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THOMAS FUCHS VERSPROCHEN. Thienemann

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THOMAS FUCHS

VERSPROCHEN

Thienemann

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»Du?«

»Ist Jen ny da?«

»Nein.« Mar tin steht in der of fe nen Tür sei ner Woh- nung und schüt telt den Kopf. »Die ist ein kau fen, glaube ich …«

»Und ist viel leicht Ben da?«

»Wieso sollte er? Ist der nicht auf ir gend ei nem Traum- schiff?«, wun dert sich der schlak sige junge Mann. Seine Haare sind zer zaust und er sieht so aus, als hätte er noch vor we ni gen Mi nu ten im Bett ge le gen. »Der hat doch so ei nen ab ge fah re nen Fe ri en job er gat tert. Wieso sollte er hier sein?«

»War nur so eine Idee.« Fe li ci tas, ge nannt Fee, wech- selt im Trep pen haus von ei nem Bein aufs an dere und ver sucht ein Lä cheln. »Darf ich rein kom men und auf Jenny war ten?«

»Ich wollte ei gent lich ins Kino …« Mar tin zö gert. Er und das Mäd chen, das ver schüch tert im Trep pen haus steht, ken nen sich flüch tig von sei ner letz ten Ge burts - tags par ty. Jen ni fer hatte Fee da mals ein ge la den.

»Bitte, nur kurz.« Das Mäd chen schiebt die Ka puze ih rer Sweat shirt ja cke vom Kopf und sieht den Mit be -

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woh ner ih rer bes ten Freun din un si cher an. »Ich halte dich auch nicht lange auf.«

»Hey, Fee, na tür lich, ist doch kein Ding.« Mar tins zu- nächst ab wei sen der Ge sichts aus druck wech selt auf freund lich. Er öff net die Ein gangs tür ganz und deu tet in den Flur: »Das Kino kann war ten. Komm rein. Jen- ni fer müsste auch bald wie der da sein. Wie geht’s dir?«

»Nicht so gut …«, mur melt Fe li ci tas leise. »Ich muss mit je man dem re den.«

»Wenn du was los wer den willst, ich bin ein gu ter Zu- hö rer.« Mar tin lä chelt. »Sagt zu min dest Jen ni fer im- mer.«

»Wenn Jenny das sagt …« Fee schluckt. »Danke.«

»Na los, ich mach uns eine schöne große Latte mac - chia to und du er zählst in al ler Ruhe.«

Fee folgt Mar tin in die WG-Kü che. Mit ei nem Blick stellt sie fest, dass sich nichts ver än dert hat. Aber wieso sollte es auch, weist sie sich in ner lich zu recht. Das ist doch im mer so, wenn man weg war. Nur weil man selbst so viel Neues er lebt hat, heißt das noch lange nicht, dass sich auch an derswo et was ge än dert hat.

Eine Wo che im Aus land, ein paar Tage in ei ner frem den Stadt brin gen so viel neue Ein drü cke und Er leb nisse, dass man kaum glau ben kann, dass zu Hause ein fach nur eine wei tere Wo che All tag ver gan gen ist.

»Bei dir al les okay?«, fragt Fee, kaum dass sie auf dem Ho cker an dem schma len Kü chen tisch Platz ge- nom men hat.

»Kann nicht kla gen.« Mar tin zuckt mit den Ach seln.

»Se mes ter fe rien. Die Zwi schen prü fung hab ich ge- schafft, es geht erst in drei Wo chen wie der rich tig los.«

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Da Fee nicht weiß, was sie dazu sa gen soll, schweigt sie. Und da auch Mar tin nichts wei ter an merkt, herrscht Stille in der klei nen Kü che. Eine Stille, die le dig lich nach ei ner Weile vom Zi schen des in die heiße Milch ein lau - fen den Es pres so un ter bro chen wird. Auch nach dem sie ihre Latte-Glä ser vor sich ste hen ha ben, fin det kei ner der bei den den Dreh, das Schwei gen zu bre chen. Sie schau feln sich Zu cker in ih ren Kaf fee, rüh ren in den Glä sern und es ist Fee, die end lich flüs tert: »Ich ma che mir Sor gen um Ben. Ich weiß nicht, wo er ist. Er ist ver- schwun den. Ich habe Angst, dass er sich et was an tut.

