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'Heute auf Seite 3: „Vertrage müssen erfüllt werben"

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UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND

Jahrgang 26 Folge 13 2 Hamburg 13, Parkallee 84 / 2g. März ig?5

C 5524 C

W a r s c h a u v e r l a n g t w e i t e r e M i l l i a r d e n

Selbst Bundeskanzler Schmidt gegen Wiedergutmachungsforderungen nur an die Bundesrepublik

B O N N — In der Bundeshauptstadt werden die Äußerungen des polnischen Staatsratsvor- sitzenden Jablonski, wonach die Regierung der Bundesrepublik sich vor der Erledigung der Entschädigung drücke und damit „vor der Rege- lung dieses Problems von prinzipieller Bedeu- tung für polnische Hitler-Opfer und für unser ganzes V o l k " als ein Zeichen für die Abkühlung der deutsch-polnischen Beziehungen gewertet.

Das polnische Staatsoberhaupt hatte in der letz- ten Woche erneut Forderungen an die Bundes- republik gestellt, ohne sich dabei auch an die

„DDR" zu wenden.

Jablonski verlangte nicht nur eine Entschädi- gung für ehemalige Häftlinge in Konzentrations- lagern, sondern auch eine Rückerstattung bisher gezahlter Renten an den polnischen Staat. Wenn- gleich auch Zahlen dabei nicht genannt wurden, ist von amtlicher polnischer Stelle zu hören, daß 12,5 Milliarden erwartet werden.

In einem Interview mit dem Sender Rias er- klärte Bundeskanzler Schmidt, die Bundesregie- rung wolle Polen helfen, doch habe sie aber

„keinerlei rechtliche Verpflichtungen, was die Wiedergutmachung angeht". Schmidt erklärte, daß ihm seit langem an der Aussöhnung mit Polen gelegen sei, doch seien die polnischen und die deutschen Vorstellungen über Kredite und über eine Entschädigung der KZ-Opfer sehr weit voneinander entfernt gewesen:

„Wir können nicht in alle Himmelsrichtungen so viel leisten, wie andere meinen, daß wir es könnten."

Entschieden wandte sich Schmidt dagegen, daß die Deutschen von den Regierungen des Ostblocks „in zwei Klassen eingeteilt" werden:

einmal die Bürger der Bundesrepublik, die man für die in der Hitler-Zeit begangenen Verbrechen verantwortlich mache, und die in der „DDR"

die mit den Untaten nichts zu tun hätten.

In diesen Komplex gehören auch die Worte, die Bundespräsident Scheel anläßlich der Ver-

leihung des Friedenspreises der Kriegs- und Wehrdienstopfer am 13. März in Bonn gespro- chen hat:

„Wir trauern über die furchtbaren Leiden des polnischen Volkes im letzten Kriege, wir ehren seine Opfer. Aber die furchtbaren Leiden deut- scher Menschen am Ende und nach dem Kriege haben, wie jedes menschliche Leiden, auch ihre W ü r d e . Auch sie verdienen zumindest Respekt.

Es geht nicht an, sie als Propagandalüge in den Papierkorb der Weltgeschichte zu werfen."

Die schönste Barockkirche des deutschen Ostens: Die Wallfahrtskirche Heiligelinde im Kreis Rastenburg Foto Hallensleben

Der Verfassungsminister aber rührt sich nicht '

Dr. Herbert Czaja: Das gestörte Verhältnis der sozialliberalen Koalition zu den Vertriebenen

Bei Wertung der großen Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag wird man nicht daran vor- beikommen, den Ausführungen besondere Be- deutung beizumessen, die der Bundestagsabge- ordnete Dr. Herbert Czaja, zugleich Präsident des BdV, hinsichtlich der vertriebenen Mitbürger gefunden hat. Anlaß hierzu bot die Behandlung des Haushalts des Bundesministers des Innern, in dessen Geschäftsbereich, wie bekannt, das frühere Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte eingegliedert wurde und heute nur noch als eine Abteilung fungiert.

Auf die Ausführung des Innenministers, wo- nach selbst die Aufgaben dieser Abteilung für Vertriebene zurückgehen, konterte Dr. Czaja mit der Feststellung, auf den Schreibtischen der Abgeordneten und der in der Förderung be- schnittenen V e r b ä n d e türmten sich die Leidens-

briefe der Aussiedlungsbewerber und ihrer Angehörigen. Einem dieser Petenten habe das Innenministerium geschrieben: „In den Ausreise- angelegenheiten Ihrer Angehörigen kann ich Ihnen leider nicht behilflich sein." Czaja hielt dem Verfassungsminister Maihofer hierzu vor, daß eine ganze Gruppe von Beamten Aufgaben zur Vorbereitung für Tausende von Verbalnoten des Auswärtigen Amtes in Einzelfällen treffen sollten und erinnerte daran, daß frühere Regie- rungen in Tausenden von Fällen in Moskau wirksam interveniert haben. Die heutige Bun- desregierung dagegen überlasse diese Arbeit einfach den karitativen Organisationen, die keine Hoheitsrechte besitzen und die mit Hilfs- kräften für diese Aufgaben sorgen, für die der Innenminister eigentlich amtliche Kräfte ein- setzen müßte.

Statt dessen aber verzögere das Innenmini- sterium dauernd die Antworten über die Lage der Aussiedler. So sei die letzte Anfrage über- haupt noch nicht beantwortet worden, vermut- lich, weil dem Ministerium eben keine aus- reichenden Unterlagen über den zu betreuenden Kreis mehr zur Verfügung stünden.

Zwar wolle der Bundeskanzler, wie er im Bericht zur Lage der Nation erklärt habe, .die

Heimat Kants, Lasalles und Hauptmanns in Ost- preußen und Schlesien in ihrer Zugehörigkeit zu Deutschland stetig genannt wissen, doch er wie auch der Verfassungsminister würden es zu- lassen, daß auch die für den Amtsverkehr not- wendigen verfassungskonformen Bezeichnungs- richtlinien aufgehoben worden sind".

„Wenn Sie aber", so fragte Dr. Czaja den Innenminister, „die Bezeichnungsrichtlinien auf- heben, was erwarten Sie dann in dieser Frage vom Ausland? Die sowjetische Nachrichten- agentur TASS hat die Aufhebung der Bezeich- nungsrichtlinien offiziell und dankbar begrüßt.

Der Verfassungsminister der Bundesrepublik Deutschland aber rührt sich nicht."

Dr. Czaja wies darauf hin, daß in den Dienst- zimmern mancher NATO-Stäbe die Karten mit den Grenzen des Deutschen Reiches vom 31. De-

zember 1937 hängen, denen das Bundesver- fassungsgericht rechtliche Qualität bestätigt habe. Er fragte den Innenminister, ob er er- klären könne, daß in seinem Dienstzimmer und im Dienstzimmer des innerdeutschen Ministers eine Karte hänge, „die — getreu dem Bundes- verfassungsgerichtsurteil — das einheitliche Staatsgebiet des ganzen Deutschland, dem nach diesem Urteil die Bundesrepublik als nicht ab- trennbarer Teil zugehört, zeigt und ob das ein- heitliche Staatsgebiet visuell im öffentlichen Be- wußtsein gehalten und nach außen beharrlich vertreten wird".

A n die Adresse des Innenministeriums ging auch der harte Vorwurf, die personalen Rechte der Deutschen nicht gewahrt zu haben und auch jetzt nicht zu wahren. Die Rechtsposition einer Million deutscher Staatsangehöriger in den Oder-Neiße-Gebieten werde leichtfertig und un- unterbrochen verletzt. Czaja wies auf den welt- weit angesehenen Völkerrechtler Verdross hin, der Verträge, die die Schutzpflicht für die eige- nen Staatsangehörigen preisgeben, als unsittlich und unwirksam bezeichnet habe.

„Als für Staatsangehörigkeitsfragen zuständi- ger Minister und Fürsprecher der Vertriebenen haben Sie vom Auswärtigen Amt nicht die An- wendung aller legalen Mittel zur Durchsetzung

der Schutzpflicht verlangt. Zwar sagen Sie, man täte ja alles. Aber die Ergebnisse dieser Schutz- pflicht werden immer schlechter. Sie wehren sich nicht gegen hohe finanzielle Leistungen an Staa- ten, die täglich die Menschenrechte Hundert- tausender Deutscher brechen. Sie fordern nicht, daß die dem Parlament zugesagten Folgerungen aus dem Bruch der Vertragsgrundlagen gezogen werden."

