (vgl. Tabelle 1).

31% des ausgezahlten Lohns oder 16,5% der gesamten Personalkosten haben nicht unmittelbar mit geleisteter Arbeit zu tun. Auch sie sind zu fast 90% vom Unternehmer nicht zu beeinflussen. So bleiben nur 37% der Personalkosten übrig, die der Mitarbeiter netto für seine Arbeitsleistung selbst erhält. Der Zusammenhang von geleisteter Arbeit und Personalkosten ist also stark gelockert. Der Lohn ist in seiner W irksamkeit als Motivationsfaktor stark eingeschränkt.

2. Die Verteilung des Einkommens

Es bedarf immer größerer Steigerungen der Nominallöhne, um eine Erhöhung des ver­

fügbaren realen Einkommens aus Lohn bei den Mitarbeitern zu bewirken. Das verstärkt den Kosteneffekt der Löhne, ohne daß ein fühlbarer Einkommenseffekt erzielt wird. Das führt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu einer Verschärfung des Verteilungskamp­

fes.

Es gilt als gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis, daß eine solche Verschärfung des Verteilungskampfes bestenfalls kurzfristig die Situation der Arbeitnehmer verbessert.

Langfristig ist das eine Politik wider die eigenen Interessen. Kapital kann fliehen, Arbeit nicht.

C. Die Aufgabe

Die Aufgabe ist damit klar Umrissen. Die überhöhten realen Lohnstückkosten müssen vermindert werden. Jeder Versuch, sich dieser Aufgabe zu entziehen, ist vergeblich. Er verschlechtert die Situation für alle.

Eine Senkung der realen Lohnstückkosten ist bei Preisniveaustabilität nur durch Nomi­

nallohnsteigerungen zu erreichen, die hinter dem Produktivitätswachstum zurückblei

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W estdeutschland (in DM je 100 DM Direktentgelte) Sonstige Personalzusatzkosten

(Familienbeihilfen, Abfindungen)

Sonderzahlungen (Gratifikationen, 13. Monatsgehalt)

Betriebliche Alters­

versorgung

Vermögensbildung

Tarifliche und betriebliche Personalzusatzkosten

4,9

26 5 Sozialversicherungsbeiträge

’ der Arbeitgeber

Gesetzliche

Personalzusatzkosten

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

19,3 Urlaub und Urlaubsgeld

4,5 Bezahlte Feiertage

Sonstige gesetzliche Personalzusatzkosten (Mutterschutzgesetz)

Quelle: Inform ationsdienst des Instituts der deutschen W irtschaft, Nr. 13, 30. März 1995.

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Tabelle 1

Kosten der Arbeit

in v.H.

A. V orabzugsbe­

standteile a) freiw illig b) betrieblich c) tariflich d) gesetzlich Sozialversich.

Steuern übrige

0,20 4,75 2,55

24,34 13,9

1,15 39,39 46,89

B. T ake-H om e- Bestandteile a) freiw illig b) tariflich c) tariflich u.

betrieblich d) gesetzlich

1,98 9,18 1,02

4,32 16,5

C. Lohnzusatzkosten 63,39

D. Nettolohn für geleistete A rb e it

36,61

100,00

Quelle: berechnet auf der Grundlage von Albach, H. u.a.: Kosten de r Arbeit,

S tuttgart 1985, S. 46

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ben. Dies ist eine ökonomische Binsenweisheit. Für die Nominallöhne tragen zwar die Tarifparteien zu allererst die Verantwortung, aber Bundesregierung und Bundesbank stehen mit in der Verantwortung.

Wenn die Produktivität stärker stiege als die Personalkosten, wäre die Aufgabe gelöst.

Die Erfahrung lehrt, daß der Nettoeffekt von Produktivitätssteigerungen in Deutschland arbeitsschaffend ist. Produktivitätswachstum ist und bleibt die zentrale Aufgabe. Viele Beobachter sind jedoch skeptisch. Sie vertreten die Ansicht, daß es im globalen W ett­

bewerb schwieriger geworden sei, die Produktivität zu erhöhen. Derartiger Pessimismus ist jedoch unberechtigt.

Abbildung 2 zeigt die Verteilung der nominalen Arbeitsproduktivität von 150 deutschen börsennotierten Industrie-Aktiengesellschaften in der Zeit von 1961-1993. Sie ist hier gemessen als Umsatz pro Beschäftigten. Da die Vorleistungsquote konstant geblieben ist, kann mit dieser anschaulichen Darstellung gearbeitet werden. Bei einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik wäre die mittlere Arbeitsproduktivität die Grundlage für die Lohnfindung. Nun wird angenommen, daß die Nominallöhne von die­

ser Basis ausgehend um 10% angehoben werden. Dann wird gefragt, wieviel Prozent der Unternehmen zusätzlich diese nominale Lohnsteigerung nur verkraften können, wenn ihre Arbeitsproduktivität entsprechend steigt. Die schraffierten Dreiecke machen deut­

lich, daß es in jedem Jahr während des gesamten Zeitraumes von 1961-1993 rund 10%

der Finnen waren. Die Verschiebung der Kurven nach rechts zeigt, daß die Firmen diese Aufgabe auch bewältigt haben. Die Aufgabe ist nicht schwerer geworden als in den sechziger Jahren. Sie ist lösbar.

Höhere Produktivität entsteht nicht nur durch technischen Fortschritt, sondern auch durch bessere Arbeitsorganisation und durch bessere Entwicklung und Nutzung von Humankapital. Die Lösung der Aufgabe ist daher auf vielen Gebieten zu suchen. Hier stehen die Innovationen in der Arbeitsorganisation und in der Nutzung von Humankapi­

tal im Mittelpunkt der Betrachtung. Ihnen wenden wir uns nun zu.

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A rbeitsproduktivität

Quelle: B onner Datenbank

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D. Die Lösung: Innovationen in der Lohnpolitik

1. Betriebsnahe Lohnpolitik

Zu fragen ist, ob die erforderliche Verminderung der realen Lohnstückkosten durch eine betriebsnahe Lohnpolitik besser erreicht werden kann als durch kollektive Tarifverhand­

lungen. Das Schweizer Friedensabkommen, das die Lohnfindung in die Verantwortung der Betriebe legt, beruht offenbar auf der Überzeugung, daß die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Maschinenindustrie durch Lohnfindung a -..' Betriebsebene besser auf­

rechterhalten werden kann als durch Kollektivverträge. Andererseits zeigen die ameri­

kanischen Erfahrungen, daß Firmenverträge die betriebliche Wettbewerbsfähigkeit schwächen und ein geringeres Wachstum der Produktivität in der Gesamtwirtschaft bewirken. Voreilige Austritte von Unternehmen aus ihrem Arbeitgeberverband sind daher nicht geraten.

