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Bei Tiefzinsen profitieren Wohneigentümer vom Systemwechsel | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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EIGENMIETWERT

38 Die Volkswirtschaft  6 / 2019

Wohn eigentümer profitieren bei Tiefzinsen vom Systemwechsel

Bleiben die Hypothekarzinsen so tief wie aktuell, profitiert der durchschnittliche Wohn- eigentümer von einem Wegfall des Eigenmietwerts. Bei Zinsen über 4 Prozent wird es für junge Familien aber bereits knapp.  Stefan Grob, Luca Bumann

D

ie Schweiz hat im internationalen Vergleich eine verhältnismässig tie- fe Wohneigentumsquote und eine hohe Verschuldung der privaten Haushalte. Ein möglicher Grund dafür sind die problema- tischen Verschuldungsanreize im Schwei-

Abstract  Es wird wieder über einen Systemwechsel bei der Besteuerung der Eigen- mietwerte diskutiert. Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Hochschule Luzern wurden die steuerlichen Auswirkungen eines solchen Systemwechsels berechnet.

Untersucht wurden die Folgen für die individuellen Einkommenssteuern von spezifi- schen Kategorien von Hypothekarschuldnern und die Auswirkungen auf die gesamt- schweizerischen Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden. Die auf Basis eines eigens erstellten Modells erzielten Hochrechnungen zeigen, dass der durch- schnittliche Wohneigentümer in der Schweiz bei einem Zinsniveau von 1,5 Prozent jährlich rund 3300 Franken weniger Einkommenssteuern zu bezahlen hätte. Bei die- sem Zinsniveau profitierten Wohneigentümer mit einer besonders hohen Hypothe- karschuld am stärksten von einer Abschaffung des Eigenmietwerts. Rentner würden bei steigenden Zinsen am längsten von einem Systemwechsel profitieren.

zer Steuersystem. Deshalb stellt sich die Frage, ob der Eigenmietwert noch zeitge- mäss ist. Denn möglicherweise sind beim aktuellen Steuersystem die Wohneigentü- mer schlechtergestellt als die Mieter. Wenn dem so ist, würde das dem Auftrag der

Wohneigentumsförderung in der Schweiz gänzlich entgegenlaufen.

Was wären die Folgen, wenn der Eigen- mietwert abgeschafft würde? Dieser Frage sind zwei Masterstudenten der Hochschule Luzern nachgegangen. Mittels eines eigens erstellten Modells haben sie untersucht, wel- che steuerlichen Auswirkungen der von der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-S) vorgeschlagene Sys- temwechsel1 für die einzelnen Haushalte in

1 Der Vorschlag der WAK-S sieht vor, dass die Besteue- rung des Eigenmietwerts am Hauptwohnsitz abge- schafft wird. Zugleich sind keine Abzüge für Unterhalts- kosten mehr möglich. Auch der Abzug der Schuldzinsen soll entweder abgeschafft oder reduziert werden. Der Entwurf sieht zudem einen zeitlich befristeten Erst- erwerberabzug vor.

KEYSTONE

Schneiden nach einer Reform des Eigenmiet- werts schlecht ab: Junge Familien mit Eigenheim haben bei steigenden Zinsen hohe Unterhalts- kosten.

(2)

DOSSIER

Die Volkswirtschaft  6 / 2019 39 der Stadt Luzern konkret haben würde. Unter

Berücksichtigung verschiedener Zinsszena- rien analysierten sie zudem die Folgen eines Systemwechsels für die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand. Das Modell bildet die Steuererklärung für natürliche Personen ab und berechnet anhand der eingegebenen Va- riablen direkt das steuerbare Einkommen so- wie die Steuerlast für Bund, Kantone und Ge- meinden.

Wohneigentümer reagieren unterschiedlich

Um die konkreten Auswirkungen in verschie- denen Zinsszenarien zu simulieren, wurden vier Kategorien von Wohneigentümern de- finiert. Sie unterscheiden sich insbesondere bezüglich der Hypothekarhöhe, des steuer- baren Einkommens und der Art und Weise, wie sie sich bei einer Abschaffung des Eigen- mietwerts verhalten würden (siehe Tabelle auf S. 40).

Die Auswirkungen auf die Steuerlast der vier Kategorien sind unterschiedlich und vari- ieren je nach Höhe der Hypothekarzinsen (sie- he Abbildung 1). Der Grund dafür ist, dass die Personen einiger Kategorien ihre Hypothekar- schuld ab einem bestimmten Zinsniveau (teil- weise) zurückzahlen, sofern genügend Liqui- dität vorhanden ist. Die (Teil-)Rückzahlung er- folgt aber erst ab dem Zeitpunkt, wo die zu bezahlenden Hypothekarzinsen höher sind als die Rendite auf dem für die Rückzahlung zur Verfügung stehenden Kapital.