V o r wenigen Jahren noch, so erinnerte Czaja den Bundestag, „haben die führenden Vertreter der Regierungsparteien, insbesondere der SPD, die Ostdeutschen emotionell aufgeputscht. Zitate dafür liegen in großer Zahl bereit: W e r Deutsch- land nicht in den Grenzen von 1937 fordere — so Herr Brandt oder Herr Wehner — begehe ein Verbrechen an Deutschland, an der Mensch- lichkeit, er sei meineidig, ehrlos und ein Strolch.

So deren Worte. Und: um jeden Quadratmeter Deutschlands werde man mit allen politischen Mitteln ringen. Herr Brandt hat die Unglaub- würdigkeiten der alten Zusagen ganz klar- gelegt, indem er verkündete, daß schon alles längst verloren gewesen sei, als noch die Ver- treter der SPD zum Kampf um Quadratmeter aufriefen."

Im Zusammenhang mit der Dokumentation der Vertreibungsverbrechen betonte Dr. Czaja, daß diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht geheimgehalten werden dürften. Er be- zeichnete es als eine Diskrepanz, wenn deutscher- seits Material gegen des Mordes verdächtige Deutsche vom Ostblock entgegengenommen werde, „andererseits aber in doppelter Moral und unter krasser Verletzung der Gleichheit und Reziprozität der Justizminister die Uber- reichung von Material an das gleiche Ausland wegen Mordes an Deutschen als .wenig sinnvoll'

— so wörtlich — bezeichnet".

Der Verfassungsminister, der sich als „un- übertroffenen Fürsprecher der Vertriebenen"

bezeichne, habe hier eine gute Aufgabe, auch Fürsprache einzulegen für die Gleichbehand- lung gleicher Tatbestände. „Denn ein Mord an Deutschen ist ebenso ein Verbrechen wie Mord Deutscher an anderen." E. B.

Fröhliche Ostern?

H. W. — Es muß in der menschlichen Seele begründet liegen, daß — unabhängig davon, daß das Osterfest im Christentum verwurzelt und der Tag der Aulerstehung des Herrn ist — um diese Zeit der Frühling die Hollnungen höher klingen läßt und man geneigt ist, die Zeit in einem rosigeren Licht zu sehen. Das kann soweit iühren, daß man selbst allenthalben sieht- und spürbare wirtschaftliche Sorgen wieder zu über- spielen versucht mit der Hofinung, daß doch alles wieder besser wird. Und da dem Menschen niemand die Hoffnung nehmen kann, vermag diese ein nicht unerheblicher Faktor auch für diejenigen zu sein, die den Faktor Zeit in ihr Kalkül einbeziehen.

Doch die Freude auf Frühling und Ostern sollte uns nicht dazu verleiten, auf eine nüchterne Be- obachtung zu verzichten. Was in der letzten Wo- che vor dem Bundestag in Bonn geboten wurde, war allerdings wenig geeignet, Hochstimmung autkommen zu lassen oder gar sich berechtigter Hoffnung auf eine Besserung hinzugeben. Im Parlament, wo es eigentlich um die Frage ging, wie man mit dem Riesenloch lertig werden kann, das in den Jahren sozialliberaler Regierung ent- standen ist, gelang es Willy Brandt, der neuer- dings der ideologische Scharfmacher seiner Par- tei ist, und der, wie es heißt, sein „Comeback"

vorbereitet, von der Haushaltslage weitgehend abzulenken und mit Franz Jose! Strauß den Buhmann für die Jahre aufzubauen.

Man könnte Brandts Attacke als eine Ablen- kung von der Tatsache sehen, daß Bund, Länder und Gemeinden im Jahre 1975 Schulden von mindestens 55 Milliarden DM machen müssen.

Dabei vermag niemand konkret zu sagen, ob und wann ein echter Wirtschaftsaufschwung zu er- warten ist, und die Regierung ist die Antwort schuldig geblieben, wie es denn wohl erst im Jahre 1976 weitergehen wird. Die sorgenvollen, oft ratlosen Gesichter von Kanzler und Finanz- minister schienen zu bestätigen, daß in der Tat eine echte Gefahr heranwächst.

Wer den Blick von Bonn ab- und Europa zu- wendet, eben in der Hofinung, dort ermutigen- dere Zeichen zu sehen, den mag das Gruseln an- kommen. Der Versuch, die Iberische Halbinsel in den Griff zu bekommen, im Jahre 1936 in Spanien versucht und dort vorerst abgeschlagen, wurde erneut in Portugal, und dort mit sichtbarem Er- folg, unternommen. Herr Spinola, dessen Mono- kel sozusagen als Zeichen politischer Kurzsich- tigkeit steht, hat jetzt in Rio de Janeiro die späte Erkenntnis offenbart, er mache sich heute keine Illusionen mehr darüber, daß sein Name und sein Prestige mißbraucht wurde. Jetzt, da es zu spät ist, ist dem General klar geworden, daß die Revolution in Portugal ganz und gar nicht ein Coup aus dem Idealismus beseelter Offiziere, sondern ein „sorgfältig geplantes Komplott zur Schaffung eines Kuba in Europa" gewesen sei.

Spinola, der nun beklagt, daß er sich von den angeblich demokratischen Zielen der Umstürzler habe täuschen lassen, obwohl es schon sehr früh Warnsignale gegeben habe, wird auch gegen sich das Wort gelten lassen müssen, daß soldatische Tapferkeit aber auch gar nichts mit politischer Reife zu tun hat. Die Portugiesen haben das Nachsehen, selbst dann, wenn nach ein oder zwei Jahren die wirtschaftliche Zerrüttung das Land vor eine neue Entscheidung stellt.

Der knappe Raum, der an dieser Stelle Woche für Woche zur Verfügung steht, reicht verständ- licherweise nicht aus, allen anderen Erscheinun- gen breiten Raum zu geben: Etwa der Tatsache, das in Vietnam die Amerikaner durch die Kom- munisten überspielt wurden und sich nun das vollzieht, was wir anläßlich der hochgejubelten Pariser Konferenz an dieser Stelle vorausgesagt haben. Mr. Kissinger, der bereits in Vietnam als eine Art politischer Wunderdoktor galt, hat zu Beginn der Osterwoche im Nahen Osten er- fahren müssen, daß diese Art der Heilung in der heutigen Zeit schwerlich anzuwenden ist.

Was uns bleibt, ist nur das Beispiel der Natur.

Das Wissen, daß jeder Winter vorbeigehen und wieder ein Frühling werden wird, übersetzen wir die Natur in den politischen Alltag, so bleibt die Hofinung, daß doch einmal die Sonne wieder scheint.

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29. März 1975 — Folge 13 — Seite 2

NEUES AUS

BONN

Entspannung:

SPD-Bürgermeister bedauert...

Der SPD-Bürgermeister der Gemeinde Alten- holz bei Kiel, Edgar Meschkat, hat sich beim CSU-Vorsitzenden Strauß für die vom SPD-Frak- tionsvorsitzenden Wehner in der Sicherheits- debatte des Bundestages gegen Strauß erhobe- nen Vorwürfe entschuldigt. Das CSU-Organ

„Bayernkurier• veröffentlichte folgenden Brief:

„Sehr geehrter Herr Dr. Straußl Gestatten Sie mir bitte, mich für die unwürdige Bemerkung des Genossen MdB Herbert Wehner in aller Form zu entschuldigen, die er Ihnen gestern im Bundestag in seiner üblichen zynischen Art an den Kopf geworfen hat. A l s altes Mitglied der SPD (seit 1947) bedauere ich dies sehr. Mit vor- züglicher Hochachtung gez. Edgar Meschkat, Bürgermeister, 23 Altenholz."

Keine Ermittlungen gegen Willy Brandt Gegen den SPD-Vorsitzenden und früheren Bundeskanzler W i l l y Brandt ist im Zusammen- hang mit der Spionageaffäre Günter Guillaume kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Generalbundesanwalt Siegfried Buback bestä- tigte, ein solches Verfahren sei bisher von keiner Seite beantragt worden.

Unterschiedliche Meinungen

Die nordrhein-westfälische SPD/FDP-Koalition liegt in der Bevölkerungsgunst knapp vor der CDU-Opposition. Das ist das Ergebnis einer Um- frage, das der SPD-Landesvorstand bekanntgab.

Danach entschieden sich 50 Prozent der Befrag- ten für die Regierungsparteien SPD und FDP und 49 Prozent für die CDU.

Nach einer Allensbach-Umfrage auf Bundes- ebene erreicht die CDU/CSU 53 Prozent, während die SPD bei 38 Prozent und die FDP bei 9 Pro- zent liegt (Februar).