Tariflöhne haben, wie die Erfahrungen in der Bundesrepublik Deutschland zeigen, zwei Wirkungen: Rationalisierungsdruck und Innovationsanreiz. Das ist in Abbildung 3 graphisch dargestellt. Die Kurve AB gibt die Leistungsfähigkeit aller Unternehmen in aufsteigender Reihenfolge an. A ist das Unternehmen, das am schlechtesten verdient, B das erfolgreichste Unternehmen. Der Tariflohn knüpft an die Leistungsfähigkeit des durchschnittlichen Unternehmens D an. Bei diesem Tariflohn geraten alle Unternehmen auf der Linie AD unter erheblichen Rationalisierungsdruck. W enn sie diesem nicht standhalten, scheiden sie aus dem Markt aus. Die Unternehmen auf der Linie DB könnten höhere Löhne als den Tariflohn zahlen. Sie verwenden die verfügbaren Mittel aber zur Verbesserung ihrer Kapitalausstattung. Sie erhalten einen Anreiz, in bessere Verfahren, aber auch in neue Produkte zu investieren. Rationalisierungsdruck und Innovations anreiz bewirken gemeinsam einen Anstieg der Produktivität. Das ist das bekannte "Zuckerbrot-und-Peitsche-Argument" für kollektive Lohnverhandlungen.

Dieses Argument ist durch jüngere Entwicklungen in der W issenschaft noch um ein personalwirtschaftliches Argument verstärkt worden. Dieses beruht auf der Überlegung, daß die Ertragskraft der Unternehmen nicht unabhängig von der Lohnhöhe ist. Eine Lohnerhöhung motiviere die Mitarbeiter zu besserer Leistung. Dieses Effizienzlohn­

argument ist sicher nicht neu. Schon Robert Bosch hat es verwendet, wenn er sagte: "Ich zahle nicht hohe Löhne, weil ich reich bin, sondern ich bin reich, weil ich hohe Löhne zahle". Seine Gültigkeit ist gelegentlich bezweifelt worden, so etwa in Herzbergs Motivationstheorie, und sicher ist es kein starkes Argument, wenn der Zusammenhang zwischen Bruttolohn und Produktivität so stark gelockert ist wie in Deutschland.

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Die Wirkungen eines festen Tariflohns

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Andererseits kann man diese Wirkung nicht ganz unberücksichtigt lassen. Sie wird in Abbildung 4 dargestellt.

Bei den besonders erfolgreichen und gesellschaftlich sichtbaren Unternehmen ist dieser Effekt besonders stark. Das treibt die Ertragskraft der Unternehmen stärker nach oben (Pfeil rechts). Aber auch auf die schlechter verdienenden Unternehmen geht eine pro- duktivitätssteigemde Wirkung von Lohnerhöhungen aus. Die Lohnerhöhung signalisiert jedem Mitarbeiter, daß es Unternehmen in der W irtschaft oder in der Branche gibt, die diese Lohnerhöhung bezahlen können. Dies bewirkt einen verstärkten Leistungswett­

bewerb bei den Mitarbeitern mit der Folge, daß die Ertragskraft auch der schlechteren Unternehmen ansteigt (Pfeil links). Qualitätszirkel sind ein konkreter Ausdruck dieses Effekts, Benchmarking ein anderer. Insgesamt mag sich dann die Linie der Ertragskraft als Ergebnis der Lohnerhöhung nach oben, und zwar nach A'B', verschieben. Das würde die Tariflohnerhöhung nachträglich rechtfertigen. Es ist nicht erstaunlich, daß dieses

"Effizienzlohn-Argument" der Wissenschaft von den deutschen Gewerkschaften schnell aufgegriffen worden ist, um Lohnerhöhungen zu rechtfertigen.

Natürlich sind der Motivationseffekt und der Signaleffekt nur wirksam, wenn die M itar­

beiter die Lohnerhöhung auch tatsächlich spüren und .entsprechend umsetzen. In Deutschland ist die Spürbarkeit für den einzelnen Mitarbeiter durch die hohen Lohn­

nebenkosten erheblich herabgesetzt. Die hohe Steuerbelastung mag eine Erhöhung der nominalen Bruttolöhne sogar in eine Senkung der nominalen Nettolöhne umwandeln. In diesem Falle sind die personal wirtschaftlichen Wirkungen sogar negativ.

Die Wirkungen von Firmentarifen lassen sich anhand der Abbildung 4 ebenfalls ableiten. Die Löhne werden auf der Grundlage der Ertragskraft entlang der Linie AB festgelegt. Die "schlechten" Unternehmer AD machen keine Verluste, die "guten"

Unternehmer DB machen keine Gewinne. Der Rationalisierungsdruck ist verringert. Die Anreize zu investieren sind nicht mehr vorhanden. Das gesamtwirtschaftliche Produktivitätswachstum stagniert. Es ist nicht auszuschließen, daß die internationale Wettbewerbsfähigkeit sinkt und die Kurve der Ertragskraft AB sich nach unten verschiebt.

Manche Unternehmen in unserem Land sehen die Zukunft aber auch gar nicht in einem Ersatz des Kollektivvertrages durch Firmenvertrag m it Haustarif, sondern in freier Aus­

handlung des Lohnes mit den Mitarbeitern. Sie werden dabei durch Erfahrungen in ihren amerikanischen Tochtergesellschaften ermutigt. Ich halte dies für eine gefährliche Hoff­

nung. Sicherlich ist richtig, daß sich die Knappheitsrelationen zwischen Kapital und

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M otivationsw irkung von Lohnerhöhungen

B’ Ertragskraft de r U nterneh­

m en (neue Lage)

B ' Ertragskraft de r U nterneh­

men (Ausgangslage)

a

Lohnerhöhung Tariflohn

Die Wirkungen einer Tariflohnerhöhung

Lohn- zah- lungs- fähig-

keit

A ’ A

Rationalisierungs d ru ck

Innovations­

anreiz

Signalw irkung von Lohnerhöhungen

Mittleres Unternehm en

1 0 0 % U nternehm en

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Arbeit auch bei uns insgesamt verschoben haben und daß sich Unternehmer kurzfristig auch einmal in einer schwierigen Situation dem Lohndruck entziehen können. Aber langfristig muß der Unternehmer auch mit anderen Situationen rechnen. Und wenn sein ganzes Kapital in Werksanlagen in Deutschland steckt, was vor allem im Mittelstand weitgehend der Fall ist, dann ist er erpreßbar: die Theorie spricht, offenbar inspiriert von Wildwest-Filmen, von einer "hold-up"-Situation. W er sich in eine solche Situation be­

gibt, darf nicht auf ewige Partnerschaft setzen.

