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676

Zur Geschichte des griechischen Alphabets.

Von Franz Praetorius.

Es ist schon recht oft versucht worden, die Frage zu beant¬

worten , wie die drei Zusatzbuchstaben des griechischen Alphabets,

<J X 'F entstanden sind ; aber nicbt einer der vielen Versuche hat

allgemeine Zustimmung gefunden. Sollte auch die nachfolgende

Erörterung der Frage als , trügerisch und unzureichend' befunden

werden (und icb weiss sehr wobl , dass ich einen mathematischen

Beweis nicht geführt habe) , so glaube ich dennoch auf eine Reihe

so auffallender Ähnlichkeiten und vollständiger Gleichheiten ge¬

stossen zu sein , dass ihre Darlegung einiges Interesse selbst dann

in Anspruch nehmen dürfte , wenn alle Übereinstimmung lediglich

auf täuschendem Zufall beruhen sollte. — Mit der Frage nach der

Entstehung der Form dieser drei Zeichen hängt aufs Engste zu¬

sammen die Frage nach dem ursprünglichen Lautwerte der¬

selben. Denn bekanntlich hat nur O überall den gleichen Lautwert ;

X dagegen hat nur in den Alphabeten des Ostens den uns geläufigen

Wert während es im Westen = | ist; und W hat ebenfalls nur

im Osten den uns geläufigen Wert ip, im Westen dagegen ist es

= X, und in einigen Inschriften von Thera und Melos ist W jetzt

auch in dem Werte von § nachgewiesen worden (vgl. Hiller v. Gärt¬

ringen , Thera 1. Bd. S. 156; P. Kretscbmer in Mittheilungen des

kais. deutschen arcb. Instit. von Athen, Bd. 21 S. 431 f.).

Ausser Stande, in der Frage nacb der Entstehung der Pormen

sicheren Boden zu gewinnen , haben die , welche zuletzt zur Sache

gesprochen, die Beantwortung dieser Prage mehr oder weniger aus¬

drücklich bei Seite geschoben und nur den Wandel der Werte zu

erklären versucht. Vgl. Kretscbmer a. a. 0. S. 411: ,Es dürfte

aber überhaupt von geringem Belang sein zu wissen , ob z. B. (P

aus © oder aus der alten Koppaform <P entsprungen ist. Es ge¬

hörte ja doch nicht eben viel Erfindungsgabe dazu, auf Zeichen wie

ein Kreuz , einen durcbstrichenen Kreis , eine dreizinkige Gabel zu

kommen: dazu bedurfte man nicht erst eines Vorbildes Es

scheint mir sonach geraten, Ableitungsversuche der bezeichneten

(2)

Praetoriua, Zur Geschichte dea griechischen Alphahets. 677

Art als unkontrollirbar aufzugeben und die Form der neuer¬

fundenen Zeichen als gegeben zu betrachten", ünd

doch wird man von vornherein zugeben müssen, dass die Er¬

kenntnis des Ursprungs der Form möglicherweise von grosser

Wichtigkeit sein könnte für die Erkenntnis des ursprünglichen

Lautwertes.

Kirchhoff vrill in seinen Studien zur Geschichte des griechischiBn Alphabets* S. 174 die Erledigung der an die drei Zusatzbuchstaben anknüpfenden Fragen so lange vertagen, ,bis weitere epigraphische

Entdeckungen, die zu erwarten vnr noch immer berechtigt sind,

jene Daten in der erforderlichen Weise vervollständigt haben werden".

Täusche ich mich nicht, so liegen solche epigraphischen Entdeck¬

ungen jetzt vor und lagen auch schon vor, als Kirchhoff (in 4. Aufl.) jene Worte schrieb.