Brandts Reisen

Der SPD-Vorsitzende W i l l y Brandt reist in der letzten März-Woche nach Mexiko und be- sucht anschließend die USA. In Washington ist eine Begegnung mit Präsident Ford und Außen- minister Kissinger geplant. Im M a i soll, wie aus Bonn verlautet, Brandt in die Sowjetunion rei- sen, wo er mit Parteichef Breschnew zusammen- treffen will.

Kritik am Vatikan

Kardinal Wyszynski, Primas der katholischen Kirche in Polen, hat dem Vatikan indirekt vor- geworfen, in seinen Verhandlungen über die Normalisierung der Beziehungen mit Warschau die Interessen der polnischen Kirche nicht in aus- reichendem Maße zu berücksichtigen.

Es genüge nicht, wenn ein Vertreter des Vati- kans bei einem Aufenthalt in Polen über Ent- wicklungshilfe und Frieden in der Welt spreche, erklärte der Kardinal in seiner Predigt. Die Dis- kriminierung der Kirche und der Gläubigen in Polen müsse Gegenstand der Besprechungen des päpstlichen Vertreters, Monsignore Poggi, mit Regierungsvertretern sein. Poggi ist seit seiner Ankunft in Warschau Ende Februar bereits zweimal mit dem stellvertretenden Außenmini- ster Czyrek zusammengetroffen.

Auslieferungsverfahren

Der „Bund der Organisationen der Flüchtlinge aus Jugoslawien in der Bundesrepublik Deutsch- land e. V . " , der Weltbund der Serben, die Ser- bische Volksverteidigung und andere nationale Organisationen der Serben im westlichen Aus- land protestieren in Briefen und Telegrammen an das Bundesjustizministerium gegen den Be- schluß, den serbischen Exil-Publizisten Milorad Paripovic wegen eines angeblich in Jugoslawien begangenen Delikts an die Heimatbehörden aus- zuliefern. Paripovic, der sich in Abschubhaft in Süddeutschland befindet, hat inzwischen die Deutsche Botschaft in Belgrad bitten lassen, sie möge seine weitere Behandlung in Jugoslawien ständig kontrollieren, da er davon ausgeht, we- gen seiner politischen Betätigung im Westen gefoltert und mißhandelt zu werden.

W i e a n d e r e e s s e h e n :

Der Kreml drängt auf Unterschrift

Sowjets signalisieren: Unterschrift statt Zugeständnisse

In den letzten Tagen hat sich auf der Genfer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) eine Einigung über das Prinzip der „friedlichen Gren2änderung" abgezeichnet.

Besonders interessierte Staaten aus Ost und West hatten sich nach den amerikanisch-sowje- tischen Kontakten über eine Formel verständigt, die zum größten Teil auf einem von der ameri- kanischen Delegation im Juli vergangenen Jah- res eingebrachten Text basieren soll. Dort hieß es, alle Teilnehmer seien in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht der Auffassung, daß ihre Grenzen durch friedliche Mittel und im Wege der Vereinbarung geändert werden könnten. Die Formel muß jetzt allerdings noch mit den übrigen Teilnehmerstaaten abgestimmt und registriert werden.

Ganz offensichtlich will die sowjetische Dele- gation mit ihrer Zustimmung zu der Grenzformel einen Vorschlag Leonid Breschnews unterstüt- zen, mit dem der Generalsekretär der KPdSU den Abschluß der Konferenz beschleunigen w i l l . Denn wie inzwischen bekannt wurde, hatte Breschnew unmittelbar vor der EG-Gipfelkon- ferenz in Dublin den Regierungschefs Frank- reichs, Großbritanniens, Italiens, der Bundes- republik Deutschland und der U S A in einem persönlichen Schreiben den Wunsch übermit- telt, am 30. Juni eine Gipfelkonferenz zum A b - schluß der Verhandlungen in Helsinki einzu- berufen.

Nun ist es allerdings äußerst ungewöhnlich, den Termin für einen feierlichen Schlußakt einer Konferenz bereits dann festzulegen, wenn ent- scheidende Punkte überhaupt noch nicht geklärt sind. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Sowjetunion dem Westen eine Art letzte Frist für die Beendigung der Arbeit setzen will.

Von jeher gingen in Ost und West die Auf- fassungen über die KSZE weit auseinander.

Während Moskau den durch den Zweiten Welt- krieg entstandenen Status quo in Europa inter- national festigen und so die deutsche Teilung und die Verträge Bonns mit Moskau, Warschau und Prag bestätigt sehen will, sieht der Westen in der KSZE ein Mittel, die zwischeneuropäischen Beziehungen mit mehr Menschlichkeit zu erfül- len. Weiter ist man bestrebt, einen unbehind — ten Informations- und Meinungsfluß zu erreichen und die Kriegsgefahr zu verringern.

Nun sind Moskaus Forderungen augenschein lieh so weit erfüllt worden, daß Breschnew zu einem Ende kommen möchte. Obwohl der We- sten seine Forderungen bereits bis zur Unkennt- lichkeit herabgeschraubt hat, sind für ihn die Voraussetzungen für einen Abschluß noch nicht gegeben. Das betonten denn auch die EG-Reqie- rungschefs in einer öffentlichen Erklärung. Erst wenn wichtige Punkte geklärt seien, könnte man den Abschluß „in kurzer Frist und auf höchster Ebene" in Aussicht nehmen.

In engem Zusammenhang mit den Verhand- lungen in Genf scheint die polemische Kampagne zu stehen, die neuerdings gegen die Bundesregie- rung in der sowjetischen Presse festzustellen ist. Die Attacken hatten ihren bisherigen Höhe- punkt erreicht, als in einer Sendung des Mos- kauer Rundfunks Bonn vorgeworfen wurde,

eine „Gewaltdiplomatie" gegen die „DDR" und andere sozialistische Staaten zu betreiben. Auch die kritischen Äußerungen des sowjetischen Botschafters Falin über Bundesaußenminister Genscher gegenüber dem Magazin „Der Spiegel"

wurden in Bonn mit äußerster Befremdung auf- genommen.

Den Vorwurf des Kreml, Bonn laufe der „Schi- märe nationaler Einheit" nach, wies man am Rhein mit der Bemerkung zurück, daß die Bonner Haltung schon beim Moskauer Vertragsabschluß im „Brief zur deutschen Einheit" klargestellt worden sei. ü b e r d i e s sei die Staatsangehörig- keitsfrage ein Problem zwischen der Bundesrepu- blik und der „DDR", bei dem die Sowjets nicht angesprochen worden sind.

Auch die Differenzen in der Berlin-Frage sind durch die Moskauer Polemik wieder stark in den Vordergrund gerückt. Sowjetische Politiker empfinden es stets als „störend", daß Bonn bei jedem Vertrag eine Berlin-Klausel verlangt. Die Bundesregierung betonte jedoch, dazu fühle man sich aufgrund des Viermächteabkommens berechtigt, ü b e r d i e s müsse Moskau in der Frage der Bundespräsenz in West-Berlin eine auch für die Bundesrepublik annehmbare Formel ak- zeptieren, wenn wirklich eine bessere Zusam- menarbeit gewünscht werde.

A m Rhein wird mittlerweise vermutet, daß die angeblich harte Haltung der Bundesregie- rung auf der KSZE die Moskauer Angriffe ver- ursacht hat. Diese Taktik sei jedoch schon des- halb zum Scheitern verurteilt, da die Bonner Außenpolitik in einem sehr engen Zusammen- hang mit dem Kurs des gesamten westlichen Bündnisses stehe.

Auf der anderen Seite lobte KP-Chef Bresch- new auf dem 11. Kongreß der ungarischen Kom- munisten in Budapest die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Be- ziehungen zwischen den sozialistischen Ländern und den wichtigsten Mächten der kapitalistischen Welt gelangten bereits „in eine mehr oder weni- ger normale Bahn, die den Auffassungen von friedlicher Koexistenz und friedlicher, gegen- seitig vorteilhafter Zusammenarbeit entspricht".

Der Prozeß der Entspannung müsse ständig in Gang gehalten werden. Allerdings sei die Frage der stufenweisen Abrüstung „nicht auf einmal lösbar". Auch gebe es in der Welt noch immer gefährliche Spannungsgebiete und Konflikt- herde, die einen dauerhaften Frieden — auch in Europa — bedrohen: „Der Friede ist unteil- bar." Deshalb widme die Sowjetunion den Be- ziehungen zu den U S A auch „allergrößte Auf- merksamkeit".

Ein erfolgreicher Abschluß der Genfer Konfe- renz und die Ergebnisse der geplanten Gipfel- konferenz würden, so Breschnew, die politische Basis für den materiellen ü b e r b a u der fried- lichen Zusammenarbeit zwischen den Staaten dieses Kontinents schaffen.

