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ABSCHLUSSBERICHT EVALUATION DER FÖRDERLINIE ZU SEXUALISIERTER GEWALT GEGEN KINDER UND JUGENDLICHE IN PÄDAGOGISCHEN KONTEXTEN

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Academic year: 2022

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November 2020

EVALUATION DER FÖRDERLINIE ZU

SEXUALISIERTER GEWALT GEGEN KINDER UND JUGENDLICHE IN PÄDAGOGISCHEN KONTEXTEN

ABSCHLUSSBERICHT

(2)

Autorinnen und Autoren Kathrin Nachtsheim

Dr. Christiane Fischer-Münnich Theresa Grapentin-Rimek Sonja Sauerland

Moritz Mühleib

Ramboll Management Consulting GmbH Chilehaus C – Burchardstr. 13

20095 Hamburg T +49 40 30 20 20-0 F +49 40 30 20 20-199 www.ramboll.de

(3)

Inhalt

1. Einleitung 4

1.1 Hintergrund der Förderlinie zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und

Jugendliche 4

1.2 Eckdaten zur Förderlinie zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche 6 1.3 Evaluation der Förderlinie zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und

Jugendliche 6

2. Untersuchungsbefunde 8

2.1 Ziel: Nachhaltiger Aufbau einer Wissenschafts- und Forschungslandschaft 8 2.2 Ziel: Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Hochschullehre 16 2.3 Ziel: Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die pädagogische Praxis 17 2.4 Ziel: Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis 26

2.5 Übergreifende Begleitung der Vorhaben 32

2.5.1 Metavorhaben 32

2.5.2 Netzwerkaktivitäten innerhalb der Förderlinie 34

2.5.3 Unterstützende Struktur des Projektträgers 35

2.6 Wirtschaftlichkeit der Förderlinie 36

2.6.1 Analyse der Vollzugswirtschaftlichkeit 37

2.6.2 Analyse der Maßnahmenwirtschaftlichkeit 41

3. Übergreifende Würdigung und Ableitung von Handlungsempfehlungen 45 3.1 Fazit und Handlungsempfehlungen für den nachhaltigen Aufbau einer

Wissenschafts- und Forschungslandschaft 45

3.2 Fazit und Handlungsempfehlungen zur Generierung wissenschaftlicher

Erkenntnisse für die Hochschullehre 49

3.3 Fazit und Handlungsempfehlungen zur Generierung wissenschaftlicher

Erkenntnisse für die pädagogische Praxis 50

3.4 Fazit und Handlungsempfehlungen zum Transfer von Forschungsergebnissen in

die Praxis 53

3.5 Fazit und Handlungsempfehlungen zur übergreifenden Begleitung der Vorhaben 56 3.6 Fazit und Handlungsempfehlungen zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit und

Wirtschaftlichkeit der Förderlinie 56

(4)

1. EINLEITUNG

Seit 2011 widmet sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Bildungs- und der Gesundheitsforschung dem Thema Prävention sexualisierter Gewalt ge- gen Kinder und Jugendliche. Nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle an Kindern und Jugendlichen in pädagogischen Einrichtungen im Jahr 2010 wurde sehr schnell reagiert und in der Bildungsforschung eine Förderlinie aufgelegt, die das Forschungswissen zu Be- dingungen, Strukturen und Ursachen sexualisierter Gewalt speziell in pädagogischen Kon- texten erweitern soll. Ab 2017 ist die Förderlinie in das Rahmenprogramm Empirische Bildungsforschung integriert worden.

Der vorliegende Abschlussbericht fasst die Ergebnisse der begleitenden externen Evalua- tion der Förderlinie zusammen und zeigt Empfehlungen für die künftige Gestaltung der Förderlinie sowie Anregungen für mögliche Entwicklungen auf weiteren Handlungsebenen auf.

In den folgenden Unterkapiteln wird zunächst auf die Genese und Ausgestaltung der För- derlinie eingegangen. Kapitel 2 fokussiert auf die Erreichung der operativen Ziele im Kon- text der Fördermaßnahme, die in Kapitel 3 in Fazit und Handlungsempfehlungen an den Auftraggeber münden.

1.1 Hintergrund der Förderlinie zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugend- liche

Im Jahr 2010 wurden gehäuft Missbrauchsfälle an Kindern und Jugendlichen in pädago- gischen Einrichtungen aufgedeckt. Seitdem hat sich der Umgang mit dem Themenfeld

„Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ in Deutschland nachhaltig gewan- delt. Heute ist sexueller Missbrauch als Problem mit weitreichenden gesellschaftlichen Folgen anerkannt.1 Auf struktureller Ebene reagierte die Bundesregierung auf den Miss- brauchsskandal 2010 mit verschiedenen Initiativen, die sich der Enttabuisierung, Auf- deckung, Prävention und Beforschung des Themas insgesamt widmen (vgl. Abbildung 1).

1 UBSKM (o. D.): Veranstaltungsreihe „Dialog Kindesmissbrauch – Forderungen und Perspektiven“; verfügbar unter:

https://beauftragter-missbrauch.de/der-beauftragte/dialog-kindesmissbrauch, Zugriff: 30.10.2019.

Der Umgang mit sexuali- sierter Gewalt gegen Kinder und Jugendli- che hat sich gewandelt

(5)

Abbildung 1: Chronologie der Initiativen auf Bundesebene

Eigene Darstellung Ramboll Management Consulting.

Quellen: Aktionsplan 2011 der Bundesregierung2; Gesamtkonzept für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt BMFSFJ 20143; Monitoring zum Stand der Prävention sexualisierter Gewalt an Kindern und Ju- gendlichen sowie zur Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches, UBSKM seit 20124; UBSKM (o. D.).5

Der Missbrauchsskandal 2010 hat aber nicht nur die öffentliche Wahrnehmung in Deutschland verändert, sondern auch aufgezeigt, dass wissenschaftliche Erkenntnisse darüber fehlen, welche Faktoren sexuellen Missbrauch begünstigen. Ebenso fehlen Er- kenntnisse darüber, welche Bedingungen und Strukturen sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche verhindern können.

Um diese Lücke zu schließen, unterstützt das Bundesministerium für Forschung und Bil- dung (BMBF) seit 2011 unterschiedliche Forschungsvorhaben. Die Förderlinie „For- schung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kon- texten“ fokussiert sich auf drei operative Ziele, die zum besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt beitragen sollen:

1. Nachhaltiger Aufbau einer thematischen Wissenschafts- und Forschungsland- schaft,

2. Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für Hochschullehre und pädagogi- sche Praxis und

3. Transfer der wissenschaftlichen Erkenntnisse in die pädagogische Praxis.6

2 BMFSFJ (2011): Aktionsplan 2011 der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ge- walt und Ausbeutung; verfügbar unter: www.bmfsfj.de/blob/86314/a1769f1ca087d5bdd683eb72e4b48b2c/aktionsplan- 2011-data.pdf, Zugriff: 30.10.2019.

3 BMFSFJ (2017): Hintergrundmeldung: Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt; verfügbar unter:

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/kinder-und-jugend/kinder-und-jugendschutz/schutz-vor-sexualisierter-gewalt/gesamtkon- zept/gesamtkonzept-gegen-sexualisierte-gewalt/127336, Zugriff: 30.10.2019.

4 UBSKM (2013): Handbuch Schutzkonzepte sexueller Missbrauch. Befragungen zum Umsetzungsstand der Empfehlun- gen des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“. Bericht mit Praxisbeispielen zum Monitoring 2012–2013; verfüg- bar unter: https://beauftragter-missbrauch.de/praevention/schutzkonzepte/instrumente/, Zugriff: 30.10.2019.

5 UBSKM (o. D.): Aufarbeitung in Deutschland -Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmiss- brauchs, Zugriff: 30.10.2019.

6 BMBF (o. D.): Sexualisierte Gewalt: Kinder und Jugendliche schützen; verfügbar unter: www.bmbf.de/de/schutz-von- kindern-und-jugendlichen-vor-sexueller-gewalt-1241.html, Zugriff: 30.10.2019.

Welche Fakto- ren begünsti- gen sexuellen Missbrauch?

Welche beu- gen ihm vor?

Förderlinie für mehr For- schung, Er- kenntnisse für Hochschul- lehre und pä- dagogische Praxis und Praxistransfer

Die Bundesregierung besc hließt Aktionsplan zum Sc hutz von Kindern und Jugendlic hen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung.