Oder Frau von Schal. Und wenn er das tut, dann bin ich daran schuld. Das klingt jetzt ver mut lich für dich ko- misch, aber ich, also ge nauer Ben und ich sind in et was rein ge schlit tert … So eine die ser Ge schich ten, von de- nen du denkst: So et was könnte mir nicht pas sie ren. Da würde ich nicht in Ver su chung kom men. Da ge gen wäre ich im mun.«

Sie sucht den Blick des Stu den ten in dem aus ge wa - sche nen dun kel blauen T-Shirt ihr ge gen über. Da die ser aber wei ter hin sei nen Kaf fee fi xiert, das sich In ei nan - der ver men gen der bei den Schich ten be trach tet, als gäbe es nichts Wich ti ge res auf der Welt, und kei nen Ton von sich gibt, ist es er neut Fee, die leise wei ter spricht.

»Ich war es nicht und das ist eine echt bit tere Er- kennt nis. Ich weiß nicht, wie ich das er klä ren soll. Das war so wie in der Schule. Du bist über zeugt, du kannst die Vo ka beln, hast ge lernt so wie im mer und lo gisch, den Text kannst du lo cker über set zen. Und da du nicht dran kommst, denkst du das auch wei ter. So geht das von Stunde zu Stunde. Doch dann bist du ir gend wann

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ein mal an der Reihe und ver saust al les, weil du die Vo- ka beln nicht draufhast. Ver mut lich nie draufge habt hast. Und al les war bis lang nur gut ge gan gen, weil du eben nie dran ge kom men bist. Und jetzt hat es mich er- wischt, ich bin dran ge kom men und ich habe ver sagt.

To tal ver geigt. Da bei habe ich ge dacht, ich wäre fit …«

Ihre Stimme er stirbt.

Erst in die sem Mo ment sieht Mar tin seine Be su che - rin wie der an. Er mus tert Fee auf merk sam, ver sucht, in ih ren Au gen, dem Ge sicht, dem Aus druck ih res Kör- pers ei nen Hin weis zu fin den, um die Worte des sech- zehn jäh ri gen Mäd chens ihm ge gen über ein zu ord nen.

Jen ni fer hat ihm viel über Fee er zählt. Laut sei ner Mit- be woh ne rin darf man ihr nur be dingt glau ben. Es ist nicht so, dass Jen ni fer Fee ihm ge gen über als Lüg ne rin be zeich net hätte, schließ lich war sie ihre beste Freun- din. Jen ni fer hat es viel mehr so be schrie ben, dass sich mit un ter Fees Wahr heit än dert, sich ih rer Ge gen wart an passt. Doch tue Fee dies nicht, um zu lü gen. Viel- mehr würde sie ihre Wahr heit eher un be wusst an die je wei li gen Um stände an glei chen und dies sei von Fee nicht ge wollt, sie könne of fen bar ein fach nicht an ders.

Da her dürfe man ihr des we gen nicht böse sein.

Doch Jen ni fer hat ihm auch ge stan den, dass sie sich bei ih rer Freun din nie hun dert pro zen tig si cher sei. Dass sie doch auch den Ver dacht hätte, Fee würde das manch mal be wusst ein set zen. Sich mit Ab sicht so gab und diese ent waff nende Wir kung nutzte.

»Was hast du denn ge tan?«, fragt Mar tin schließ lich.

»Wel chen Scheiß ich fa bri ziert habe? Viel leicht fragst du bes ser, wel chen Scheiß Ben ge macht hat«, bricht es

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aus Fe li ci tas her aus. »Klar habe ich Mist ge baut, aber Ben noch viel mehr! Der hat näm lich an ge fan gen. Ich musste dann ein fach ir gend wie rea gie ren. An die ser gan zen Scheiße mit Frau von Schal trägt er die Schuld.«

»Und wie hast du rea giert?«

Fee schweigt trot zig.

»Viel leicht fängst du von vorne an …«, schlägt Mar- tin halb laut vor.

Das Mäd chen ihm ge gen über nippt an ih rem Kaf fee und nickt.