Es wäre jedoch verhängnisvoll, wenn der Westen sich durch die sowjetische Polemik aus der Ruhe bringen lassen würde. Schließlich ha- ben die deutschen Ostverträge bewiesen, was aus unter Zeitdruck abgeschlossenen Verträgen werden kann. Ingolf Herrmann

Rudolf Hess und der Wehrbeauftragte

Von Winfried Martini

Fritz Rudolf Schulz ist bisher der beste Wehr- beauftragte gewesen. Dazu gehört freilich nicht viel, wenn man ihn an seinen Vorgängern mißt.

Immerhin hat er die schwierige, in ihren Funk- tionen etwas unklare und in der Vergangenheit mit Skandalen belastete Behörde mit Sachkennt- nis und Nüchternheit geführt. Nach der parla- mentarischen Niederlage Buchstallers wurde Karl Berkhan neuer Wehrbeauftragter.

Als das Amt geschaffen wurde, versicherten alle Parteien beflissen, es gehe nicht um eine Diskriminierung der Bundeswehr, um ein Miß- trauen gegen die Offiziere, vielmehr habe man sich an dem schwedischen Vorbild des „ombuds- man" (das „u" ist wie „ü" auszusprechen) orien- tiert. Das ist nur die halbe Wahrheit. Denn in Schweden gibt es neben dem „militie ombuds-

Immer nur pumpen, und immer vergnügt Zeichnung aus „Die Welt"

man", dem eigentlichen Wehrbeauftragten also, noch den „justitie ombudsman", an den sich je- der Bürger wenden kann, der sich durch einen Akt der zivilen Verwaltung beschwert fühlt. Nur dann also, wenn wir beide Formen des „ombuds- man" übernommen hätten, könnten wir uns mit vollem Recht auf das schwedische Vorbild be- rufen und sagen, das Amt unseres Wehrbeauf- tragten richte sich nicht einseitig gegen die Bun- deswehr.

Auch Norwegen kennt beide Arten des „om- budsman". Das gilt auch von Dänemark, mit dem Unterschied, daß beide Funktionen in der Hand eines einzigen Beauftragten vereinigt sind.

Als der eigentliche Erfinder darf freilich Ru- dolf Hess gelten. Der damalige Wehrmachtsadju- tant Hitlers, Friedrich Hossbach, berichtet in sei- nem Buch „Zwischen Wehrmacht und Hitler' (Wolfenbüttel und Hannover, 1949, S. 52 f.), Ru- dolf Hess habe verlangt, daß „im Stabe des Füh- rers" eine Dienststelle eingerichtet werde, deren Leitung Hossbach übernehmen solle, und an die sich jeder Soldat „außerhalb des militärischen Dienst- und Beschwerdeweges" wenden könne.

Freilich hatte Hess nicht den Schutz der Grund- rechte der Soldaten oder die Beachtung der

„Grundsätze der Inneren Führung" im Sinne, sondern Beschwerden über Vorgänge in der Wehrmacht, die nicht so recht in die NS-Ideolo- gie passen wollten. Doch die enge Verwandt- schaft mit dem Amt unseres heutigen Wehrbe- auftragten liegt darin, daß Soldaten sich unter Umgehung des militärischen Dienstweges bekla- gen können sollten.

Hossbach gelang es, den Vorschlag abzuwür- gen, da er u. a. „der unverantwortlichen Angebe- rei und Nörgelei' Tür und Tor öffnen werde.

Unsere Wehrbeauftragten haben genau das hin- reichend zu spüren bekommen. Wie General Hossbach, der heute in Göttingen lebt, mir mit- teilte, müsse sich die Sache etwa 1937/38 zuge- tragen haben. Als der Bundestag das Amt des Wehrbeauftragten beschloß, dachte er gewiß nicht an Rudolf Hess. Aber wie diesen trieb auch den Bundestag das Mißtrauen gegenüber den Offizieren — allen Beteuerungen zum Trotz.

| Gehört • gelesen * notiert j

Als den eigentlichen Sieger der Berliner Wahl feierte der Generalsekretär der FDP, Bange- mann seine eigene Partei, deren Stimmenanteil von 8,5 Prozent auf 7,2 Prozent gesunken ist.

ARD-Tagesschau Vielleicht kann ich mit meinem Auftreten der SPD ein letztes M a l nützlich sein. Sie wird wahr- scheinlich erkennen müssen, daß sie auch ohne linke Mitglieder weiterhin Wahlniederlagen zu erwarten hat. Nicht weil sie ein sozialistisches Programm vertritt, sondern weil sie es aufgege- ben hat. „, _ . „

Der Münchner Stadtrat Siegmar Geiselberger Jetzt nicht SPD wählen, hieße mitten im Regen den Schirm zuklappen.

Willy Brandt, SPD-Vorsitzender Lieber drei Prozent C D U mehr als drei Prozent Arbeitslose.

Bernhard Vogel,

CDU-Landesvorsitzender von Rheinland-Pfalz In der Politik muß es immer zuerst brennen, da- mit eine Feuerwehr aufgestellt wird.

Der Soziologe Arnold Gehlen Das geteilte Deutschland kann nicht unheilbar miteinander verfeindete Christliche Demokraten und Sozialdemokraten ertragen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer im Bundestag, Philipp Jenninger, zur Kampagne der Sozialdemokraten gegen die Opposition

Die Berliner kann man nicht mit Pappköpfen überzeugen.

Hermann Oxfort FDP-Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus

Herbert Hupka, M d B :

Selbstkritik des

„Neuen Deutschland"

In Erinnerung an die Kriegsereignisse vor 30 Jahren erscheinen jetzt im „Neuen Deutsch- land" nahezu ganzseitige Aufsätze über den Vormarsch der Roten Armee. In dem ersten Auf- satz der Artikelserie waren auf der mitabge- druckten Kartenskizze des Frontverlaufes Kö- nigsberg, Danzig und Oppeln mit ihren richtigen deutschen Namen verzeichnet. Im zweiten Auf- satz mußte sich der Kartenzeichner Weigelt kor- rigieren. Zur Strafe dafür, daß er die deutschen Ortsnamen verwandt hatte, durfte er nun nicht mehr mit seinem Namen zeichnen. Die offizielle Sprachregelung wurde jetzt schleunigst nachge- holt, indem kein einziger deutscher Ort noch mit seinem deutschen Namen eingetragen ist. W i r lesen Kaliningrad statt Königsberg, Gdansk statt Danzig, Opole statt Oppeln. Und die neu ein- gezeichneten Orte Kolberg, Küstrin, Glogau und Breslau erscheinen jetzt als Kolobrzeg, KoslrZyTi, Glogow und Wroclaw.

Mit der geschichtlichen Wahrheit haben diese Karten allerdings nichts gemein. Selbst wenn man zur Kenntnis nehmen muß, daß alle Kom- munisten streng gehalten sind, in den von ihnen annektierten Gebieten die deutschen Namen durch die polnischen zu ersetzen, ist ein derarti- ges Vorhaben während der Offensive der Roten Armee seit dem 12. Januar 1945 anachronistisch und geschichtswidrig. Nicht Kaliningrad, sondern Königsberg kapitulierte am 9. A p r i l 1945, nicht Wroclaw, sondern Breslau wurde am 6. M a i 1945 erobert.

W i r werden weder etwas an der kommunisti- schen Auffassung geschichtlicher Wahrheit noch an ihrer Einstellung zur Annexion, die nur dann von Übel sein kann, wenn sie anderen Staaten angelastet werden kann, zu ändern vermögen.

Zumindest aber sollten wir registrieren, wie Kommunisten mit der Wahrheit und dem Recht umspringen. Die peinliche Panne des „Neuen Deutschland" hat es wieder einmal deutlichge- macht.

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29, Mine 1975 — Folge 13 — Seite 3 5 ( 5 £flprtn|fonülafl

Zeitgeschichte

Die Delegationen am Verhandlungstisch: Ostpolitik 1918 in Brest-Litowsk...

s*m i »ervanda = V e r t r ä g e müssen er füllt werdenI Z u diesem Imperativ des Völker- rechts haben sich nach Unterzeichnung des so- wjetisch-deutschen Vertrages 1970 auch diejeni- gen deutschen Politikern bekannt, die dem Ver- trag aus anhaltlichen Gründen skeptisch oder gar ablehnend g e g e n ü b e r s t a n d e n .