Ein Beispiel: Personen wie der Banker James (Kat. 3), mit hohem Einkommen, ho- hem Eigenmietwert und erspartem Kapital, welches im privaten Portfolio durchschnitt- lich zwischen 3 und 3,5 Prozent Rendite pro Jahr erwirtschaftet, haben ihr Wohneigen- tum zurzeit wohl relativ hoch belehnt. Diese Personen werden die Hypothek erst ab einem Zinssatz von circa 3,5 Prozent zurückbezah- len, da sonst die Opportunitätskosten der entfallenen Portfoliorendite höher wären als die ersparten Zinskosten. Im neuen System ohne Besteuerung der Eigenmietwerte spa- ren sie bei tiefen Zinsen am meisten Steu- ern ein. Diese Steuerersparnis wird mit stei- gendem Zinsniveau aber immer kleiner – bis zu einem Zinsniveau von 3,5 Prozent, wo eine (Teil-)Rückzahlung erfolgt. Der Knick bei 3,5 Prozent in der Grafik zeigt, dass diese Per- sonen durch die Rückzahlung von 350 000 Franken wieder stärker von der Abschaffung des Eigenmietwerts profitieren. Dies ge- schieht aus dem Grund, dass der Eigenmiet- wert unverändert bleibt, während die Zins- kosten durch die tiefere Hypothek abneh-

Abb. 1: Steuerersparnis bei der Amortisation einer Hypothek ohne Besteuerung des Eigenmietwerts, nach Zinsniveau

men.

Anders sieht es aus bei der Familie Grüt- ter (Kat. 1): Sie hat erst kürzlich ihren Traum vom Eigenheim verwirklicht und weist keine verfügbare Liquidität auf, mit welcher sie die Hypothek auch bei höheren Zinsszenarien amortisieren könnte. Die anfängliche Steuer- ersparnis der Familie nimmt mit steigenden Zinsen linear ab. Für Familie Grütter wäre bei einem Zinsniveau von 3,5 Prozent der soge- nannte Break-even-Point erreicht. Dieser zeigt an, wann die Zinskosten, addiert mit den Unterhaltskosten, genau dem Brutto- eigenmietwert entsprechen. Bei diesem Zins- niveau wäre die Steuerbelastung der Fami- lie mit und ohne Eigenmietwert exakt gleich gross (siehe Abbildung 2). Steigt der Hypo-

thekarzins über diesen Punkt, lohnt sich der Systemwechsel für Familie Grütter nicht mehr.

Die Steuerlast wäre grösser als unter dem ak- tuellen Regime mit Eigenmietwert.

Von der Reform profitieren würden vor al- lem Personen wie Helene, die Rentnerin. Sie würden ab einem Zinsniveau von 2,5 Prozent ihre Hypothek vollständig zurückzahlen und so unabhängig vom Zinsniveau von einer Ab- schaffung des Eigenmietwerts profitieren.

Die Analyse der vier Kategorien zeigt, dass beim momentanen Zinsniveau von 1,5 Prozent Wohneigentümer mit einer hohen Hypothe- karschuld respektive mit hohen Eigenmiet- werten, wie James, der Banker, am stärks- ten von einem Systemwechsel profitieren.

Je höher aber die Verschuldung, desto hö-

EIGENE BERECHNUNGEN DER AUTOREN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

7500 Ersparnis in Franken

1,5 2,5 3,5

Zinsniveau, in %

4,5 5,5

2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 6,5

5000

2500

2500

–2500

–5000

  Fam. Grütter, die Ersterwerber       Fam. Heusler, die Wohlhabenden (Rückzahlung bei 2,5%)       James, der Banker (Rückzahlung bei 3,5%)       Helene, die Witwe (Rückzahlung bei 2,5%)

Abb. 2: Der Break-even-Point der Ersterwerber Familie Grütter bei einem Hypothekarzins von 3,5 Prozent

Beim Break-even-Point entspricht der zu versteuernde Eigenmietwert (links) den abzugsfähigen Unter- halts- und Zinskosten (rechts). Steigt das Zinsniveau weiter an, übersteigen Unterhaltskosten und Zins- aufwand den Eigenmietwert: Der Systemwechsel lohnt sich nicht mehr.

