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GESCHICHTE DER ANTIKE

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Academic year: 2022

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C.H.BECK GESCHICHTE DER ANTIKE

ELKE STEIN- HÖLKESKAMP Das archaische Griechenland Die Stadt und das Meer

SEBASTIAN SCHMIDT- HOFNER Das klassische Griechenland

Der Krieg und die Freiheit

PETER SCHOLZ Der Hellenismus Der Hof und die Welt WOLFGANG BLÖSEL Die römische Republik Forum und Expansion

ARMIN EICH

Die römische Kaiserzeit

Die Legionen und das Imperium

RENE PFEILSCHIFTER Die Spätantike

Der eine Gott und die vielen Herrscher

GESCHICHTE DER ANTIKE

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Sebastian Schmidt-Hofner

DAS KLASSISCHE GRIECHENLAND

Der Krieg und die Freiheit

C.H.Beck Geschichte der Antike

Sebastian Schmidt-Hofner

DAS KLASSISCHE GRIECHENLAND

Der Krieg und die Freiheit

C.H.Beck Geschichte der Antike

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Mit 12 Abbildungen und 7 Karten

Originalausgabe

© Verlag C.H.Beck oHG, München 2016 Satz: C.H.Beck, Nördlingen

Druck und Bindung: Pustet, Regensburg Umschlagentwurf: Kunst oder Reklame, München

Umschlagabbildung: Auszug des Kriegers, Vasenmalerei, rotfigurig, Nikoxenos- Maler, um 500 v. Chr., Musée du Louvre, Paris; © akg- images/Erich Lessing Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier

(hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff) Printed in Germany

ISBN 978 3 406 67915 5 www.chbeck.de

Vielen Kollegen sei an dieser Stelle gedankt, die mir durch Ge- spräche und Hinweise bei der Arbeit an diesem Buch geholfen ha- ben. Besonderer Dank gilt Mischa Meier, Sarah Bühler und John Weisweiler, die frühere Versionen des Manuskripts kritisch gelesen haben. Dem Verlag, namentlich Stefan von der Lahr und Andrea Morgan, danke ich für vielfaches Entgegenkommen und gute Zu- sammenarbeit.

Mit 12 Abbildungen und 7 Karten Lizenzausgabe für die

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Originalausgabe

© Verlag C.H.Beck oHG, München 2015 Satz: Druckerei C.H.Beck, Nördlingen Umschlagentwurf: Thomas Jarzina, Holzkirchen

Umschlagabbildung: Aus der Ostgiebelgruppe des Tempels der Aphaia auf Ägina mit Darstellung des Kampfes der Ajakiden vor Troja. München, Staatl. Antikenslg. u. Glyptothek. © akg-images / Erich Lessing Druck und Bindung: CPI books GmbH, Ulm

Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff) Printed in Germany

www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-27419-2

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INHALT

Einleitung 7

I. Die Perserkriege 15

1. Das Perserreich 16

2. Perser und Griechen in Kleinasien 36

3. Kampf um Hellas 48

4. Die Erfindung von Hellas 67

5. Der Perserkrieg auf Sizilien 82

II. Neue Ordnungen 90

1. Eine neue Großmacht: Athens Hegemonialherrschaft

in der Ägäis 90

2. Die Demokratie 116

3. Eine alt- neue Ordnung: Sparta 154

III. Der Peloponnesische Krieg 163

1. Polarisierung zwischen Sparta und Athen 163 2. Der Archidamische Krieg (431–421) 178

3. Kalter Krieg (421–413) 202

4. Kein Ende: Der Krieg in der Ägäis (413–404) 214

IV. Agon ohne Ausweg 226

1. Spartas gescheiterte Hegemonie (404–369) 226 2. Katastrophe, Konsolidierung und Wiederaufstieg:

Athen (404–378) 243

3. Alte und neue Mächte 257

4. Destabilisierung in Hellas (371–355) 281 5. Auf der Suche nach dem Ausweg: Praxis und

Theorie der Politik im 4. Jahrhundert 293

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V. Renaissance im Schatten Makedoniens  310

1. Der Aufstieg Makedoniens 310

2. Die Hellenische Renaissance 329

Epilog: Was bleibt von der ‹Klassik›?  352

Literaturbericht 356

Register 367

Die Zeittafel findet sich auf der hinteren Umschlaginnenseite.

