• Keine Ergebnisse gefunden

Die unbegründete Angst vor einer Verknappung der Arbeit | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Die unbegründete Angst vor einer Verknappung der Arbeit | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

KEYSTONE

(2)

Die Volkswirtschaft  11 / 2017 51 Starten wir mit einem aktuellen Beispiel: Eine Erhöhung

des Rentenalters wäre angesichts der steigenden Lebens­

erwartung eigentlich die mit Abstand effektivste Mass­

nahme zur Sicherung der Altersvorsorge. Eine solche Massnahme hat es in der Schweiz allerdings ausseror­

dentlich schwer, wie man in der politischen Debatte rund um die Altersvorsorge 2020 wieder beobachten konnte.

Ein Hauptgrund dafür ist die Befürchtung, dass es nicht genügend Arbeitsplätze für ältere Personen habe. Da­

bei handelt es sich um die jüngste Variante eines Dauer­

brenners der ökonomischen Fehlüberlegungen, der in verschiedensten Zusammenhängen immer wieder auf­

taucht: Seien es neue Technologien wie bei der Roboteri­

sierung, die ausländische Konkurrenz durch China oder die Verdrängung inländischer Arbeitskräfte durch Immi­

gration – immer wieder hört man die Befürchtung, dass die Anzahl Arbeitsplätze wegen Veränderungen nicht ge­

nügen könnte.

Seit Jahrzehnten wächst die Beschäftigung

Woher kommt diese tiefsitzende Angst vor einer bevor­

stehenden Verknappung der Arbeit? Ein Grund dafür ist sicher, dass Stellenabbau öffentlich stärker wahrgenom­

men wird, während Stellenaufbau kaum Beachtung findet.

Streicht ein Unternehmen in einer bestimmten Region 200 Stellen, dann ist dies eine Nachricht mit regionalem, oft auch nationalem Echo. Der Aufbau neuer Stellen da­

gegen erfolgt in der Regel verstreut über viele einzelne Unternehmen und über einen längeren Zeitraum – des­

halb bleibt er medial meist unbeachtet. Dadurch entsteht der Eindruck, viel öfter mit Stellenabbau als mit Stellen­

aufbau konfrontiert zu sein. Tatsächlich zeigt aber ein Blick in die Statistik, dass dieser Eindruck täuscht. Die Be­

schäftigung in der Schweiz steigt seit Jahrzehnten an. Gab es 1996 noch knapp 4 Millionen Erwerbstätige, so waren es zwanzig Jahre später schon über 5 Millionen! Die Men­

ge an Arbeit erhöhte sich auch in Zeiten starker techno­

logischer Umbrüche und intensivierter Globalisierung laufend. Auch die starke Erhöhung der Frauenerwerbs­

tätigkeit hat die Beschäftigung der Männer nicht redu­

ziert – ein schlagendes Argument dafür, dass die Arbeits­

menge nicht fix oder gar rückläufig ist.

Trotzdem ist diese statistische Realität für viele nicht überzeugend genug – es könnte ja immer noch sein, dass es diesmal anders ist. Deshalb ist es wichtig, die ökono­

mische Begründung für diese statistischen Fakten zu ver­

stehen. Der Grund für die Fehlüberlegung, dass eine Ver­

knappung der Arbeit droht, stammt daher, dass man sich meist nur auf die Effekte in Einzelsektoren beschränkt.

Die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft werden da­

bei zu wenig berücksichtigt. Nehmen wir das Beispiel der Schreibmaschine, die durch den Computer verdrängt wur­

de. Analysiert man nur die Situation der Schreibmaschi­

nenproduzenten, dann hat die neue Textverarbeitungs­

technologie in der Tat zu einem bedeutenden Abbau von Arbeitsplätzen geführt. Doch wir müssen auch die Wir­

kung auf andere Sektoren mitberücksichtigen.

Zusätzliches Einkommen führt zu mehr Konsum In der gesamten Wirtschaft führte der Einsatz von Compu­

tern zu einem Produktivitätsgewinn und damit zu zusätz­

lichen Einkommen. Und diese Einkommen können genau drei Gruppen zufliessen: den jetzt produktiveren Arbeits­

kräften in Form von Lohnerhöhungen, den Eigentümern der Unternehmen in Form höherer Gewinne oder den Konsumenten in Form niedrigerer Preise. Diese drei Grup­

pen werden aber das zusätzliche Einkommen verwenden, um zusätzliche Waren und Dienstleistungen nachzufra­

gen. Und diese wiederum müssen von jemandem produ­

ziert werden. Das bedeutet, dass zusätzliche Arbeit geleis­

tet werden muss, wodurch die Nachfrage nach Arbeit und damit die Beschäftigung ansteigen.

Historische Erfahrung, Statistiken sowie ökonomische Theorie kommen einmütig zum gleichen Resultat: Funk­

tioniert der Arbeitsmarkt – wie es in der Schweiz ohne Zweifel der Fall ist –, spricht nichts für eine bevorstehende Verknappung der Arbeit.

EINBLICK

Die unbegründete Angst vor einer Verknappung der Arbeit

Aymo Brunetti

Professor für Wirtschaftspolitik und Regionalökonomie, Universität Bern

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Häufig ist auch zu hören, die «Finanzialisierung» der Roh- stoffmärkte habe die Spekulation angeheizt, was impliziert, dass Banken und andere Finanz- institute auf diesen Märkten

Der Er- folg einer solchen Plattform hängt dabei vom Wachstum beider Seiten ab: So erhöht eine wachsende Zahl an herausragenden Wissen- schaftlern das Interesse der Studierenden,

Sie sind auch Verantwortliche für Diversität bei der Kommission für Technologie und Innovation des Bundes?. Inwiefern ist dieser

Diese Frage trieb die beiden Ingenieure Jan Wurzbacher und Christoph Gebald um, als sie das ETH-Spin- off Climeworks vor rund sieben Jahren in Zürich gründeten.. Mittlerweile hat

Mit Blick auf die ganze Schweiz ha- ben sich die Wahlmöglichkeiten für Woh- nungssuchende in den letzten drei Jahren deutlich verbessert: Die Quote hat den höchsten Stand seit

Ein Blick auf die Geschichte zeigt: Arbeit ist mehr als Ökonomie, da sie eine soziale und eine politische Komponente aufweist und das Selbstwertgefühl von Menschen

Ein Blick auf die verschiedenen Branchen zeigt, dass die Entwicklung je nach Sektor unterschiedlich fortgeschritten ist: So hat sich die Digitalisierung beispielsweise in der

Nur so kann beurteilt werden, ob eine Therapie zu teuer Dargestellt sind die Antworten der Patienten auf die Frage: «Hatten Sie die Möglichkeit, Fragen zu stellen?» Von einer