Bei einem interessanten Versuch in Bezug auf das Gerechtigkeitsproblem in den deutsch-so- wjetischen V e r t r ä g e n v o n Brest-Litowsk 1918 und M o s k a u 1970 wirft die Zeitschrift „Rußland und wir", Organ der Deutsch-Russischen Gesell- schaft, die Frage auf, ob die sowjetischerseits

1970-1972 ins Spiel gebrachten Drohmomente zu gegebener Zeit eine deutsche Haltung zum Moskauer Vertrag rechtfertigen könnten, die der sowjetischen Haltung zu den V e r t r ä g e n von Brest-Litowsk und Berlin entspricht.

In seinem von „Neues Deutschland" übernom- menen polemischen Kommentar zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts über den Grundla- genvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und d er „DDR" hielt es der sowjeti- sche Publizist Jurij Rzevskij für nützlich, die Bindung der Bundesrepublik Deutschland an Art. 3 des Moskauer Vertrages vom 12. 8. 1970

— die Unantastbarkeit aller europäischen Gren- zen betreffend — sowie an die zugehörigen A b - sichtserklärungen vom gleichen Tage zu erin- nern. „Pacta sunt servanda" — fährt Rzevskij fort — „abgeschlossene V e r t r ä g e müssen erfüllt werden. Das ist das erste Gebot des Völker- rechts, das keine Abweichungen zuläßt. Die BRD hat feierlich die Verpflichtung übernommen, die Unantastbarkeit der europäischen Grenzen, ein- schließlich audi der Grenze zwischen der DDR und der BRD, strickt einzuhalten und zu respek- tieren. Diese Verpflichtung bindet sie als Staat wie auch jedes ihrer staatlichen Organe."

Die Vorgeschichte zu dieser sehr direkten Ein- rede der Sowjetunion, die mit keinem Wort er- wähnt, d a ß auch die „DDR" vertragliche Ver- pflichtungen eingegangen sein könnte, ist die Geschichte der Meinungsvielfalt zum Thema

„strikte Einhaltung und volle Anwendung" der O s t v e r t r ä g e mit Moskau und Warschau, der Viermächtevereinbarung über Berlin, des Ver- kehrsvertrages und schließlich des Grundvertra- ges mit der „DDR".

Das Bundesverfassungsgericht aber hat ange- sichts der O s t v e r t r ä g e die Auffassung des Grund- gesetzes zum Begriff „Deutschland" und über Deutschlands Rechtsstatus folgendermaßen als geltendes Recht bekräftigt: Das Deutsche Reich hat den Zusammenbruch v o n 1945 überdauert und.ist weder mit der Kapitulation noch durch die A u s ü b u n g fremder Staatsgewalt seitens der Alliierten i n Deutschland noch irgendwann spä- ter untergegangen. Das Deutsche Reich existiert fort, besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, wenn es auch mangels institutionalisierter Organe als Gesamtstaat selbst noch nicht handlungsfähig ist. M i t der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein westdeutscher

Sonderfriedensvertrag mit der für souverän er- klärten „Ukrainischen Volksrepublik".

Der Friede von Brest-Litowsk war zwar ein Status-Quo-Friede, der die Vorkriegsverhält- nisse des westlichen Rußland nicht wiederher- stellte, doch war es ein ehrlicher Friede ohne Annexionen und Kriegskontributionen zugun- sten der auf diesem Kriegsschauplatz siegrei- chen Großmacht, also Deutschlands. Der Verlie- rer dieser Auseinandersetzung sah seine Rettung in einem „Folgevertrag", i n welchem er den Verzicht weiterer bereits verlorener Territorien bestätigte.

A n dieser Stelle ergibt sich die Möglichkeit, zu vergleichen, wie und worin die beiden Frie- densverträge, der v o n Brist-Litowsk (1918) und der von Moskau (1970) einander ähnlich sind:

W i e trat der mögliche Sieger dem wahrschein- lich Unterlegenen gegenüber? W i e nutzte der Schwächere die ihm verbliebenen Möglichkeiten gegen den Stärkeren?

Da sind zuerst die Voraussetzungen, die für beide Fälle zutreffen mögen. Die jeweils per

„Blitzkrieg" zuerst i m Lande des Gegners er- scheinende und bereits zu dessen militärischen Niederlage ansetzende Macht verliert den Kampf

und souveräner Rechtsnachfolger des ursprüng- lichen Kriegsgegners präsentiert wird; der „Un- terlegene" sieht sich genötigt, die Existenz die- ses neuen Staates anzuerkennen.

Bei der Beratung der Verträge in den legisla- tiven Körperschaften hat jeweils der „Unter- legene" den Vortritt. Zugleich sind auch die in- neren W i d e r s t ä n d e bei den Politikern wie i n der Öffentlichkeit erheblich größer als beim

„alten Regime". Beide Male zeigte die innere Szenerie des „Unterlegenen" eine charakteri- stische instabile Patt-Situation, i n welcher die Realpolitiker, die die vertragsmäßige Besiege- lung längst verlorener Verluste bejahen, in etwa von den grundsatztreuen Nein-Sagern aufgewo- gen werden.

Was nun die territorialen Abtretungen be- trifft, läßt sich der Austritt des ehemaligen finn- ländischen Großfürstentums aus der Landmasse des alten Zarenreiches am ehesten mit der Re- organisation der „Ostmark" zur Republik Öster- reich zutreffend vergleichen. Die Nichtrückgabe von Kongreßpolen, Litauen und Kurland i m Jahre 1918 findet ihre Entsprechung in dem Ver- lust der deutschen Gebiete östlich v o n Oder und Neiße i m Jahre 1945, wobei eine Paralleli-

nössische sowjetische Publizistik als auch die stalinistische Geschichtsschreibung nie gezögert, den einmal zustande gekommenen Vertrag als echte Leistung der eigenen Politik zu werten:

„Die Geschichte hat bewiesen, d a ß der Brester Friede eine hervorragende Errungenschaft der Sowjetdiplomatie war. Der Abschluß des Brester Friedens führte das Sowjetland aus dem Kriege heraus. Der Friede gab dem Land eine gewisse Atempause: er ermöglichte es, die alte, zersetzte Armee zu demobilisieren, mit dem sozialisti- schen Aufbau zu beginnen und neue Kräfte für die bevorstehenden siegreichen Schlachten z u sammeln".

A n dieser Wertung hält die sowjetische Ge- schichtsschreibung auch heute noch fest. Fragt man nach den Gründen für diese an Selbstge- fälligkeit grenzende Benotung der eigenen Verhandlungsführung, so stößt man freilich auf einen gravierenden Unterschied zwischen 1918 und 1970.

Das seinerzeitige Beharren des damaligen

„Unterlegenen" auf voller Öffentlichkeit der Plenar- und Kommissionssitzungen i n Brest-Li- towsk war nämlich geeignet, über das allge- meine politische Interesse hinweg das Mitgefühl der W e l t zu mobilisieren, Moralität und Recht- lichkeit zur Geltung zu bringen. Das Recht aber ist die Waffe des Schwachen, wie eine alte Er- kenntnis lautet. Die Öffentlichkeit der Verhand- lungen zwang das militärisch siegreiche „alte Regime" zur Mäßigung und stimulierte, dank der Pressefreiheit, die Selbstkontrolle.

So konnte die sowjetische Partnerseite ohne Anstrengung die Bühne mit den Requisiten ei- nes Horrorstückes dekorieren, i n welchem der arme „Unterlegene" den preußisch-deutschen Soldatenstiefel zu spüren bekam.

Im Jahre 1970 hingegen scheint es nicht das

„alte Regime", sondern gerade der »Unterlege- ne" gewesen zu sein, den es nicht nach Öffent- lichkeit gelüstete, wenn er nicht gar seinereits

auf höchste Geheimhaltungsstufe gedrängt ha- ben sollte. Problematisch war solche Geheimnis- krämerei von dem Augenblick an, da sie — i m Zeitalter wissenschaftlicher Politikberatung — auf den Einsatz des diplomatischen Sachverstan- des und auf die Konsultationen der Entschei- dungsgremien i n den Regierungsämtern sowohl wie i n den Parlamentsfraktionen von Koalition und Opposition bewußt verzichtete.

„Es ist unglaublich unerhört schwer", sagte da- mals (1918) Lenin, „einen unglückseligen, maß- los schweren, unendlich erniedrigenden Frieden zu unterzeichnen, wenn der Starke dem Schwa- chen das Messer an die Kehle setzt" I

Außenminister Scheel (1970): „Wir freuen uns.. .1"

V e r t r ä g e müssen erfüllt werden! Ähnlich wie der Moskauer Vertrag v o n 1970 enthielten der Friedensvertrag von Brest-Litowsk und der poli- tische Teil des Ergänzungsabkommens vom 27.