Diese Lizenzausgabe ist ein leicht korrigierter Nachdruck der Originalausgabe von 2016. Neuere Literatur konnte nicht eingearbeitet werden; auf folgende ausgewählte Titel sei aber hingewiesen:

De Angelis, F. (2016): Archaic and Classical Greek Sicily: a Social and Economic History, New York; Balot, R.K. et al. (Hrsg.) (2017): The Oxford Handbook of Thukydides, Oxford; Cartledge, P.

(2020): Thebes: The Forgotten City of Ancient Greece, New York; Hyland, J. O. (2019): Persian Interventions: The Achaemenid Empire, Athens, and Sparta, 450 – 386 BCE, Balimore; Müller, S.

(2016): Die Argeaden: Geschichte Makedoniens bis zum Zeitalter Alexanders des Großen, Pader- born; Ober, J. (2015): The Rise and Fall of Classical Greece, Princeton (dt. Stuttgart 2016), zu lesen mit R. Schulz/ U. Walter, GWU 69 (2018), S. 568-578; Powell, A. (Hrsg.) (2018): A Companion to Sparta, 2. Bd., Hoboken; Schulz, R., HZ 306 (2018), 647-84 (zu Athen und Persien in den Perser- kriege); Rohde, D. (2019): Von der Deliberationsdemokratie zur Zustimmungsdemokratie. Die öffentlichen Finanzen Athens und die Ausbildung einer Kompetenzelite im 4. Jahrhundert v. Chr., Berlin; Tiersch, C. J. (Hrsg.) (2016): Die Athenische Demokratie im 4. Jahrhundert. Zwischen Modernisierung und Tradition, Stuttgart; Will, W. (2019): Athen oder Sparta. Die Geschichte des Peloponnesischen Krieges, München.

Nachweis der Abbildungen und Karten

Abb. 1: Mit freundlicher Genehmigung von Ursula Seidl, Zeichnung: Cor ne lie Wolff | Abb. 2

© akg- images / De Agostini Picture Library / N. Cirani | Abb. 3: © 1988 Paul Lipke / Trireme Trust/

Wolfson College, Cambridge | Abb. 4: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Andreas F. Voegelin / Inv.-Nr. BS 480 | Abb. 5: Boston, Museum of Fine Arts, Inv.-Nr. 13 196. © Museum of Fine Arts, Boston, Massachusetts / Francis Bartlett Donation / Bridgeman Images | Abb. 6: © Mu- seum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, Inv.-Nr. 1981. 173 | Abb. 7: Zeichnung Manolis Korres | Abb. 8: Rom, Museo dei Gessi dell'Università, Inv.-Nr. 161 | Abb. 9: Palermo, Museo Nazionale, Inv.-Nr. 2365. © akg- images / Nimatallah | Abb. 10: British Museum Coins Sicily, Syrakus Nr. 200;

© Hirmer Verlag, München | Abb. 11: Athen, Agora- Museum Inv.-Nr. I 6524; © akg- images / John Hios | Abb. 12: British Museum Coins Sicily, Syrakus Nr. 265; © Hirmer Verlag, München Karten: © Peter Palm Berlin