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N 1

Ben hatte nicht al lein auf dem Schiff an ge heu ert. Kurz- fris tig konnte auch ich dort noch ei nen Job be kom men.

Ich hatte nach der zehn ten Klasse die Schule be en det und wollte im Herbst auf der Er zie he rin nen schu le an- fan gen. Ben hatte sich ent schie den, bis zum Ab itur wei ter zu ma chen. Okay, ich hatte im In ter net ge le sen, dass ein Pär chen auf ei nem Kreuz fahrt schiff keine re - elle Über le bens chance hat. Aber wir dach ten, wir sind stark ge nug, wir schaf fen das. Auch in der Schule gab es an dere Mäd chen und Jun gen, wir wa ren auf Klas- sen fahr ten ge we sen, auf aus ufern den Par tys, in ge- mein sa men Ur lau ben. Was sollte da auf ei nem Schiff an ders sein?

Doch auf ei nem Schiff ist al les an ders, das weiß ich in zwi schen.

Un ser Kreuz fahrt schiff war die MS As tor, ein wirk li - ches Traum schiff. Über 200 Me ter lang, 40 Me ter breit, Ka bi nen für knapp 500 Pas sa giere. Eins die ser klas si - schen Kreuz fahrt schiffe, also nicht so ein schwim men - der Par ty damp fer, wie sie heute über all im Fern se hen zu se hen sind. Die MS As tor war cool, groß zü gig ge baut, viel dunk les Holz, Mes sing … Das Schiff hatte ein fach

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ein be son de res Flair: die vie len Decks, die Au ßen be rei - che, di verse Bars und Lounges – ir gend wie al les so ge- müt lich alt ba cken.

Wir hat ten die An stel lung über Vit amin B be kom - men. Bens Va ter ar bei tete seit mehr als zehn Jah ren auf dem Schiff. Er war Kon di tor meis ter und mit gut fünf an de ren Kon di to ren für die täg li chen Ku chen- und Tor ten bü fetts ver ant wort lich. Da er mit dem Staff Offi - cer seit Jah ren eng be freun det war, hatte er uns die Jobs be sor gen kön nen. Wir wur den für drei Tou ren an ge - heu ert. Nor ma ler weise musste man für ein En ga ge - ment an Bord über acht zehn sein. Doch wir wur den als Honorarkraft ein ge stellt, di rekt vom Staff Officer, nicht über die Ree de rei. Da für ver dien ten wir auch nicht so viel wie die Re gu lä ren in der Crew, aber das war eben der Deal. Ben sollte im Zeit schrif ten- und Bü cher la den den Ver käu fer ge ben, ich wurde für die Kin der be treu - ung en ga giert.

Das lief al les to tal klasse an, wir sind hoch nach Kiel ge fah ren, dort im Ha fen sind wir an Bord ge gan gen.

Ben kannte das Schiff, er war schon ein mal als Gast mit ge reist. Fa mi li en an ge hö rige kön nen au ßer halb der Sai son zu ech ten Bil lig prei sen bu chen.

Ich hatte et was Schiss vor dem Job. Was wäre, wenn da Un men gen von Kin dern auf mich war ten wür den?

In den paar Ta gen, be vor es los ging, hatte ich mich im In ter net um ge se hen, nach Er fah rungs be rich ten ge- sucht. Man che der Ein träge wa ren echt der Hor ror. Da hat ten auf ei nem Schiff vier Frauen in der Ka ri bik auf 350 Kin der auf pas sen müs sen, mit de nen ir gend wel che Shows ein ge übt, Re vuenum mern ein stu diert. Das hät -

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te ich nie ge packt. Meine Er fah run gen mit Kin dern be- schränk ten sich auf Ba by sit ten und die ein wö chige Zu- las sungs hos pi ta tion für die Er zie he rin nen schule.