August 1918 weder eine zeitliche Befristung noch eine Widerrufs- oder Kündigungsklausel. Es ist lediglich jeweils angegeben, ob besetztes Ge- biet vor oder nach der definitiven Beendigung des Weltkrieges zu räumen sei. Eine Revisions- klausel für das gesamte Vertragswerk konnte unmöglich darunter verstanden werden.

Dennoch widerrief die Sowjetregierung eben dieses gesamte Vertragswerk beim Regime- wechsel i n Deutschland, also bei der erstbesten Gelegenheit.

Die ausführliche, mit vielen Vorschlägen zu der Ausgestaltung eines mitteleuropäischen so- zialistischen Systems der Sicherheit und des Völkerrechts versehene Erklärung des Allrussi- schen Zentralexekutiv-Komitees, i n der Hand- schrift Karl Radeks, begründet den sowjetischen Rücktritt vom Vertragswerk an keiner Stelle, betont aber die Einbeziehung der völlig freiwil- lig unterzeichneten und noch im September 1918 russischerseits ratifizierten Ergänzungsverein- barung in die Ungültigkeitserklärung.

„An alle Völker Rußlands, an die Bevölke- rung der okkupierten Bezirke und Gebiete! Das Allrussische Zentralexekutiv-Komitee erklärt hierdurch feierlich, d a ß die Bedingungen des Friedens mit Deutschland, die i n Brest am 3.

März 1918 unterzeichnet worden sind, Geltung und Bedeutung verloren haben. Der Brest-Li- towsker Vertrag, desgleichen die Ergänzungs- vereinbarungen, werden als Ganzes und i n a l - len Punkten für nichtig; erklärt*

„Verträge müssen erfüllt werden"

Interessante Parallelen zwischen dem Frieden von Brest-Litowsk und dem Vertrag von Moskau

Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert. Die Bundesrepublik Deutschland gilt darum nicht als .Rechtsnachfolger" des Deut- schen Reiches, sondern ist als Staat identisch mit dem Staat „Deutsches Reich", wenn auch die- se Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht, w e i l die räumliche Ausdehnung der Bundesrepu- blik nur teilidentisch ist mit jener des „Deut- schen Reiches".

Inwiefern ist nun M o s k a u vom Karlsruher Ur- teil direkt betroffen?

Die Rückwirkung der Aussagen des Bundes- verfassungsgerichts interessieren insoweit nicht nur den Bürger, der hier und heute auf die vom Vertragswerk v e r h e i ß e n d e n menschlichen Er- leichterungen der Spaltung Deutschlands wartet, sie interessieren auch Gesetzgeber und Regie- rung. Die Moskauer Urteilsschelte wurde vor dem Bekanntwerden der Rzevskij-Philippika als absichtlich v e r s t ä r k t e s Echo der Ost-Berliner Stellungnahmen beurteilt, jedoch kaum als Aus- druck eigener Betroffenheit. Kossygin befand am Tage der Unterzeichnung trocken, dieser Ver- trag sei „vom Leben selbst diktiert". Jedenfalls deuten der hohe Einsatz der sowjetischen Diplo- matie — ihr Leiter verhandelte persönlich mit einem keineswegs gleichrangigen Delegierten aus Bonn — ebenso wie eine belohnende Beför- derung ihres Exponenten Gromyko zum V o l l - mitglied des sowjetischen Parteipräsidiums „Po- litbüro" an, d a ß die Sowjetpolitiker insgeheim dem Vertrag andere Noten und Bewertungen geben als vor der Öffentlichkeit.

;e würden, fragt man sich, Sowjetpolitiker, -historiker und -Völkerrechtler den Vertrag in anonymen Interviews beurteilen? Die Kontroll- fragen, die wir an sie zu richten vermöchten, ergeben sich aus der Problematik analoger Ver- träge, über welche die Sowjetwissenschaft in Wahrnehmung eigener Interessen intensiv ge- forscht und engagiert geurteilt hat.

Ein solches analoges Vertragswerk ist der Friedensvertrag von Brest-Litowsk i n Verbin- dung mit dem Berliner Ergänzungsvertrag aus dem Jahre 1918.

Im Friedensvertrag von Brest-Litowsk been- dete das Deutsche Reich am 3. März 1918 defini- tiv den Kriegszustand mit dem größten Nachfol- gestaat des Zarenreiches, mit der noch von Ke- renskij am 14. September 1917 ausgerufenen, in- zwischen aber vom bolschewistichen Flügel der russischen Sozialdemokratie im Namen des So- wjetkongresses regierten „Russischen Republik".

Vorangegangen war am 9. Februar 1918 ein

im Felde. Die bisher führende Clique verschwin- det v o n den Schalthebeln der Macht. Das poli- tische System v e r ä n d e r t seine Strukturen. Die bisherigen Grenzen stehen zur Disposition. Das Territorium bröckelt ab.

Auf dem Rest-Territorium organisiert sich der Staat neu, bekennt sich zu seinen Verpflichtun- gen, beharrt aber auch auf Zielen, die nicht kurz- fristig durchsetzbar sind. Ein Machtwechsel treibt

jedoch den Staat dazu, Konsequenzen aus einer realen Lage zu ziehen. Die neue Führungsgruppe verhandelt nicht mehr aus einer echt oder ver- meintlich gegebenen Position der Stärke heraus, sondern eingestandenermaßen aus der Haltung des „Unterlegenen" mit dem ehemaligen Kriegs- gegner.

Um den Unterlegenen gefügiger zu machen, wird ein Separatfrieden mit einem sezessio- nierten Teilstaat geschlossen, der damit vor der Welt als neu entstandener, völlig selbständiger

tat in der Annexion vom nördlichen Ostpreußen zu der 1917/18 geplanten Annexion eines polni- schen Grenzstreifens zugunsten des Kaiserrei-

ches für Preußen gesehen werden kann.

Die mit dem Ergänzungsvertrag zum Brester Frieden im August 1918 durchgesetzte Abtren- nung Estlands und Livlands findet ihr Gegen- stück i n der heutigen Politik des „alten Regi- mes" bezüglich West-Berlins.

V o r allem aber reizt die Unterstützung der

„Ukrainischen Volksrepublik", betrieben v o n der Großmacht des Jahres 1918 mit Hilfe des Friedensvertrages vom 9. Februar und mit der nachfolgenden Politik militärischer Stützung, sogar energischer Mitregierung, zu einem Ver- gleich mit der Schaffung der separatistischen

„DDR" aus den Kerngebieten von Preußen und Sachsen.

Bei aller Kritik des Friedensschlusses mit ei- nem „alten Regime" haben sowohl die zeitge-

und 1970 i n Moskau: Scheel, Breschnew, Brandt nach der Vertragsunterzeichnung

Fotos AP, Ullstein

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Andere

Meinungen

£flPimjÜlM0tt 29. Marz 1975 —Folge 1 3 - S e i t e 4

S T U T T G A R T E R M A C H R I C H T E N Finanzielle Radikalkur

Stuttgart — Mit einer Durchforstung der Etat- pOffffl nach überflüssigen Ausgaben allein wird t l nMll ge/an sein. Allerdings: Welche Regie- rung, welcher Finanzminister kann es sich der- zeit leisten, staatliche Leistungen einzuschrän- ken oder eine bessere Finanzierung durch den Bürger zu fordern? Ohne diese Radikalkur wird es jedoch in den kommenden Jahren nicht mehr gehen. Defizite, die an die 100-Milliarden-Grenze gehen, kann dieser Staat nicht verkraften. Des- halb wird sich auch die Frage nicht umgehen lassen, ob die unbestritten großen sozialen Lei- stungen, die der Staat geschaffen hat, in den nächsten Jahren überhaupt zu bezahlen sind.

Von Sowjets abhängig

London — Alle Beweise deuten darauf hin, daß der richtige Kurs für Großbritannien darin liegt, seine militärischen Bemühungen zu steigern und die Verbündeten zu ermutigen, das gleiche zu tun . . . Die wirtschaftlichen Argumente für diese Kürzungen sind bestenfalls ziemlich trivial, und das Argument über die Prozentzahlen des Brutto- sozialproduktes ist zu dumm, um ernst genom- men zu werden. Nein, unsere Antwort müssen wir in der Politik suchen. Die Labour-Linke for- dert stets Verteidigungskürzungen. Viele von ihnen würden zufrieden sein, wenn Großbritan- nien ohne Verteidigung und ohne Verbündete dasteht, so daß wir völlig vom guten Willen der Sowjetunion abhängig wären.