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EINLEITUNG

An einem Vormittag Ende der 390er Jahre1 versammelte sich die Einwohnerschaft des Stadtstaates Athḗnai2 – Bürger und Nichtbür- ger, Männer, Frauen und Kinder –, um den Gefallenen eines Krie- ges die letzte Ehre zu geben, den Athen in diesen Jahren im Bund mit Kórinthos, Thḗbai (Theben) und anderen Gemeinwesen gegen Spárta führte. Die Gefallenen hatte man drei Tage lang in der Stadt aufgebahrt; jetzt geleitete sie die Trauergemeinde in feier licher Pro- zession in ein von hohen Zedern und Pinien überschattetes Park- gelände vor den Toren der Stadt an der westlichen Ausfallstraße, wo neben vielen privaten auch die öffentlichen Grabmonumente stan- den. Dort, im Kerameikós, der «schönsten Vorstadt», wie ein Zeit- genosse schreibt, wurden die Leichname der Gefallenen in einem Staatsgrab beigesetzt, über dem man große Marmorstelen errichtet und diese mit den Namen der Toten versehen hatte. Im Anschluß an die Totenklage und die Bestattung richtete ein von der Stadt bestell- ter Redner das Wort an die versammelten Athener. Die Grabrede (griechisch epitáphios lógos) in diesem Jahr hatte der bekannte atheni- sche Redenschreiber Lysías verfaßt. Ob er sie selbst gehalten hat, ist umstritten, da Lysias zwar lange schon in Athen ansässig war, aber kein Bürgerrecht besaß – die ehrenvolle Aufgabe des Grabredners wahrzunehmen war wohl Bürgern vorbehalten. Vielleicht ist die Rede, wie sie auf uns gekommen ist, sogar nur eine Musterrede für einen entsprechenden Anlaß. Doch wie auch immer: Sie bietet je- denfalls ein typisches Beispiel für diese Gattung von Staatsreden.

Trost zu spenden und der Trauer der Hinterbliebenen gerecht zu

1 Alle Jahreszahlen in diesem Buch verstehen sich, wenn nicht anders angege- ben, vor Christi Geburt.

2 Personen- und Ortsnamen werden bei ihrer ersten Nennung in ihrer griechischen Form mit Angabe der Betonung gegeben. Ē steht dabei für Eta, im klassischen Griechisch gesprochen wie Ä, ō für das Omega, ein langes, offenes O.

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Einleitung 8

werden spielten in ihnen nur eine untergeordnete Rolle. Ihr eigent- licher Zweck war es, die Gefallenen als vorbildliche Bürger zu rüh- men, die sich kämpfend für ihre pólis, ihr Gemeinwesen, geopfert hatten, und die versammelten Athener auf dieses Vorbild zu ver- pflichten. Zu diesem Zweck rief man mit solchen Reden der Trauer- gemeinde all das in Erinnerung, was die gemeinsame Identität und den Stolz der Polis ausmachte: Athens führende Stellung in der griechischen Welt, seine freiheitlich- egalitäre innere Ordnung, seine Wehrhaftigkeit. Und fast immer taten die Redner dies, indem sie die glanzvollen Taten Athens seit der mythischen Vorzeit rühm- ten; die Kriegstaten der jetzt Betrauerten verschwammen so mit de- nen ihrer Vorväter in einem überzeitlichen heroischen Kontinuum, das auch die am Grab versammelten Athener einschloß und ihnen ein zur Nachahmung verpflichtendes Exempel vor Augen stellte.

Auch Lysias’ Grabrede ging so vor. Sie rief den versammelten Athenern zunächst den Sieg ihrer Vorfahren über die sagenhaften Amazonen in Erinnerung, ihren Kampf für das Bestattungsrecht der Sieben, die gegen Theben gezogen waren, und die Verteidigung der schutzsuchenden Kinder des Heraklḗs gegen ihren Verfolger Eurystheús – alles Begebenheiten einer zwar sagenhaften, von den Zeitgenossen aber historisch gedachten Vergangenheit, die zum ka- nonischen Wissen der Athener um ihre älteste Geschichte gehör- ten. Den Höhepunkt dieser heroischen Tatenfolge bildete eine lange, ein Drittel der Rede umfassende Schilderung der athenischen Leistungen in den Perserkriegen zu Beginn des 5. Jahrhunderts: Als das Heer des Perserkönigs im Jahr 490 in Márathon in Attika lan- dete, da, so erzählte der Redner, «erwogen unsere Vorfahren die Gefahren des Krieges nicht lange; … sie fürchteten nicht die Menge der Gegner, sondern vertrauten ihrer eigenen Tapferkeit» und «er- richteten so ein Siegesmal über die Barbaren zur Ehre von Hellás»