Firmentarife und tarifgebundene Lohnvereinbarungen können sogar zur Folge haben, daß sich der Produktivitätsfortschritt verlangsamt. Daß diese Gefahr besteht, zeigt die Produktivitätsentwicklung in den USA.

2. Ausländische Vorbilder

2.1. Die Vereinigten Staaten von Amerika

Haustarife bzw. freie Lohn Vereinbarungen wie in den USA können deshalb nicht ohne weiteres Vorbild für die Bundesrepublik Deutschland sein. Gleichwohl ist es interessant zu prüfen, welche Folgen dies für die Lohnfindung in den Unternehmen gehabt hat. In den USA sind die Reallöhne in den untersten Lohngruppen kräftig gesunken (vgl.

Abbildung 5).

Die Spreizung der Löhne insgesamt ist deutlich größer geworden (vgl. Abbildung 6). In Abbildung 6 ist die Lohnspreizung gegen die Koordination der Lohnverhandlungen auf getragen. In den USA erfolgt die Lohnfindung dezentral auf Firmenebene, in Schweden sehr zentral auf nationaler Ebene. Über die Messung des Koordinations- oder auch Zentralisationsgrades gibt es eine lebhafte wissenschaftliche Diskussion. D arauf sei hier nicht näher eingegangen. Die Idee dürfte intuitiv klar sein.

Die amerikanischen Unternehmen mit der schwächsten Ertragskraft wurden durch die Verschärfung des internationalen Wettbewerbs besonders hart getroffen. Sie haben sich dem Druck auf ihre Ertragslage durch Lohnspreizung zu Lasten der unteren Lohngruppen entzogen. Die Absenkung der Löhne bei den unteren Einkommensbeziehem hatte einen gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungseffekt. D ie Anzahl der Arbeitsplätze in den Dienstleistungsbereichen m it niedriger Produktivität stieg kräftig an, und zwar vor allem im privaten Sektor. Das geht aus A bbildung 7 hervor.

(15)

Reallohnanstieg in den untersten Lohngruppen

Veränderung in Prozent auf Jahresbasis

-2 ---

USA CAN AUS F A GB DK N I

S D

Quelle: OECD Beschäftigungsstudie.

(16)

Ausmaß der Koordination

(17)

Schaffung von Arbeitsplätzen nach Sektoren (1980-1990)

Anzahl de r zusätzlichen Arbeitsplätze je tausend Erwerbsfähige 60

40

20

0

-20

■ D ie n s tl.

Prod. Gew.

USA Spanien Japan Italien D eutschland Frankreich

-40

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Die Arbeitnehmer in den USA waren freilich auch gezwungen, die niedrig bezahlten Arbeitsplätze anzunehmen. Ihre soziale Sicherung ist außerordentlich gering. Abbildung 8 zeigt dies im internationalen Vergleich. Dabei ist soziale Sicherheit gemessen als Prozentsatz der Arbeitslosenunterstützung multipliziert m it der Anzahl der Monate, während deren die Unterstützung gezahlt wird. Die Arbeitslosenunterstützung beträgt 50% und wird nur über einen Zeitraum von sechs Monaten gezahlt. Danach muß der amerikanische Arbeiter einen neuen Job gefunden haben.

Abbildung 8 zeigt den Zusammenhang von sozialer Sicherung und Einfluß auf die Lohnfindung. Dieser m ißt den Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Veränderung der Nominallöhne. Da die Lohnfindung in den USA auf Firmenebene erfolgt und sich nur an der Ertragskraft des Unternehmens orientiert, ist ein Einfluß der gesamtwirtschaftlichen Arbeitslosigkeit auf die Lohnfindung natürlich nicht nachweisbar. Aber der von der größeren Lohnspreizung nach unten ausgehende Druck auf die Löhne insgesamt und die geringe soziale Absicherung der Arbeitslosen üben gemeinsam eine beachtliche Wirkung auf die Beschäftigung aus. Es darf nicht übersehen werden, daß der mit diesem System verbundene hohe Umschlag von Arbeitslosen am externen Arbeitsmarkt Produktionsweisen im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich voraussetzt, die außerordentlich geringe Einarbeitungszeiten und Einarbeitungskosten erfordern. Hoch standardisierte Arbeitsabläufe und gering vernetzte Produktionsstrukturen sind Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit eines solchen Systems. Selbst wenn wir also das amerikanische System für nachahmenswert hielten, so würde es auf Deutschland nicht ohne erhebliche Änderungen in der betrieblichen Produktionsweise übertragbar sein.

2.2. Schweden

Abbildung 8 läßt erkennen, daß Schweden ein System mit geringer sozialer Sicherung (80% Arbeitslosenunterstützung für 14 Monate) besitzt, das durch einen hohen Einfluß der Arbeitslosigkeit auf die Lohnfmdung gekennzeichnet ist. Dies ist allerdings das Ergebnis einer fehlgeschlagenen Strategie der Lohnfindung, nämlich des Solidaritätslohns mit Beschäftigungsgarantie. Die schwedischen Gewerkschaften sind hoch zentralisiert und haben eine Politik der einheitlichen Tariflöhne ohne Rücksicht auf die Produktivitätsentwicklung der schwedischen Privatwirtschaft betrieben. Die daraus resultierende Arbeitslosigkeit wurde vom Staat absorbiert, der seine Beschäftigung stark ausweitete. Bild 11 zeigt die Wirkung der schwedischen Strategie

(19)

Eiinfluß der Arbeitslosig­

keit auf die Lohnfindung

AUS

O\

a

Soziale Sicherheit

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auf die Beschäftigung im Vergleich zu den USA. Auf der Abszisse ist der "degree of comprehensiveness" der Lohnverhandlungen abgetragen, der angibt, auf welcher Ebene die Tarifparteien sich über den Lohn einigen. Auf der Ordinate ist abgetragen, wie sich die Zahl der insgesamt Beschäftigten in Prozent der Wohnbevölkerung zwischen 1970 und 1973 und zwischen 1985 bis 1989 verändert hat (vgl. Abbildung 9).

Im staatlichen Bereich Schwedens lagen die Tariflöhne dann über den Produktivitäts­

löhnen. Diese Umverteilung zugunsten eines unproduktiven zweiten Arbeitsmarktes ist gescheitert. Wenn den Tarifparteien die Verantwortung für die Beschäftigung abge­

nommen wird, sei es durch staatliche Beschäftigungsgarantien oder durch einen staatlich subventionierten zweiten Arbeitsmarkt, dann kommt es zu einer Umverteilungspolitik, deren schädliche Folgen für die Gesamtwirtschaft früher oder später sichtbar werden und von den Beschäftigten letztlich nicht mehr mitgetragen werden.