Doch Bens Va ter hatte mir am Te le fon ver si chert, mein Job wäre easy. Auf der MS As tor würde es kaum Kin der ge ben, un ser Pott wäre kein Fa mi li en kreu zer, eher etwas für die rei fe ren Jahr gänge. Leute, die eine Kreuz fahrt mach ten, weil sie eben keine ner ven den Kin der um sich herum ha ben woll ten. Man müsse nur heute ne ben Yo ga kur sen, Bin go, Was ser gym nas tik und Mal kur sen auch Kin der be treu ung an bie ten. Selbst wenn es kaum Kin der an Bord ge ben würde. Und dem war auch so, wie ich zu mei ner gro ßen Er leich te rung fest stellte. Bei un se rer ers ten Tour hoch zum Nord kap wa ren un ter den 500 Pas sa gie ren viel leicht zwan zig Kin der. Und von die sen zwan zig ka men an gu ten Ta gen ge rade ein mal vier in un sere Be treu ung: drei sie ben - jäh rige brave Mäd chen, die im mer nur Man da las ma- len und Per len fä deln woll ten, so wie Vin cent, der stun- den lang Bü gel per len legte. Ben hatte da we sent lich mehr zu tun. Aber warum durfte ich nicht auch ein mal Glück ha ben.

An Bord war es echt ab ge fah ren, so ein Kreuz fahrt - schiff ist eine to tal ei gene Welt. Von der Wä sche rei bis zum Su per markt gibt es da al les. Ir gend wie fast eine schwim mende Klein stadt. Al ler dings mit wirk lich har- ten Re geln. Ein fach und klar, aber knall hart. Wer zu stark be sof fen er wischt wird, der wird im nächs ten Ha- fen aus ge schifft. In wes sen Ka bine ir gend was Il le ga les ge fun den wird, wird aus ge schifft. Wer mit ei ner Frau was an fängt, auf die der Ka pi tän scharf ist, der wird

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aus ge schifft. Ei gent lich kannst du we gen je dem Scheiß aus ge schifft wer den. Ist so, im Ernst.

Bei un se rer ers ten Tour muss ten über zwan zig Leute der Be sat zung ge hen. Zwan zig von 286. Und das ge rade mal in vier zehn Ta gen, denn so lange war die MS As tor auf der Nord rou te un ter wegs, bis sie wie der in Kiel an- legte. Da her war der erste Rat, den wir an Bord be ka - men, den Ball flach zu hal ten. Nicht auf zu fal len, nie- man dem mit Strei fen am Hemd in den Weg zu kom- men und ein fach freund lich lä chelnd un sere Jobs zu er le di gen. Okay, sag ten wir uns, das wür den wir hin be- kom men. Denn wäh rend meine Freun din nen sich bei ir gend wel chen Fließ band jobs ab quä len muss ten, wa- ren Ben und ich un ter wegs zum Nord kap.

Un sere Ka bi nen wa ren grau sam, ganz tief un ten im Schiff. Keine Au ßen ka bi nen, ein fach ein win zi ger Raum ir gendwo mitt schiffs. Und wir hat ten nicht ein- mal eine Ka bine zu sam men. Ben be kam als Ka bi nen - nach bar An dré ein quar tiert, ei nen Zau ber künst ler, der bei den all abend li chen Show ver an stal tun gen für die doch größ ten teils et was äl te ren Pas sa giere auf tre ten sollte. Ein net ter Kerl, si cher um die fünf zig, aber cool.

Wie so Zau be rer eben sind.

Ich be kam das Bett un ter Si mone. Eine durch und durch dumme Tus se. Kos me ti ke rin, stän dig um ihr Make-up be sorgt und wirk lich nichts im Kopf. Wenn irgend je mand das Kli schee »däm li ches Blond chen«

per fekt er füllte, dann sie. Lieh Si mone sich mei nen Lap top aus, um TV zu glot zen, dann lan dete sie im mer bei einem Shop ping sen der. Sie sah sich das nicht nur an, sie kaufte den Krem pel auch. Ver mut lich ging die

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Hälfte ih rer Heuer für Par füm und Pfle ge pro duk te drauf.

Wie die sich ein ne belte! Ich hab es nur dann mit ihr zu sam men in der Ka bine aus ge hal ten, wenn ich die Lüf tung auf volle Kraft ge stellt habe. Das ist echt die Wahr heit. Aber so wohl Ben als auch mir war klar: Es ist ja nur für eine be stimmte Zeit und für je den an Bord, zu min dest un ter den Leu ten der Crew, ist die Ka bine der Ort, den man nur zum Schla fen auf sucht. Mehr nicht.