In dem Alphabete der §afik-Inschriften finden sich folgende

Buchstaben mit folgenden Werten: 0 = w, X=^§fN^ =

^ h, = d. Ich setze O = griech. (p, X = griech. X, V

xmd Y = griech. W. Als die Griechen das Bedürfnis nach neuen

Zeichen empfanden, liess sie das bereits ausgeschöpfte phönizische

Alphabet im Stich. Aber das Alphabet des an Phönizien stossenden

Hinterlandes bot ihnen was sie suchten. Hier war das alte phöni¬

zische Alphabet schon durch einige brauchbare Zusatzbuchstaben

erweitert; und die alten phönizischen Zeichen selbst waren der¬

gestalt verändert, dass sie wohl als neue Zeichen mit variirten

Werten aufgenommen werden konnten. So machten die Griechen

denn hier eine Anleihe. Nicht eigentlich an einem Punkte »er¬

funden" sind die drei Zusatzbuchstaben (Kirchhoff a. a. 0. S. 173),

wohl aber von einem Punkte her entlehnt.

ffi ist die gewöhnliche altgriechische Form für O; sie ist dem

<X> des Safaalphabets vollständig gleich. Wir können nicht wissen,

wie um 750 v. Chr. in der ümgegend von Damaskus semitisches

u) gesprocben wurde: Nehmen wir aber auch an, es sei damals

bereits rein labiales w , y, gewesen , so konnten die Griechen unter

allen Umständen leicht das Zeichen für diesen Laut als Notbehelf

entlehnen , sei es für ph , sei es für pf oder f (vgl. Kretscbmer

a. a. 0. S. 418 f.). Aus einem Zeichen für semitisches w ist ja

auch das lateinische F hervorgegangen. — Wenn diese Herleitung

des griech. <2> richtig ist, so wären im Griechischen (P, F und auch

wohl T im Grunde Dubletten, sämmtlich aus semitischem Wau

entstanden.

Auch wenn das semitische § um 750 v. Chr. in der ümgegend

von Damaskus gesprochen worden ist wie heute, nämlich als tiefer

acA-Laut (und nicht etwa als Aspirata kh). so war kein Zeichen

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678 Praetorius, Zur Geschichte des griechischen Alphabets.

für den Ausdruck des griech. kh geeigneter, als der Buchstabe für

semit. h, d. i. X • Dieser Buchstabe ist bekanntlich auch im §afö-

alphabet Zusatz zu dem alten phönizischen Bestände. War das

griechische ' kh aber bereits zur AfFrikata oder Spirans geworden,

so war die lautliche Übereinstimmung nocb vollständiger. Es er¬

giebt sich also, dass — wie man ja auch früber bereits vermutet

hat — für das griech. X der uns geläufige Wert % der urspriing¬

liche, der Wert | dagegen der abgeleitete ist. Wie dieser abgeleitete

Wert sich entwickelt, darüber baben Clermont-Ganneau in den

Melanges Graux S. 444 f und Kretscbmer a. a. 0. S. 426 f in un¬

gefähr dem gleiche Sinne gehandelt: Wir glauben hier eine Brücke

zu erkennen , die von dem ursprünglicben Werte zum sekundären

Werte führt.

Aber zwiscben den drei Werten des nämlich % 1, ist

eine Brücke nicht gefunden worden, i) Man hat sich mit der That¬

sache meist durcb die Annahme abgefunden, der ursprüngliche

Wert des Zeichens sei an den verschiedenen Orten verschieden

nach Bedürfnis, im Grunde aber doch rein willkürlich und gewalt¬

sam umgewertet worden. Die Möglichkeit eines solchen Verfahrens

kann nicht von vornherein bestritten werden, weder beim ^f noch

beim X.

Man beachte nun, dass das Safäalphabet die beiden einander

äusserlich sehr ähnlichen Zeichen = ä ^ und Y = d 3 be¬

sitzt. Zu \^ hat sich hier das phönizische Het umgestaltet, das

aus dem phönizischen Alphabet ins griechische bereits als h und

weiter als aufgenommen worden war ; Y ist auch im §afäalpbabet

Zusatz zu dem alten phönizischen Bestände. Genau dieselben beiden

Gestalten y und Y hat das W in den altgriechischen Alphabeten.

Dadurch, dass die Griecben diese beiden Zeichen, denen zwei ver¬

schiedene Werte zukommen, nicbt gehörig auseinander gehalten

haben, ist jedes derselben mehrläufig geworden. Gerade so wie V

und Y, 0 und 9, E und f, M und K, D und p nur graphische

Varianten ein und desselben Buchstabens waren, so galten auch V

und Y den Griechen lediglich als graphische Varianten, während

in Wirklichkeit y als %, Y als i|; | von einander ganz verschieden waren.