Das BMFSFJ präsentiert – im Aktionsplan sowie den Empfehlungen des Runden Tisc hes aufbauend – ein Gesamtkonzept für den Sc hutz von Kindern und Jugendlic hen vor sexueller Gewalt.

Das Forsc hungsnetzwerk „Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendlic he in pädagogisc hen Kontexten" verabsc hiedet eine Ethik-Erklärung zur Erforsc hung sexueller Gewalt.

2011 2012 2014 2015

UBSKM beruft die Kommiss ion zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmiss brauc hs. Ziel ist es, die Strukturen aufzudec ken, die sexualisierte Gewalt in der Kindheit und Jugend ermöglic hen.

2016

Seit 2012: Monitoring im Auftrag des UBSKM zum Stand der Prävention sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlic hen sowie zur Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisc hes

(6)

1.2 Eckdaten zur Förderlinie zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche Die Förderlinie „Forschung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pä- dagogischen Kontexten“ hat bislang in zwei Förderbekanntmachungen Vorhaben mit ei- nem Gesamtvolumen von knapp 24 Millionen Euro gefördert. Zu jeder Förderbekanntma- chung wurde ergänzend ein Koordinierungs- bzw. Metavorhaben gefördert (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Elemente der Förderlinie

Eigene Darstellung Ramboll Management Consulting.

Quellen: Bekanntmachungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung7.

1.3 Evaluation der Förderlinie zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendli- che

Ziel der Evaluation der Förderlinie „Forschung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten“ war es, Ergebnisse und Wirkungen der in der 1. Förderrunde geförderten Forschungsvorhaben herauszuarbeiten (summative Evalua- tion) und gelingende Aspekte in der laufenden Umsetzung der 2. Förderrunde, z. B. die partizipativen Forschungsansätze sowie Disseminations- und Transferstrategien zu er- fassen (formative Evaluation). Zudem wurden Empfehlungen für eine künftige Weiter- entwicklung der Förderlinie insbesondere hinsichtlich ihres thematischen Zuschnitts, der übergeordneten Zielsetzungen, der Förderschwerpunkte und förderpolitischen Schwer- punktsetzungen sowie der Förderinstrumente abgeleitet.

Im Mittelpunkt der Evaluation stand die Frage, inwieweit die übergeordneten operativen Ziele der Förderlinie (nachhaltiger Aufbau einer Wissenschafts- und Forschungslandschaft, Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Hochschullehre und die pädagogische

7 BMBF (2011): Bekanntmachung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von Richtlinien zur Förderung von Forschungsvorhaben im Zusammenhang mit sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontex- ten; verfügbar unter: www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung-630.html, Zugriff 26.11.2020.

BMBF (2016): Bekanntmachung: Richtlinien zur Förderung von Forschungsvorhaben im Rahmen der Förderlinie „For- schung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten“. Bundesanzeiger vom 28.11.201; verfügbar unter: www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung-1277.html, Zugriff 26.11.2020.

BMBF (2017): Bekanntmachung: Richtlinie zur Förderung eines Metavorhabens im Rahmen der Förderlinie „Forschung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten“ vom 7. April 2017; verfügbar un- ter: www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung-1344.html, Zugriff 26.11.2020.

Methodisches Vorgehen: Do- kumentenana- lyse, Onlinebe- fragung, Ex- perteninter- views und Fallstudien

Förderlinie „Forschung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten”

Gesamtvolumen: 23,49 Millionen Euro

​Förderschwerpunkte:

Strukturelle Bedingungen sexualisierter Gewalt

Personale und interaktionale Bedingungsfaktoren sexualisierter Gewalt

Resilienz und Salutogenese stärkende Faktoren

Evaluation und (Weiter-)Entwicklung präventiver pädagogsicher Konzepte etc.

+ partizipative Forschungsansätze + Transfer gelingender Ansätze in die Praxis Zweite Förderrunde (2017)

Erste Förderrunde (2012)

Förderschwerpunkte:

Deskription und Analyse struktureller Bedingungen sexueller Übergriffe in Bildungs- und

Erziehungskontexten

Deskription und Analyse personaler und

interaktionaler Faktoren im Spannungsverhältnis von Nähe und Distanz in erzieherischen Kontexten

Evaluation und (Weiter-)Entwicklung präventiver pädagogischer Konzepte, Strategien und Materialien

Analyse und Evaluation von Resilienz und salutogener Faktoren

Deskription und Evaluation kontextspezifischer Qualifikationen und Qualifikationsbedarfe des pädagogischen Personals

Entwicklung und Evaluation interdisziplinärer Aus- und Fortbildungskonzepte

17 dreijährige Forschungsvorhaben

5 sechsjährige Juniorprofessuren

Koordinierungsvorhaben

16 dreijährige Forschungsvorhaben

Metavorhaben

(7)

Praxis, Praxistransfer) erreicht wurden. Darüber hinaus sollte die Evaluation Erkenntnisse dazu liefern, in welcher Weise die wichtigsten Instrumente wie Forschungsvorhaben, Ju- niorprofessuren, Koordinierungs-/Metavorhaben und sonstige Elemente der Förderlinie ursächlich für das Erreichen der übergeordneten operativen Ziele waren. Weitere Fragen zielten auf die Erreichung der Zielgruppen, längerfristig angelegte Wirkungen sowie auf die Wirtschaftlichkeit der Förderlinie ab. 8

Um die zentralen Evaluationsfragen zu beantworten, wurden verschiedene Datenerhe- bungs- und Auswertungsmethoden genutzt. Das Projektdesign sah eine umfassende Do- kumentenanalyse der Forschungsanträge und -berichte, Experteninterviews und Fallstu- dien vor. Begleitet wurden diese durch eine standardisierte Onlinebefragung der geför- derten Forschungsvorhaben in zwei Erhebungswellen (vgl. Anhang Kapitel 1).

8 Zur Ursächlichkeit konnten im Abschlussbericht aufgrund des frühen Zeitpunkts der Evaluation und nicht vorliegender Daten nur Tendenzen aufgezeigt werden.

(8)

2. UNTERSUCHUNGSBEFUNDE

Das übergeordnete Ziel der Förderlinie ist es, „[…] den Schutz von Kindern und Jugendli- chen und die Prävention sexualisierter Gewalt auf eine stabile wissenschaftliche Grundlage zu stellen.“9 Hierzu wurden drei operative Ziele definiert (vgl. Kapitel 1.1). Im Folgenden wird ausgeführt, inwieweit diese operativen Ziele der Maßnahme erreicht wurden.

2.1 Ziel: Nachhaltiger Aufbau einer Wissenschafts- und Forschungslandschaft In den Vorhaben wurden zahlreiche Maßnahmen und Aktivitäten umgesetzt, die dem Aufbau einer Wissenschafts- und Forschungslandschaft dienen. Um dieses Förderziel konkreter beschreiben und bewerten zu können, wurde der Blick auf folgende Indikato- ren gerichtet:

• die unterschiedlichen Einrichtungen, Fachrichtungen, ihre interdisziplinäre Ver- netzung und Kooperationen zwischen den Vorhaben und darüber hinaus,

• den Beitrag des Förderinstruments der Juniorprofessuren,

• die Rolle von Nachwuchsförderung,

• die internationale Sichtbarkeit und Vernetzung,

• die bearbeiteten inhaltlichen Forschungsschwerpunkte,

• die Dissemination in den wissenschaftlichen Raum und die Fachöffentlichkeit,

• die Weiterentwicklung des forschungsethischen Diskurses als Besonderheit dieser Förderlinie und

• eine mögliche Profilierung im Rahmenprogramm Empirische Bildungsforschung.

Für rund die Hälfte der Teilprojektleitungen10 beider Förderrunden ist der Aufbau einer Wissenschafts- und Forschungslandschaft ein sehr wichtiges Ziel („sehr wichtig“ für 52 Prozent der 1. Förderrunde und 43 Prozent der 2. Förderrunde). Damit wird dieses Förderziel zwar für weniger relevant befunden als die beiden förderpolitischen Zielset- zungen der Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die pädagogische Praxis und über Praxistransfer eine Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt zu bewirken (vgl. Abbildung 3). Die Daten der im folgenden dar- gestellten Ergebnisse belegen aber durchaus, dass der Aufbau einer Wissenschafts- und Forschungslandschaft mit hoher Priorität vorangetrieben wurde und die Profilbildung ei- ner bis dato neuen und einzigartigen Förderlinie sowie die Reputation des Forschungsbe- reichs insgesamt gelungen ist.