Wä ren Ben und ich ver hei ra tet ge we sen, dann hät- ten wir zu sam men eine Ka bine be le gen kön nen. So aber konn ten wir uns nur be su chen. Aber rich tig be su chen ging na tür lich nur, wenn man si cher war, dass der Zim- mer nach bar nicht auf tau chen würde. Und das nervt, wenn du fra gen musst, ob du mal in tim wer den kannst.

All ge mein wird es so ge hand habt, dass man sich ir gend- wo nachts drau ßen auf dem Schiff ein ver schwie ge nes Plätz chen sucht. Aber das konnte sehr ris kant sein. Die von der Security wa ren heiß dar auf, Leute vom Per so - nal beim Sex zu er wi schen. Die kann ten die Dienst pläne, ka men ge zielt und wa ren so rich tige Schweine. Wer sei- ne drei spoken warnings hatte, für den war Schluss. Der musste im nächs ten Ha fen von Bord, sich auf ei gene Kos- ten die Reise nach Hause or ga ni sie ren.

Weiß auch nicht, warum ich im mer wie der auf die- ses Thema komme. Wenn man es ganz nüch tern be- trach tet, fliegt man so leicht auch wie der nicht vom Schiff. Wenn man in ei ner Gast ka bi ne er wischt wird und man nicht das Uni förm chen ei nes Zim mer mäd - chens trägt, okay. Wenn man beim Klauen er wischt

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wird, weg. Wenn sie Dope bei dir oder in dei ner Ka bine fin den, weg. Wenn sich je mand prü gelt, beide weg.

Aber das soll nicht hei ßen, dass die da alle voll pa ra noid sind. Nee, die sind easy, die von der Crew sind wirk lich ein har ter Hau fen. Größ ten teils to tal nett. Okay, Arsch- lö cher gibt es über all. Aber auf ei nem Schiff, da lernst du Leute ken nen, die du sonst nie mals tref fen wür dest.

Leute aus al len Be rei chen und aus der gan zen Welt. Das ist ein ei ge ner Kos mos, aber das, glaube ich, habe ich be reits ge sagt. Das fängt schon bei der Em bar ka tion an.

Also wenn du an Bord gehst.

Bei uns war das im Kie ler Ha fen. Wäh rend hoch oben die Pas sa giere über die breite Gang way das Schiff be tra ten, war für uns vom Per so nal eine schmale Gang- way un ten an die Lot sen tür an ge legt. Und da stan den die von der Crew und mus ter ten uns. Die meis ten kann ten sich. Hy ste ri sche Frauen fie len sich quie kend in die Arme, weil sie vor Jah ren auf dem sel ben Schiff zu sam men fuh ren, dann vom Schick sal ge trennt wur- den und nun end lich wie der ver eint wa ren. Und auch bei den Ker len lief es nicht viel an ders. Nur war da eben der feste Hän de druck oder Auf-den-Rü cken-klop fen an ge sagt. Ben und ich, wir wa ren die Aus nahme. Bis auf sei nen Va ter kannte zu min dest ich nie man den und zu dem wa ren wir ja in of fi zi ell, di rekt vom Staff Of ficer, ein ge stellt wor den. Die da ge gen, die über die Ree de rei an ge heu ert hat ten, wuss ten vor her nicht ein mal, auf wel ches Schiff der Flotte sie kom men wür den. Die Ree- de rei hat das Recht, ei nen nach Be lie ben zu ver set zen, in eine an dere Ka bine, ja so gar auf ein an de res Schiff.

Je der zeit, man ist ihr ziem lich aus ge lie fert.

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Was nett war: Bens Va ter hat uns gleich in Emp fang ge nom men. Ist mit uns zum Staff Of fi cer und hat uns bei dem notwendigen Pa pier kram ge hol fen. Pass und See taug lich keits be schei ni gung vor zei gen, See manns - buch ab ge ben, Ar beits ver trag un ter schrei ben, Zoll - erklä rung aus fül len, und nach etwa ei ner Stunde hat man dann end lich sei nen »Crew-Pass«. Nun noch schnell den Kof fer in die Ka bine, ein Be such in der Klei- der kam mer und die Staff-Uni form ab ho len. Bei mir war das ein dun kel blaues Kos tüm mit wei ßer Bluse, eine dun kel blaue Bund fal ten ho se, dun kel blaue Shorts und dun kel blaue Po lo hem den. Al les im mer mit die sem klei nen wei ßen Vo gel als Em blem. Die von der Klei der- kam mer warn ten mich gleich. Der Stoff wäre ein syn- the ti sches Misch ge webe und würde zum Fus seln nei- gen. Dann hieß es auch schon An tre ten beim Job. Da kann ten die gar nichts, am nächs ten Mor gen legte das Schiff ab, und bis da hin musste je der wis sen, was er zu tun hatte.