3. Innovationsstrategien 3.1. Arbeitslohnspreizung

a) Tarifliche Lohnspreizung

Diese ausländischen Beispiele sind also keine Vorbilder für eine innovative Lohnpolitik in Deutschland. Deshalb sind nunmehr die wichtigsten Innovationsstrategien daraufhin zu prüfen, ob sie geeignet sind, unter den institutionellen Bedingungen der Bundes­

republik die realen Lohnstückkosten zu senken. Drei Strategien werden untersucht: die Arbeitslohnspreizung, die Arbeitszeitspreizung und die Arbeitereinkommensspreizung.

Die Arbeitslohnspreizung wird von vielen Wirtschaftswissenschaftlern als ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit empfohlen. Die Deutsche Bundesbank vertritt in ihrem Geschäftsbericht 1994 die Ansicht: "Auch in Deutschland könnten vermutlich über eine stärkere Lohndifferenzierung zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden". Die Vorschläge für Lohndifferenzierungen sind vielfältig. Ich gehe auf die Vorschläge einer stärkeren tariflichen Lohndifferenzierung nach Branchen und Regio­

nen nicht ein. Derartige Vorschläge sind kaum noch Innovationen. Hier soll die Lohn­

spreizung auf Untemehmensebene behandelt werden. Diese läßt sich einmal tariflich und zum anderen betrieblich vornehmen.

(21)

Die Wirkung der Koordination der Tarifverhandlungen auf die Veränderung des Verhältnisses von Beschäftigten zu Bevölkerung

Verände­

rung des Verhält­

nisses Beschäf­

tigte zu Bevölke­

rung

GB

oo

Arbeitszeitverkürzung geringe Lohn­

spreizung

(22)

Die tarifliche Arbeitslohnspreizung wird als Tarifkorridor bezeichnet. Danach sollen die Tarifparteien vereinbaren, daß die Tariflöhne je nach Ertragslage des Unternehmens um einen bestimmten Prozentsatz über oder unter dem vereinbarten Tariflohn liegen können. Die Idee eines solchen Tarifkorridors ist in Abbildung 10 dargestellt. Dabei ist unterstellt, daß die Löhne nach unten etwas stärker abweichen können als nach oben.

Damit sollen die Innovations- und Investitionsanreize weniger beeinträchtigt, andererseits der Rationalisierungsdruck etwas deutlicher gemildert werden. In der Tat brächte ein solcher Tarifkorridor für die Unternehmen auf der Linie AD der Ertragskraft eine fühlbare Entlastung. Die Mitarbeiter in den Unternehmen auf der Linie DB werden dagegen an den guten Erträgen ihrer Unternehmen beteiligt. Der Tarifkorridor schafft mithin eine Risikogemeinschaft zwischen Unternehmer und Mitarbeitern.

So faszinierend die Idee des Tarifkorridors auf den ersten Blick sein mag, so wenig hilf­

reich erscheint ihre Verwirklichung. Einerseits erkennen die Belegschaften der gut ver­

dienenden Betriebe (jenseits von B), daß sie eigentlich noch stärker an den guten Erträ­

gen hätten beteiligt werden können. Andererseits sehen die Mitarbeiter der schlechter verdienenden Unternehmen, wieviel mehr sie in den besser verdienenden Unternehmen verdienen könnten. Dies führt zu Unzufriedenheit und verstärktem Lohndruck. Die Unternehmen mit der höheren Ertragskraft werden versuchen, die höheren Löhne auf ihre Zulieferer zurückzuwälzen. Diese Zulieferer werden also, sofern es sich um die Unternehmen auf der Linie AD handelt, einem doppelten Druck ausgesetzt: dem ihrer Mitarbeiter und dem ihrer Abnehmer. Die vermeintliche Erleichterung, die der Tarif­

korridor ihnen bringen soll, erweist sich als eine zusätzliche Belastung.

Als tarifliche Lohnspreizung kann aber auch das Nebeneinander mehrerer Tarife im Unternehmen verstanden werden, wenn eine und dieselbe Gewerkschaft zuständig ist.

Zum Beispiel können in einem Hafenbetrieb nebeneinander Löhne nach Hafentarif, nach Distributionstarif und nach Speditionstarif gezahlt werden. Es wird noch nach Hafentarif bezahlt, obwohl die Tätigkeit inzwischen eher der eines Speditionsbetriebes entspricht und die W ettbewerber nach Speditionstarif bezahlen. In einem Unternehmen der Metallindustrie mag es ähnlich aussehen: Obwohl im Strukturwandel die Metallabteilung geschrumpft, die Kunststoffabteilung gewachsen ist und die Reparatur- und Serviceabteilung besonders stark expandiert hat, muß nach wie vor nach dem höchsten Tarif - dem M etalltarif - bezahlt werden. Da hier aber nicht die ÖTV wie beim Hafenbetrieb, sondern die IG Metall zuständig ist, kann der W echsel in einen anderen Tarif nur durch Ausgliederung erfolgen. Dem Druck des wirtschaftlichen Strukturwandels muß m it Tarifarbitrage begegnet werden können, um zu

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Die Wirkungen eines Tarifkorridors

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wettbewerbsfähigeren Löhnen zu kommen. Tarif arbitrage sollte generell leichter möglich und von den Firmen - auch regional - besser genutzt werden.

b) Betriebliche Lohnspreizung

Die betriebliche Arbeitslohnspreizung wird als der Abstand zwischen dem höchsten Tariflohn und dem niedrigsten Tariflohn definiert, der in einem Unternehmen bezahlt wird. Die Gewerkschaften in Deutschland betreiben traditionell eine Politik der Verkür­

zung dieses Abstands, vorwiegend durch eine stärkere Anhebung der Löhne in den unte­

ren Tarifgruppen oder gar durch Eliminierung der unteren Tarifgruppen. Ziel der Forde­

rung nach betrieblicher Lohnspreizung ist es, diese Tendenz umzukehren. Die W irkun­

gen einer betrieblichen Lohnspreizung lassen sich aus Abbildung 11 ableiten.