9 BMBF (2019): Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Forschung fördern, Prävention verbessern, pädago- gische Praxis stärken; S. 2.

10 Viele der Vorhaben wurden von Teilvorhaben gemeinsam im Verbund durchgeführt. Die Onlinebefragungen richteten sich an alle Teilprojektleitungen. Die nachfolgend dargestellten Prozentwerte im Kontext der Onlinebefragung beziehen sich somit nicht auf die Anzahl der Vorhaben, sondern auf die einzelnen Teilprojekte.

Zahlreiche Ak- tivitäten zur Profilierung der Förderlinie und Reputa- tion des For- schungsbe- reichs

Aufbau einer Wissen- schafts- und Forschungs- landschaft als sehr wichtiges Ziel der Vorha- ben

(9)

Abbildung 3: Relevanz der förderpolitischen Zielsetzungen bei der Umsetzung der Vorhaben in den beiden Förderrunden

Quelle: Onlinebefragung aller geförderten Teilprojekte der Förderlinie, 1. und 2. Erhebungswelle,

Ramboll Management Consulting.

Einrichtungen, Fachrichtungen, Vernetzung und Kooperationen

Wird die „Wissenschafts- und Forschungslandschaft“ nach Art der Einrichtung kartogra- fiert, machen Universitäten die Hälfte der Zuwendungsempfänger aus, gefolgt von (Fach-)Hochschulen mit einem Anteil von knapp 30 Prozent und weiteren Forschungsin- stituten sowie Praxispartnern mit über 20 Prozent (Quelle: Dokumentenanalyse). Die Förderlinie erreicht damit eine Vielfalt von wissenschaftlichen Einrichtungen. Vertretun- gen von Fachhochschulen heben in den Fallstudien (zum Teil auch in den Experteninter- views) hervor, dass sie es als Aufwertung und Anerkennung erfahren, durch ihre häufig engeren Kontakte zur Praxis nicht allein für den Praxistransfer reduziert oder als Dissemi- nationsstelle über die Lehre wahrgenommen zu werden, sondern auch als Forschungs- partner auf Augenhöhe mit den Universitäten.

1. Förderrunde 64%

56%

52%

36%

16%

32%

24%

32%

8%

8%

12%

24%

8%

8%

8%

n=25

n=25

n=25

n=25

0% 25% 50% 75% 100%

Über Praxistransfer Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen

vor sexualisierter Gewalt Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse

für die pädagogische Praxis Nachhaltiger Aufbau einer Wissenschafts-

und Forschungslandschaft Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Hochschullehre

Sehr wichtig Eher wichtig Teils, teils Weniger wichtig Überhaupt nicht wichtig

83%

80%

43%

43%

7%

13%

40%

33%

7%

3%

7%

13%

10%

10% n=30 n=30 n=30 n=30

0% 25% 50% 75% 100%

Über Praxistransfer Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt

Gewalt

Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die pädagogische Praxis

Nachhaltiger Aufbau einer Wissenschafts- und Forschungslandschaft

Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Hochschullehre

2. Förderrunde, 2. Erhebungswelle

64%

56%

52%

36%

16%

32%

24%

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8%

8%

12%

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8%

8%

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n=25

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0% 25% 50% 75% 100%

Über Praxistransfer Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen

vor sexualisierter Gewalt Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse

für die pädagogische Praxis Nachhaltiger Aufbau einer Wissenschafts-

und Forschungslandschaft Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Hochschullehre

Sehr wichtig Eher wichtig Teils, teils Weniger wichtig Überhaupt nicht wichtig 64%

56%

52%

36%

16%

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32%

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8%

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n=25

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n=25

n=25

0% 25% 50% 75% 100%

Über Praxistransfer Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen

vor sexualisierter Gewalt Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse

für die pädagogische Praxis Nachhaltiger Aufbau einer Wissenschafts-

und Forschungslandschaft Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Hochschullehre

Sehr wichtig Eher wichtig Teils, teils Weniger wichtig Überhaupt nicht wichtig

Vielfältige Ko- operationen innerhalb der Förderlinie

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Abbildung 4: Zuwendungsempfänger im Bundesgebiet nach Art der Institution

Eigene Darstellung Ramboll Management Consulting.

Quelle: BMBF (2019)11.

Die meisten Vorhaben der 1. und 2. Förderrunde werden im Verbund umgesetzt (neun bzw. 11 Verbünde). In diesen Forschungsverbünden kooperieren nach Anzahl zumeist zwei, zum Teil auch bis zu fünf Projektpartner. Bei der Mehrheit der Vorhaben handelt es sich dabei um Kooperationen zwischen Universitäten untereinander oder zwischen Uni- versität(en) und Fachhochschule(n). Die involvierten Fachrichtungen sind überwiegend dem pädagogischen Bereich zuzuordnen (Pädagogik, Sozialpädagogik, Sexualpädagogik, Erziehungs- und Bildungswissenschaften), gefolgt von Disziplinen wie Psychologie, Medi- zin inkl. (Forensischer) Psychiatrie, PsychosozialeMedizin und Sexualforschung. Soziale Arbeit ist v. a. in der 2. Förderrunde an dritter Stelle etwas häufiger vertreten. Seltener wird interdisziplinär mit Vertreterinnen und Vertretern der Sozialwissenschaften oder Kri- minologie kooperiert (Quelle: Dokumentenanalyse).

Die Arbeit in den Forschungsverbünden sowie Kooperationen und Vernetzungsaktivitä- ten mit anderen Projekten der Förderlinie haben auf die Verbreiterung der Wissen- schafts- und Forschungslandschaft insofern einen Einfluss, als dass durch die Verbund- partner ein Austausch und eine Bündelung unterschiedlicher fachlich-inhaltlicher, me- thodischer Expertise initiiert sowie unterschiedliche Zugänge zur Wissenschaftscommu- nity nutzbar werden (vgl. Anhang Auswertungsgrafik 7). Für die große Mehrheit der Befragten hat der Austausch mit (wissenschaftlichen) Fachkolleginnen und -kollegen eine hohe Relevanz (92 Prozent 1. Förderrunde, 87 Prozent 2. Förderrunde). Die Diskus- sion und Reflexion der eigenen Forschungsergebnisse in diesem Kontext ist für die For- schenden sehr bedeutsam (80 Prozent 1. Förderrunde, 94 Prozent 2. Förderrunde) sowie

11 BMBF (Hrsg.) (2019): Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Forschung fördern, Prävention verbessern, pädagogische Praxis stärken; verfügbar unter: www.bmbf.de/upload_filestore/pub/Sexualisierte_Gewalt_gegen_Kin- der_und_Jugendliche.pdf, Zugriff: 22.07.2020.

Austausch in- nerhalb der Wissenschaft- scommunity hat hohe Rele- vanz

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auch die gegenseitige Unterstützung beim Praxistransfer (80 Prozent 1. Förderrunde, 81 Prozent 2. Förderrunde). Darüber hinaus stehen der interdisziplinäre Austausch und der Austausch zu forschungsethischen Fragen im Mittelpunkt (Quelle: Onlinebefragung).

Es kann festgehalten werden, dass sich ein fachlicher Austausch auf wissenschaftlicher Ebene sehr gut etabliert hat, während vergleichsweise Vernetzungsaktivitäten in die Pra- xis von den Forschenden selbstkritisch als noch ausbaufähig bzw. unzureichend eingestuft werden (vgl. Kapitel 2.4).