Die Gleichung y = j; ist ohne Weiteres klar. Ungefähr so

gut wie durch X konnte das griechische kh (oder seine weitere

Entwicklung) auch durch \|^ bezeichnet werden. Aber y — ^

erfordert einige Erläuterung. Denn im §afäitischen ist Y eben =

d ö, nicht H> und |. Wenn zur Zeit, da die Entlehnung stattfand,

das safäitische Y gemäss der als klassisch geltenden arabischen

1) Doch vgl. H. V. Gärtringen a. a. 0.

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Fraetorius, Zur Geschichte des griechischen Alphabets. 679

Aussprache ausgesprochen wurde, also wie tönendes engl, th, so

konnte dieser Laut von den Griechen sehr leicht als Doppellaut,

als dz aufgefasst werden. Gar nicht unmöglich aber ist, dass man

damals geradezu dz sprach. Ist diese Voraussetzung zutreffend, so

war es nur naheliegend, dass die Griecben Y für den Doppellaut

Ip anwendeten, denn für den aus d und z bestehenden Doppellaut

{dz oder zd) selbst war weit und breit bereits das aus dem phöni¬

zischen Alphabet stammende f in Gebraucb.

Auf Thera (Melos?) und in Korinth wurde der aus d und s

bestehende Doppellaut aber durch die alte Form des phönizischen

Samechs ausgedrückt: Man scbrieb jeym = Zsvg. Diese alte Form

des pböniziscben Samechs hat in den östlichen Alphabeten sonst

bekanntlich den Wert | entwickelt. Als man nun auch auf Thera

den Doppellaut | nicht mehr, wie bisher, durch zwei Buchstaben,

sondern nur durch einen ausdrücken wollte, da war das bereits für

f festgelegte I zu diesem Zwecke natürlich nicht verwendbar:

Man griff vielmehr nach dem neuaufgenommenen Doppellautzeichen

Y und verwendete es als ^. Dass erst eine sekundäre, bewusst will¬

kürliche Umwertung aus fertigem griechischen y = vorliegt

(Kretscbmer a. a. 0. S. 433), ist ja, wie gesagt, auch so immerhin

möglich; diese Erklärung ist aber nicbt mebr die einzig denkbare,

sobald wir annehmen, dass Y den Griechen zunächst als Zeichen

für einen ansibilirten Doppellaut im allgemeinen galt.

Fundort der Safäinschriften sind die Einöden südöstlich von

Damaskus. Aus welcher Zeit die Inschriften stammen, wissen wir

nicht. Es findet sich in ihnen keinerlei Spur von Judentum, Christen¬

tum, Islam; wir stehen deutlich in einer heidnisch-semitischen Zeit.

Neuerdings glaubt Littmann, Zur Entzifferung der §afä-Inschriften

S. IV ,ein einigermaassen sicheres Datum' gefunden zu haben,

das er auf das Jahr 106 n. Chr. deutet.

Hätten wir die Mesainschrift und die wenigen anderen alt¬

phönizischen Inschriften nicht, sondern nur jüngere aus der Zeit

Alexanders und seiner Nachfolger, so würden wir dennoch die Ent¬

stehung der altgriechischen Alphabete aus dem phönizischen Alphabet

erkennen können, wenn auch nicht mit der Klarheit, mit der wir

es jetzt vermögen. Ich mache mich daber nicht etwa von vorn¬

herein eines methodischen Fehlers schuldig, wenn ich die griecbischen

Zusatzbuchstaben von semitischen Zeichen ableite, die wir aus einer

unbestimmten, vielleicht um 850 Jahre späteren Zeit kennen.