S T U T T G A R T E R Z E I T U N G Zu dreist in Portugal

Stuttgart — Die Kommunisten sind wieder dreist geworden, nachdem sie sich — Strategie und Taktik — ein paar Jahre eher von der zah- men Seite gezeigt haben. Die Kommunisten aller- orten glauben an ihren langfristigen Erfolg und den stetigen Rückgang des Einflusses der Ver- einigten Staaten. Gegenbeweise fallen uns schwer, so vor allem in Indochina, aber auch in

Europa. Denn sollten die Kommunisten nach Wahlen oder ohne Wahlen künftig die eigentlich Regierenden in Portugal sein, so kann die Ab- wehr sich nicht darauf beschränken, im Falle des Austritts von Portugal aus der NATO Spanien als Ersatz aufzunehmen. Wir — nicht die Kom- munisten — müssen aufhören, dauernd nach De- mokratie zu rufen, so als ob die angebliche De- mokratisierung schon von sich aus gesunde und westlichen Vorstellungen entsprechende Verhält- nisse bedeute.

S U d d c u i s t t e Z e i T u r t g Breschnews Gesundheit

München — Das ist nicht jener vor Vitalität sprühende, schulterklopfende und Ovationen in Siegerpose genießende Kremlführer vergange- ner Jahre. Der Generalsekretär der KPdSU, der sich den Parteitagsdelegierten und den wenigen direkt zugelassenen westlichen Journalisten in Budapest zeigte, wirkt abgehärmt und müde.

Dünner geworden, mit fahler Gesichtsfarbe und schütterem grauem Haar, verharrt Breschnew, mehrfach tief hustend, während der dreieinhalb- stündigen Rede Kadars ernst und melancholisch auf seinem Platz. Mit den Ellbogen schwer auf die Tischplatte gestützt, dankt er, mechanisch klatschend und mit unbewegter Miene, Kadar für die persönlichen Sympathiebekundungen und die Hymnen auf die „tiefe, unauflösbare, brüder- liche Freundschaft zur Sowjetunion". Beim Korri- dorgetlüster während der Kongreßpausen ist man sich einig: Mag dieser Mann mit internen politischen Konflikten konfrontiert gewesen sein oder nicht — es darf als sicher gelten, daß Breschnew während der letzten Monate einen ernsten gesundheitlichen Rückschlag erlitten hat.

Lorenz-Entführung:

Berliner Polizei im Fadenkreuz

Untersuchungskommission hat Vorwürfe der Linken als unbegründet zurückgewiesen

ü b e r heftige Vorwürfe gegen die Berliner Po- lizei im Hinblick auf ihre Anstrengungen zur Habhaftwerdung der Entführung des CDU-Poli- tikers Peter Lorenz berichtete vor allem die in München erscheinende „Süddeutsche Zeitung".

So ist dort unter anderem nachzulesen, daß die Berliner Polizeikräfte „sich von Anfang an in Koinmunikations-, Koordinations- und Kompe- tenzschwierigkeiten befunden habe". Das Blatt schreibt weiter, daß „ein süddeutscher Polizei- beamter, der zusammen mit rund 600 westdeut- schen Polizeibeamten eingeflogen worden war, um die West-Berliner Polizei bei der Fahndung zu unterstützen, von einem Bild des Unmuts und des Einsatzüberdrusses sprach". Offenbar meinte jener Beamte weiter, daß er ein „Maß an Uneffektivität" in West-Berliner Einsatzbereich vorgefunden habe, das er von seinen Heirnat- einsätzen in keiner Weise gewohnt sei.

Aber auch der Sprecher des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Hagen Lesko, rügte die Ber- liner Polizei und meinte, daß die Nachrichten- wege zu lang und nicht immer klar gewesen seien. Lesko scheute sich auch nicht, direkt die Frage nach den Verantwortlichen zu stellen und nachdem er eine ganze Reihe an Versäum- nissen aufgezählt hatte, bemerkte er schließ- lich, daß bei einzelnen Einsätzen der Lorenz- Aktion Polizeigruppen oftmals gegeneinander gearbeitet und sich so erheblich behindert hät- ten. Einmal, so Lesko wörtlich, sei auch der Auftrag erteilt worden, ein Haus zu durch- suchen, das in Wirklichkeit schon längst nicht mehr existierte . . .

Diesen neuerlichen, schwerwiegenden Vor- würfen waren laute Stimmen des Mißfallens vor allem aus dem linken Lager über die Berliner Großfahndung am 5. März vorausgegangen, einer Fahndung, die von gewissen Kreisen hä- misch mit „Aktion Wasserschlag" bezeichnet wird. Eine eigens vom Polizeipräsidenten Hüb- ner eingesetzte Kommission zur Untersuchung der Vorfälle, bestehend aus zwei Juristen, einem Beamten der Schutzpolizei, einem Beamten der Kriminalpolizei und einem Vertreter des Ge-

Mitteldeutschland:

samtpersonalrates, hat zwischenzeitlich die ge- machten Vorwürfe weitestgehend entkräftet testgestellt, daß „organisierter Rechtsbruch und überfallartiges Vorgehen der Polizei fernab je- der Legalität eindeutig unzutreffend sei". Der Sicherheitsausschuß des West-Berliner Senats wird nun über diese Studie der Kommission und über die Sache selbst zu reden und zu beraten haben, die Antwort seitens des Senats steh!

noch aus.

Bis dahin sind die gemachten neuerlichen und ungleich gravierenderen Vorwürfe am wenigsten gegen den Polizeipräsidenten und am schwer- wiegendsten gegen die gerichtet, die es nicht verdienen — die große Zahl der einfachen und mit viel Opferbereitschaft ihren Dienst versehen- den Polizeibeamten in West-Berlin. Gerade sie, die nun seit beinahe einem Jahrzehnt unentwegt blankem Terror ausgesetzt und immer wieder Gegenstand übelster Beschimpfung und Verhöh- nung sind, müssen von diesen summarisch ge- machten Äußerungen aufs tiefste betroffen sein.

Zugegeben, die West-Berliner Polizei wurde mit der wohl schwerwiegendsten Problematik in ihrer Geschichte zu einem Zeitpunkt konfron- tiert, dem der unmittelbare Beginn dessen vor- ausging, was man schlechthin die Berliner Poli- zeireform nennt. Eine beinahe totale Umstruk- turierung, über deren effektiven Wert man in der Tat geteilter Meinung sein kann. Dennoch kann nicht genug auf die Schwierigkeiten ver- wiesen werden, in denen die Polizeikräfte in West-Berlin seit Jahr und Tag bei der Bekämp- fung des politischen Bandenterrors steht. Die immerwährenden Beteuerungen des Innensena- tors Neubauer, man habe den harten Kern unter Kontrolle, haben ohnehin sowohl in weiten Tei- len der Führung als auch vor allem bei den Mann- schaften nur Schulterzucken zur Folge gehabt.

Für die Lorenz-Entführer war klar, daß ihnen in jedem Fall zumindest eine Tür zur Flucht offenstehen würde. Richtig vermerkt darüber die Hamburger „Welt", daß der W e g nach Ost-Berlin auf westlicher Seite unkontrolliert ist, und zwar an den Straßenübergängen wie am Zugang zur

Noch 800 Kinder in „DDR" festgehalten

Diskussion in der Öffentlichkeit wird peinlich vermieden

Ein Thema von höchster Brisanz wurde jüngst in einer Fragestunde des Bundestages von der Opposition aufs Tapet gebracht. Der Bundes- tagsabgeordnete Dr. Hupka verlangte Auskunft darüber, was die Bundesregierung bisher getan hat und noch zu tun gedenkt, um die in der

„DDR" noch immer zurückgehaltenen Kinder ihren in der Bundesrepublik lebenden Eltern zuzuführen. Es handelt sich dabei um einen Teil- abschnitt in dem Kapitel „menschliche Erleichte- rungen", ein Faktum, von dessen Vorhandensein die Öffentlichkeit bisher kaum etwas erfahren hat.

Als Antwort wies der Parlamentarische Staats- sekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Herold, darauf hin, die Bundes- regierung habe Kenntnis davon erhalten, daß 1974 von der „DDR" in 638 Fällen Ausreisen von Kindern aus der „DDR" in die Bundesrepu- blik genehmigt wurden, und zwar waren es 461 Kinder, die zusammen mit ihren Eltern, und 177 Kinder, die zu ihren bereits in der Bundes- republik lebenden Eltern ausgereist sind. Der Bundesregierung sind weitere 800 Fälle bekannt, in denen die Ubersiedlung von Kindern ge- wünscht wird. Sie wird alle Möglichkeiten im Rahmen ihrer Bemühungen um menschliche Er- leichterungen ausnutzen, um eine positive Lö- sung auch dieser Anliegen zu erreichen.