Förderinstrument Juniorprofessuren

Mit der Förderung von vier Juniorprofessuren und einer Forschungsprofessur über sechs Jahre wurde darüber hinaus ein weiteres Netzwerk etabliert, welches sich neben dem jeweils eigenen spezifischen Forschungsschwerpunkt an den Hochschulen insbesondere der Lehre und Entwicklung akademischer Curricula widmet (vgl. Kapitel 2.2). Neben der wissenschaftlichen Bearbeitung dieses (neuen) Forschungsbereiches wird somit auch eine grundlegende Professionalisierung im Handlungsfeld forciert, indem entsprechende Studienangebote für die hochschulische Ausbildung entwickelt werden und Forschungs- ergebnisse als neue Lehrinhalte direkt in Lehrveranstaltungen einfließen (vgl. Kapi- tel 2.2). Neben Forschung und Lehre bewirken die Junior- und Forschungsprofessuren zudem Strukturbildung an den Hochschulen für einen bisher nicht vorhandenen oder wenig sichtbaren Lehr- und Forschungsbereich. Der Personalaufbau, die damit verbun- denen Forschungsarbeiten und die Verortung bei entsprechenden Professuren werden hochschulintern wahrgenommen. So wird in einem Experteninterview gesagt: „Juniorpro- fessuren sind ein sehr effizientes Instrument gewesen, die Förderlinie in der Wissenschaft zu verankern. […] Es macht [für den Forschungsbereich] einen Unterschied, ob man im Mittelbau ist oder tatsächlich im Professorium.“ (Quelle: Experteninterviews).

Rolle von Nachwuchsförderung

Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses war v. a. ein Kriterium bei der An- tragstellung der 1. Förderrunde.12 Zur Enttabuisierung des Forschungsbereiches und zu umfassender Qualifizierung von Personal braucht es neben Professorinnen und Profes- soren auch Doktorandinnen und Doktoranden sowie Habilitierende. Indem sie ihren For- schungsschwerpunkt auf sexualisierte Gewalt legen und das Lehrangebot langfristig er- weitern, leisten sie nicht nur einen Beitrag zur eigenen Qualifizierung, sondern auch zur Bündelung und Dissemination der Erkenntnisse bei der Qualifizierung weiteren Nach- wuchses. Sie sind nach Einschätzung in den Experteninterviews ein Garant für Nachhal- tigkeit, weil sie ihre Karriere auf den Themen und Projekten der Förderlinie aufbauen. Die Onlinebefragung der 2. Förderrunde (2. Welle) ergab, dass von 15 antwortenden Teilpro- jektleitungen im Rahmen der Förderlinie insgesamt 28 Promotionen betreut wurden (im Mittel 1,9 pro Teilprojekt) und von 11 Teilprojektleitungen 50 Abschlussarbeiten (im Mittel 4,5 pro Teilprojekt, vgl. Abbildung 16).Da nicht alle Teilprojekte an der 2. Befragungs- welle teilgenommen haben, ist insgesamt von einer noch höheren (absoluten) Anzahl an Qualifikationsarbeiten auszugehen.13 In den Fallstudien und Experteninterviews mit der Wissenschaft wird konstatiert, dass Karrieren entstehen, die dauerhaft im Themenbereich verortet sind. Zudem sprechen Forschende auch von alten, bestehenden Netzwerken, dem

„Inner Circle“, der sich gegenseitig bestärkt und unterstützt, und neuen Wissenschaftle- rinnen und Wissenschaftlern im Feld, die noch nicht hinreichend integriert sind.

12 www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung-630.html, Zugriff: 20.07.2020.

13 Stand März 2020, keine Vollerhebung, sondern 88 Prozent Rücklauf von 34 befragten Teilprojektleitungen, Abschluss- berichte für Vollerhebung lagen noch nicht vor.

Förderinstru- ment Junior- und For- schungspro- fessuren leis- tet einen Bei- trag für For- schung, Lehre und Struktur- bildung an Hochschulen

Dissemination über Qualifika- tionsarbeiten und Nach- wuchsförde- rung

(12)

Internationale Sichtbarkeit und Vernetzung

Ein wichtiger Faktor für die Reputation des Forschungsbereichs und ein Anspruch im Zusammenhang mit der Forschungsförderung ist die internationale Vernetzung und Sichtbarkeit der entstehenden Wissenschafts- und Forschungslandschaft. Rund 45 Pro- zent der Teilprojekte (jeweils 1. und 2. Förderrunde) geben an, sich über die Vernet- zungsaktivitäten mit Verbundpartnern hinaus auch international vernetzen zu wollen (Quelle: Onlinebefragung, vgl. Anhang Auswertungsgrafik 12). In der konkreten Umset- zung zeigt sich, dass sich internationale Kooperationen noch herausfordernd gestalten. In den Experteninterviews (mit Forschenden) und Fallstudien wird der Austausch auf inter- nationaler Ebene als zu gering eingeschätzt und dies genauer qualifiziert:

• Nach Auskunft der Forschenden gibt es international wenig Möglichkeiten, sich speziell im Feld sexualisierter Gewalt in pädagogischen Kontexten zu vernetzen, die Förderlinie ist diesbezüglich nicht nur in Deutschland, sondern international einzigartig.

• Für eigene englischsprachige Publikationen bestehen bei den Forschenden hohe zeitli- che Hürden insbesondere an Fachhochschulen mit höherem Lehrdeputat. Dafür stehen in den dortigen Vorhaben Hochschullehre, Praxisnähe/-kooperation und Praxistransfer im Vordergrund.

• Für mehr Internationalität ist die Teilnahme an internationalen Konferenzen und Fach- tagungen notwendig. Zwei Interviewpartner geben in den qualitativen Erhebungen an, dass dies umgesetzt worden und die Vernetzung mit einem internationalen Projekt gelungen sei. Internationale Vernetzung sei explizites Ziel gewesen, geschehe nicht nebenbei und entsprechende zeitliche Ressourcen müssten dafür eingeplant werden.

(Quelle: Fallstudien, Experteninterviews) Inhaltliche Forschungsschwerpunkte

Neben Vernetzung, Strukturaufbau und Nachwuchsförderung ist für die Entwicklung ei- ner Wissenschafts- und Forschungslandschaft relevant, auf welche inhaltlichen Förder- schwerpunkte die Vorhaben fokussieren. Für die 1. und 2. Förderrunde zeigen sich hier ähnliche Prioritäten (Quelle: Onlinebefragung): Die Evaluation und die (Weiter-)Entwick- lung präventiver pädagogischer Konzepte, Strategien und Materialien sowie von Fort- und Weiterbildungskonzepten für Beschäftigte im pädagogischen Bereich stehen für die (Teil-)Vorhaben an erster Stelle. Das zeigen auch die selbst gesetzten Ziele der Vorha- ben beider Förderrunden in ihren Vorhabenbeschreibungen, in denen sehr häufig Kon- zeption, Entwicklung oder Durchführung von Gruppenprogrammen, Lehr- und Fortbil- dungsangeboten, Präventionsworkshops, Diskussionsveranstaltungen, Trainings, Lehr- modulen, Lehrmaterialien etc. zur Qualifizierung und Professionalisierung von pädagogi- schen Fachkräften in unterschiedlichsten pädagogischen Kontexten angegeben werden.

Damit wird der Eindruck aus Abbildung 3 untermauert, dass v. a. Materialien für den Pra- xistransfer entstehen (sollen).

Hürden bei in- ternationaler Vernetzung

Wichtigster Förderschwer- punkt: Präven- tionskonzepte, Fort- und Wei- terbildungs- konzepte

(13)

Abbildung 5: Relevanz der Förderschwerpunkte in der 1. und 2. Förderrunde (FR)

Lesehilfe: Die Prozentwerte geben den Anteil der Befragten an, die den jeweiligen Forschungsschwerpunkt bei der Umsetzung ihres Vorhabens als wichtig oder sehr wichtig einschätzen.

Quelle: Onlinebefragung aller geförderten Vorhaben der Förderlinie, 1. und 2. Erhebungswelle, Ramboll Management Consulting.

Deutlich seltener nutzen die Befragten der Onlinebefragung ihre Vorhaben, um grundla- genorientierte Forschung zu theoretischen Begrifflichkeiten zu betreiben (Priorität 3).

Auch hinsichtlich der untersuchten institutionellen, strukturellen sowie personellen Bedin- gungsfaktoren (Priorität 2) widmen sich die Vorhaben der beiden Förderrunden ähnlichen Themen wie z. B. pädagogische Kultur eines Kontexts, kollektive Orientierungen, Etablie- rung einer Kultur des Hinsehens, (Ent-)Tabuisierung, pädagogische Praktiken, Praxismus- ter und Prozesslogiken, Rollen- und Geschlechterbilder, unterstützende und hemmende Faktoren des Mitteilens und Anzeigeverhaltens, dem Kindeswohlbegriff sowie spezifischen pädagogischen und organisationalen Kontexten und Kindern mit besonderen Merkmalen (z. B. Behinderung, Armut). Unterschiede zwischen den Förderrunden werden also nicht in den inhaltlichen Forschungsschwerpunkten deutlich, wohl aber bei den untersuchten Zielgruppen (vgl. Kapitel 2.3 und Anhang Auswertungsgrafik 13) und in der Umsetzung partizipativer Forschung (vgl. Kapitel 2.3 und Anhang Auswertungsgrafik 17).