Die aktuelle Lohnspreizung ist durch die dunkel schraffierte Fläche, die erweiterte Lohnspreizung durch die hell schraffierte Fläche dargestellt. Der gut verdienende Betrieb weist eine Lohnspreizung von B' bis B auf, der schlechter verdienende Betrieb eine solche von A bis A'. Auf der Linie AB ist wie bisher die Ertragskraft der Betriebe in aufsteigender Reihenfolge abgetragen. Die zusätzliche Lohnspreizung nach unten hat zur Folge, daß die schlechter verdienenden Unternehmen- entlastet werden, wenn sie diese Lohngruppen auch wirklich besetzen. Ob die zusätzliche Lohnspreizung nach oben zu einer zusätzlichen Belastung der gut verdienenden Betriebe führt, hängt nicht zuletzt von der Besetzung dieser Tarifgruppen ab. Im Durchschnitt dürfte eine breitere Lohnspreizung zu einer Entlastung aller Unternehmen führen.

Personalpolitisch ist eine solche breitere Lohnspreizung durchaus erwünscht. Sie hat zwei Effekte. Sie führt zu niedrigeren Löhnen in den unteren Tarifgruppen. Das erleich­

tert den Einstieg in das Arbeitsleben, sofern der Einstieg in den unteren Lohngruppen erfolgt. Auch die Wiedereingliederung von Arbeitslosen ohne Qualifikation wird dadurch leichter. Die breitere Lohnspreizung schafft zudem stärkere Anreize für den innerbetrieblichen Aufstieg. Die Erfahrung lehrt, daß die Erwartung von Aufstiegsmög­

lichkeiten die Bereitschaft zum schulischen Lernen und zum Antritt einer Lehrstelle erhöht. Sie stärkt auch den Weiterbildungswillen. Eine derartige M otivation ist aber gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Strukturwandels wichtig. Sie führt auch nach dem Effizienzlohn-Argument zu einer Produktivitätssteigerung auf dem jeweiligen Arbeits­

platz.

Wenn hier also von einer Ausweitung der Risikogemeinschaft durch breitere Lohnsprei­

zung gesprochen wird, dann ist damit genau diese Bereitschaft der M itarbeiter gemeint,

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Die Wirkungen einer breiteren Lohnspreizung bei festem Tariflohn

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sich für das Unternehmen in Erwartung von Aufstieg und höherem Lohn zu engagieren.

Dem Unternehmen erwachsen daraus Einsparungen bei den Einarbeitungs- und Fluktuationskosten.

Bessere Einstiegs- und Wiedereingliederungschancen haben natürlich auch gesamtwirt­

schaftliche Bedeutung. Die gewünschten Effekte, nämlich eine Verminderung der Jugendarbeitslosigkeit und der Langzeitarbeitslosigkeit, werden erzielt, ohne daß es dazu einer Lohnsubventionierung durch den Staat bedarf. Natürlich gilt es, den Abstand des Lohns zu den Leistungen der Sozialversicherung so zu gestalten, daß die Anreize, eine Beschäftigung aufzunehmen, erhalten bleiben und verstärkt werden. Wenn keine Eingriffe in das System der sozialen Sicherung vorgenommen werden sollen, ließe sich an eine Kombination von erweiterter Lohnspreizung und Lohnsubvention für niedrigere Einstiegslöhne auch in höheren Tarif gruppen für den Einstieg und die W iedereingliede­

rung denken. Dies könnte insgesamt den weiteren Anstieg der Sozialabgaben in den Löhnen der Beschäftigten dämpfen. Ob es gar zu einer Umkehr des Trends kommen kann, was erwünscht ist, hängt wohl von dem Ausmaß der Lohnspreizung ab.

Die Lohnspreizung nach oben hat zunächst gewinnmindernde Auswirkungen. Diese können aber dadurch ausgeglichen oder gar überkompensiert werden, daß der W ettbe­

werb um die qualifiziertesten Mitarbeiter verstärkt wird und die Aufstiegschancen im Unternehmen verbessert werden. Das Ausmaß dieser Wirkungen hängt davon ab, in welchem Maße das Potential qualifizierter Mitarbeiter vom Betrieb genutzt werden kann. Das wird auch von der Arbeitszeit des Mitarbeiters beeinflußt. W ir wenden uns daher im folgenden der Arbeitszeitspreizung zu.

3.2. Arbeitszeitspreizung

Als Arbeitszeitspreizung werden hier auch alle diejenigen Innovationen bezeichnet, die unter dem Stichwort 'Arbeitszeitflexibilisierung' zusammengefaßt werden. M einer Ansicht nach wird sich auf diesem Gebiet entscheiden, ob eine innovative Lohnpolitik in Deutschland erfolgreich betrieben werden kann oder nicht. Arbeitszeitflexibilisierung macht erhebliche Produktivitätsfortschritte durch Veränderung der Arbeitsorganisation möglich. Gleichzeitig wird damit ein Abbau von Überstundenzuschlägen, Samstagszuschlägen und sonstigen Sonderzahlungen, etwa für Sonderschichten, m ög­

lich. Es bedarf also gemeinsamer Anstrengungen des Unternehmers und der Arbeitneh­

mer, wenn eine Senkung der realen Lohnstückkosten durch Arbeitszeitflexibilisierung erreicht werden soll. Gelingt es den Tarifparteien nicht, über diese gemeinsame

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Anstrengung Konsens herbeizuführen, dann können durchaus mögliche Produktivitäts­

fortschritte nicht realisiert werden, und die erforderliche Senkung der realen Lohnstück­

kosten muß ausschließlich über die Nominallöhne erreicht werden. Das bedeutet viel härtere Einschnitte beim Einkommen als der Abbau von Zuschlägen.

Die anfängliche Bereitschaft zu diesem Konsens scheint, verallgemeinert man Berichte aus manchen Unternehmen, bei den Betriebsräten aufgrund von internen W eisungen der Gewerkschaften zu schwinden. "Geld gegen mehr betriebliche Mitbestimmung" ist offenbar die intern ausgegebene Devise. Die Unternehmer werden das nicht zu Unrecht als eine "hold-up"-Situation empfinden, in der sie nicht einmal Geld haben, das sie gegen mehr Mitbestimmung behalten könnten. Die Forderung heißt also in Wahrheit:

"Kunden gegen Mitbestimmung", obwohl es tatsächlich darum geht, partnerschaftlich den Kunden zu halten. Aber wenn der Ärger über eine solche Alternative herunter­

geschluckt ist, kann man vielleicht auch darüber nachdenken, das alte Angebot der Arbeitgeber zu erneuern, über mehr Mitbestimmung am Arbeitsplatz zu diskutieren.

Dabei könnte sich sogar, guten Willen vorausgesetzt, ergeben, daß weitere Produktivi­

tätsreserven mobilisiert werden.