Auf die Frage von Dr. Hupka, wie lange es möglichenfalls dauern würde, bis endlich auch die genannte Anzahl von 800 Kindern von einem Teil Deutschlands in den anderen kommen könn- ten, reagierte der Staatssekretär augenschein- lich gereizt.

Er meinte, es kämen noch neue Fälle hinzu, viele würden gelöst. Und: „Ich möchte Sie bit- ten, dieses Thema hier in der Öffentlichkeit nicht weiter zu behandeln. Ich stehe Ihnen zu weite- ren persönlichen Fragen gern zur Verfügung.

Nach meiner Auffassung eignet sich dieses Thema nicht, öffentlich behandelt zu werden."

Doch war die Sache damit noch nicht abgetan, jedenfalls nicht im Sinne von Dr. Czaja MdB.

Ihm wurde auf Verlangen noch eine Zusatzfrage gewährt:

„Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Tatsache, daß von 900 unerledigten Fällen der Zusammenführung von Kindern mit ihren in der Bundesrepublik lebenden Eltern — nur da- nach ist gefragt — bisher erst zehn Prozent erledigt wurden? W i e beurteilen Sie diese Tat- sache angesichts des Wortlauts von Artikel 6 des Grundgesetzes? Meinen Sie, daß unter die- sen Umständen diese Angelegenheit nicht auch öffentlich erörtert werden muß?"

Die Antwort: „Herr Kollege Czaja, ich möchte Ihnen folgendes sagen: Wenn ich mir die Zah- len der Kinder ansehe, die aufgrund der har- ten, zähen Verhandlungen dieser Bundesregie- rung seit 1970 in die Bundesrepublik zu ihren Eltern kommen konnten, dann stelle ich fest, daß es sich von 1970 bis zum Abschluß des Jahres 1974 um 2311 Fälle handelte. Ich glaube, diese Zahl belegt, daß wir uns ehrlich bemüht haben, dem zu entsprechen, was offenbar auch Ihr A n - liegen ist."

Weitere Zusatzfragen ließ die Bundestagsprä- sidentin Frau Renger nicht zu.

Bielefeld:

S-Bahn, die zum Ost-Berliner Bahnhof Fried- richstraße fährt". Diesen bedauerlichen Umstand hat West-Berlins Polizeiführung seit eh und je in Betracht zu ziehen, auch bei der nicht minder schwierigen Bekämpfung des wachsen- den Schmuggels von Rauschgiften in den freien Teil der Stadt. Das bisher undementierte A n - gebot Ost-Berlins zur Fahndungsmithilfe aus den ersten Tagen nach der Entführung von Pe- ter Lorenz ist ohne Relevanz.

Es ist daher durchaus im Bereich des Mög- lichen, daß die Lorenz-Entführer durch dieses

„Loch in der Mauer" nach Südschweden ent- kommen konnten, einem Ort, an dem man ohne- hin Sympathisanten der Baader-Meinhot-Band»

vermutet. In Anbetracht der unvermindert kon- zentriert betriebenen Fahndung erhebt sieh sb«1 die Frage, wem die nunmehr erhobenen neuer- lichen Vorwürfe letztlich nützen, in der Ted scheint Polizeipräsident Hübners Gegenargu- ment unter Verweisung auf das sattsam bekannte

„Handbuch der Stadtguerillas" stichhaltig zu sein.

Dort heißt es sinngemäß, daß die Bevölkerung verunsichert und dann die Staatsorgane der Lächerlichkeit preisgegeben werden müssen.

Rednerische und vor allem publizistische Ent- haltsamkeit wären auf Grund der Gegebenhei- ten mehr am Platz. Polizeipräsident Hübner aber, und das kann man nur begrüßen, scheint sich seiner einstigen Tätigkeit als Polizeimeister zu erinnern und den schon lange von ihm er- warteten „esprit de corps" zu beweisen.

Peter Achtmann

Kohle wieder begehrt

Absatz des deutschen Steinkohlenbergbaus 1974 in Mill.t (vorläufig)

Kraftwerke Export

Sonstige 8.8

Absatzplus 1974: Elf Prozent

Seit Ende 1973 — dem Beginn der Ölkrise — ist die deutsche Steinkohle wieder heißbegehrt.

Der Absatz stieg 1974 um rund zwölf aui last 118 Millionen Tonnen. Diese Steigerung war nur möglich dank den intensiven Bemühungen der Zechen mit ihren Belegschaften, die eine um drei Millionen Tonnen höhere Förderung gegenüber der Planung des Energieprogramms schaflten.und dank den vorhandenen Kohlehalden, die bis auf 2,5 Millionen Tonnen zusammenschrumpften.

Einen Großteil der zusätzlichen Nachfrage ver- ursachte der Stahlboom des vergangenen Jahres.

Der Absatz an die eisenschaffende Industrie, die ihren Kohle- und Koksbedarf wie die anderen Verbraucher hauptsächlich bei der Ruhrkohle AG deckt, erhöhte sich um last 19 Prozent. Die Ex- porte, insbesondere in die EG-Länder, stiegen sogar um mehr als ein Fünftel. Mit diesen ver- mehrten Lieferungen hat der deutsche Steinkoh- lenbergbau 1974 einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der deutschen und europäischen Ener- gieversorgung geleistet.

Ratsherr sprach von „Mistfinken.

. und Vertriebene stellen Strafantrag wegen Beleidigung

„Hierauf haben wir unsere ganze Produktion eingestellt. Wir versprechen uns ein prima Ge- schäft, Herr Kolleae!"

Ein Strafantrag besonderer Art liegt seit we- nigen Tagen der Staatsanwaltschaft beim Land- gericht Bielefeld vor. Die Kreisvereinigung Bielefeld der ostdeutschen Landsmannschaften im Bund der Vertriebenen stellte ihn wegen Verdachts der Beleidigung gegen den SPD-Rats- herrn Helmut Wulfmeier, zugleich Bezirksge- schäftsführer der SPD. Gemäß der Anzeige hat Wulfmeier in einer Sitzung des Erwachsenen-

bildungsausschusses erklärt, die Herausgeber bzw. Autoren von Vertriebenenzeitungen seien

„Mistfinken, die diese Blätter zum Teil mit öffentlichen Mitteln herstellen".

Vor der Anzeige war es bereits zu einer Kon- troverse zwischen dem CDU-Ratsmitglied Volker Heimen und dem Bielefelder Oberstadtdirektor Herbert Krämer gekommen. Krämer nämlich weigerte sich, die Äußerung Wulfmeiers ins ''rotokoll aufnehmen zu lassen, wie es Heimen

ewünscht hatte. Daraufhin soll Wulfmeier seine Vorte noch einmal wiederholt haben, um ihnen Jachdruck zu verleihen. Ratsmitglied Heimen og daraus den Schluß, damit sei erwiesen, „daß

<J8 sich hier nicht um eine unbedachte Äuße- ung handelte". Heimen will nun überprüfen lassen, ob die Ablehnung der Protokollierung nirh» nonpn dip Ppchtsordnuna verstoße.

Die „Neue Westfälische" weiß zu berichten, Wulfmeier habe während der Sitzung tatsäch- lich zu verstehen gegeben, daß er die Redakteure einiger Vertriebenenzeitungen für Mistfinken halte. Sozusagen im gleichen Atemzug habe er jedoch erklärt, die Patenschaften halte er nicht für revanchistisch. Er unterstütze auch voll die von der Stadt Bielefeld übernommene Paten- schaft für die ostpreußische Stadt Gumbinnen und sei der Überzeugung, daß die kulturelle Arbeit der Vertriebenenverbände Unterstützung verdiene.

Oberstadtdirektor Krämer erklärte zur Ab- lehnung der Protokollierung, außer Beschlüssen und Abstimmungsergebnissen könnten zwar auch Erklärungen von Ratsmitgliedern ins Pro- tokoll aufgenommen werden, aber nur auf deren eigenen Antrag. Erklärungen anderer Sprecher seien nicht zu fixieren, weil sonst die freie Aus- sprache nicht gewährleistet sei, in der auch mal ein kräftiges Wort falle. Den Schwarzen Peter mochte der Oberstadtdirektor nun CDU-Rats- mitghed Heimen zuschieben: Nach der Ge- meindeordnung habe es sich um eine absolut vertrauliche Beratung gehandelt und Heimen sei nicht befugt gewesen, deren Inhalt an die Öffentlichkeit zu tränen.

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