Dissemination in den wissenschaftlichen Raum und die Fachöffentlichkeit In beiden Förderbekanntmachungen bildet die Dissemination von Forschungsergebnis- sen in den wissenschaftlichen Raum und die Fachöffentlichkeit eine förderpolitische Schwerpunktsetzung.14 Im Verlauf der Evaluation wurde sowohl mit dem BMBF als auch mit dem fachlichen Beirat der Förderlinie, den geförderten Vorhaben und dem Metavor- haben diskutiert und definiert, was unter Dissemination in Abgrenzung zum (Praxis- )Transfer verstanden werden soll:

14 www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung-630.html und www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung- 1277.html, Zugriff: 22.07.2020.

Dissemination ist wissen- schafts- immanent und es bestehen selten Heraus- forderungen

​1

​2 ​3

Entwicklung von Materialien sowie Fort- und Weiter- bildungskonzepten

Evaluation und (Weiter-)Entwick- lung präventiver pädagogischer Konzepte, Strategien, Materialien sowie Fort- und Weiterbildungs- konzepte für Beschäftigte im pädagogischen Bereich 1. FR: 87 %

2. FR: 93 % (1. Welle) 2. FR: 94 % (2. Welle)

​Bedingungsfaktoren sexualisierter Gewalt

​Grundlagenorientierte Forschung

Strukturelle Bedingungen sexualisierter Gewalt in pädagogischen Kontexten 1. FR: 74 %

2. FR: 78 % (1. Welle) 2. FR: 73 % (2. Welle)

Personale und interaktionale Bedin- gungsfaktoren sexualisierter Gewalt

1. FR: 82 % 2. FR: 77 % (1. Welle) 2. FR: 76 % (2. Welle) Resilienz und Salutogenese stärkende Faktoren 1. FR: 65 % 2. FR: 78 % (1. Welle) 2. FR: 70 % (2. Welle)

Grundlagenorientierte Forschung zu theoretischen Begrifflichkeiten 1. FR: 34 %

2. FR: 53 % (1. Welle) 2. FR: 45 % (2. Welle)

(14)

🖉

Unter Dissemination wird in der Förderlinie die Verbreitung von Forschungser- gebnissen vornehmlich für das wissenschaftliche Umfeld und/oder die Öf- fentlichkeit verstanden. Diese Verbreitung ist noch nicht primär auf die praktische Umsetzung/Anwendung der Ergebnisse ausgerichtet.

Grundsätzlich wurde übereinstimmend in den Fallstudien, Experteninterviews mit Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftlern und bei einem Workshop mit Vertreterinnen und Ver- tretern der Forschungsvorhaben, des fachlichen Beirats, der Juniorprofessuren, des Me- tavorhabens, des Projektträgers und des BMBF15 berichtet, dass das Vorgehen und Metho- den der Dissemination wissenschaftsimmanent sind und selten Herausforderungen beste- hen. Erwartungsgemäß nutzen nahezu alle (Teil-)Vorhaben klassische Formate wie Vor- träge auf Tagungen und Konferenzen sowie explizit wissenschaftliche Veröffentlichungen in Peer-Review-Zeitschriften, wissenschaftliche Broschüren oder Beiträge für Sammel- bände und weitere Publikationen im Rahmen der Förderlinie. Jeweils über 60 Prozent in beiden Förderrunden geben als eine weitere Disseminationsstrategie an, dass sie ihre Er- kenntnisse in hochschulische Lehrveranstaltungen oder Lehrforschungsprojekte einbrin- gen.

Wie gelingt nun Dissemination besonders gut? Die Teilnahme an und Vernetzung bei Workshops, Fachtagen und Kongressen bedingen und eröffnen aufgrund eigener Vor- träge aus den Vorhaben neue und zahlreichere Publikationsmöglichkeiten im Nachgang.

Ein weiterer „Katalysator“ für erfolgreiche Dissemination ist die Kooperation mit Fach- gesellschaften und Berufsverbänden als wichtige Disseminationsstellen. Auch Fachtage anderer Professionen, von Praxispartnern oder im politischen Raum außerhalb des eige- nen Wissenschaftsfeldes werden von den Forschenden genutzt. Nicht zuletzt stärken vor- handene Netzwerkstrukturen an den einzelnen Verbundstandorten die Dissemination von Forschungsergebnissen (Quelle: Onlinebefragung).

Weiterentwicklung des forschungsethischen Diskurses

Eine Besonderheit der Förderlinie „Forschung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten“ ist, dass eine nachhaltige Wissenschafts- und Forschungslandschaft nicht nur aufgebaut, sondern für diesen sensiblen Forschungsbe- reich auch die Implementierung neuer ethischer Grundsätze berücksichtigt wird. Mit der Bonner Ethik-Erklärung ist im Forschungsbereich eine konkrete Orientierungshilfe mit Empfehlungen zu Verantwortbarkeit und rechtlichen Grundlagen für die Forschung zu sexueller Gewalt in pädagogischen Kontexten entstanden.16 Sie umfasst:

15 Workshop zur Vorstellung erster Zwischenergebnisse der Evaluation der Förderlinie „Forschung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten“ am 12.12.2019, BMBF.

16 www.forschungsnetzwerk-gegen-sexualisierte-gewalt.de/de/bonner-ethik-erklaerung, Zugriff: 21.07.2020 und www.bmbf.de/files/Ethikerklaerung(1).pdf, Zugriff 30.11.2020.

Gelingende Dissemination hängt vom Grad der Ver- netzung ab

Ein Ethikvotum war für die Ge- förderten hilf- reich und scheint zuneh- mend zur Selbstver- ständlichkeit zu werden

(15)

Allgemeine forschungsethische Überlegungen

• z. B. zur Qualifizierung der Forschenden, Rückkopplung von Ergebnissen an die Fachpraxis, Anonymisierung von Daten versus Aufdecken von Gefährdungssitua- tionen, Einbezug von Sorgeberechtigten, Ökonomie in der Datenerhebung sowie Vermeidung von belastenden Situationen für die Beforschten etc.

Normen und einzuhaltende Verfahren

• wie z. B. Verweise auf rechtliche Vorgaben zu Verschwiegenheit und Datenschutz, Rolle und Aufgaben der Strafverfolgungsbehörden, Einbindung der Landesbehör- den sowie die Beteiligung von Ethikkommissionen

Empfehlungen zum Vorgehen bei Offenbarung oder Aufdeckung von Missbrauch

• wie die Sicherstellung von Beratung und Informationen zu Hilfsangeboten für For- schende und Beforschte, Schrittfolge zum Eingriffshandeln unter Wahrung des Daten- und Personenschutzes, Umgang mit eigenen früheren Traumatisierungen von Forschenden etc.

Die Forschenden schildern, dass die Bonner Ethik-Erklärung gut nutzbar war, diese for- schungsethische Perspektive im Forschungsprozess zu verankern. Konkret wurde dies u. a. durch Schulungen für Interviewerinnen und Interviewer sowie ein anderes sensible- res Frageverhalten befördert, um beispielsweise mögliche Retraumatisierungen von Be- troffenen während der Untersuchungen zu vermeiden.

Für die Vorhaben war es zudem erforderlich, ihr Vorhaben extern hinsichtlich ethischer Aspekte begutachten zu lassen und ein Votum einer Ethikkommission einzuholen. Auf- grund von unterschiedlichen Verständnissen des Interventions-begriffs sei das Ethikvotum für die Forschungsvorhaben von medizinisch geprägten Ethik-Kommissionen zum Teil leichter zu bekommen als bspw. in pädagogischen Kommissionen (Quelle: Experteninter- views und Fallstudie). In der Onlinebefragung bewertet es die Hälfte der Befragten der 1. Förderrunde als gut oder sehr gut möglich, das Ethikvotum einzuholen, in der 2. För- derrunde / 2. Welle sind es 81 Prozent, für die das Erfordernis eines Votums einer Ethik- kommission keine Hürde darstellt. Eine begleitende Reflexion forschungsethischer Fragen scheint also zunehmend eine Selbstverständlichkeit zu werden, während das Einholen ei- nes Ethikvotums zu Beginn bisweilen zu starken Verzögerungen und schlechter Planbar- keit in den Projekten geführt hat.