Bei mir war das ganz fix er le digt. Die re gu lär an ge - stellte Kin der be treue rin war eine echt er fah rene Frau, sie machte den Job seit über acht Jah ren. Heike war nett. Knapp 35 Jahre alt, vom Typ her so die prak ti sche Kum pel frau, kurze blonde Haare, dunkle Strähn chen, im mer gut drauf und wahn sin nig or ga ni siert. Sie war ir gend wie in dem Job hän gen ge blie ben und hatte so- gar schon auf ame ri ka ni schen Fa mi li en frach tern ge - arbei tet. Und das muss die Hölle sein, wie sie sagte, denn da er war ten dann wirk lich Hun derte von ver- wöhn ten Kids, dass man sich im mer lä chelnd um sie küm mert. Auf der As tor war das an ders. Sie zeigte mir,

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wo die Sü ßig kei ten wa ren, die Spiel sa chen und er- klärte den Wo chen plan, das war dann schon al les.

Bei Ben dau erte die Ein wei sung et was län ger. Das ganze Sys tem mit den Re mit ten den, dem Nach be stel - len, der Kasse – um da durch zu bli cken, brauchte man et was mehr Zeit. Dann folgte die erste Si cher heits ein - wei sung, eine kurze Füh rung über die ein zel nen Decks – na tür lich nicht die Pas sa gier decks, wo käme man denn da hin – und da nach war auch schon Schicht.

Ich weiß noch ge nau, wie wir ge gen halb zehn mit Bens Va ter im Dschun gel sa ßen, so hieß die Bar für die Crew. Bens Va ter hat uns was über das Schiff er zählt, wor auf wir ach ten müs sen und so wei ter. Er sagte auch gleich, dass er lei der die Tage über nicht so viel Zeit für uns ha ben würde. Sein Job wäre echt ar beits in ten siv und stres sig.

Es gab Do sen bier und Jä ger meis ter, aber die meis ten schüt te ten ir gend wel che Red-Bull-Alk-Va ri an ten in sich rein. Ich war ehr lich scho ckiert, was da ge trun ken wurde. Aber so ist das halt auf ei nem Schiff, echt frei hast du wäh rend der Cruise nie. Daher wird jede freie Minute zum Feiern genutzt. Ist das Schiff un ter wegs, dann bleibt man in der Re gel in kei nem Ha fen über Nacht. Spä tes tens vor Mit ter nacht geht es wei ter. Hat ir gend was mit den Ha fen ge büh ren zu tun. Nur beim Em bar ka tion-Day, also bei uns der Pas sa gier wech sel in Kiel, läuft das Schiff erst am nächs ten Mor gen wie der aus. Und diese eine Nacht nutzt, wer frei ist und zwei ge sunde Beine hat, um end lich ein mal von Bord zu kom men. Dann geht es mit Ta xis in ir gend wel che Klubs mit nur ei nem Ziel: Party, Party, Party, end lich ein mal

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die Sau raus las sen, weg von der Enge an Bord, keine Re geln, keine An ord nun gen. Okay, so ganz stimmt das auch nicht, denn in Wahr heit sind im mer alle auf der Flucht vor der Security. Aber das ge hört dazu, das ist fast schon ein Spiel wie Räu ber und Gen darm. Am frü- hen Mor gen lan den schließ lich alle im letz ten La den, der noch ge öff net hat. Und dann sind es, zu min dest wird das er zählt, mit un ter die Män ner und Frauen der Security, die be son ders ab fei ern. Spä tes tens mit der Si- rene muss man al ler dings wie der an Bord sein. So ein Schiff war tet nicht.

