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Predigt am Ostersonntag

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Academic year: 2022

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Ostersonntag 2013  

Predigt von Bischof Dr. Manfred Scheuer, 31. März 2013  

In der österlichen Bußzeit wurden in ganz Österreich religiöse Symbole in der Öffentlichkeit verhüllt: so auch Kreuze auf Plätzen und Brücken, das Wachkreuz auf der Innbrücke, Wegkreuze und Gipfelkreuze wie auf dem Großglockner. Sie gehören zum alltäglichen Erscheinungsbild und werden normalerweise gesehen und noch öfters übersehen. Das Auge hat sich schon so sehr an sie gewöhnt, dass viele gar nicht mehr wissen, was denn dargestellt ist und was damit gemeint ist.  

Die Verhüllung der Kreuze sollte Fragen auslösen: Was fehlt einem Menschen, der blind ist?

Was fehlt einem Menschen, der nicht blind ist? Was war denn eigentlich da? Woran gehen wir tagtäglich vorbei? Und was übersehen wir, obwohl wir es tagtäglich sehen? Geht uns eigentlich etwas ab, wenn bestimmte Zeichen und Symbole einmal nicht da sind? Geht uns ohne das Segenszeichen des Kreuzes etwas ab? Geht uns ohne Jesus etwas ab? Fehlt uns etwas, wenn es keine Hoffnung auf Auferstehung gibt? Würden wir zumindest etwas traurig sein, wenn das Halleluja von Händel nicht mehr gesungen werden dürfte? Hätten wir Entzugserscheinungen wie beim Alkohol fasten oder beim Verzicht auf Süßigkeiten, wenn wir keine Kirchenräume mehr betreten dürften? Wenn die Barockräume, Schonräume und Räume der Stille für immer verschlossen bleiben würden?  

 

Was übersehen wir leicht? Es gibt viele blinde Flecken in unserer Gesellschaft, die dem Schönen, Jungen, Reichen, Glatten huldigt und dabei viel ausblendet, vergisst, an den Rand schiebt. Die Realityshows führen zum großen Realitätsverlust, zu Abstumpfung, Unempfindlichkeit, zu einer große Fläche von blinden Flecken. Für viele Bereiche des Dunklen

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und des Schmerzes gibt es Betäubungsmittel. Und die Lebensinhalte werden allesamt auf Unterhaltungsergiebigkeit getestet. Auch Katastrophen, Unglücke, Scheitern, Fertigmachen von Menschen, Schreie vor Schmerz, Papstwahl verkommen zu einem animierenden Gustostück oder zu einer Frage, ob damit die Quote stimmt.  

Die Enthüllung der Kreuze und der religiösen Symbole ist verbunden mit der Einladung:

Aufwachen, die Augen öffnen! Jesus öffnet die Augen und die Wahrnehmung für das Leid anderer. Das Antlitz Jesu spiegelt sich in den Gesichter von Kindern und Jugendlichen wider. Es begegnet uns in den Gesichtern von Kranken und Sterbenden. Wer an den Gekreuzigten glaubt, glaubt nicht an ein Leben ohne Leid und Tod, sondern an ein Angenommen sein trotz aller Widrigkeiten des Lebens. Dietrich Bonhoeffer, der in seinem Leben genug Grund gehabt hätte, zu verzweifeln: „Wer Ostern kennt, kann nicht verzweifeln!“  

 

Bewusstsein von dem, was fehlt?  

Wir leben in einer Zeit, die im Begriff ist, Gott zu vergessen. Wenn die Gesellschaft Gott vergisst, geht Entscheidendes verloren. Und mit der Botschaft von der Auferstehung ist es zurzeit nicht viel anders als bei Paulus in Athen: Darüber wollen wir dich ein andermal hören… Es gibt inzwischen nachdenkliche Stimmen, die einen gewissen Phantomschmerz artikulieren: Mit dem Verlust der Auferstehungshoffnung entsteht ein Sinn-Vakuum, das nicht gefüllt werden kann. Ein gewisser Salon-Atheismus findet es schick, zur Religion auf ironische Distanz zu gehen, ohne sich der Abgründigkeit letzter Fragen wirklich zu stellen. Wird am Ende alles nur ein flüchtiges Spiel gewesen sein? Bleibt etwas - oder versinkt alles im gefräßigen Abgrund des Nichts? - Ich glaube, dass es im Menschen spontane Abwehrreaktionen gegen die Verzweiflung gibt. Machen wir nicht in gelungener Freundschaft und Liebe eine Erfahrung, die ein Sinnversprechen enthält, das auf Dauer zielt? Kennen wir nicht die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, dass die Täter nicht auf Dauer über ihre Opfer triumphieren?  

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Bischof Reinhold ist für mich ein Deuter der scheinbar kleinen und unscheinbaren Dinge, ein Deuter des Alltags. Unter dem Staub verbirgt sich ein goldener, göttlicher Hintergrund, in der Entlegenheit eines Gletscherhahnenfusses erschließt sich Lebens- und Überlebenskraft. Bischof Reinhold ist einer, der die Trümmer der Vergangenheit zusammenfügt. Erinnerung hat eine versöhnende Kraft und ist das Gegenteil von Gleichgültigkeit. Mit seinem Gehen auf die Berge hat er auf den verwiesen, der von sich sagt: „Ich bin der Weg.“ In einer Predigt am Ostersonntag hat er die Botschaft von der Auferstehung aus der Mathematik, aus der Mengenlehre her erläutert: Da ist das Vorzeichen entscheidend: steht vor der Klammer ein Plus oder ein Minus.

Die Auferstehung Jesu ist das große Plus vor der Gemengelage unseres Lebens.  

Kaplan Ludwig Penz, fast blind, aber mit unheimlich wachen anderen Sinnen, sah seine Aufgabe in der Begegnung, Begleitung und Lebensgemeinschaft mit der Jugend. Sein Leitwort:

Mit meinem Gott überspringe ich Mauern. Er hat junge Menschen ermutigt und wahre Felsblöcke aus der Begegnung zwischen den Generationen weg geräumt.  

Die Enthüllung der religiösen Symbole soll helfen, wieder besser zu sehen, mit österlichen Augen: „Gott, gib uns Osteraugen, die im Tod bis zum Leben zu sehen vermögen, in der Schuld bis zur Vergebung, in der Trennung bis zur Einheit, in den Wunden bis zur Herrlichkeit, im Menschen bis zu Gott, in Gott bis zum Menschen, im Ich bis zum Du.“ (Klaus Hemmerle)  

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