Darüber hinaus haben Fachgesellschaften (z. B. Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit, DGSA) das Thema in ihre Leitlinien aufgenommen, womit es über die Förderdauer hinaus für einige Fachrichtungen bereits nachhaltig verankert ist.

Profilierung im Rahmenprogramm Empirische Bildungsforschung

Als ein weiterer Indikator für die Bewertung des ersten operativen Ziels wurde die Pro- filierung der Förderlinie im Rahmenprogramm Empirische Bildungsforschung herange- zogen. Allerdings lässt sich mit den vorliegenden Daten und zum jetzigen Zeitpunkt nur unzureichend beantworten, ob und wie stark das Forschungsfeld im Rahmenprogramm Empirische Bildungsforschung sichtbar geworden ist oder eine Vernetzung in eine erwei- terte Community erfolgt ist. Hierzu müsste die Außensicht anderer Geförderter im Rah- menprogramm Empirische Bildungsforschung in eine umfassendere Umfeldanalyse ein- bezogen werden. Von den Geförderten innerhalb der Förderlinie selbst wird stark einge- schränkt, dass es zu einer weitgehenden Vernetzung gekommen sei. Lediglich Akteure der Lehrerbildung schildern in den Experteninterviews, dass man über andere Forschung im Bildungsbereich an das Rahmenprogramm angebunden sei und dabei die Förderlinie

„Forschung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kon- texten“ hin und wieder aktiv erwähnt werde. Die Mehrheit konstatiert aber, dass sie auf die Vernetzung innerhalb der Verbünde und innerhalb der Förderlinie fokussieren und die Einbindung in eine größere Struktur (noch) nicht auf der Agenda stehe. Es wurde u. a.

angeführt, dass dies über die für Förderlinien und Drittmittelprojekte typische Vielzahl an Projektteilzeitstellen zeitlich nicht machbar und die Erwartung hier zu hoch angesetzt sei.

Möglicherweise spiele die Etablierung des Forschungsbereichs in der eigenen Hochschule, im Forschungsverbund und in der fachlichen Community zunächst eine prioritäre Rolle,

Langfristige Profilierung im Rahmenpro- gramm Empiri- sche Bildungs- forschung

(16)

sodass die Vernetzung mit dem erweiterten Umfeld des Rahmenprogramms Empirische Bildungsforschung erst noch im Entstehen sei. Dass die Förderlinie in das Rahmenpro- gramm aufgenommen wurde, sei aber an sich schon ein großer Erfolg, damit der For- schungsbereich langfristig eine gewisse Bedeutung erhalte, besser und öffentlich wahrge- nommen werde (Quelle Experteninterviews).

2.2 Ziel: Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Hochschullehre Ein weiteres Ziel der Förderlinie war es, wissenschaftliche Erkenntnisse für die Hochschul- lehre und die pädagogische Praxis zu generieren.

Auch wenn die Vorhaben diesem Ziel in der Onlinebefragung im Vergleich zu den ande- ren Zielen am wenigsten Relevanz zusprechen, stufen es 36 Prozent der befragten Vor- haben der 1. Förderrunde und 43 Prozent der 2. Förderrunde als „sehr wichtig“ ein, wis- senschaftliche Erkenntnisse für die Hochschullehre zu generieren (vgl. Abbildung 3). Den Erkenntnisgewinn für die Hochschullehre schätzen knapp ein Drittel der Vorhaben der 1. Förderrunde und über 40 Prozent der 2. Förderrunde als „sehr hoch“ ein (Anhang Auswertungsgrafik 28). Ein Drittel der Projekte in beiden Förderrunden gibt in der Online- befragung an, Lehrmaterialien/Lehrbücher für die Hochschullehre veröffentlichen zu wol- len (Anhang Auswertungsgrafik 21).

Um das Ziel „Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Hochschullehre“ zu eva- luieren, wurden das Basis-Curriculum, die Rolle der Juniorprofessuren sowie die Präsenz des Themas in der Lehre untersucht.

Basis-Curriculum

In Kooperation der Juniorprofessuren ist ein Basis-Curriculum zur Verankerung des The- mas „Sexuelle Gewalt in Institutionen“ in universitärer und hochschulischer Lehre17 ent- standen. Dazu wurden zunächst die Qualifikationsbedarfe ermittelt, um daraufhin pas- sende Inhalte in Modulen zu bündeln und deren Qualität über Lehrforschungsprojekte und Lehrevaluationen zu sichern. Für den Modulbaustein sind drei Lehrveranstaltungen entstanden:

1. Grundlagen sexualisierter Gewalt in Institutionen, 2. Sexuelle Sozialisation und Sexuelle Bildung sowie 3. Professionalität und Ethik.

Die Module wurden insbesondere für die Studiengänge Pädagogik bzw. Erziehungswissen- schaft, Soziale Arbeit, Bildungswissenschaften, Lehramt sowie in Wahlpflichtangeboten anderer sozial- und humanwissenschaftlicher Fächer entwickelt. Auch für angehende Me- dizinerinnen und Mediziner wurden verschiedene Module entwickelt und durchgeführt. An- gehende Fachkräfte sollen so im Umgang mit sexualisierter Gewalt und deren Prävention gestärkt werden.

17 Retkowski, A.; Dekker, A.; Henningsen, A.; Voß, H.-J.; Wazlawik, M. (2019): Basis-Curriculum zur Verankerung des Themas „Sexuelle Gewalt in Institutionen“ in universitärer und hochschulischer Lehre. In: Wazlawik, M. et al. (Hrsg.):

Sexuelle Gewalt in pädagogischen Kontexten. Aktuelle Forschungen und Reflexionen.

Erkenntnisse für die Hoch- schullehre nicht prioritä- res Ziel

Basis-Curricu- lum der Juni- orprofessuren soll Thema in Hochschul- lehre veran- kern

(17)

Rolle der Juniorprofessuren

Besonders wichtig für die nachhaltige Verankerung in der Lehre sind die Juniorprofessu- ren sowie die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Forschungspro- jekte an den Hochschulen und Universitäten (Quelle: Experteninterviews). Die Förderli- nie ermöglicht, dass sich der wissenschaftliche Nachwuchs intensiv mit dem Thema be- schäftigt und Forschungsergebnisse direkt in die Lehre einbringt. Dadurch entstehen Karrieren, die dauerhaft im Themenbereich verortet sind (zur Bedeutung der Juniorpro- fessuren vgl. Kapitel 2.1).

Präsenz des Themas in der Hochschullehre

In den Experteninterviews wird jedoch bemängelt, dass es bisher noch keinen sichtbaren Effekt in der Lehre gegeben habe und das Thema in allen Studiengängen bisher zu wenig in der Ausbildung verankert sei. Wenn es Eingang in die Lehre gefunden habe, blieben die Zeitfenster im Curriculum durch die verkürzten Bachelorstudiengänge noch zu klein und/oder das Thema sei als freiwillige Zusatzqualifikation vorgesehen. Außerdem be- stehe eine strukturelle Hemmschwelle für das Thema und es sei schwierig, es als neues Thema in den Hochschulen unterzubringen (Quelle: Experteninterviews).

2.3 Ziel: Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die pädagogische Praxis Über die Hälfte der befragten Projekte der 1. Förderrunde und 80 Prozent der 2. Förder- runde erachten das Ziel „Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die pädagogi- sche Praxis“ als sehr wichtig (vgl. Abbildung 3). Diesem Ziel wird höhere Relevanz als der Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Hochschule zugesprochen. So- wohl die Mehrheit der befragten Projekte der 1. (58 Prozent) als auch der 2. Förderrunde (83 Prozent) bewerten auch den Erkenntnisgewinn für die pädagogische Praxis als „sehr hoch“, dieser Wert fällt im Vergleich zu den ebenfalls abgefragten Erkenntnisgewinnen für die Hochschullehre nahezu doppelt so hoch aus (Anhang Auswertungsgrafik 28).

Um das Ziel „Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die pädagogische Praxis“ zu evaluieren, wurden die entstandenen Produkte für die Praxis, die untersuchten pädagogi- schen Kontexte sowie die adressierten Ziel- und Nutzergruppen und die Zusammenarbeit mit der Praxis untersucht. Außerdem wurde die Umsetzung der partizipativen Forschungs- ansätze analysiert.