(§ 21–6). Einige Jahre später (481), so die Rede weiter, griff der Großkönig selbst mit noch größerer Heeresmacht an. Doch wieder stellten sich die Athener «den Massen aus Asien» und erfochten in mehreren Schlachten den Sieg. Es folgten Taten aus dem inner- griechischen Krieg um die Mitte des 5. Jahrhunderts, den wir den Ersten Peloponnesischen Krieg nennen, sowie ein Preis der segens-

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Einleitung 9 reichen Hegemonialherrschaft der Athener im Attischen Seebund.

Die Beschwörung der großen Vergangenheit endete damit, daß die Athener ihre Tüchtigkeit auch in der bitteren Niederlage am Ende des Pelopon nesischen Krieges nicht verlassen habe, wie die jüngst wieder erworbene Freiheit von fremder – spartanischer – Bedrük- kung zeige. In diesem Geiste seien auch jene gefallen, die man so- eben begraben habe: «Ich jedenfalls preise sie glücklich und beneide sie», schließt die Rede.

Die Geschichte der Polis Athen, die Lysias’ Rede erzählte, war eine Geschichte von Kriegen. Natürlich hatte das mit dem Anlaß der Rede zu tun, doch waren es auch anderswo Kriege – und zwar besonders der Perser- und der Peloponnesische Krieg  –, die den Blick der Polis Athen auf ihre Vergangenheit strukturierten. Dies hängt nicht nur damit zusammen, daß beide Kriege tiefgreifende politische, soziale und kulturelle Folgen für die Polis zeitigten. Ge- rade der Perserkrieg bildete darüber hinaus, wie wir sehen werden, in mehr als einer Hinsicht einen zentralen Bezugspunkt für das Bild, das sich die Stadt von sich selbst und von ihrer Geschichte machte.

In dieser Hinsicht war Athen kein Sonderfall. Gerade die Perser- kriege formten und veränderten in grundlegender Weise Lebens- welt und Geschichtsbild fast aller Griechen. Sie markierten daher eine Zäsur in ihrer Wahrnehmung der Vergangenheit, die bis heute als Epochengrenze der klassischen Zeit fortwirkt – daher beginnt auch dieses Buch mit den Perserkriegen. Ähnlich prägende Wir- kung hatte der ebenfalls als Zäsur wahrgenommene Pelopon ne- sische Krieg. Bezeichnenderweise waren es diese beiden großen Kriege des 5. Jahrhunderts, die maßgebliche Anstöße für die Entste- hung einer neuen Form der gedank lichen Durchdringung und Speicherung des Wissens um die Vergangenheit gaben: die kritisch- analytische Geschichtsschreibung, wie sie modellbildend Hēródo- tos  aus Halikarnassós und Thukydídēs aus Athen entwickelten.

Ähnliche Bedeutung konnten für einzelne griechische Gemeinwe- sen aber auch andere Kriege gewinnen: Prägend für das Geschichts- bild der sizilischen Griechen zum Beispiel sollte der Karthagerkrieg zu Beginn des 5. Jahrhunderts werden; für jenes des im 4. Jahrhun- dert entstehenden unabhängigen messenischen Staates der soge-

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Einleitung 10

nannte Große Helotenaufstand der 460er Jahre. Kriege strukturier- ten maßgeblich das Wissen der Griechen um ihre Vergangenheit.