Der Druck auf die Tarifparteien, gemeinsam zu flexibleren Lösungen zu kommen, die Überstunden und Sonderschichtenzuschläge sparen und doch die Kundennachfrage "just in time" befriedigen, darf nicht durch das Ventil eines zweiten Arbeitsmarktes im öffentlichen Bereich von ihnen genommen werden.

Im folgenden soll zwischen einer Spreizung der Jahresarbeitszeit, der Lebensarbeitszeit und der W ochenarbeitszeit unterschieden werden.

a) Spreizung der Jahresarbeitszeit

Die Jahresarbeitszeit hängt von der W ochenarbeitszeit und der Anzahl der Ferien- und Feiertage ab. Die Bundesrepublik Deutschland liegt m it 30 tariflichen Urlaubstagen und neun bezahlten Feiertagen in der Spitzengruppe, die USA und Japan rangieren am unte­

ren Ende. Abbildung 12 gibt einen visuellen Eindruck von den nationalen Unterschieden in der "Kapazitätsauslastung" eines Jahres.

Es scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, daß es kein Gebot der Gesundheit und des Arbeitsschutzes ist, bei einer 35-Stunden-Woche Urlaub in diesem Umfang zu nehmen.

Daß andererseits Besitzstände hart verteidigt werden, hat die Diskussion um die Streichung eines Feiertages für die Finanzierung der Pflegeversicherung nur allzu

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Quelle: Inform ationsdienst des Instituts der deutschen W irtschaft, Nr. 13, 30. März 1995.

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deutlich werden lassen. Hier sollen daher nur die Auswirkungen einer Spreizung der Jahresarbeitszeit, nicht einer Kürzung geprüft werden. Dies kann personengebunden oder untemehmensgebunden verstanden werden.

Bei personengebundener Spreizung der Jahresarbeitszeit wird nicht genommener Jahresurlaub auf Zeitkonto gebucht. M uß dieses Konto alle sieben Jahre aufgebraucht sein, dann erhält ein Arbeitnehmer, der jedes Jahr eine Woche weniger Urlaub nimmt, im siebten Jahr einen Urlaub von drei Monaten. Eine solche individuelle Option hat für den Arbeitnehmer durchaus Reiz. Auch für das Unternehmen, das an langfristigen Beschäftigungs Verhältnis sen interessiert ist, weil es erhebliche Bildungsinvestitionen für den Mitarbeiter getätigt hat, kann diese zusätzliche Form der Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen sinnvoll sein. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer den ausgedehnten Urlaub zu auch für das Unternehmen nützlicher Bildung verwendet.

Da zudem eine Ersatzkraft für drei Monate produktiver ist als eine Ersatzkraft für sechs Wochen, könnte diese Form der Arbeitszeitspreizung einen Anstieg der Produktivität im Unternehmen ohne Kostensteigerung bedeuten. Die technischen Schwierigkeiten einer solchen Spreizung, auch die damit verbundenen rechtlichen Fragen bei Kündigung und Entlassung, sollen nicht übersehen werden.

Bei untemehmensgebundener Spreizung der Jahresarbeitszeit würden Personen, die weniger Urlaub nehmen wollen, diesen Wunsch realisieren können, wenn andere Perso­

nen länger Urlaub machen wollen. Es wird bewußt von individuellen Regelungen und nicht von gruppenbezogenen Regelungen gesprochen. Wird eine solche Regelung durch Lohnausgleich zwischen den Betroffenen kostenneutral für das Unternehmen geregelt, mag sich für das Unternehmen dennoch ein Produktivitätsvorteil ergeben, der zu einer Senkung der Lohnstückkosten führt. Das ist dann der Fall, wenn bei dem einen M itar­

beiter viel Arbeitsanfall ist, bei dem anderen wenig, oder wenn bei dem einen termin­

gebundene Arbeiten zu erledigen sind, bei dem anderen aufschiebbare Arbeit zu leisten ist. Einsparungen ergeben sich vor allem dann, wenn bei dem einen dadurch Überstun­

denzuschläge eingespart werden können, ohne daß beim anderen Zuschläge entstehen.

W ird das Zeitkonto des Urlaubs noch weiter ausgedehnt, z.B. auf 13 Jahre, dann läßt sich auch die Beendigung des Berufslebens um ein halbes Jahr vorziehen ("angesparter Vorruhestand"). Dies ist ein Sonderfall einer Spreizung der Lebensarbeitszeit.

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b) Spreizung der Lebensarbeitszeit

Unter einer Spreizung der Lebensarbeitszeit soll hier die individuelle Vereinbarung über den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Berufsleben verstanden werden. Die Theorie hat gezeigt, daß die freie Vereinbarung des Zeitpunktes, zu dem ein M itarbeiter aus dem Berufsleben ausscheidet, einer Strategie der generellen Pensionierung bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters überlegen ist. Allerdings ist hinzuzufügen, daß die Prüfungskosten und Verhandlungskosten, die bei individueller Pensionierung entstehen, bei dieser Aussage nicht berücksichtigt sind. Es erscheint aber durchaus sinnvoll anzu­

nehmen, daß das W ertgrenzprodukt der Arbeit mit zunehmendem Alter nicht so stark sinkt, wie es die ältere personalwirtschaftliche Literatur angenommen hat. Dies gilt ins­

besondere dann, wenn die Arbeitsorganisation entsprechend angepaßt wird.

Unternehmen, die hohe Humankapitalinvestitionen in ihre Mitarbeiter getätigt haben, aber auch jüngere Mitarbeiter, die bei jeder Frühpensionierung ihre eigene Zahllast für die ältere Generation steigen sehen, werden in Zukunft immer mehr den Faktor Pen­

sionslasten in den Kosten der Arbeit sehen und kritisch überprüfen. Das bereitet auch den Boden für eine Diskussion über eine größere Spreizung der Lebensarbeitszeit. Indi­

viduelle Vereinbarungen über die Beendigung der Berufstätigkeit in einer Spanne zwi­

schen sechzig und siebzig Jahren würden selbst dann, wenn die durchschnittliche Pen­

sionsgrenze bei fünfundsechzig Jahren festgesetzt würde, zu einer deutlichen Absen­

kung der realen Lohnstückkosten führen können. Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Mitarbeiter mit höherem betriebsgebundenem Humankapital später pensioniert werden als andere, aber auch dann, wenn die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen dadurch gesenkt werden können.