Produkte für die Praxis

Die Evaluation und die (Weiter-)Entwicklung präventiver, pädagogischer Konzepte, Stra- tegien, Materialien sowie Fort- und Weiterbildungskonzepte für Beschäftigte im pädago- gischen Bereich werden von fast allen Projekten als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ einge- stuft (vgl. Abbildung 5). Von den Vorhaben ist es demnach stark intendiert, dass eine Vielzahl an Erkenntnissen und Produkten für die Praxis entsteht. Inwiefern diese von der Praxis rezipiert und genutzt werden, ist u. a. von den Transferstrategien der Forschungs- vorhaben abhängig (vgl. Kapitel 2.4).

Adressierte pädagogische Kontexte

In beiden Förderrunden werden als relevante pädagogische Kontexte am häufigsten sta- tionäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie weiterführende Schulen unter- sucht. Der Bereich der nichtformalen Bildung, die Kinder- und Jugendverbandsarbeit, die offene Kinder- und Jugendarbeit / Jugendsozialarbeit sowie der der Bereich Sport werden in der 2. Förderrunde stärker beforscht. Kindertageseinrichtungen und ambulante Einrich- tungen der Kinder- und Jugendhilfe spielen eine geringe Rolle (Anhang Auswertungsgra- fik 3). In den Experteninterviews wird erwähnt, dass folgende pädagogische Kontexte in der Förderlinie zu wenig bearbeitet werden:

• Familie als Ort, an dem die meisten Fälle sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche auftreten,

• pädagogische Kontexte im jungen Erwachsenenbereich wie z. B. Wohneinrichtun- gen oder Werkstätten für behinderte Menschen,

• der Peer-to-Peer-Bereich und sexualisierte Gewalt unter Geschwistern.

Juniorprofes- suren und Mit- telbau veran- kern Thema nachhaltig in der Lehre

Präsenz des Themas in Lehre noch ausbaufähig

Vorhaben schätzen Er- kenntnisse für die Praxis als wichtigstes Ziel ein

Entwicklung von Materia- lien sowie Fortbildungen sind

klarer inhaltli- cher For- schungs- schwerpunkt

(18)

Adressierte Ziel- und Nutzergruppen

Bezüglich der Forschungsergebnisse für die pädagogische Praxis soll die folgende Abgren- zung der Ziel- und Nutzergruppen zum besseren Verständnis beitragen:

🖉

Mit Zielgruppen sind konkret Kinder und Jugendliche gemeint, die von den Forschungsergebnissen profitieren sollen, indem sie einen besseren Schutz vor sexualisierter Gewalt erfahren. Zu ihnen sind in der Onlinebefragung Alters- staffelungen und weitere Merkmale erbeten worden.

🖉

Die Nutzergruppen sind meist erwachsene Personen, die in pädagogischen Kontexten tätig sind und die Produkte, Materialien, Konzepte etc. aus den Vorhaben anwenden und nutzen sollen. Häufig bilden sie die Beforschten („Stichproben“) in den Vorhaben (z. B. pädagogische Fachkräfte, Lehramtsstu- dierende, Tätige in Beratungsstellen etc.).

Die Ergebnisse der Onlinebefragung der geförderten Vorhaben verdeutlichen, dass die geförderten Forschungsvorhaben auf Jugendliche zwischen zwölf und 18 Jahren als Ziel- gruppe fokussieren (zwei Drittel in der 1. Förderrunde und bis zu drei Viertel in der 2. Förderrunde). In der 1. Förderrunde wird zudem – stärker als in der 2. Förderrunde – die Zielgruppe der jungen Erwachsenen von 19 bis 27 Jahren einbezogen. Jedes dritte geförderte Vorhaben bezieht sich auf Grundschulkinder im Alter von sieben bis elf Jahren und lediglich jedes vierte bezieht sich (auch) auf die Altersklasse von null bis sechs Jahren (Anhang Auswertungsgrafik 13).18

Überraschend ist, dass sich nur wenige Vorhaben auf Kinder bzw. Jugendliche mit spe- zifischen Merkmalen beziehen. Obwohl es verschiedene Studien19 gibt, die aufzeigen, dass Mädchen / weibliche Jugendliche, aber auch Kinder/Jugendliche mit Migrationshin- tergrund sowie Kinder/Jugendliche mit geistiger Behinderung häufiger von sexualisierter Gewalt betroffen sind, gibt es hierzu aktuell selten spezifische Forschungsprojekte. Es gibt nur wenige Forschungsvorhaben, die sich überwiegend oder ausschließlich auf Mädchen (1. Förderrunde: 16 Prozent, in 2. Förderrunde nicht relevant) oder Jungen (1. Förder- runde: 5 Prozent, 2. Förderrunde: 12 Prozent) beziehen bzw. auf Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem ökonomischem Status oder niedrigem Bildungshintergrund (1. Förderrunde: 11 Prozent, 2. Förderrunde: Anstieg auf 32 Prozent).

18 Mehrfachantworten waren hierbei möglich, da Forschungsvorhaben mehrere Altersgruppen adressieren können.

19 Jud, A.; Rassenhofer, M.; Witt, A.; Münzer, A.; Fegert, J. M. (2016): Häufgkeitsangaben

zum sexuellen Missbrauch. Internationale Einordnung, Bewertung der Kenntnislage in Deutschland, Beschreibung des Entwicklungstandes.

Vor allem Ju- gendliche zwi- schen zwölf und 18 Jahren im Fokus

Zielgruppe nicht näher spezifiziert

(19)

Zusammenarbeit mit externen Partnern und der pädagogischen Praxis

Wichtige projektexterne Partner bei der Umsetzung der Forschungsvorhaben beider För- derrunden sind Fachberatungsstellen, Fachverbände, andere Hochschulen und Verwal- tungen (79 bis 88 Prozent der Nennungen). Sie werden v. a. genutzt, um einen fachli- chen Austausch, die Auswertung sowie die Dissemination von Ergebnissen voranzutrei- ben. 63 Prozent der befragten Vorhaben der 2. Förderrunde geben zudem an, die Fach- beratungsstellen gezielt für einen besseren Feldzugang bei Erhebungen genutzt zu ha- ben. Verwaltungen (wie z. B. Jugendämter, Schulämter) sind insbesondere für Geneh- migungen von Befragungen im Feld essenzielle Partner. Dabei nimmt die Vernetzung mit externen Partnern in der finalen Phase der Projektumsetzung in der 2. Förderrunde zu, um – nach Angaben der befragten Teilprojektleitungen – Forschungsergebnisse zu diskutieren, zu reflektieren und weiterzuentwickeln (90 Prozent), sich stärker interdis- ziplinär auszutauschen (80 Prozent) sowie eine gemeinsame Qualitätssicherung von For- schungsergebnissen sicherzustellen und die praktische Belastbarkeit zu überprüfen (67 Prozent) (Quelle: Onlinebefragung).

Abbildung 6: Relevante externe Akteure für die Forschungsvorhaben (1. und 2. Förderrunde)

Lesehilfe: In der Mitte finden sich die wichtigsten externen Partner, nach außen nimmt die Relevanz ab.

Bspw. werden mit 79 bis 88 Prozent der Nennungen Fachberatungsstellen, Fachverbände, andere Hoch- schulen und Verwaltungen wie z. B. Jugendämter, Schulämter als relevante Akteure für die Umsetzung der Vorhaben und damit für den Aufbau einer Wissenschafts- und Forschungslandschaft benannt.

Quelle: Onlinebefragung aller geförderten Vorhaben der Förderlinie, 1. Erhebungswelle, Ramboll Management Consulting.