Die genannten Beispiele von Kriegen in klassischer Zeit waren Ausnahmen, hinsichtlich ihrer Größe ebenso wie mit Blick auf ihre politischen, sozialen und kulturellen Wirkungen. Kriege waren in der klassischen griechischen Geschichte aber allgegenwärtig: Die Klassik, die wir in erster Linie mit geistigem Aufbruch, kultureller Blüte und revolutionären politischen Ideen verbinden, war nicht zuletzt eine Zeit permanenter Kriege. Schon im 5. Jahrhundert ver- ging kaum ein Jahr ohne gewaltsame Auseinandersetzung in irgend- einem Teil der griechischen Welt – gegen nichtgriechische Mächte wie die Perser, vor allem aber untereinander. Und die griechische Geschichte des 4. Jahrhunderts stellt sich über weite Strecken als eine verwirrende Folge endloser Kriege zwischen beständig wech- selnden innergriechischen Koalitionen dar. Diese Kriege waren keine Kabinettskriege; sie wurden zu einem erheb lichen Teil von Bürgersoldaten ausgefochten, sie forderten einen hohen Blutzoll auch unter Nichtkombattanten, sie führten immer wieder zu Ge- waltexzessen und Massenversklavungen, und sie zogen die Entwur- zelung Tausender nach sich. Es ist ein Signum gerade der klassi- schen Zeit, daß neue Kriegstech niken wie der professionalisierte Seekrieg oder großangelegte Städte belagerungen sowie eine bislang ungekannte Länge und Weiträumigkeit der Kriege die gesamte Be- völkerung in hohem Maße involvierten. Bürgerkriege (stáseis) inner- halb der Poleis, auch sie ein Sig num dieser Epoche, trugen ein Üb- riges zur Allgegenwart von Krieg und Gewalt bei. Sie spiegelt sich auch in der künstlerischen und intellektuellen Produktion der Zeit:

In der Bildkunst waren Gewaltdarstellungen omnipräsent; die Dichter der attischen Tragödie oder der Geschichtsschreiber Thu- kydides konfrontierten ihr Publikum mit intensiven Reflexionen über das Leid, die sozialen Folgen, ethischen Dilemmata und an- thropologischen Grundlagen des Krieges; und für Politiktheore- tiker wie Plátōn, Isokrátēs oder Aristotélēs war die Suche nach Aus- wegen aus der endlosen Spirale des (Bürger-)Krieges ein wichtiger Antrieb ihres Denkens.

Als allgegenwärtiger Bestandteil menschlichen Daseins war der

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Einleitung 11 Krieg auch ein zentrales Identitätsmerkmal der Griechen und ihrer Gemeinwesen. Ihr Selbstbild und Wertekanon waren maßgeblich durch das Kriegertum geprägt: Was Lysias’ Grabrede für Athen be- zeugt, galt für andere Poleis genauso, für manche wie Sparta in noch gesteigerter Weise. Für griechische Män ner wenigstens der besit- zenden Schichten war Krieger- Sein selbstverständlich, auf die Be- währung im Kampf gründeten sie wesentlich ihre Ehre. Und wenigstens der Ideologie nach war das Kriegertum Bedingung für die Teilhabe an der kollek tiven politischen Machtausübung, wie sie in der Klassik in der einen oder anderen Form in den meisten Gemeinwesen praktiziert und mancherorts erheblich ausgeweitet wurde. Auch in dieser Hinsicht war der Krieg demnach ein konsti- tutiver Faktor der griechischen Geschichte in klassischer Zeit. Er bildet daher eines der Leitmotive dieses Buches.

Ein weiteres zentrales Motiv in Lysias’ Grabrede ist das der Frei- heit. Der Sieg der Griechen über die Perser in der Seeschlacht bei Salamis habe allen Menschen gezeigt, «daß es besser ist, mit weni- gen für die Freiheit zu kämpfen als mit vielen Unter tanen eines Herrschers für die eigene Knechtschaft» (§ 41), und die Passage über die Schlacht von Plataiaí schließt mit den Worten, so sei für