c) Spreizung der Wochenarbeitszeit

Die Flexibilisierung der W ochenarbeitszeit steht im Zentrum der gegenwärtigen Flexi­

bilisierungsdiskussion. Hier geht es ganz zentral um den Abbau von Überstundenzu­

schlägen und Sondervergütungen für Sonderschichten. Hier geht es aber auch ganz zentral um das Selbstverständnis der Tarifparteien im globalen Wettbewerb. Gewinnen wird in diesem Wettbewerb, wer den Kunden sofort, mit hervorragender Qualität und zu günstigen Preisen bedient. Der Kunde kommt, wann er es will, und nicht, wann das Unternehmen es will. Findet der Kunde den Laden verschlossen oder wird von ihm Ein­

trittsgeld verlangt, wenn er außerhalb der betrieblichen Öffnungszeiten bedient werden will, dann wird er sich einen anderen Laden suchen. Da ich hier nicht über die Deregu­

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lierung von Ladenschlußzeiten im Einzelhandel spreche, sei ein anderes Beispiel gewählt: in einen Hafen laufen die Schiffe mit der Flut ein. Deren Zeiten richten sich nach dem M ond und nicht nach der in dem Hafenbetrieb geltenden Regelungen der wöchentlichen Arbeitszeit. Das Schiff will sofort abgefertigt werden. Im Wettbewerb heißt die Alternative nicht: "Übernahme der Liegegelder gegen Überstundenzuschläge"

oder allgemein: "Lagerkosten gegen Sonderzahlungen". Sie heißt schlicht: Hamburg oder Rotterdam, Arbeit, wenn der Kunde sie wünscht, ohne Zuschläge, oder keine Arbeit. An dieser einfachen W ahrheit führt kein Weg vorbei. Und diese W ahrheit gilt nicht nur für den Hafenbetrieb, sondern auch für den Metallverarbeitenden Betrieb. Die Kunden warten nicht, wenn sie woanders sofort und ohne Aufschlag bedient werden.

Diese W ahrheit hat bereits ihren Niederschlag in zahlreichen Rahmenregelungen der Arbeitszeiten gefunden. Die vereinbarten Flexibilisierungen reichen von bis zu 45 Stun­

den bei den Banken über 20 bis 42 Stunden in der Versicherungswirtschaft bis hin zu 32 bis 40 Stunden in der Holzindustrie und 35 bis 40 Stunden in der Chemischen Industrie.

In praktisch allen diesen Vereinbarungen bleibt Mehrarbeit im Prinzip zuschlagspflich­

tig-

Im folgenden wird angenommen, daß Spreizung der wöchentlichen Arbeitszeit freie Aushandlung der Arbeitszeit zwischen Unternehmer und Mitarbeiter im Rahmen der gesetzlichen und tariflichen Rahmenbedingungen bedeutet. Diese Form der Arbeits­

zeitspreizung schließt die freie Verteilung einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden auf die einzelnen Wochen des Jahres als Spezialfall mit ein.

Von einer derart allgemeinen Form der Arbeitszeitflexibilisierung sind wir gegenwärtig noch weit entfernt. Auf dem Weg dorthin kommt dem Betriebsrat zweifellos eine große Bedeutung zu. Eine solche Dezentralisation der Verantwortung für neue individuali­

sierte Arbeitszeitformen auf den Betriebsrat darf dann allerdings auch nicht nachträglich wieder durch Gängelung rückgängig gemacht werden.

Für den Betrieb bedeutet dies die Möglichkeit, Mitarbeiter dann einzusetzen, wenn andernfalls Überstunden oder Schichtzulagen zu bezahlen wären. M it einer besseren Nutzung von Maschinen ist zu rechnen. Es ist auch denkbar, daß weniger Springer be­

nötigt werden. Andererseits ist ein größerer Aufwand für die Personaleinsatzplanung erforderlich. Dieser Aufwand kann vermindert werden, wenn Teamorganisation einge­

führt und der Personaleinsatz vom Team geregelt wird. Je mehr es gelingt, durch Maß­

nahmen der Arbeitsorganisation eine Entkoppelung von Arbeitsgängen vorzunchmen, desto weniger Probleme entstehen durch Einzelverträge über die Arbeitszeit für den Arbeitsablauf im Unternehmen. Dienstleistungsunternehmen können eine solche

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Arbeitszeitspreizung leichter durchfuhren als Produktionsbetriebe mit eng vernetzter Fertigung. Kleinere Betriebe sind dazu nach unseren Erfahrungen eher in der Lage als größere Unternehmen. Für Saisonbetriebe ist sie wichtiger als für Betriebe mit konstan­

ter Massenfertigung.

Für den Mitarbeiter hat eine größere Ärbeitszeitspreizung durchaus Reiz. Er kann seine wöchentliche Arbeitszeit besser auf seine häuslichen Zeiten abstimmen. Das gilt vor allem für weibliche Arbeitskräfte, aber auch für jüngere, die gern mehr Geld verdienen wollen und m ehr als 35 Stunden arbeiten wollen, sowie für Ältere, die an einer niedrige­

ren wöchentlichen Arbeitszeit interessiert sind. W ird die Arbeitszeitflexibilisierung nur auf Arbeitsgruppen insgesamt bezogen, so hat das für die Mitarbeiter den Nachteil, daß eine solche Mischung von Einzelzeitverträgen innerhalb der Gruppe nicht möglich ist.

Gerade eine Mischung von jüngeren und älteren, von weiblichen und männlichen M it­

arbeitern wirkt sich aber positiv auf die Motivation und die Produktivität einer Abtei­

lung aus. Ist eine solche Mischung nicht zulässig, dann entsteht notwendigerweise Gruppenzwang. Einzelne Mitglieder der Gruppe werden von der Mehrheit gezwungen, gegen ihren W illen länger oder kürzer zu arbeiten. Das wirkt sich nachteilig auf die Leistungsfähigkeit der betroffenen Gruppenmitglieder aus.

Allerdings könnte ein solcher Druck auch vom Unternehmen ausgehen. Das liegt sicher im wohlverstandenen Interesse besonders derjenigen Unternehmen, deren W ettbewerbs­

fähigkeit gefährdet ist. Die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz könnte dann den M it­

arbeiter oder die Mitarbeiterin dazu bewegen, diesem Druck schneller nachzugeben. Es ist die Aufgabe des Betriebsrats, die Lage mit zu beurteilen und dabei mitzuwirken, daß nicht unberechtigter Druck vom Unternehmer ausgeübt wird. In Arbeitszeitfragen scheinen m ir betriebsnahe Lösungen durchaus möglich und geboten.

3.3. Arbeitereinkommensspreizung

Bisher haben wir angenommen, daß der oder die Beschäftigte nur Lohneinkommen hat.