30 000 Betrag in Franken

25 000

20 000

15 000

10 000

5 000

0 EIGENE BERECHNUNG DER AUTOREN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

  Brutto-Eigenmietwert       Zinsaufwand       Unterhaltskosten 26 600

19 600 7 000

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EIGENMIETWERT

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her auch die Zinssensitivität der einzelnen Wohneigentümer. Aus diesem Grund wirkt sich eine Abschaffung des Eigenmietwerts bei höheren Zinsszenarien negativ auf die Steuerbelastung von hoch verschuldeten Eigenheimbesitzern aus. Anders bei den Rent- nern, die oftmals bereits einen grossen Teil der Hypothek zurückbezahlt haben und dem- entsprechend eine tiefe Belehnung aufwei- sen: Sie können bei steigenden Hypothekar- zinsen am längsten von einem Systemwech- sel profitieren. Diesbezüglich überrascht es nicht, dass Wohneigentümer, die über ge- nügend Liquidität verfügen, die Hypothek amortisieren sollten, sobald die Hypothekar- zinsen ansteigen.

Schweizweite Hochrechnung

Wie eingangs erwähnt, wurde für eine schweizweite Hochrechnung ein eigenes Modell erstellt, dem aktuelle Durchschnitts- werte aus öffentlich zugänglichen Portalen sowie Daten aus Experteninterviews zugrun- de liegen. Dabei wurde angenommen, dass die Steuerrechnung der Stadt Luzern reprä- sentativ für die ganze Schweiz ist. Das Resul- tat wurde dann auf die Gesamtschweiz hoch- gerechnet.

Die Analyse zeigt, dass bei einem System-

Stefan Grob

Masterassistent, Institut für Finanzdienst- leistungen Zug (IFZ), Hochschule Luzern – Wirtschaft, Zug

Luca Bumann

Masterassistent, Institut für Finanzdienst- leistungen Zug (IFZ), Hochschule Luzern – Wirtschaft, Zug

wechsel und einem Hypothekarzinsniveau von 1,5 Prozent im Durchschnitt jeder Schweizer Wohneigentümer jährlich 3318 Franken Steuern sparen würde. Bei der Ge- meinde- und Kantonssteuer beträgt die Ein- sparung 2611 Franken, bei der direkten Bun- dessteuer 707 Franken. Für die öffentliche Hand hätte das Konsequenzen: Schweizweit würden die Einkommenssteuern auf der Ein- nahmenseite um 4663 Millionen Franken sinken. Dabei entfallen 3669 Millionen Fran- ken auf die Gemeinde- und Kantonssteuern und die restlichen 994 Millionen Franken auf die direkte Bundessteuer.

Unter Berücksichtigung der anzunehmen- den Amortisationen bei Inkrafttreten eines Systemwechsels würden Schweizer Wohn- eigentümer im Durchschnitt so lange pro- fitieren, bis der durchschnittliche Hypothe- karzins auf 5,19 Prozent ansteigt. Dann ist der Break-even-Point für den durchschnitt- lichen Wohneigentümer in der Schweiz er- reicht. Bei einem weiteren Anstieg würde sich ein Systemwechsel für den durchschnittli- chen Wohneigentümer in der Schweiz nicht mehr lohnen. Für Wohneigentümer scheint ein Systemwechsel zurzeit also attraktiv zu sein. Es gilt jedoch festzuhalten, dass es bei einem allfälligen Systemwechsel auch Verlie- rer gäbe. Namentlich Mieterinnen und Mie-

ter, Banken, Unterhalts- und Renovations- firmen sowie der Staat würden bei Inkrafttre- ten eines Systemwechsels zu den Verlierern gehören. Ob und allenfalls inwiefern die Ge- setzesänderung tatsächlich in Kraft tritt, ist bis dato noch offen.

Vier Kategorien von Wohneigentümern nach ausgewählten Eigenschaften

Kategorie 1 Kategorie 2 Kategorie 3 Kategorie 4

Familie Grütter, die Ersterwerber

Familie Heusler, die Wohlhabenden

James, der Banker Helene, die Witwe

Bruttojahreseinkommen (in Fr.) 122 000 200 000 160 000 70 000

Eigenmietwert (in Fr.) 26 600 23 264 39 881 17 440

Belehnung (in %) 80 60 60 30

Ursprüngliche Hypothek (in Fr.) 560 000 420 000 720 000 180 000

Verfügbare Liquidität (in Fr.) 0 200 000 350 000 250 000

Zinssatz, ab welchem Hypothek zurückbezahlt

wird (in %) 2,5 3,5 2,5

EIGENE ANNAHMEN DER AUTOREN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

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