«Europa die Freiheit gesichert worden» (47). Durch seinen See- bund befreite Athen nach Lysias die Griechen von Tyrannen und dem Druck der Barbaren (55/57), mit seinem Ende wurde «die Freiheit zu Grabe getragen» (60), und die jetzt betrauerten Gefalle- nen starben ebenfalls «für die Freiheit» (68). Auch dieses Motiv verweist auf ein zentrales Identitätsmerkmal und wichtiges Element im Geschichtsbild der Griechen in klassischer Zeit. In den Perser- kriegen wurde die «Freiheit» von der Be drückung durch den per- sischen Aggressor zum Schlachtruf der abwehrwilligen Griechen und trug zur Entstehung eines Geschichtsbildes bei, das die Kämpfe als Freiheitskrieg der Griechen deutete. Durch den Erfolg in die- sem Krieg konnte sich eleuthería, später auch autonomía, zu einem zentralen politischen Wertbegriff entwickeln, der das Ideal der Unabhängigkeit eines Gemeinwesens von äußeren Mächten be- schrieb und sich dabei mit einer weiteren Bedeutung im Sinne von Freiheit von innerer Bedrückung verband, etwa durch einen Tyran-

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Einleitung 12

nen. So wurde das Freiheitsideal ein Faktor in der Dynamik der außenpolitischen Beziehungen zwischen den griechischen Gemein- wesen und ‹Freiheit› zu einem Schlagwort, das – nicht zuletzt als Propagandawaffe  – gerade im 4. Jahrhundert hohe Konjunktur hatte (und den unruhigen, kriegerischen Verlauf dieser Jahrzehnte nicht unwesentlich beförderte). Zugleich wurde dieses Ideal Motor und Schlagwort der Entwicklung freiheitlicher innerer Ordnungen auf Basis von Gleichheit und breitem Mitspracherecht, ein heraus- ragendes Merkmal der klassischen Epoche. ‹Freiheit› konnte in den Polisgesellschaften, die diese Entwicklung durchliefen, ein gänzlich neues Lebensgefühl beschreiben, das sich von überkommenen Ord- nungen und Eingrenzungen emanzipierte. Damit steht ‹Freiheit›

nicht zuletzt auch für ein weiteres Signum der klassischen Epoche, den geistigen Aufbruch und die Experimentierfreudigkeit, die in der Entstehung eines neuen Denkens in vielen Wissensgebieten, neuer Sicht weisen auf die Welt und überhaupt der Erschließung neuer Gegenstände und Methoden der Erkenntnis Ausdruck fand.

Diese Entwicklungen werden uns im Folgenden noch näher be- schäftigen. Wie ‹Krieg› so beschreibt auch ‹Freiheit› mithin ein zentrales Charakteristikum der Epoche und ist daher diesem Buch als zweites Leitmotiv vorangestellt.

Lysias’ Geschichtserzählung verweist noch auf ein Drittes: Ge- schichte ist, und war auch in der klassischen Zeit, immer Argument;

sie wurde von Poleis und von Einzelpersonen zu ihren Zwecken in- strumentalisiert, und sie war deswegen immer umstritten. In Lysias’

Rede begegnet das auf Schritt und Tritt. Die Seeschlacht am Kap Artemísion im Jahr 480 wird in Kapitel 31 dieser Rede, unter erheb- licher Beschönigung der Tatsachen, als athenischer Sieg gerühmt, diejenige bei den Thermopylen, das Ruhmesblatt Spartas, der Kon- kurrentin Athens, dagegen als – immerhin ehrenvolle – Schlappe.

Bei Salamís «erbrachten die Athener den größten und schönsten Beitrag für die Freiheit Griechenlands. – Wer hätte es auch von den anderen Griechen an Gesinnung, Menge und Tapferkeit mit ihnen aufnehmen können?» (42). Während Athen auf den Entscheidungs- kampf in Plataiai drängt, will Sparta sich feige verschanzen (44 f.).

Worauf all dies hinausläuft, erfährt man in Kapitel 47: «So wurden

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Einleitung 13 sie von allen … für würdig befunden, in Griechenland die Führungs- macht zu werden». Die Geschichte sollte also Athens Anspruch auf Vorrang und Hegemonie begründen, und zwar gerade gegenüber Sparta, mit dem es Ende der 390er Jahre, als die Rede entstand, im Krieg lag.