Die funktionale Sicht des Lohns als Entgelt für den Faktor Arbeit ist in diesem Falle gleich der personalen Sicht: die Beschäftigten verursachen Personalkosten, und die Beschäftigten leben von dem, was sie im Unternehmen verdienen. In manchen Teilen Deutschlands bezieht der Mitarbeiter aber zusätzlich Einkommen aus Landwirtschaft.

Viele abhängig Beschäftigte beziehen, funktional und nicht steuerlich gesprochen, Ein­

künfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn sie im eigenen Einfamilienhaus wohnen.

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Praktisch alle nicht selbständig Beschäftigten in Deutschland haben heute Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Der Nobelpreisträger Wassilij Leontief hat darauf hingewiesen, daß die Arbeitsein­

kommen der amerikanischen Landwirte pro Stunde heute nicht höher sind als vor fünf­

zig Jahren. Ihr Lohneinkommen ist wegen der Arbeitszeitverkürzung in der Landwirt­

schaft also deutlich gesunken. Dennoch geht es den amerikanischen Landwirten weit besser als vor fünfzig Jahren. Sie beziehen eine Verzinsung auf die Kapitalausstattung ihrer Farmen, die in den letzten fünfzig Jahren außerordentlich stark angestiegen ist.

Diese gestiegene Kapitalverzinsung überkompensiert die gesunkenen Arbeitseinkom­

men. Dieser Hinweis zeigt: wären in der Vergangenheit entschiedenere Maßnahmen für eine bessere Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand durchgeführt worden, würde sich die Verschiebung der Knappheitspreise zwischen Arbeit und Kapital heute nicht so nachteilig für das Funktionseinkommen der Arbeitnehmer auswirken: die notwendigen Anpassungen der Reallöhne nach unten würden zum Teil und sicher besser als heute durch gestiegene Zinseinkünfte kompensiert werden.

Die Vermögenspolitik darf also nicht außer acht bleiben, wenn es um Innovationen in der Lohnpolitik geht. Die Erhöhung des Sparerfreibetrages war ein notwendiger erster Schritt. Daß gleichzeitig der Freibetrag für die Vermögensbeteiligung durch den Arbeit­

geber herabgesetzt wurde, bleibt unverständlich. Hier geht es aber auch nicht um eine weitere Erhöhung der Lohnnebenkosten, sondern, wenn überhaupt, um eine Umschich­

tung, vor allem aber um den Ausbau der steuerlichen Förderung. Einkünfte aus Kapital­

vermögen sind generell als ein Weg zur Sicherung des personalen Einkommens bei stagnierendem oder gar sinkendem Faktoreinkommen aus Arbeit zu begreifen und ein­

zusetzen.

Die Bundes Vereinigung der Arbeitgeberverbände will in ihrem Vorschlag für die Schaf­

fung eines Beteiligungsförderungsgesetzes die steuerliche Förderung der Vermögens­

bildung auf die Förderung der Beteiligung am Produktivvermögen eingeschränkt sehen.

Dies ist nicht aus dem Gedanken der Sicherung des personellen Einkommens heraus zu begründen, wohl aber aus der Idee der Risikogemeinschaft im Unternehmen. M it der Verabschiedung des Mitbestimmungsgesetzes haben die Arbeitnehmer M itbestim­

mungsrechte und Mitverantwortungspflichten übernommen. Sie sind, so kann man sagen, in eine M ituntemehmerschaft im Unternehmen eingetreten. Daraus folgt, daß ihr Einkommen aus dem Unternehmen nicht mehr allein aus Lohneinkommen besteht, sondern auch Gewinnbestandteile enthalten muß. Die Diskussion um Gewinnbeteili­

gung der Arbeitnehmer ist neu belebt worden. Gesamtwirtschaftlich hat eine Volkswirt­

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schaft mit einem hohen Anteil an gewinnabhängigen Einkünften eine durchschnittlich höhere Beschäftigung und eine größere Stabilität der Beschäftigung zur Folge. Betrieb­

lich sind vor allem solche Gewinnbeteiligungsmodelle von Interesse, die mit einer deut­

lichen Senkung der realen Lohnstückkosten verbunden sind. Dies setzt freilich die Rückkehr der Tarifpolitik zu einer Politik sehr moderater Tarifabschlüsse voraus. Es wird vielfach bezweifelt, daß dies heute noch realistisch sein könnte. Personalwirt­

schaftlich gesehen haben Gewinnbeteiligungsmodelle durchaus Anreizwirkungen auf die Produktivität der Mitarbeiter, insbesondere dann, wenn die Gewinne zeitnah ausge­

schüttet werden. Die anreizsteigemde W irkung von Gewinnbeteiligungsmodellen bleibt auch in Verlustjahren erhalten. Die stärkere Bindung des Mitarbeiters an das Unterneh­

men läßt höhere Investitionen in das Humankapital rentabel erscheinen, was weitere Produktivitätssteigerungen bewirken kann.

E. Ergebnis

Ich fasse die Ergebnisse meines Vortrages zusammen.

1. In der Lohnpolitik ist die Innovationsrichtung: Senkung der realen Lohnstückkosten.

Daran führt kein Weg vorbei.

2. Dies ist gegenwärtig noch eher von der Stärkung der Tarifautonomie als von ihrer Schwächung zu erwarten.

3. Größere Möglichkeiten der Tarif arbitrage sind zur Erreichung des Zieles wichtig.

4. Die Tariflöhne brauchen nicht gesenkt zu werden, wenn mehr Möglichkeiten der Produktivitätssteigerung genutzt werden können. Erhebliche Produktivitätsreserven liegen in einer besseren Ausnutzung der Maschinenzeiten und in einer flexibleren Arbeitsorganisation. Soweit Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen der Nutzung dieser Möglichkeiten entgegenstehen, müssen sie verändert oder aufgehoben werden. Der individuelle Vertrag über die Arbeitszeit muß an die Stelle kollektiver Vereinbarungen treten.

5. Produktivitätsreserven sind auch in der Verteilung der Arbeitszeit über das Jahr und über das Berufsleben zu mobilisieren. Dies setzt ebenfalls den Abschluß individuel­

ler Verträge über die Arbeitszeit voraus.

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6. Gewinnbeteiligung ist ein Weg zur Senkung der realen Lohnstückkosten. Betrieb­

liche Gewinnbeteiligungsmodelle sind daher Elemente der Lohnpolitik. Sie ermög­

lichen eine Entkoppelung von Produktivitätsfortschritt und Lohnerhöhungen.

7. Vermögensbildung schafft Risikopolster gegen zeitweilig real sinkende Lohnein­

kommen. Sie federt notwendige Anpassungen ab. Vermögensbildung muß auf der Agenda der Lohnpolitik bleiben.

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