Ich war in den ers ten Ta gen an Bord to tal happy. Ich war zum ers ten Mal auf ei nem Kreuz fahrt schiff, und da es mit mei nen Kin dern nicht so viel zu tun gab, hatte ich ei gent lich größ ten teils Frei zeit. Man sollte sich al- ler dings nie beim Ab hän gen er wi schen las sen, und es, so er klärte mir Heike, wurde auch nicht gerne ge se hen, wenn sich die von der Crew im Gäs te be reich her um - trie ben. Da her gab sie mir Vin cent als Alibi an die Hand.

Wenn der seine zwei Stun den Bü gel per len ge legt hatte, dann griff ich ihn mir und wir zo gen zu sam men los.

Aufs Son nen deck, in den Pool, hoch auf die Brü cke, in den Ma schi nen raum, kurz, in all die Be rei che, in die man sonst als Crew Mem ber nie rein kam. Doch er als Gast kind öff nete mir selbst die ver bo te nen Schiffs ebe - nen. Mit Vin cent ne ben mir konnte ich ins Li do ca fé und Eis tor te fut tern, durch die Bou tiquen auf dem Pla za- Deck schlen dern und so gar die Gäs te auf zü ge be nut zen, sonst eine Sa che, die dem Per so nal streng ver bo ten war. Und was das Beste da bei war: Ich be kam da für auch noch Trink geld! Denn na tür lich fan den die El tern

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von Vin cent es groß ar tig, dass ich mich so in ten siv um ih ren Jun gen küm merte. Dass der Kleine mein Ti cket war, mit dem ich auf dem Schiff Ur laub ma chen konnte, raff ten sie nicht. Aber es war ein fach nur cool.

Wenn Ben und ich uns nach Schich tende auf dem klei- nen Son nen deck der Crew tra fen, dann war er meis- tens platt, ich da ge gen hatte ei nen er hol sa men Tag hin- ter mir. So blöde das viel leicht auch klin gen mag, aber nach ein paar Ta gen an Bord konnte ich ver ste hen, wa- rum Men schen so gerne Kreuz fahr ten ma chen. Das hat schon was. Das Kind planscht im Pool, man selbst re - laxt im Lie ge stuhl und drau ßen zie hen ir gend wel che gei len Fjorde an ei nem vor bei.

Un ser Schiff fuhr aus nahms weise den Som mer über die Hur tig ru ten, die Route der nor we gi schen Post- schiffe. Nor ma ler weise schip perte die MS As tor durchs Mit tel meer oder die Ka ri bik. Doch da sie im Spät som - mer in die Werft sollte, wurde sie in die Nord see ver- legt. Von Kiel bis hoch ans Nord kap und zu rück. Die an Bord sag ten, vom Pan orama her wä ren die Hur tig ru ten die schönste Kreuz fahrt der Welt. Und es wa ren auch wirk lich ham mer har te Bil der, die uns die Na tur da lie- ferte. Fjorde, in de nen man sich mit die sem an sich ja rie sen gro ßen Kreuz fahrt schiff ein fach nur win zig vor- kam. Gi gan ti sche Was ser fälle, Steil hänge und Fels klip - pen, ein fach der Wahnsinn. Am bes ten fand ich den Troll fjord, knapp zwei Ki lo me ter lang, total atem be rau - bend. Da im Abend licht hi nein zu glei ten, diese Stille, die ho hen Fels wände rechts und links zum Grei fen nahe, das Licht – das ver gisst du nie. Und na tür lich die Städte. Ber gen war echt ab ge fah ren. Vin cents El tern

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hat ten mich als Ba by sit te rin ge bucht, da her durfte ich so gar den Gäste-Land aus flug mit ma chen. Ber gen ist Welt kul tur er be, das his to ri sche Han se vier tel Bryg gen schlicht weg su per, nur so to tal nied li che Holz häu ser, ich fand ein fach al les so geil. Dank Vin cent kam ich so- gar nach Gamle Ber gen, ein Frei licht mu seum, in dem es so aus sieht wie vor ein paar hun dert Jah ren.

Nee, wirk lich, die erste Tour war ein Traum. Al les so neu, die fan tas ti sche Na tur, ein easy Job, in mei ner Frei zeit hatte ich Ben – es war un ge lo gen per fekt.

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