Solche Strategien, Geschichte als Argument einzusetzen, kannte man freilich nicht nur in Athen; sie lassen sich, gerade was die Perserkriegserinnerung betrifft, für zahlreiche Poleis nachweisen, sind an sich bereits ein interessantes historisches Phänomen und spielten in den innergriechischen Konflikten der Zeit, wie wir ge- rade am Beispiel der Freiheitsrhetorik mehrfach sehen werden, keine geringe Rolle. Dieses Phänomen erinnert uns überdies an das ebenso simple wie bedeutende Faktum, daß es über ein und den- selben historischen Sachverhalt sehr unterschiedliche, oft konkur- rierende Geschichtserzählungen geben kann und daß Geschichte notwendigerweise immer «intentional» ist, wie man formuliert hat:

Bewußt oder unbewußt, implizit oder explizit ist jede Geschichts- erzählung von bestimmten politischen Agenden, soziokulturellen Deutungsmustern oder Weltanschauungen geprägt. In einer ver- gleichsweise quellenarmen Zeit wie der klassischen Epoche der grie chischen Geschichte, in der wir selbst für so zentrale Begeben- heiten wie die Perserkriege oder den Peloponnesischen Krieg häufig von einer einzigen Hauptquelle abhängig sind, müssen wir daher um so mehr über die Geschichtsbilder unserer Gewährsleute reflektieren. Wir werden dies mehrmals thematisieren – und dabei auch moderne Geschichtserzählungen über diese Zeit auf die in ihnen wirksamen Geschichtsbilder hin prüfen müssen.

Was die Klassische Zeit betrifft, so wird diese Problematik da- durch noch verschärft, daß die Schriftquellen – Geschichtsschrei- bung, Literatur, politische Theorie, Inschriften – zum weit überwie- genden Teil athenischer Provenienz sind. Dies hängt zum Teil mit der kulturellen Führungsrolle Athens in der Epoche zusammen, zum Teil mit späteren, schon in der Antike einsetzenden Überliefe- rungs- und Selektionsprozessen. Im Ergebnis folgt daraus, daß wir selbst in so bedeutende Poleis wie Sparta, Theben, Korinth, Syrá- kusai, Árgos, Sámos oder Chíos oft nur punktuelle Einblicke haben,

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Einleitung 14

und dies meist aus athenischer Perspektive. Über manche Gebiete und Gemeinwesen – etwa diejenigen auf Kreta – liegen überhaupt nur ganz wenige Informationen vor, so daß sich über deren Ge- schichte für längere Zeiträume der klassischen Zeit allenfalls sehr allgemeine Aussagen treffen lassen. Angesichts der Polyzentrik der griechischen Welt mit ihren Hunderten wenigstens nominell eigen- ständiger Gemeinwesen, deren Geschichte keineswegs immer ent- lang der uns geläufigen großen Linien und Zäsuren verlief, erzeugt diese Quellenlage ein sehr selektives, in mancher Hinsicht zweifel- los verfälschendes Bild. Sie vergrößert zudem ein Problem, das sich jeder chronologisch fortlaufenden Erzählung der Geschichte des Klassischen Griechenland stellt, wie sie dieses Buch bieten will:

Eine solche Erzählung muß notwendigerweise bis zu einem gewis- sen Grad die großen politisch- militärischen Akteure privilegieren, um wesentliche Entwicklungslinien herauszuarbeiten, verständlich und anschaulich zu machen. Sparta und Athen, Syrakus, Theben, Korinth und, am Ende, die Makedonen werden daher häufiger auf- tauchen als andere – notgedrungen und, im Falle Athens, auch des- wegen, weil die gute Quellenlage dort detailliertere Einblicke in politische, soziale und kulturelle Zusammenhänge erlaubt, die für  die Epoche als Ganzes signifikant sind. Dennoch wird dieses Buch innerhalb der Möglichkeiten, die sein Format bietet, immer wieder versuchen, exemplarische Einblicke in die Geschichte und Geschichtsbilder der unzähligen verschiedenen Gemeinwesen zu geben, die das klas sische Hellas bildeten – in die Welt «jenseits von Athen und Sparta».

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