Das Safäalphabet ist die erste uns bekannte Etappe auf der

Wanderung der gleichfalls von Phönizien ausgegangenen südsemitischen

Schrift nach Süden. Bekanntlich war die südsemitische Schrift

bereits viele Jahrhunderte vor Christus im äussersten Süden der

arabischen Halbinsel angelangt. Wir dürfen sie umsomehr bereits

viele Jahrhunderte vor Cbristus in der Umgegend von Damaskus

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680 PraOorms, Zur Oeschichte des griechischen Alphabeta.

suchen.*) Aber diejenigen, welche den Anstoss zur südlichen Weiter¬

entwicklung des phönizischen Alphabets gegeben haben, werden nicht

die wahrscheinlich recht armseligen Nomaden gewesen sein, welche

uns die ^afiikritzeleien hinterlassen haben. Aus dieser obskuren Sphäre

würde zu den Griechen schwerlich Kunde, geschweige denn Wissen¬

schaft gedrungen sein. Wenn nicht, wie gesagt, ein täuschender

Zufall vorliegt, so muss das §aföalphabet um 750 v. Chr. im

phönizischen Hinterlande ein wesentlicher Kulturfaktor gewesen

sein, dessen einzige Spuren und Ausläufer in den griechischen Zu¬

satzbuchstaben und in den Safäinschriften vorliegen.

1) Die frühere Annahme von der Wanderung des sUdsemitischen Alphabets nach Norden dUrfte ISngst aafgegeben sein; vgl. Literar. Centralbl. 1899, Sp. 1405 f.

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681

Koptischer Einfluss im Ägyptisch-Arabischen.

Von Enno Littmann.

Durch Praetorius' Bemerkungen „Koptische Spuren in der

ägyptisch-arabischen Grammatik* (Zeitschrift Bd. 55, S. 145—147)

veranlasst, suchte ich kürzlich bei einer etwas eingehenderen Lektüre

der Werke Spitta's diesen Gedanken weiter nachzugehen. Ich

glaube, dass noch in mindestens zwei weiteren Punkten die koptische

Grammatik das Ägyptisch - Arabische höchstwahrscheinlich beein¬

flusst hat.

Stern (Zeitschr. f. Äg. Spr. 23, S. 119, Anm. 1) und unab¬

hängig von ihm Praetorius (vgl. Zeitschrift Bd. 55, S. 352) haben

auf die unverkennbare koptische Wortfolge der äg.-arab. Fragesätze

hingewiesen. Stern spricht von einer , langen Reihe von koptischen

Wörtem, welche ins Arabische aufgenommen sind" und , manchen

syntaktischen Eigentümlichkeiten". M. W. sind letztere, abgesehen

von den in Rede stehenden Fragesätzen , bisher noch nicht nach¬

gewiesen. Praetorius sucht ferner den Vokalreichtum des Äg.-

Arab. durch koptischen Einfluss zu erklären. Das scheint mir nicht

so ganz sicher zu sein. Einerseits haben wir im Koptischen trotz

der sehr gewöhnlichen Vokalhäufong doch ancb, besonders bei

reduziertem Vokalismus im Genetivverhältnis, sehr viele Worte, in

denen eine ganze Reihe von Konsonanten auf einander folgen; freilich

ist es möglich, dass hier imgeschriebene Zwischenvokale gesprochen

wurden. Andererseits aber stehen namentlich die palästinischen

Dialekte des Arabischen dem Ägyptiscben nur wenig an Vokalfülle

nach ; vgl. z. B. die von Christie in ZDPV. XXIV und die von mir

in Abhandl. der K. Gesellsch. der Wiss. zu Göttingen , Phil. hist.

Kl. N. F. V, 3 veröflentlichten Texte. Im gesprochenen Arabisch

macht sich beim Maghrebiner der Vokalmangel ohne weiteres fühl¬

bar; der Ägypter unterscheidet sich Ln seiner Sprache von den Ein¬

wohnern Palästinas und Syriens weniger durch die Menge der Vokale,

als vielmehr durch den ihm eigentümlichen Wort- und Satzaccent.

Wenn Socin meint, dass Spitta's .Zwischenvokale" im ägyptischen

Dialekte doch wohl etwas deutlicher klingen als in anderen, so

wird das seinen Grund darin haben, dass diese Zwischenvokale dort

Bd. LVI. 46

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