Herausforderungen bei der Generierung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die pädago- gische Praxis sind vor allem durch die Sensibilität des Themas bedingt. Einrichtungen haben beispielsweise Bedenken, unter „Generalverdacht“ zu stehen, wenn sie an For- schungsprojekten teilnehmen. Außerdem gibt es bei einigen Beforschten Datenschutz- bedenken, die zu erheblichen Verzögerungen geführt haben. Einige Untersuchungsgrup- pen sind nur sehr schwer zu erreichen oder zu motivieren (z. B. Pflegeltern, Personen mit Migrationsintergrund). In den Schulen gibt es Schwierigkeiten, während der Unter- richtszeiten Erhebungen durchzuführen. Einige Forschungsvorhaben müssen einen gerin- gen Rücklauf akzeptieren, da es bedingt durch die geförderten Projekte der Förderlinie sowie weiteren gleichzeitig laufenden Forschungsprojekten zu Mehrfacherhebungen im Feld gekommen ist. In den Experteninterviews wird deutlich, dass es noch einige offene Themen bzw. weitere gewünschte Erkenntnisse für die pädagogische Praxis gibt (vgl. Ab- bildung 7). Dazu gehören u. a. Themen wie die Erforschung des digitalen Raums, Erkennt- nisse zu weiteren Formen der Gewalt (z. B. Misshandlung) oder Implementationsfor- schung. Auch Erkenntnisse für die Organisationsentwicklung, beispielsweise zu Anforde- rungsprofilen oder notwendiger Haltung werden von der Praxis gewünscht. Ein weiterer

​Fach- verbände

​Andere Hoch- schulen

​Fach- beratungs-

stellen

​Verwaltung

​Interessen- vertretung

​Pädagogische Fachkräfte

​Politische Akteure

​Außeruniversitäre Forschungsinstitute

​Kindertages- einrichtungen

​Außerschulische Bildungseinrichtungen

​Sonstige

​Schule

Die Vernet- zung mit der Praxis kommt dem wissen- schaftlichen Diskurs und der Qualitäts- sicherung von Forschungser- gebnissen zu- gute

Sensibles Thema er- schwert Zu- gang zur Pra- xis

(20)

Wunsch richtet sich an den Fokus der Forschungsvorhaben: Während sich die aktuelle Förderlinie auf Prävention von sexualisierter Gewalt konzentriere, fehle es der Praxis auch an wissenschaftlichen Erkenntnissen, die die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den Blick nähmen.

Abbildung 7: Offene Themen für die pädagogische Praxis

Quelle: Experteninterviews, Ramboll Management Consulting.

Partizipative Forschung

Ein Schwerpunkt der 2. Förderrunde ist es, partizipative Forschungsansätze stärker an- zuwenden und zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass es wünschenswert ist, „von der Forschungsfrage betroffene Personen und Gruppen partnerschaftlich in den Erkenntnis- prozess“20 einzubeziehen. Ebenfalls formuliert die Förderbekanntmachung, dass die Vor- haben, die einen partizipativen Ansatz wählen, sich untereinander vernetzen und Erfah- rungen austauschen sollen, um so voneinander zu lernen und Good-Practice-Ansätze für zukünftige Forschungsprozesse zu entwickeln21. Bereits innerhalb der 1. Förderrunde waren partizipative Forschungsansätze von Relevanz. Die Definition „von der Forschungs- frage betroffene Personen und Gruppen“ lässt offen, ob die Einbeziehung von Nutzergrup- pen, also i. d. R. erwachsenen Personen, die in pädagogischen Kontexten tätig sind, oder von Kindern und Jugendlichen selbst gemeint ist. Wie an den unterschiedlichen Vorge- hensweisen der Forschungsvorhaben zu erkennen ist, wird die Auslegung auch in For- schung und Wissenschaft diskutiert.

In Absprache mit dem Auftraggeber wurde in der 1. Welle der Onlinebefragung auf die folgenden Stufen der Beteiligung fokussiert – Information, Anhörung, Einbeziehung, Mit- bestimmung. Diese greifen einen Teil des Stufenmodells der Partizipation von Wright, Block und Unger22 auf und entsprechen den Rahmenbedingungen der Förderlinie. In der 2. Welle wurden die Stufen Entscheidungskompetenz sowie Entscheidungsmacht ergänzt, um zu eruieren, inwieweit die nach diesem Modell „echten“ Stufen der Partizipation zum Tragen kommen.

20 Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (2017): Richtlinie zur Förderung eines Metavorhabens im Rah- men der Förderlinie „Forschung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten“

vom 7. April 2017; verfügbar unter: www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung-1344.html, Zugriff: 30.10.2019.

21 Ebd.

22 Wright, M. T.; Block, M.; Unger, H. v. (2007): Stufen der Partizipation in der Gesundheitsförderung: Ein Modell zur Beurteilung von Beteiligung. In: Infodienst für Gesundheitsförderung 3; S. 4–5.

Partizipative Forschung als weiterer Schwerpunkt in der 2. För- derrunde

(21)

Abbildung 8: Stufen der Partizipation in der Förderlinie (blau)

Eigene Darstellung, Ramboll Management Consulting.

Quelle: Wright et al. (2007)23.

Die Anträge und Berichte aus den Vorhaben verdeutlichen, mit welcher Intention, wann und wozu die Praxis in beiden Förderrunden einbezogen wird. Für drei Vorhaben der 2. Förderrunde stellt die Praxis einen Verbundpartner dar. Insgesamt zwölf Vorhaben (1. Förderrunde: 4, 2. Förderrunde: 8) beteiligen Praxispartner in einem Projektbeirat.

Und insgesamt 22 Vorhaben (1. Förderrunde: 8, 2. Förderrunde: 14) streben eine andere Art der Kooperation an. Die Kooperationsformen lassen sich den vier Stufen der Partizi- pation zuordnen:

Einbeziehung/Anhörung

• Einbindung von Praxispartnern als Beratungsfunktion

• Praxisbeirat/Begleitgruppe

• Interviews mit Expertinnen und Experten Einbeziehung/Mitbestimmung/Umsetzung

• Inhaltliche, organisatorische und forschungsethische Diskussion mit Jugendlichen

• Partizipative Erstellung einer Onlinebefragung

• Jugendliche als Peer-Researcherinnen und -Researcher in ihren Communitys

• Gemeinsames Erarbeiten von Materialien

• Gemeinsames Erarbeiten von Schutzkonzepten und Handlungsempfehlungen für Fortbildungsmaterialien mit Ziel- und Nutzergruppen

• Beteiligung der Zielgruppen an Konzept und Auswertung von Teilprojekten

• Verifikation von Relevanz, Vollständigkeit und Realitätsnähe von Ergebnissen in Workshops fließen mit in Konzepte und Handlungsempfehlungen ein

• Rückkopplung von Ergebnissen mit Nutzergruppen

• Einbindung von Ziel- und Nutzergruppen bei Antragstellung

Beide Förderrunden wurden in der Onlinebefragung zur Umsetzung partizipativer For- schung befragt. Dabei ging es darum zu erfahren, welche Akteure für das Vorhaben als relevant eingestuft und welche Akteure tatsächlich im Sinne eines partizipativen For- schungsansatzes beteiligt werden.

23 Ebd.

1. Instrumentalisierung

4. Anhörung

3. Information

2. Anweisung

5. Einbeziehung

6. Mitbestimmung

7. Entscheidungskompetenz

8. Entscheidungsmacht

9. Selbstorganisation Geht über Partizipation hinaus

Partizipation

Vorstufen der Partizipation

Nichtpartizipation

(22)

Abbildung 9: Partizipation von pädagogischer Praxis, Fachkräften

Quelle: Onlinebefragung der geförderten Vorhaben der Förderlinie, Ramboll Management Consulting.

Je größer die blaue Fläche in der Abbildung dargestellt ist, umso stärker werden die Akteure bzw. Akteursgruppen eingebunden. Dabei verdeutlicht die Richtung der Spitze der blauen Fläche jeweils, auf welcher Partizipationsstufe die Akteure bzw. Akteurs- gruppen involviert werden. Die Ergebnisse zeigen, dass innerhalb beider Förderrunden vor allem die pädagogischen Fachkräfte und die Fachberatungsstellen in die For- schungsaktivitäten einbezogen werden (vgl.

Alle Vorhaben der 2. Förder- runde forschen partizipativ

24 %

67 %

48 % 10 %

Anhörung

Einbeziehung

Information Mitbestimmung

Förderrunde 1

n=21 Pädagogische

Praxis, Fachkräfte

33 %

90 %

37 % 37 %

Anhörung

Einbeziehung

Information Mitbestimmung

Förderrunde 2 – Welle 1

n=30 Pädagogische

Praxis, Fachkräfte

73 %

65 %

65 % 42 %

23 % 0 %

Anhörung

Einbeziehung

Information

Mitbestimmung Entscheidungs-

kompetenz Entscheidungsmacht

Förderrunde 2 – Welle 2

n=25 Pädagogische

Praxis, Fachkräfte

Referenzen

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